Protocol of the Session on November 7, 2003

Wir gehen bis zum Jahr 2007 systematisch an alle Ausgabenbereiche des Landeshaushalts, und zwar nicht mit dem Rasenmäher, sondern unter besonderer Beachtung der sozial Schwachen, die wir bei Belastungen, so weit es geht, ausnehmen – wie bei den Kitagebühren und beim Schulbuchkauf. Das macht übrigens auch, liebe Frau Klotz, den Unterschied zur rotgrünen Bundespolitik. Deshalb sind gegen die Reformen von Rot-Grün Hunderttausend auf die Straße gegangen, und nicht gegen die Politik von Rot-Rot in Berlin, weil es ungerecht ist, die Besserverdienenden zu entlasten und die Schwachen zu bestrafen.

[Beifall bei der PDS]

[Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Die anderen Länder haben auch Verfassungen!]

[Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Wir sind hier nicht in der Volkskammer, Herr Liebich!]

Der Senat von Berlin ist aufgefordert, seinen Haushaltsentwurf zu überarbeiten und dabei zu prüfen, wie die nun neu notwendig gewordene Begründungspflicht erfüllt wird. Dabei – die Ehrlichkeit gebietet, das auch festzustellen – steht nicht nur die Prosa, sondern auch die Substanz zur Disposition. Ich bin jedoch überzeugt, dass unser Sanierungsplan im Grundsatz gut begründbar ist und damit auch verfassungsgemäß.

[Zuruf von der FDP: Prima!]

Nun steht es jeder Opposition der Welt frei, dies zu bezweifeln und gegebenenfalls, Herr Lindner hat das schon angekündigt, erneut vor Gericht zu ziehen. Aber Sie werden doch verstehen, dass wir in diesen sehr harten Auseinandersetzungen auch vor den Berlinerinnen und Berlinern von Ihnen ganz konkret wissen wollen, was Sie dort in Frage stellen wollen. Nicht allgemein – der doofe Senat, der zu blöd ist, einen Haushalt aufzustellen –, ganz konkret wollen wir wissen: Was wollen Sie dort in Frage stellen? Ob Sie meinen, dass die Berliner Sozialhilfe auf Brandenburger Niveau abgesenkt werden soll. Wir wollen wissen, ob Sie finden, dass das Berliner Kitaangebot auf das bundesgesetzlich Vorgeschriebene – vier bis sechs Stunden Betreuung für drei- bis sechsjährige Kinder – reduziert werden soll.

[Zuruf von der FDP: Ja!]

Ich finde es etwas billig vom Senator Harald Wolf, mit derart konkreten Kürzungsvorschlägen vorzupreschen. Allerdings fiele mir noch einiges an Fragwürdigem ein, was Rot-Rot sich noch leistet. – Frage: Nämlich? – Antwort: Ich will jetzt nicht den gleichen Fehler machen, den ich Herrn Wolf vorwerfe.

Sehr bezeichnend, Herr Zimmer. Und gestatten Sie mir jetzt einmal eine Frage aus der Rubrik: „Was macht eigentlich?“ – Was macht eigentlich Ihr Alternativhaushalt? Großspurig angekündigt haben Sie ihn, und ich bin gespannt, wann Sie ihn vorlegen werden und ob der dann eigentlich verfassungsgemäß ist.

Diese Auseinandersetzung müssen wir dann sehr hart führen. Ich halte unseren Sanierungsplan für hart, aber sozial gerecht, und ich halte ihn für verfassungsgemäß.

[Dr. Lindner (FDP): Schön für Sie!]

Und, das kann ich mir jetzt auch nicht sparen, es ist schon bitter, dass ausgerechnet die CDU die Frechheit besitzt, denen, die als Erste den Ausbruch aus dem Teufelskreis von Schuldenmachen, Zinsen bezahlen, neuen Schulden machen, um die Zinsen zu bezahlen, dass Sie der ersten Regierung, die den Ausbruch daraus versucht, Verfassungsbruch vorwirft.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Zurufe von der CDU]

Sie von der CDU haben weder Herrn Meisner noch Herrn Pieroth noch Herrn Kurth das Misstrauen ausgesprochen. Bei Frau Fugmann-Heesing sind Sie schon ein bisschen grummlig geworden, aber bei Herrn Sarrazin fällt Ihnen das jetzt ein. Ich finde so eine Selbstverleugnung der eigenen Rolle in der Vergangenheit überaus schäbig.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Dass die FDP dabei mitmacht, kann man verstehen. Herr Linder lässt sich eben keine Schlagzeile entgehen, um sein persönliches Projekt 18 zu schaffen, nämlich dass mindestens 18 % der Berlinerinnen und Berliner seinen Namen und sein Gesicht kennen.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS und der SPD]

Aber was die Grünen getrieben hat, sich Herrn Steffel und Herrn Lindner anzuschließen, das wird mir ein Rätsel bleiben. Denn was gilt nun als Plan der Steffel-LindnerKlotz-Koalition? Gilt Herr Hoffmann von der CDU, der noch letzte Sitzung die Weihnachtsgelder für die Beamten erhöhen wollte?

[Hoffmann (CDU): Für die einfachen Beamten!]

Oder Herr Lindner von der FDP, der den öffentlichen Dienst wohl am liebsten mit der Kettensäge verkleinern möchte? Oder Herr Schruoffeneger, der bei den aktiven Beamten uns kritisiert, dass wir nicht genug differenzieren, und bei den Beamten im Ruhestand gleich ganz differenziert alles wegstreicht? Gelten Frau Ströver oder Frau Grütters, die alle kulturellen Einrichtungen des Landes erhalten und möglichst noch deren Etat erhöhen wollen? Gilt Herr Zimmer, der sich manchmal in leisen Stunden mutig traut, etwas in Frage zu stellen? Sollen wir nun alle öffentlichen Beteiligungen verkaufen, wie es Herr Lindner und Herr Ratzmann fordern? Sollen wir es lassen, wie es die CDU-Fraktion oder der Grüne Landesvorstand fordern? Oder, oder, oder? Nun können Sie alle im Chor rufen, Sie seien nicht die Regierung und das sei nicht Ihre Aufgabe.

[Wellmann (CDU): Sie regieren doch!]

Stimmt! Richtig, wir regieren, und wir werden auch weiterregieren, weil wir nämlich im Gegensatz zu Ihnen einen Plan haben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das Hübscheste, Kollege Müller, muss ich einfach noch einmal zitieren, es war so schön. Herr Zimmer diese Woche in der „Berliner Zeitung“, ich weiß, Sie haben es alle schon gehört, aber es lohnt sich, es noch einmal vorzulesen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende, Herr Zimmer, hat es in seinem Interview folgendermaßen beschrieben:

Wunderbar!

[Gelächter bei der PDS – Beifall bei der PDS und der SPD]

Die Fraktion der Grünen scheint von der Wirkung des Urteils so geschockt zu sein, dass sich totale Verwirrung breit macht. Herr Ratzmann meinte nach der Verkündung des Urteils – wahrscheinlich hatte er ein anderes Urteil zugesandt bekommen –:

Wir erwarten jetzt vom Senat Vorschläge, welche Investitionsvorhaben zusätzlich angegangen werden sollen und wie diese finanziert werden können.

Wunderbar, Herr Ratzmann! Es ist ja auch nicht Ihre Aufgabe, sich darum Gedanken zu machen.

Ein Wort zum Schluss zu Ihren Misstrauensanträgen. Mich erschüttert schon, mit welcher Leichtigkeit Sie diese an den Lebensnerv Berlins gehende Debatte hier führen. Da rührt die Steffel-Lindner-Klotz-Koalition einen Brei aus allem möglichen Zeug zusammen, was sie schon immer mal sagen wollte, und schreibt Misstrauensantrag darüber. Hier eine Prise fehlender Mentalitätswechsel, da ein Löffelchen politische Unkultur, dann ein bisschen Geningel wegen unnötiger Vergabe von Gutachten, dann noch schnell Bielka und Pasternack in einen Topf geworfen und einmal umgerührt. Mir fehlte, ehrlich gesagt, nur noch das traurige Schicksal der Elefantenkuh Rani.

[Lachen bei der PDS – Beifall bei der PDS und der SPD]

Sie glauben doch nicht im Ernst, dass irgendein Vertreter von SPD oder PDS diesem Unsinn seine Zustimmung geben wird, und trotzdem inszenieren Sie dieses Theater. Ich finde das der Lage Berlins nicht entsprechend, und ich halte die Situation Berlins nach dem Urteil, das Sie herbeigeführt haben, für bitter ernst.

[Zuruf von der CDU: Sie haben den Haushalt aufgestellt!]

Ja, ja!

Ich möchte bei Ihnen gar nicht erst Zweifel aufkommen lassen: Es war zwingend erforderlich, Ihrer Amokfahrt in den fiskalischen Wahnsinn endlich die Kelle zu zeigen. Es war zwingend erforderlich, den Gang vor das Verfassungsgericht anzutreten. Es war wohltuend, die klaren Worte des Verfassungsgerichts zu hören, die rotrote Koalition hat die Verfassung gebrochen. Das hat das Verfassungsgericht mit dankenswerter Klarheit festgestellt.

Wenn Sie meinen, meine Damen und Herren von der SPD – das muss man jetzt wohl sagen, weil die PDS inzwischen eine Rolle rückwärts gemacht hat –, Sie könnten nach einem solchen Urteil einfach zur Tagesordnung übergehen, verkennen Sie die Bedeutung dieses Richterspruchs.

Das ist nicht das Ergebnis eines juristischen Kolloquiums, sondern ein Unwerturteil über Ihren Umgang mit der Berliner Verfassung, über Ihre Leichtfertigkeit, mit der Sie den Finger gehoben haben, ohne den verfassungsrechtlichen Bedenken, die hier in epischer Breite in unzähligen Beiträgen vor der Verabschiedung des Haushalts 2002/2003 vorgetragen wurden, Rechnung zu tragen.

Sie wollten nicht hören. Jetzt mussten Sie fühlen.

Nun ein kleines Gedankenspiel zum Schluss. Was würden Sie denn eigentlich tun, wenn wir von der PDS jetzt Ja sagen würden, wenn diese Koalition jetzt und hier ihr Ende besiegeln würde? – Dann würde Ihre SteffelLindner-Klotz-Koalition real gefragt sein und würde sich als das zu erkennen geben, was sie ist: eine politische Seifenblase, die sehr schnell zerplatzt.

[Dr. Heide (CDU): Das könnt ihr ja mal ausprobieren!]

Die Berlinerinnen und Berliner müssen sich darum keine Gedanken machen. SPD und PDS sind sehr wohl in der Lage, bei der Haushaltsaufstellung die Fehler, die wir 2002/2003 gemacht haben, einzuräumen und jetzt nicht zu wiederholen. Wir werden an unserem Sanierungsplan festhalten und damit den Weg zur Zurückgewinnung der Handlungsfähigkeit für unsere Stadt fortsetzen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Das Wort für die Grünen hat nunmehr Herr Ratzmann. Bitte schön, Herr Ratzmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Liebich! Man hätte den Eindruck haben können, dass Sie sich hier wirklich der Situation stellen, die diese Stadt nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts bewegt. Im Gegensatz zur SPD haben Sie sogar die Größe bewiesen zu konstatieren, dass dieses Urteil eine Krise in dieser Stadt treffend festgestellt hat. Sie sind im Abgang Ihrer Rede dieser Krise überhaupt nicht mehr gerecht geworden. Dem, was Sie an politischer Debattenkultur, an Ideenwettstreit, zu dem wir jetzt durch das Landesverfassungsgericht aufgefordert worden sind, einfordern, sind Sie nicht gerecht geworden.

Herr Müller, wenn Sie in Ihrer polemischen Art meinen, Ratschläge darüber erteilen zu können, wie man mit dem Beschluss einer Landesversammlung umgeht, sind Sie der Letzte, der das tun könnte. Sie sind doch nicht nur außer Stande, mit der Verfassung umzugehen, sondern waren auf dem letzten Parteitag noch nicht einmal in der Lage, mit Ihrer eigenen Satzung umzugehen, wenn Herr Strieder nicht eingegriffen hätte. Sie sind nicht einmal in der Lage, einen widerspruchsfreien Beschluss zu formulieren!

Wir hätten uns gewünscht, dass von Seiten der SPD endlich einmal ein Wort gesagt wird, dass auch sie Teil der großen Koalition gewesen ist, dass es nicht nur ein Wegschieben von der Verantwortung gibt, sondern auch Senatoren aus Ihren Reihen gegeben hat, die dazu beigetragen haben, Milliarde auf Milliarde zu häufen und den Schuldenberg aufzuhäufen, den das Landesverfassungsgericht jetzt in seine Betrachtung mit einbeziehen musste.

Sie sind Teil des Problems gewesen, mit dem wir uns heute auseinandersetzen müssen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]