Protocol of the Session on September 25, 2003

b) Dringliche II. Lesung

Gesetz zur Eingliederung der Berufsakademie in die Fachhochschule für Wirtschaft Berlin

Beschlussempfehlung WissForsch Drs 15/2059 Antrag der SPD und der PDS Drs 15/1523

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der insgesamt drei bzw. vier Artikel miteinander zu verbinden. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel in den Anträgen mit den Drucksachen 15/1029 und 15/1523.

Eine Beratung ist wiederum nicht vorgesehen, und wir können deshalb gleich abstimmen. Zum CDU-Antrag empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Fraktion der CDU die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist die Fraktion der CDU! Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen! Enthaltungen? – Dann ist das bei Gegenstimmen der CDU abgelehnt.

Zum Antrag von SPD und PDS empfiehlt der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung der Fraktion der CDU die Annahme mit Änderungen gemäß Beschlussempfehlung Drucksache 15/2059. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die

Vizepräsident Dr. Stölzl

Mit diesem Mittelstandsfördergesetz wollen wir die bestehenden Wirtschaftsfördermittel bündeln, den Bürokratiedschungel transparenter, übersichtlicher und damit mittelstandsfreundlicher gestalten. Hinzu kommen eine Reihe von Maßnahmen, die in ihrer Summe dazu beitragen werden, die Wirtschaft Berlins voranzubringen und neben der Sicherung bestehender auch neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Bei der Begleichung von Rechnungen muss der Staat eine Vorbildfunktion einnehmen. Deshalb schreibt dieses Gesetz die Beschleunigung des Zahlungsverkehrs vor. Rechnungen sind innerhalb von vier Wochen zu prüfen und zu begleichen. Somit sollen Liquiditätsengpässe von Unternehmen auf Grund staatlicher Einflussnahme vermieden werden. Die Vergabe öffentlicher Aufträge wird zukünftig transparenter und flexibler gestaltet, indem Nachunternehmererklärungen von Generalunternehmen gefordert werden können und die Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen auf 250 000 € erhöht werden. Die wechselseitige Anerkennung von Unternehmer- und Lieferantenverzeichnissen wird zu mehr fairem Wettbewerb in der Baubranche und auch in anderen Branchen führen.

Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das Gesetz zur Eingliederung der Berufsakademie Berlin in die Fachhochschule für Wirtschaft Berlin einstimmig bei Enthaltung der CDU so angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 7:

I. Lesung

Gesetz zur Mittelstandsförderung

Antrag der CDU Drs 15/2001

Ich eröffne die I. Lesung. Die Fraktion der CDU hat die Beratung gewünscht. Nach der Geschäftsordnung steht den Fraktionen für die Beratung jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort hat der Kollege Kai Wegner. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer in diesem Hause will bestreiten, dass der Mittelstand auch in Berlin die tragende Säule unserer Volkswirtschaft ist, und wer will bestreiten, dass wir gerade unser politisches Augenmerk auf die Stärkung des Mittelstandes richten müssen, wenn wir aus der schweren strukturellen Wachstums- und Beschäftigungskrise in Berlin wieder herausfinden wollen?

Die Stimmung der Berliner Unternehmen ist schlecht. Über alle Branchen hinweg beurteilen die Unternehmen ihre Lage deutlich schlechter als zu Jahresbeginn. Seit der Regierungsübernahme des rot-roten Senats sinkt das Bruttoinlandsprodukt konstant.

[Frau Dr. Hiller (PDS): Und an wem liegt das?]

Berlin verliert deutlich an Wirtschaftskraft und hält nunmehr bundesweit die rote Laterne. Die damit einhergehende Verschlechterung am Arbeitsmarkt ist dramatisch. Weit über 300 000 Arbeitslose sind das Ergebnis.

[Doering (PDS): Wie lange hat denn Berlin schon einen rot-roten Senat?]

Doch der Regierende Bürgermeister schweigt. Kein einziges Wort zur wirtschaftlichen Lage in Berlin. Kein einziges Wort darüber, wie wir mehr Wachstum und Beschäftigung erreichen können. Der zuständige Wirtschaftssenator Wolf,

[Gram (CDU): Ist gar nicht da!]

allein gelassen vom Regierenden Bürgermeister, beschränkt sich weitestgehend auf Ankündigungen. Viele Probleme erkennt und benennt dann auch der Senator. Er hat wahrlich sehr viele Baustellen, doch die Richtfeste blieben bislang leider aus.

Die Berliner CDU-Fraktion legt Ihnen heute einen Gesetzesentwurf vor, der die Förderung von kleineren und mittelständischen Unternehmen zu einem Hauptziel staatlichen Handelns macht.

[Beifall bei der CDU]

Wesentliche Bereiche der Wirtschaftsförderung werden durch dieses Gesetz normiert. Kernidee ist die Subsidiarität staatlichen Handelns gegenüber unternehmerischer Eigenverantwortlichkeit. Der Staat muss der Wirtschaft Freiräume zur Entfaltung geben und muss zurücktreten, wenn private Firmen eine effizientere und weniger bürokratische Leistungserstellung ermöglichen als öffentliche Unternehmen.

[Beifall bei der CDU]

Die Bekämpfung der Schwarzarbeit und die flexible Anpassung arbeitsrechtlicher Regelungen an die wirtschaftliche Situation werden erstmals ausdrücklich normiert und so zu Zielen staatlichen Handelns erhoben.

Das Gesetz wird mit einer Befristung von fünf Jahren versehen, um den Gedanken der Deregulierung und Entbürokratisierung in Berlin Rechnung zu tragen. Das Mittelstandfördergesetz ist sicher nicht die alleinige Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Stadt, aber es hilft den kleinen und mittelständischen Unternehmen und schafft die Voraussetzung, um die bekannten Probleme endlich angehen zu können.

Meine Damen und Herren von der Regierung, diskutieren Sie mit uns in den Ausschüssen und heute ergebnisoffen über unseren Vorschlag! Er ist unser Angebot an Sie, gemeinsam der Wachstums- und Beschäftigungskrise in Berlin zu begegnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Die SPD setzt nun die Rederunde fort. Das Wort hat der Kollege Krug. – Bitte schön!

Wir müssen erkennen, dass es keinen Königsweg gibt. Es bedarf vieler Initiativen, um die mittelständische Wirtschaft in Schwung zu bringen, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Die Bundesregierung tut das, und wir tun das hier im Land. Wir setzen auf gezielte Wirtschaftsförderung, auf eine aktive Landesstrukturbank, eine offensiv akquirierende One-Stop-Agency, auf die Vernetzung der regionalen Wirtschaftseinheiten und den Aufbau von Clustern im Umfeld der großen Konzerne. Wir sind für die Durchsetzung der neuen Handwerksordnung – dazu hätten Sie auch ein Wort sagen können –, um Existenzgründungen zu erleichtern. Wir wollen die Bündelung von Kreditprogrammen, Erleichterung beim Selbständigmachen der Ich-AGs, um Schwarzarbeit einzudämmen. Nichts davon enthält Ihr Gesetzentwurf. Wir sehen die Chancen der Osterweiterung. Wir sind für ein erfolgreiches Standortmarketing. Wir wollen die Unterstützung der ethnischen Ökonomien und die Nutzung aller Fördermöglichkeiten für den Berliner Mittelstand. Das sind die richtigen Wege, um den Mittelstand nachhaltig zu stärken. Das ist Mittelstandspolitik.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Wegner, das, was Sie heute geboten haben, haben wir schon oft gehört.

[Henkel (CDU): Aber nicht von Ihnen!]

Wir saßen zusammen auf dem Podium und haben darüber diskutiert. Es ist identisch mit dem, was Sie schon vor drei, vier Wochen sagten. Es wird durch die Wiederholung nicht wahrer. Keiner bestreitet die Bedeutung des Mittelstandes für Berlin. Wir wissen alle, dass der Mittelstand das Rückgrat unserer Wirtschaft ist. Deswegen hat er auch eine ganz besondere Beachtung und Engagement verdient. Sie wissen, dass sich der Wirtschaftssenator und der Regierende Bürgermeister in besonderem Maß für den Mittelstand einbringen.

[Gram (CDU): Sie sind die größten Mittelstandsfeinde, die es gibt!]

Wir sehen es allerdings als Aufgabe der Politik, gute Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Unternehmen erfolgreich wirtschaften und am Markt bestehen können. Wir wissen, dass wir in Berlin durch den strukturellen Wandel vor ganz besonderen Herausforderungen, aber auch vor großen Chancen stehen. Da hilft es nicht, dass Sie das kaputtreden.

Wofür brauchen wir in Berlin ein Mittelstandsgesetz? Wofür denn, wenn die Förderung des Mittelstands sowieso schon das Regierungshandeln bestimmt? – Das bleibt allein das Geheimnis der Urheber. Der CDUGesetzentwurf widerspricht eindeutig den Deregulierungsbemühungen. Es wird ein neues Gesetz geschaffen, das nichts regelt, was der Gesetzesform bedarf. Das kann alles auch auf anderem Weg geregelt werden. Zudem ist vieles schon geregelt worden. Ihr Gesetz hat viel Bekanntes und viele Allgemeinplätze. Es ist nur ein opulentes Werk, das wenig hilfreiche Antworten – besonders in den entscheidenden Finanzierungsfrage – gibt. Sie sagen, das Hauptziel Wirtschaftsförderung sei jetzt erkennbarer, der Zahlungsverkehr werde transparenter. – Das sind Bundesgesetze. Wollen wir denn immer neue Gesetze schaffen, um ein Gesetz zu bestätigen?

Ich muss Ihnen allerdings bescheinigen, dass Sie etwas Neues haben, und zwar wird festgeschrieben, dass die berührten Landesorganisationen mit der Wirtschaftsverwaltung nunmehr über Art und Umfang aller Fördermaßnahmen zu entscheiden haben. Was ist denn da noch Aufgabe der Verwaltung oder des Senators? Wie soll das funktionieren? Ist das Ihre Form von Bürokratieabbau? – Es wird noch viel toller: Sie sagen sogar, dass die Fördermaßnahmen in der Regel die Organisationen der Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft und nur ausnahmsweise die Einrichtungen des Landes zu berücksichtigen haben. Haben wir hier nicht über die Zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle und die One-Stop-Agency gesprochen? – Im Wirtschaftsausschuss haben Sie, Herr Wegner, darauf positiv reagiert.

Was ist mit der IBB? – Die haben Sie in Ihrem Gesetz nicht berücksichtigt. Es wird sogar noch verworrener,

wenn Sie festlegen wollen, dass das Land Rückbürgschaften für Bürgschaftsverpflichtungen von Selbsthilfeeinrichtungen zu Gunsten von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft eingehen soll. Im Klartext sollen Kredite vergeben werden, die der Staat absichert: Privat verteilt, und die Rückversicherung übernimmt der Steuerzahler. – Das haben wir zu Genüge gehabt. Wir wissen, wohin das führt. So kann es nicht gehen, auch wenn es einige Ansätze gibt, über die man diskutieren kann. Das werden wir im Ausschuss tun.

Abschließend ist einzuschätzen, dass das Mittelstandfördergesetz der CDU mehr ein Fördergesetz für den Ausbau der Bürokratie ist. Es baut Widersprüche zu den Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft auf, die selbstverständlich eine wichtige Arbeit für die mittelständische Wirtschaft leisten. Es ignoriert leider viele der Instrumente, die für die mittelständische Wirtschaft in Berlin geschaffen wurden und die im Land schon wirken. Der detaillierten Sachdiskussion zum Thema Mittelstandsförderung im Ausschuss sehe ich mit großen Interesse entgegen. Wir haben dazu eine Menge beizutragen. Wir tun eine ganze Menge. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, aber nicht mit einem solch aufgeblasenen Gesetz, hinter dem nichts steckt. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege! – Herr Kollege Wegner erhält das Wort für eine Kurzintervention. – Bitte schön!

Herr Krug, wenn Sie mir im Zusammenhang mit unserem Antrag Populismus vorwerfen, dann frage ich mich, was Sie gerade getan haben. Ich habe deutlich gesagt, dass unser Mittelstandsfördergesetz sicher nicht die alleinige Lösung der Probleme ist und es ein Angebot an Sie ist, dem Mittelstand in Berlin zu helfen. Ich habe nicht in Frage gestellt, dass in diesem Haus

Zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele... stellt [das Land] Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich frage mich, für welches Land Sie dieses Gesetz geschrieben haben. Was soll dieses Land aus dem Haushalt zur Verfügung stellen? – Dann wird es aus meiner Sicht noch dreister – Herr Krug hat es bereits vorweggenommen –, § 7 sagt:

daran geglaubt wird, dass der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaftskraft Berlins ist.