Protocol of the Session on September 25, 2003

Bitte, Frau Senatorin!

Herr Wieland, ein Halbzitat ist immer gut. Ich habe gesagt: Es ist in der PDS noch viel zu wenig gewürdigt worden, dass es auch einen Wert hat, Schlimmeres zu verhindern. – Dazu stehe ich, weil das auch ein Stück Widerstand gegen viele Forderungen, die auf dem Tisch liegen, zum Ausdruck bringt. Alle diejenigen, die meinen Haushaltsbereich, mein Ressort kennen, haben eine Anlage zur Kenntnis genommen, die aus dem Haus der Finanzverwaltung an die Bezirke ging und Vorschläge zur Einsparung in meinem Bereich enthielt. Alle, die sich das jetzt ansehen, welche Entscheidungen getroffen wurden, wissen, dass das so nicht eingetreten ist. Das verstehe ich darunter, Schlimmeres zu verhindern.

[Zurufe von den Grünen – Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne): Schlimmeres zu verhindern bedeutet, Sarrazin zu verhindern!]

Herr Wieland, Sie haben eine Nachfrage. – Bitte!

Ihr Bundesvorsitzender, Lothar Bisky, hat neulich gesagt – ich bitte um Entschuldigung, es ist sein Sprachgebrauch –, die PDS sei kernrot, und die SPD sei schlüpferrosa.

[Allgemeine Heiterkeit]

Deswegen noch einmal anders gefragt: Was war denn an der Regierungstätigkeit der letzten eineinhalb Jahre kernrot?

Bitte, Frau Senatorin!

[Beifall bei der PDS]

Ich habe gerade versucht, einen Teil dieser Regierungsarbeit zu benennen. Ich halte es für einen wichtigen Teil. Zumal in einer Zeit, in der es kaum mehr Kräfte gibt – auch auf der Bundesebene, wobei ich die Grünen einbeziehe –, die in der Lage sind, Schlimmeres zu verhindern.

[Beifall bei der PDS]

Damit rufe ich auf

lfd. Nr. 2:

Aktuelle Stunde

Sanierungskonzept für die BVG

Antrag der SPD, der CDU, der PDS, der FDP und der Grünen

Dieses gemeinsame Thema wird ohne Anrechnung auf die jeweiligen Kontingente der Fraktionen behandelt. – In der ersten Rederunde mit bis zu 10 Minuten Redezeit pro Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Gaebler von der Fraktion der SPD das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berliner Verkehrsbetriebe bewegen die Menschen in der Stadt. Dies gilt einerseits für die vielen Linien, auf denen täglich mehr als 2 Millionen Fahrgäste durch dien Stadt fahren, und andererseits auch für die Diskussion um die Zukunft der BVG – einem Unternehmen, das für viele untrennbar mit Berlin verbunden ist.

Zwei Tage vor dem 50. Todestag von Ernst Reuter erinnere ich daran, dass er es war, der zum 1. Januar 1929 den Zusammenschluss verschiedener Spartenverkehrsgesellschaften zur BVG betrieben und durchgesetzt hat,

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

eine damals wie heute wichtige Voraussetzung für ein leistungsfähiges, integriertes Angebot im Nahverkehr. Mit diesem Bewusstsein sollten wir auf einen kleinteiligen parteipolitischen Streit verzichten und eine ernsthafte Debatte um die Zukunft dieses Erbes führen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Diese Klarheit haben wir uns 1999 vom Sanierungskonzept BSU 2000 und dem Unternehmensvertrag versprochen. Angesichts der Abgeordnetenhauswahl im Oktober 1999 wurden allerdings viele Bedenken zur Belastbarkeit des Zahlenwerks und zur Umsetzung der geplanten Sanierungsmaßnahmen zurückgestellt. Der BVGVorstand und die Senatsverwaltung für Wirtschaft haben anschließend – trotz heftiger Kritik aller Fraktionen im Hauptausschuss – lange eine transparente Berichterstattung zur Umsetzung des Sanierungsprogramms verhindert. Erst nach dem Bruch der großen Koalition war eine seriöse Analyse möglich.

Dieser Senat und die Koalitionsfraktionen stehen zu der Verantwortung, die sie für die Stadt und die landeseigenen Unternehmen – inklusive BVG – übernommen haben. Das tun sie aber nicht mit wohlfeilen Reden und dem üblichen folgenlosen Lamento, sondern durch klare Vorgaben und entschlossenes Handeln. Wir wollen das Unternehmen nicht kaputtreden und auch nicht durch weiteres Zuwarten in die Handlungsunfähigkeit treiben lassen. Deshalb hat der Senat jetzt eine klare Frist gesetzt. Bis Ende Oktober müssen die Hausaufgaben gemacht werden.

Dabei sind die verschiedenen Interessenlagen zu berücksichtigen: Das sind die Anforderungen der BVGFahrgäste, die Bedürfnisse des Personals und – wie überall – die Rahmenbedingungen des Landeshaushalts. Die BVG ist außerdem ein wichtiger Auftraggeber für viele Betriebe in Berlin und damit ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Zudem bildet die BVG jährlich mehrere hundert Auszubildende aus und leistet damit einen Beitrag zur Zukunft der Jugendlichen. Es gilt, das zu würdigen und zu erhalten.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Mit 9 U-Bahnlinien, 28 Straßenbahnlinien, 160 Buslinien und 6 Fähren bietet die BVG zusammen mit der S-Bahn und der Regionalbahn rund um die Uhr ein ÖPNV-Angebot. 800 Millionen Fahrgäste aus Berlin, Brandenburg und der ganzen Welt nutzen jährlich das leistungsfähige, zuverlässige BVG-Nahverkehrsnetz. Hier ist Berlin Weltstadt. Das ist auch die Leistung der Kolleginnen und Kollegen vor Ort, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich für ihren täglichen Einsatz danke.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die Fahrgäste sind Qualität, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit des Angebots unverzichtbar. Auch in Zeiten knapper Kassen muss mit Augenmaß agiert werden. Es muss zwar künftig stärker darauf geachtet werden, wie Angebote von den Fahrgästen genutzt werden, um weniger leere Sitze durch die Stadt zu kutschieren. Züge werden kürzer und Busse seltener fahren. Bei Umstrukturierungen des Liniennetzes oder Veränderungen in der Bedienungshäufigkeit darf es aber nicht zum Abhängen ganzer Stadtquartiere vom Netz kommen. Die Flächenerschließung des Stadtgebiets muss gewährleistet bleiben. Zur Zeit ist kein Unternehmen in der Lage, ein flächendeckendes ÖPNV-Angebot in der Qualität zu gewährleisten, wie es die BVG tut. Das sollten sich auch die ins Stammbuch schreiben, die sich für schnelle Privatisierungen und Ausschreibungen aussprechen. Das ist aber kein Freibrief und kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen. Bis 2007 werden sich die Voraussetzungen ändern. Die BVG muss sich dem Wettbewerb stellen.

[Eßer (Grüne): Es gibt doch gar keinen!]

Zum Landeshaushalt: Die Haushaltsnotlage ist bekannt. Zudem musste die BVG schon in den vergangenen Jahren mit sinkenden Zuschüssen auskommen: 1993 erhielt die BVG noch 767 Millionen €. Im Jahr 2003 sind es nur noch 420 Millionen € – und das bei weitgehend gleich gebliebenen Leistungen. Einen entsprechenden Konsolidierungsbeitrag würden wir uns von vielen anderen Einrichtungen im Land Berlin wünschen.

Zum Personal: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren viel geleistet. So ist das Personal innerhalb von 12 Jahren von 28 000 auf 13 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduziert worden. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wurde durch eine enorme Steigerung der Produktivität erhalten und ausgebaut. Diese Kolleginnen und Kollegen haben

Anspruch auf Klarheit, was mit ihren Arbeitsplätzen passiert und wie sich ihre Arbeitsbedingungen verändern.

[Cramer (Grüne): Das glauben Sie doch selbst nicht!]

[Eßer (Grüne): Wie denn?]

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt müssen Konsequenzen aus den düsteren Bilanzzahlen gezogen werden.

Wir werden uns auf Veränderungen bei der BVG einstellen müssen. Eine neue Struktur des Unternehmens mit der Anstalt öffentlichen Rechts als Kern und einer Reihe von Tochtergesellschaften ist unumgänglich. Es wird auch keine Neueinstellungen in die Anstalt mehr geben können. Personalabbau und Kostenreduzierung sollen durch ein zeitlich befristetes und nachvollziehbares Angebot für Abfindungen und Überleitungsprämien vorangetrieben werden. Eine pauschale Übertragung des Solidarpakts im öffentlichen Dienst auf die BVG lehnen wir allerdings ab, denn dies führte u. a. zum sofortigen Ausfall von rund 10 % der Fahrten, da durch die Arbeitszeitreduzierung nicht mehr genug Fahrer zur Verfügung stünden. Hier muss es auf den Betrieb zugeschnittene eigene Lösungen geben, bei denen das Personal seinen Beitrag zur Sanierung des Unternehmens leistet. Bei allen diesen Veränderungen, die vor allem die Beschäftigten zu tragen haben, ist es wichtig, dass auch die Führungsetage der BVG ihren Beitrag leistet.

[Schruoffeneger (Grüne): Der Finanzsenator ist schon gegangen! Er kann das Geseire nicht mehr ertragen!]

Herr Schruoffeneger, Sie werden hier nachher auch etwas sagen, und ich werde Ihnen aufmerksam zuhören, aber Sie sollten denen, die sich Gedanken um das Unternehmen machen und sagen, worauf es bei dieser Diskus

An Substanzmangel steht sie dem, was Herr Landowsky als Arbeiterführer aufgeführt hat, in nichts nach. Ihr Kollege Kaczmarek, der noch reden wird, ist da in der Regel etwas kompetenter. Insofern werden wir uns da vernünftig weiter unterhalten können. Es hat keinen Sinn, Schuldzuweisungen vorzunehmen und zu sagen: Jetzt kommen von einzelnen Abgeordneten die tollen Konzepte. – Wir alle, wie wir hier sitzen, sind nicht in der Lage, alleine die Probleme zu lösen, und wir haben auch nicht die Patentrezepte.

Wenn Sie mir richtig zugehört hätten, hätten Sie die Problembeschreibung auch gehört. Ich habe das bereits ausführlich geschildert. Ich stelle Ihnen das Manuskript der Rede gerne zur Verfügung.

sion ankommt, nicht so entgegentreten. Das gehört sich nicht!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der FDP]

Auch Ihnen dürfte bekannt sein, dass für dieses Unternehmen der Wirtschaftssenator zuständig ist. –

[Zuruf des Abg. Czaja (CDU) – Gram (CDU): Jetzt schieben Sie wieder alles auf die PDS!]

Wir waren gerade bei der Führungsetage der BVG. Auch hier sind eher symbolische Beiträge gefragt. So sollten Fahrten zu internationalen Kongressen nicht mehr den Eindruck von Betriebsausflügen der Vorstandsetage vermitteln, was die Zahl der Mitreisenden und die Programmgestaltung anbelangt.

[Zurufe von den Grünen]

Auch die Selbstverständlichkeit, mit der neue Führungskräfte erst einmal für mehrere Zehntausend Euro neue Möbel bestellen oder Zimmerfluchten umbauen lassen, ist nicht geeignet, Vertrauen in den Willen zum gemeinsamen Verzicht zu schaffen. Nicht zuletzt ist zu fragen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, einen neuen Technikvorstand zu bestellen, wenn der Vertrag des derzeitigen Stelleninhabers noch bis Mai nächsten Jahres läuft.

[Eßer (Grüne): Das waren die ersten drei Milliarden, jetzt weiter!]

Die SPD-Fraktion steht zum Angebot des Landes Berlin an die BVG, an Vorstand und Personalvertretung, das Unternehmen aus eigener Kraft auf den richtigen Weg zu bringen. Dazu reicht es nicht, willkürlich einige Denkansätze auf den Markt zu werfen. Ausgearbeitete schlüssige Konzepte sind notwendig.

[Dietmann (CDU): Na, mach’ doch mal!]