Protocol of the Session on September 11, 2003

Nun zu diesen Anträgen. Der Unternehmensvertrag muss, weil er nicht zu halten ist, überarbeitet werden. Das geht in gegenseitigem Einvernehmen, pacta sunt servanda. Sie können nur zweiseitig verändert werden, und wenn sie nicht eingehalten werden können, dann ist das notwendig. Aber was Sie noch weiter wollen, ist, Parallelverkehre abzuschaffen. Selbstverständlich gibt es Parallelverkehre. Berlin ist so groß wie das Ruhrgebiet. Von Düsseldorf nach Bochum gibt es natürlich Parallelverkehre, den Regionalverkehr, den S-Bahnverkehr, die Busse. Die haben unterschiedliche Funktionen. Man muss nur solche Verkehre stoppen, die dieselbe Funktion ausüben.

Die antragsstellende Fraktion ist die FDP. Damit beginnt sie auch. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Augstin. – Bitte sehr!

Aber Parallelverkehr nur einfach pauschal abzulehnen, das ist das falsche Mittel.

Zum elektronischen Ticketing. Die BVG hat kein Geld, sie kann wichtige Sanierungsprojekte nicht durchführen. Bestimmte Neubaustrecken werden in der Bauphase abgebrochen. Jetzt kommt die FDP mit dem elektronischen Ticketing. Das ist doch nichts anderes als eine verdeckte Vorbereitung zur Fahrpreiserhöhung. Die können Sie billiger haben, dazu brauchen Sie nicht 150 Millionen € zu investieren. Wenn Sie dann noch die Betriebskosten berücksichtigen, Herr Sarrazin, die ich mir in den USA angesehen habe: Auf jedem Bahnsteig brauchen Sie mindestens zwei Kontrollen, damit Schwarzfahren unmöglich wird. Auf 170 Bahnhöfen sind rund 1 000 Leute an Personal nötig. Das sind 25 Millionen €, die Sie allein für die Betriebskosten brauchen, von den Investitionen und der Wartung abgesehen. Wer die BVG zu Grunde richten will,

[Dr. Lindner (FDP): Sie müssen mal in Paris Metro fahren!]

wer im Haushalt die Konsolidierung gefährden will, der muss das elektronische Ticketing einführen. Aber das ist das Letzte, was Berlin braucht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lüdeke?

Nein, das geht doch von der Zeit ab! Herr Lüdeke, im Ausschuss können wir länger reden, ich habe leider nur noch eine Minute und komme deshalb zum Schwarzfahren. Das, was beim Schwarzfahren gelaufen ist, das war Abzocke von Touristen, Abzocke von Leuten, die sich nicht auskennen, das war eine unverschämte Aktion. Die BVG ist viel zu spät darauf eingegangen. Solche kundenfeindlichen Kontrollettis brauchen wir nicht, sie müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Wenn wir Zugangssperren ablehnen, brauchen wir die Kontrollen. Da muss aber sensibler vorgegangen werden. In jeder Stadt ist das öffentliche Nahverkehrssystem anders gestrickt. Wir haben in Deutschland, geschweige denn in Europa, noch kein einheitliches System, wie ich es gern hätte. Die Kontrolleure müssen im Einzelfall entscheiden, ob es wirklich bewusstes Schwarzfahren ist. Das muss abgewogen werden. Selbstverständlich muss Kontrolle sein. Das, was Sie aber vorschlagen, ist wirklich das Letzte. Es war eine Errungenschaft, dass diejenigen, die auf dem Bahnhof sind, auch einen Fahrschein haben müssen, das hat das Schwarzfahren erschwert Ihre Anträge werden wir behandeln. Wir werden sie entweder so verändern, dass sie abstimmungsfähig sind oder abzulehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung aller drei Anträge an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Die lfd. Nr. 22 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 23:

a) Antrag

Pro Berlin und Brandenburg (1)

Antrag der FDP Drs 15/1998

b) Antrag

Pro Berlin und Brandenburg (2) – Status, Funktion und Aufgaben Berlins

Antrag der FDP Drs 15/1999

Für die Beratung steht auch hier eine Redezeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion zur Verfügung.

[Pewestorff (PDS): Geben Sie Ihre Rede zu Protokoll, da machen Sie sich beliebt!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Rede zu Protokoll zu geben wäre sinnvoll, wenn es nicht um ein Grundsatzanliegen dieser Stadt ginge.

[Doering (PDS): Aber hallo!]

Herr Cramer hat es – zumindest in der Hinsicht – bereits in seiner vorherigen Rede gesagt. Ich meine, wir alle haben Grund genug, uns dieser Frage, wie wir zu diesem Land Berlin-Brandenburg kommen, zu stellen. Wenn Herr Cramer abends keine Lust mehr hat, dann sollte er mit dazu beitragen, dass die Tagessordnung so aufgestellt wird, dass solche Grundsatzdinge am Anfang des Plenums mehr zum Tragen kommen.

[Beifall bei der FDP]

„Ohne die Fusion von Berlin und Brandenburg ist die Region als Medienstandort längerfristig nicht wettbewerbsfähig“, erklärt der Medienanwalt Rolf Hammerstein.

[Beifall bei der FDP – Beifall der Abgn. Dr. Steffel (CDU), Wansner (CDU) und Schmidt (CDU)]

Dies gilt aus der liberalen Sicht nicht nur für die Region als Medienstandort, dies gilt für die Region BerlinBrandenburg in jeder Hinsicht. Berlin und Brandenburg müssen sich dem supranationalen und internationalen Wettbewerb im Rahmen der Globalisierung stellen, was letztlich gemeinsam besser möglich ist als allein.

Nach dem gescheiterten Volksentscheid zur Fusion von Berlin-Brandenburg am 5. Mai 1996 muss es nun im zweiten Anlauf wirklich gelingen, die Bürger zu überzeugen. Die Entwicklung zu einem gemeinsamen Bundesland

Ziel der liberalen Initiative, die Ihnen heute vorliegt, ist es, eine eigenständige inhaltliche Fusion als Vorstufe zu der angestrebten rechtlichen Länderfusion umzusetzen. Eine inhaltliche Fusion wird den öffentlichen Bediensteten wie den Bürgern die Ängste vor Veränderungen nehmen. Wenn die Zusammenarbeit und auch die Zusammenlegung von Verwaltungen bereits umgesetzt und damit auch kein Arbeitsplatzverlust mehr droht und die Bürger eine gemeinsame Politik auch akzeptieren können,

weil ihnen effiziente Verwaltungen begegnen, die sich auf ihre Bedürfnisse eingestellt haben und sich dabei nicht an Ländergrenzen orientieren, gibt es auch keinen Grund mehr, den Zusammenschluss der beiden Länder mit Misstrauen zu begegnen.

Irrationale Ängste sind es, die viele Bürger davon abhalten, sich zu einem Zusammenschluss der beiden Länder zu bekennen. Das zeigen die Umfragen. So sprechen sich auch eher die gebildeten Bevölkerungsschichten und mehr die älteren Bürger mit Erfahrung für eine Fusion aus. Daher liebe Kollegen, liebe Berliner und Brandenburger:

Lasst uns den gemeinsamen Weg in eine erfolgreiche Zukunft der Region Brandenburg-Berlin, in eine gemeinsame und starke Region und schließlich in ein gemeinsames Bundesland zusammen mit allen Brandenburger Bürgern gehen. – Danke!

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dr. Arndt!

befindet sich in einer schwierigen Phase, wie wir gerade gestern erleben konnten. Um zu vermeiden, dass eine erneute Abstimmung an mangelhaften Vorbereitungen scheitert, sind noch wichtige Grundlagen zu schaffen und Anstrengungen zu deren Umsetzung zu unternehmen. Ich glaube, daran hat das ganze Haus ein Interesse.

Zu diesen Grundlagen gehört vor allem, die Brandenburger Bürger auf dem Weg zu einer wettbewerbsfähigen gemeinsamen Region mitzunehmen, das heißt, davon zu überzeugen, dass Berlin wie Brandenburg nur gemeinsam eine bessere Chance im Wettbewerb der Regionen haben. Die Brandenburger wollen aber, wie wir wissen, erfahren, was auf sie zukommt im Rahmen einer Fusion der beiden Länder, wie eine gemeinsame Verfassung aussieht, Herr Cramer, wie der Status, die Funktion und die Aufgaben Berlins in einem gemeinsamen Land aussehen und – wie es unser Antrag besonders fordert –, wie die finanziellen Altlasten getragen werden. Damit haben wir uns gestern befasst. Die Berliner und Brandenburger brauchen nicht nur eine gemeinsame Verfassung, sie wollen auch wissen, wie der Status, die Funktion und die Aufgaben Berlins in einem gemeinsamen Bundesland aussehen werden, damit klar ist, was auf sie zukommt.

Aber der wichtigste Punkt, der die Geister scheidet – das gilt vor allem für die Brandenburger –, ist die Frage, wie die unterschiedlich hohe Schuldenlast pro Kopf von Berlin und Brandenburg nach einem Zusammenschluss zu tragen ist. Daher ist ein abgestimmtes und akzeptiertes Finanzkonzept zur Verteilung der Schuldenlast erforderlich, wie es bereits gestern zusammen mit den Brandenburgern im Ausschuss Berlin-Brandenburg diskutiert wurde. In Anbetracht der Weigerung des Bundes, ohne vorherige gerichtliche Klärung diese Entschuldung vorzunehmen, ist der Zeitplan für eine Fusion mit einer Volksabstimmung im Jahr 2005 und dem Zusammenschluss 2009 nicht mehr haltbar.

Doch wer erkannt hat, dass eine gemeinsame wettbewerbsfähige Region Berlin-Brandenburg dringend erforderlich ist, braucht nicht auf ein Gerichtsurteil zur Entschuldung Berlins zu warten, wie man teilweise bei den Brandenburgern den Eindruck hat. Das Positive gemeinsamer Politik mit Kostenvorteilen und mit Vorteilen gemeinsamen Handelns lässt sich schon heute erreichen. Zunächst gilt es, die bestehende Zusammenarbeit der beiden Länder in unterschiedlichen Bereichen und Institutionen in Berlin und Brandenburg auf den Prüfstand zu stellen.

[Gaebler (SPD): Es gibt auch noch Frauen im Parlament und draußen!]

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Müller (SPD) – Gaebler (SPD): Daran hat er tagelang gearbeitet! – Ritzmann (FDP): Machen Sie sich einmal die Mühe, Ihre Reden klingen immer ein bisschen dünn! – Dr. Steffel (CDU): Dumm, könnte man sagen!]

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP hat hier zwei Anträge pro Brandenburg vorgelegt. Wir werden diese Anträge in den Ausschüssen intensiv beraten, nur vorab einige Bemerkungen.

Herr Dr. Augstin hat sie dargestellt, Ziel des einen Antrags ist es nach der gescheiterten Fusion 1996, die Bürgerinnen und Bürger der beiden Länder dieses Mal auf einen gemeinsamen Weg mitzunehmen. So weit, so gut, da teile ich Herrn Cramers Ausführungen, um diese Zeit, 21 Uhr, mit wenig Öffentlichkeit wird man kaum dazu kommen, Menschen draußen zu überzeugen, dass man hier an dem Punkt ein Stück vorwärts gekommen ist.

[Ritzmann (FDP): Sie müssen erst einmal hier drin überzeugen!]

Hier im Hause gibt es gar keine großen Widerstände gegen die Einheit. Die Ziele sind klar. – Stattdessen setzen wir uns unnötigen Streitdebatten aus.

[Beifall bei der SPD]

Zu begrüßen ist die Strategie über den Weg, der in dem Antrag dargestellt ist, über kooperatives Handeln zu Verträgen zu kommen und damit zur formalen Fusion. Das mit der Haushaltssanierung in beiden Ländern zu verbinden war auch das Ziel der gestrigen Ausschusssitzung. Hier haben wir viel getan. Aber das Wichtigste – und dahin hätte ihr Antrag führen müssen – sind die sektoralen Schwierigkeiten in den verschiedenen Fachres

Es war bereits in der Vergangenheit so – und da hätten Sie die Parlamentprotokolle und die Protokolle der Ausschusssitzungen betrachten können: In der ersten Fusionsdebatte ging es weitgehend darum, wie wir die In- teressen, die Nöte und die Probleme der Menschen im engeren Verflechtungsraum aufgreifen. Das ist sicherlich

ein ehrenwertes Ziel. Aber draußen vor Ort, in der Peripherie, in den regionalen Entwicklungszentren hat man sich gefragt: Was wollen die Berliner von uns? – Einigen Abgeordneten unseres Hauses waren teilweise noch nicht einmal die Städte dort bekannt. Ich finde, dass wir gerade dann, wenn wir die Fusion wollen, uns um diese Menschen besonders bemühen müssen. Denn sie werden entscheiden, ob es ein gemeinsames Land gibt oder nicht.