Schauen wir einmal, worum es genau geht. Herr Stölzl begann seine Rede mit der Verteidigung, dass es hier nicht um Zensur gehe. Aha! Es geht also nicht um Zensur. Es geht aber genau darum, dass wir uns an diesem Punkt der RAF-Ausstellung – oder einer möglichen Ausstellung über die RAF – in einem klassischen Dilemma bewegen zwischen einer größtmöglichen Freiheit, die wir uns alle für die Kunst wünschen, und einer Finanzierung genau dieser Kunst durch das Geld der Steuerzahler, die von uns allen eine ganz besondere Verantwortung abverlangt, wenn wir als Politiker nicht völlig ohnmächtig nur noch zuschauen wollen. Deswegen wäre die Diskussion viel zielgerichteter zu führen, wenn uns allen das Konzept vorläge – und nicht nur manchen Leuten – und wenn wir alle wüssten, worüber wir wirklich reden. Und es wäre die
Chance für den Hauptstadtkulturfonds zu zeigen, ob die Besetzung fachlich ausgewogen war oder nicht.
Es ist entscheidend – unabhängig davon, welche RAFAusstellung es irgendwann einmal geben wird –, dass es auch nicht den Hauch einer Glorifizierung dieser Gruppe geben darf. Es muss jedem und für jeden Besucher klar sein, dass es sich hier um Terrorismus handelt.
Ziel muss sein, in dieser Gesellschaft eine Diskussion zu führen – genau die Auseinandersetzung in den letzten beiden Monaten über dieses Thema zeigt auch, wie wichtig es ist –, um diese junge Geschichte, an die wir uns zum Teil auch noch erinnern können, die für uns persönliche Zeitgeschichte ist, aufzuarbeiten. Das darf auch über das Mittel der Kunst erfolgen. Sie erscheint mir als ein legitimes Mittel, weil sie frei ist, unter dem Hinweis, dass öffentliche Gelder in diesem Land kein Selbstbedienungs
Warum haben Sie nicht mit der gleichen Verve aufgeschrieen, als vor knapp einem Jahr die selben Medien, die sich jetzt über die Kunstwerke e. V. hermachen, in einem wabernden Print- und Zelluloid-Nebel einen so genannten „deutschen Herbst“ beschworen? Es gab kein Wort des Protestes oder auch des Eingreifens aus Ihren Reihen. Es gab nichts! Ich habe den Eindruck, dass Sie diese Mystifizierung brauchen. Durch die Art und Weise der Debatte, wie Sie sie hier provozieren und führen, betreiben Sie diese auch.
Sie schrecken auch nicht vor Lüge und Verleumdung zurück. Sie kennen das Konzept der Ausstellungsmacher mit keiner Zeile. Sie wissen nicht, was überhaupt geplant ist, unterstellen aber Herrn Biesenbach und seinen Mitarbeitern – jetzt zitiere ich wortwörtlich zum Mitschreiben aus Ihrer Antragsbegründung –, diese würden „politischen Interessengruppen die Möglichkeit geben, gegen die freiheitlich-demokratischen Grundsätze der Bundesrepublik zu agitieren und geschichtsverfälschende Darstellung öffentlich zu propagieren.“
Sie unterstellen den Ausstellungsmachern und indirekt dem Kuratorium des Hauptstadtkulturfonds, diese wollten RAF-Sympathisanten „befriedigen“ und „glorifizierende Legendenbildung betreiben“. Stärker geht es nun wirklich nicht mehr. Mit solchen Anträgen – das ist einfach nur festzuhalten – beschädigen Sie die Würde dieses Hauses. Das ist keinesfalls hinnehmbar.
So, wie sich damals der Staat dem Terrorismus durch die RAF stellen musste, werden wir es doch wohl heute schaffen, uns der Diskussion über eine Ausstellung über die RAF zu stellen. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Klarstellung möchte ich eines anmerken: Nichts, aber auch gar nichts legitimiert die Blutspur, die seinerzeit von der RAF durch die alte Bundesrepublik gezogen wurde. Sie werden auch in meiner Fraktion niemanden finden, der diese Verbrechen auch nur im Ansatz erklären oder verteidigen möchte.
Herr Stölzl, es gibt einen Unterschied zwischen Ihrer Rede und dem Antrag Ihrer Fraktion. Frau FugmannHeesing hat darauf hingewiesen. Dem kann ich mich nur anschließen. Hier verhandeln wir allerdings nicht über Ihre Rede, sondern leider über diesen Antrag. Am 26. Juli konstatierte die „Neue Züricher Zeitung“ – vielleicht ist diese für die CDU-Fraktion etwas unverfänglicher als die „Frankfurter Rundschau“ –, dass die bisherige Sicht auf die RAF in Deutschland nicht frei von Mystifikationen und Verharmlosungen ist, zudem volkspädagogisch höchst unerwünscht, politisch hochproblematisch und überdies ignorant gegenüber den Gefühlen von Opfern und Hinterbliebenen sei – ich wiederhole: gegenüber den Gefühlen von Opfern und Hinterbliebenen.
Der Autor dieses Artikels meinte aber auch, dass es besser wäre, wenn der rhetorische Schaum über eine Ausstellung, die noch niemand kennt, gleich morgen in sich zusammenbräche, weil der angezettelte Politkrawall nichts habe, worauf er sich stützen könne, mit Ausnahme eines abwegigen Zitates. Nichts brach, leider, im Sommerloch zusammen. Die CDU-Fraktion signalisiert mit dem vorliegenden Antrag vor allem mit dem argumentativen Wert ihrer Begründung, dass sie sich in die Riege der – ich zitiere die „Neue Züricher Zeitung“ – „Anzetteler“ einzureihen gewillt ist.
Man könnte dies mit einem Schulterzucken abtun, wenn sich hinter Ihrem Begehr nicht zwei für die geistige Landschaft dieser Republik grundgefährliche Tendenzen verbergen würden. Erstens reagieren Sie nach wie vor wie der berühmte pawlowsche Hund, wenn irgendwelche historischen Reizwörter im Raum aufleuchten. Sie wollen eine geschönte Historie, die sich am Horizont einer Gartenzwergidylle orientiert: Was stört, das wird hinausgeworfen, geht es nicht, lässt man es mit einer Hecke zuwuchern, Totschweigen als Lösung. Ergebnisse einer solchen Geschichtspolitik sind natürlich Mystifizierungen und ist auch die Mystifizierung der Geschichte des Terrorismus in Deutschland.
Nicht minder schlimm ist, dass Sie bestimmen wollen, was Kunst und was nicht Kunst ist. Sie gehen soweit, Kunst nicht nur die Themen, sondern auch die Interpretationsrichtung vorschreiben zu wollen. Sie wollen, ob es dem einzelnen Fraktionsmitglied bewusst ist oder nicht – das ist hier nicht ganz so entscheidend –, Kunst und Kunstvermittlung in dieser Republik auf den Zustand des metternichschen Zensursystems zurückwerfen. Wir müssen hier über Zensur reden. Dazu ist Ihnen jedes Mittel recht. Zweifellos haben die Ausstellungsmacher einen Fehler gemacht, indem sie nicht rechtzeitig genug das Gespräch mit den Angehörigen der Opfer der RAF gesucht haben. Ich gehe davon aus, dass dies auch jetzt in dieser entstandenen sehr schwierigen Situation geschieht. Das gibt aber Ihnen nicht das Recht, die Gefühle und den Schmerz derart primitiv zu gebrauchen.
Für das Anliegen der FDP bedarf es eigentlich keines Plenarantrages. Es ist einfach so, das setze ich voraus, dass Senat und Hauptstadtkulturfonds dem Kulturausschuss die nötigen Informationen über den Entscheidungsfindungsprozess zukommen lassen. Die Vorlage eines verworfenen Konzeptes halte ich aber für ziemlich unsinnig. Ich möchte wissen, was in welchem Rahmen mit welchem Konzept ausgestellt wird. Ich möchte nicht über die Rohentwürfe parlieren. Das ist müßig. Es gilt, wie es so schön heißt, das gesprochene Wort.
Ich glaube, in diesem Punkt stimme ich Herrn Stölzl sogar zu, dass es richtig ist, darüber zu streiten und zu debattieren, ob es der richtige Weg ist. Es ist richtig darüber zu reden, ob eine Institution, die sich aufmacht, diese Zeit aufzuarbeiten, die richtige ist, und ob sie die Fähigkeiten hat, solch eine Ausstellung, die kompliziert ist – da gebe ich Ihnen Recht – durchzuführen. Aber, Herr Dr. Stölzl, ich glaube, das ist eine Debatte, die wir jetzt
nicht mehr führen können. Die gemeinsame Kommission und der Beirat des Hauptstadtkulturfonds, Einrichtungen, die institutionalisiert die Staatsferne bei der Förderung von Kunst demonstrieren, die genau das, was Sie angeführt haben, – Artikel 5, der weite Mantel der Freiheit von Wissenschaft und Kultur –, schützen, haben eine Entscheidung getroffen. Der Antrag, den Sie hier eingebracht haben – den ich im Übrigen für rechtlich gar nicht umsetzbar halte –, besagt, dass wir nachträglich in diese Entscheidung eingreifen sollen. Das ist Zensur, Herr Dr. Stölzl,
da können Sie sagen, was Sie wollen. Ihr Antrag ist ein Akt von Zensur, den Sie diesem Haus vorschlagen. Ich denke, dass uns nichts ferner liegen sollte, als in dieser Debatte zu diesem Mittel zu greifen. Es ist aus meiner Sicht sehr bezeichnend, dass im Januar, als der Hauptstadtkulturfonds diese Projekte vorgestellt hat, niemand – auch nicht die kulturbeflissenen Journalistinnen und Journalisten – Anstoß an dieser Ausstellung genommen hat. Im Sommerloch ist das Thema dann hochgezogen worden, und seitdem schlagen wir uns mit dieser Debatte herum.
Ich glaube – deshalb werden wir den Antrag der CDUFraktion auch ablehnen –, dass es notwendig und richtig ist, genau in dieser Form die Ausstellung zu befördern und dem Votum der gemeinsamen Kommission und des Beirates zu folgen. Wenn wir dieses Votum in Frage stellen, öffnen wir die Tür für eine Staatskultur, die die Kultur und die Kunst ihrer Funktion, Spiegelbild der Gesellschaft zu sein, berauben würden. Wir machen eine Tür auf, die uns zurück katapultiert in ein Kulturverständnis der 80er Jahre.
Ein Aperçu am Ende kann ich mir doch nicht verkneifen: Sie ziehen sich dermaßen echauffiert an dem Mythosbegriff im Titel der Ausstellung hoch. Der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg können sehr wohl mit einer Ausstellung „Faszination und Gewalt“ betitelt leben, in Nürnberg selbst, auf dem Reichsparteitaggelände. Schauen Sie es sich an. Sie werden dort in Franken einen etwas souveräneren Umgang mit Geschichte finden als Sie es hier zu praktizieren gewillt sind. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was ich am Auffallendsten in der bisher durchgeführten Debatte finde, waren die einleitenden Worte von dem Kollegen Brauer. Es waren die Worte, die eine Verurteilung der Blutspur der RAF einem kritischen Beitrag zum Antrag der CDU-Fraktion vorangestellt wurden. Das veranlasst mich zu der Frage, ob wir schon wieder soweit sind, dass wir in einer solch kritischen Diskussion eine derartige Bemerkung voranstellen müssen?
Er ist nicht der Einzige, der das im Rahmen der Debatte getan hat. Wer die „Tagesspiegel“-Serie verfolgt hat, die zu dieser Ausstellung aufgelegt worden ist, wird auch Diedrich Diederichsen in einem Klammerzusatz wahrgenommen haben, der sich bemüßigt gefühlt hat, zu seinen kritischen Anmerkungen die Erklärung abzugeben, dass er natürlich keinesfalls die Taten der RAF in irgendeiner Art und Weise unterstützen oder für gut halten wolle. Das ist das Erschreckende an dieser Debatte. Wir sind wirklich wieder auf dem besten Weg, in die Kultur, die wir und die die Kunstwerke mit dieser Ausstellung auf das Korn nehmen wollen, die sie ausstellen wollten und die sie zum Gegenstand ihrer Ausstellung und Debatte machen wollten, zurückzufallen.
Herr Henkel, Ihre Äußerungen und das, was Sie in dem Antrag abgeliefert haben, ist so bodenlos, dass Sie sich wirklich der Zwischenrufe enthalten sollten. Sie reden über Sachen, von denen Sie keine Ahnung haben. Sie reden über Dinge, die Sie nicht kennen, Frau FugmannHeesing hat in Ihrer Rede darauf hingewiesen. Sie arbeiten mit Unterstellungen und Diffamierungen und befördern genau das Klima, das dazu führt, dass man sich in solch einer Auseinandersetzung vorab distanzieren muss, um kritische Anmerkungen machen zu können.
Gerade in Ihren Reihen sollte noch bekannt sein, dass es ein CSU-Innenminister gewesen ist, der versucht hat, eine Entscheidung eines Förderrates im Nachhinein rückgängig zu machen. Herr Zimmermann hat versucht, einen Film von Herrn Achternbusch durch den Entzug von Fördermitteln zu zensieren. Die Lektion, was Freiheit von Kultur und Wissenschaft bedeutet, musste ihm von einem Gericht beigebracht werden. Er ist mit Pauken und Trompeten unterlegen und musste im Nachhinein die Fördersumme zurückzahlen.
Aus meiner Sicht ist es richtig, die Ausstellungsmacher in ihrem Vorhaben zu unterstützen, diese Ausstellung zu machen.
Herr Krestel, Sie werden davon wenig verstehen. Ich glaube, dass das, was Sie in Ihrem Antrag als Ikonenmalerei zu diffamieren versuchen, genau das ist, was notwendig ist: Einen unverstellten Blick auf 20 Jahre bundesdeutsche Geschichte zu werfen,
Herr Stölzl! Ihre Worte in dem „Tagesspiegel“Beitrag, dass es nichts mehr dazu zu schreiben, dass es keine Erkenntnisse mehr zu erlangen gibt, diese Ansicht ist falsch. Sie ist es so lange, wie die Bundesarchive, die noch einen Großteil dieser Geschichte aufbewahren, geschlossen sind. Genau das ist der Ansatz von den Kunstwerken, neue Möglichkeiten zu eröffnen, Erkenntnisse zu gewinnen. Ich finde es richtig, Räume für den Diskurs zu
finden, um das, was in der Kunst bisher gelungen ist, nämlich den Weg zu gehen von der „Bleiernen Zeit“ des „Deutschen Herbstes“ über „Katharina Blum“ bis zur „Black Box“ und Pätzolds „innerer Sicherheit“ fortzusetzen. Genau das hat Kunst und Kultur ermöglicht, diesen Blick und diese Erkenntnisse zu gewinnen. Das will die Ausstellung in den Blick nehmen. Das müssen wir tun. Wir dürfen nicht zurückkommen zu dem, was Sie in Ihrem Antrag machen, nämlich volkstümelnd die Förderung der Fischer-Chöre gegen die zeitgeschichtliche Aufarbeitung zu stellen. – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor! Es wird die Überweisung beider Anträge in den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten vorgeschlagen. Hierzu höre ich keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
die – so hat es zumindest Herr Zachert, ehemaliger BKAPräsident, in seinem „Tagesspiegel“-Beitrag geschrieben:
Eine Zeit, die in sicherheits- und rechtspolitischer Hinsicht nicht unproblematisch gewesen ist. Es ist wichtig diese Zeit anzugucken, 20 Jahre bundesdeutsche Geschichte, eine Zeitgeschichte, die auch die RAF als Teil umfasst hat und die für die Bundesrepublik eine ganze Generation prägend war.
Es ist wichtig und richtig, jetzt zu gucken: Wer war die RAF? Was trieb sie zu ihrer tödlichen Gewalt? Wer waren die Opfer? – Auch da gebe ich Ihnen Recht, natürlich muss man einen Blick auf die Opfer werfen. – Nur, ob wir uns jetzt hinstellen und in dieser Situation den Machern sagen können: Ihr hättet vorher mit ihnen reden müssen – warum?
Es ist ihr Konzept, es war ihr Ansatz, in dieser Situation eine Adaption vorzunehmen von dem, was RAF in der zeitgeschichtlichen Darstellung gewesen ist.