Protocol of the Session on May 8, 2003

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir kommen zur

lfd. Nr. 4:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung des Straßenreinigungsgesetzes

Beschlussempfehlung WiBetrTech Drs 15/1594 Antrag der Grünen Drs 15/1040

lfd. Nr. 31:

Beschlussempfehlung

BSR-Skandal (II) – Straßenreinigung endlich öffentlich ausschreiben

Beschlussempfehlung WiBetrTech Drs 15/1593 Antrag der FDP Drs 15/960

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der Artikel I und II, die Überschrift und die Einleitung der Drucksache 15/1040 zu verbinden. Es ist eine Beratung mit bis zu 5 Minuten pro Fraktion vorgesehen, und es beginnt Bündnis 90/Die Grünen, Herr Eßer hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Knacken wir das Monopol der BSR auf allen Gebieten – Mülltransport, Abfallverwertung und Straßenreinigung – oder zementieren wir es auf Jahre hinaus? Das ist hier die spannende Frage. Die Abfallverwertung haben wir bereits in einem gemeinsamen Beschluss von SPD, PDS und Grünen für andere Unternehmen geöffnet, und das war ein Schritt hin zu einer umweltfreundlicheren und sozialeren Abfallpolitik.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich finde es gut, dass wir das gemeinsam so gemacht haben, aber bitte schön, werte Kolleginnen und Kollegen, dann müssen wir auch konsequent sein, dann müssen wir nach der Abfallverwertung auch die Straßenreinigung in

Es ist auch noch gar nicht lange her, dass der Senat – damals noch der der großen Koalition – mit Verweis auf eine Untersuchung des Rechnungshofs die Kosten der Straßenreinigung einseitig um 40 % senken wollte, um

den Landeshaushalt zu entlasten. Wir geben Ihnen jetzt ein Instrument an die Hand, mit dem Sie dieses Ziel schrittweise unter Beachtung der Interessen der Beschäftigten der BSR in den nächsten Jahren erreichen können. Werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der PDS, wenn Sie dieses Angebot ausschlagen, sollten Sie künftig zu Haushaltskonsolidierung und vor allem zu sozial gerechtem Sparen schweigen. Sozial ist nämlich nicht, was der BSR gefällt, sondern das, was dem Bürger nutzt.

Wenn ich mir die Reaktionen aus den Reihen der SPD auf die bisherige Debatte anschaue, in der Sie ziemlich Front gegen unseren Antrag gemacht haben, dann erscheint mir die Frage erlaubt: Hat Sie im Vorfeld Ihres Parteitags der Mut verlassen, auch nur eine vorsichtige Liberalisierung der Daseinsvorsorge zuzulassen? – Dass Sie jetzt die Segel streichen – offenkundig sowohl in Ihrem Antrag zum Parteitag als auch hier im Parlament –, zeigt, dass Sie nicht reformfähig genug sind, um die Finanzkrise in Berlin so zu bewältigen, dass dabei die soziale Balance und die Zukunftschancen der Stadt gewahrt bleiben. Alles andere sind Sonntagsreden von Königen wie dem Regierenden Bürgermeister, die offenkundig ohne Hinterland sind und die sich, wenn es wie heute beim Auflösen des BSR-Monopols auf klare Entscheidungen und Taten ankommt, als nicht handlungsfähig erweisen.

den Wettbewerb überführen. Unser heute zur Abstimmung stehender Gesetzentwurf sieht genau das vor. Ehe wieder gleich die regierungsamtliche Märchenstunde vom Ruin der BSR und der Vernichtung von 7 000 Arbeitsplätzen losgeht,

[Buchholz (SPD): Na, na!]

seien zwei Dinge ganz klargestellt, Herr Buchholz. Erstens, Herr Buchholz: Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass der Senat die Straßenreinigung ausschreiben kann, er kann, muss aber nicht. Die Schritte hin zur Marktöffnung sind also politisch steuerbar. Einen großen Knall, der die BSR überfordert, wird es nach dieser Gesetzesänderung, die wir vorschlagen, nicht geben. Und zweitens: Selbst die Handlungsfreiheit des Senats ist im Gesetz begrenzt. Denn unser Gesetzentwurf sieht ausdrücklich und wörtlich vor, dass Ausschreibungen der Straßenreinigung nur unter Beachtung der Interessen der BSR möglich sind. Niemand hat vor, 7 000 Arbeitsplätze bei der BSR zu vernichten. Es geht um eine Politik des allmählichen Übergangs, und die BSR erhält die faire Chance, sich diesem Prozess zu stellen. Die Behauptung, wir würden Unmögliches verlangen, ist ein Ammenmärchen. Die BSR wird nicht überfordert, aber gefordert wird sie sehr wohl, und das kann ja wohl nicht falsch sein. Wenn Sie die herrschende Gesetzeslage stattdessen beibehalten, dann bleibt das Monopol der BSR in Beton gegossen, dann können Sie nicht einmal in einem Bezirk oder auch nur in einem Stadtteil ein Pilotprojekt starten und mit einer Ausschreibung herausfinden, was der Markt der verschiedenen Reinigungsfirmen an Qualitätsverbesserung und Kostensenkung hergibt. Sie wollen uns doch nicht im Ernst erzählen, dass das auf ewige Zeiten – und Gesetze haben bekanntlich kein Verfallsdatum – so bleiben kann und bleiben soll. Wenn Sie von der SPD und PDS das ernsthaft vorhaben, dann sind Sie wirklich von vorgestern.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Das sind sie doch!]

Ja, vielleicht sind sie das wirklich, Herr Lindner, aber wir wollen ja versuchen, das argumentativ zu begründen, nicht? – Es kann also nicht bleiben, wie es ist. Die Kosten der Straßenreinigung sind zu hoch, und die Qualität ist unbefriedigend, das wissen doch nicht nur wir. Über den Gebührenskandal, den die BSR im Schutz ihres Monopols verursacht hat, indem sie mit dem Wissen von mindestens einem Vorstandsmitglied überhöhte Rechnungen ausgestellt hat, will ich nicht weiter reden. Die Rückzahlungen beginnen gerade. – Aber ich bin sicher nicht der einzige Parlamentarier, auf dessen Schreibtisch sich die Beschwerden von Bürgern, Sportvereinen und Bezirksstadträten stapeln, und zwar darüber, dass ihre Straßen vermüllt seien und nur unzureichend bzw. wochenlang gar nicht gereinigt würden – und das zu Rechnungen, die Mieter, Hausbesitzer und Politiker gleichermaßen ärgern.

Wenn ich mir die Reaktionen Ihres Koalitionspartners PDS anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass nicht nur Frau Zimmer und die Herren Hicksch und Dehm sich im Staatsmonopolismus eingebunkert haben, sondern offensichtlich ist auch mit den so genannten Reformern kein Staat und schon gar nicht weniger Staat zu machen.

[Beifall bei den Grünen]

Das ist ein freies Land. Sie können abstimmen, wie Sie wollen, aber es wird sich herumsprechen, dass Berlin von einer Koalition regiert wird, die Wissenschaft und Kultur schädigen und die Sozialleistungen kürzen kann, die aber nicht fähig ist, Verwaltung, öffentliche Dienstleistungen und Betriebe zu reformieren, und stattdessen von der Bankgesellschaft bis hin zu den Kosten der Straßenreinigung, über die wir jetzt reden, das Geld zum Fenster hinauswirft. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Goetze (CDU)]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Buchholz das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Eßer, Sie haben mich mehrfach angesprochen, deshalb antworte ich direkt darauf. Sie haben zum Schluss ziemlich viel vermischt und wollten dann das ganz große Fass aufmachen. Das ist aber übergelaufen. Das ist Ihnen auch aufgefallen. Landes- und Bundesparteitag, Privatisierung und Staatsmonopolismus –

Herr Eßer, die BSR ist ein öffentliches Entsorgungsunternehmen. Bisher – so verstehen zumindest wir von der Koalition das – ist die Müllentsorgung wie auch die Straßenreinigung eine öffentliche Daseinsvorsorge. Es geht nämlich nicht nur darum, die Stadt sauber zu halten. Hygiene- und Sauberkeitsaspekte sind dabei relevant. Es geht im wahrsten Sinn um die öffentliche Sicherheit und Ordnung und um die Funktionsfähigkeit des städtischen Verkehrs – denken Sie an die Straßenreinigung im Winter. Das ist nichts, was man per Handstreich einfach pri

vatisiert und denkt, dass dann alles gut wird, wie Herr Lindner es verspricht. So einfach ist es wirklich nicht, Herr Eßer.

Ich finde es schade, dass Sie während der Plenarsitzung telefonieren. Das ist vielleicht die richtige Tätigkeit für Sie hier, obwohl Sie mir lauschen sollten. – Dieser Unternehmensvertrag ist natürlich kündbar. Aber wo nehmen Sie die 400 Millionen € her? – Sagen Sie es klar! – Herr Eßer hat die andere Milchmädchenrechnung aufgemacht. Ihre ist noch besser, wenn Sie uns sagen, es werde zwischen Eigenkapital und Landeshaushalt hin- und hergebucht, und wir seien alle Probleme los. Das wäre zwar schön, aber so einfach ist es nicht.

Sie sagen auch nichts darüber, was konkret bei dem abrupten Ende, das die FDP vorschlägt, mit den mehr als 6 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BSR, den Fahrzeugen und Grundstücken geschehen soll. Dazu sagen Sie kein Wort.

alles kam auf einmal. Es hört sich vielleicht nett an, wenn Sie das alles vermischen. Es wird aber nicht intelligenter oder pfiffiger. – Sorry, Herr Eßer, das war leider wirklich nicht der Fall.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir haben heute zwei Anträge vorliegen. Herr Eßer, erlauben Sie mir, auch auf den FDP-Antrag einzugehen!

[Eßer (Grüne): Den habe ich mir gespart!]

Dann sind wir offensichtlich dazu einig, aber man muss ihn wenigstens erwähnen, denn das geneigte Publikum sollte auch diesen Antrag zur Kenntnis nehmen.

[Ritzmann (FDP): Vielen Dank!]

Bitte schön, Herr Ritzmann! – Darin heißt es nämlich:

Sämtliche Leistungen im Bereich der Straßenreinigung sind auszuschreiben.

Und dann wird alles gut – sofort, mit eine Schlag. Das ist der Zauberstab des Herrn Lindner, der leider gerade nicht anwesend ist. Schon sind wir aller Sorgen und Probleme bei der Straßenreinigung, der Müllentsorgung enthoben. – Herr Eßer, die Grünen wollen es etwas langsamer. Sie wollen erst einmal die Möglichkeit einräumen, aber im Ergebnis sind Sie nicht so weit von der FDP entfernt.

Die Fehlkalkulationen von 1999 bis 2001 sind uns allen bekannt. Sie kennen unsere Haltung dazu. Wir sagen weiterhin: Der Skandal ist vollständig aufzuklären, also gibt es den Sonderausschuss. – Bei den momentan versandten Jahresrechnungen der BSR erfolgt die Rückerstattung bereits. Für die ersten drei Monate des Jahres wurden keine Straßenreinigungsgebühren erhoben. Die Leute haben derzeit fast nur noch die Hälfte dessen zu zahlen, was sie im letzten Jahr an Straßenreinigungsgebühren gezahlt haben. Das liegt auch daran, dass der Senat unmittelbar und sofort gehandelt hat, als der Skandal um die Gebührenerhebungen und falschen Berechnungen bekannt wurde. Es wurde sofort gehandelt und aufgedeckt und die Rückzahlungen zum Wohl der Verbraucherinnen und Verbraucher veranlasst. Das ist ein Gegensatz zu vorherigen CDU-Senatoren, die das nicht geschafft haben.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das ist ein qualitativer Fortschritt, den Sie, Herr Eßer, zur Kenntnis nehmen sollten. Für die CDU ist das wahrscheinlich kein richtiger Fortschritt. Buchprüfer und die Preisprüfungsbehörde haben sich das vorher offensichtlich gespart oder nicht gesehen.

Die Privatisierung – ich richte mich ausdrücklich an die FDP – ist eben kein Wert an sich. Gerade zu Ihrem Antrag muss ich sagen, dass Sie sich standhaft den Realitäten verweigern. Das müssen Sie doch einmal anerkennen. Sie haben uns hier noch keine vernünftigen Antworten gegeben. Wenn Sie den Unternehmensvertrag mit der BSR, der noch läuft und den man kündigen kann – – Ich will Ihnen gleich die Kurzintervention sparen, Herr Lindner.

[Dr. Lindner (FDP): Würden Sie bitte nicht so schreien! Ich telefoniere!]

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Herr Eßer, Ihr Antrag lautet etwas anders, aber jetzt muss ich auch einmal auf die FDP eingehen. – Geben Sie uns konkrete Antworten darauf! Sie haben bisher neoliberales Gewäsch ohne jede Substanz geliefert. Das kann keine Basis für verantwortungsvolle Politik sein.

[Beifall bei der SPD und der PDS]