Ein Blick in den Referentenentwurf des Schulgesetzes bezüglich der Bildungs- und Erziehungsziele verdeutlicht denn auch die rot-rote Geisteshaltung. Der Entwurf sieht in § 3 vor: Schulische Bildung und Erziehung – jetzt hören Sie mal genau zu! – sollen Schüler und Schülerinnen insbesondere befähigen, die eigene Kultur kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen. – Richtig! Es ist jedoch von der eigenen Religion in keiner Weise die Rede. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie sollen die Jugendlichen es schaffen, Menschen anderer Herkunft und Religion vorurteilsfrei zu begegnen, wie sollen sie Religion und Weltanschauung anderer begreifen, verstehen und tolerieren, wenn sie sich ihrer eigenen nicht bewusst sind? Wie sollen sie da überhaupt reflektieren können?
Es ist absolut unabdingbar, die eigene Religion, die eigene Kultur, die eigenen Wertegebäude zu reflektieren. Nur so wird die Voraussetzung geschaffen, die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu verstehen und zu tolerieren. Wenn das im Schulgesetz verankerte Erziehungsziel richtig sein soll, dann brauchen wir genau diese Orientierung. Wieso nicht ein Wahlpflichtfach Religionen und Ethik/Philosophie? In 38 Schulen dieser Stadt wird genau dieses mit großem Erfolg exerziert.
Hier gehört es nämlich hin, und hier müssen wir uns damit befassen. Wir schieben diese Diskussion sonst auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Ich tue kurz kund, wie die FDP sich entschieden hat: Wir werden in unserer Fraktion die Abstimmung freigeben. Ich sage das bewusst. Gerade in diesen wichtigen Themen sollten wir alle so verfahren. Insbesondere appelliere ich an die SPD. Wir haben viel über Religions- oder werteorientierten Unterricht in den Schulen diskutiert, und ich weiß, dass ich auch für einige Mitglieder der SPD spreche. Ich erwähne Ihre Parteifreunde Bischof Huber und Herrn Reiche, aber für die linke Seite auch Herrn Gysi, der als bekennender Atheist gesagt hat: „Wir brauchen einen werteorientierten Unterricht.“ – Ich bitte, dass wir die Diskussion in diesem Sinne fortführen.
[Beifall bei der FDP und der CDU – Brauer (PDS): Was reden Sie denn da, Frau Senftleben?^ Es ist doch niemand dagegen!]
Danke schön, Frau Kollegin Senftleben! – Das Wort für die Fraktion der PDS hat nunmehr Frau Hiller. – Bitte schön, Frau Hiller!
Danke schön! – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute nicht zu dem Thema, ob wir einen wertevermittelnden Unterricht haben wollen oder nicht, Frau Senftleben, sondern zu dem Thema Erhalt des flächendeckenden Angebots von Religionsunterricht an den Berliner Schulen. Ich erinnere daran, dass wir im Kulturausschuss noch über den Antrag Aufhebung von vereinbarungswidrigen Kürzungen bei den Mitteln für den Religionsunterricht an den Berliner Schulen diskutiert haben. Dazwischen liegen Welten. Wir sollten uns zunächst auf den Sachverhalt, wie er auch im Kulturausschuss diskutiert wurde – und das war eindeutig ein Haushaltssachverhalt –, konzentrieren.
Sie sind Ergebnis der sinkenden Zahlen der Teilnehmer am Religionsunterricht. – Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen! – Sie sind eine Korrektur des Zeitpunkts der Erfassung. Wenn zu einem früheren Zeitpunkt erfasst wird, nämlich zu den Herbstferien, sind die Zahlen reeller, als es bisher der Fall war. Es erfolgt nunmehr eine Anrechnung von Unterrichtsstunden von staatlich angestellten Lehrerinnen und Lehrern, die in diesem Fach unterrichten, was vorher nicht stattfand. Faktisch handelt es sich also um eine „Bereinigung“ bisher ausgezahlter zu hoher Beträge. Dieser Vorschlag, wie er im Haushaltsjahr 2002/2003 umgesetzt wurde, geht noch auf Abmachungen zurück, die unter dem ehemaligen Kultursenator Stölzl
So lassen sich auch die Zahlen für 2002 interpretieren. Für die Evangelische Kirche ergab sich für 2002 ein Minus von 1,2 Millionen €, das sind 3,6 %. Es handelt sich nicht, wie suggeriert, um 25 % Kürzungen. In dem anderen Antrag stand das noch so.
Zweitens: Der Antrag impliziert eine Bedrohung des Religionsunterrichts durch den Staat, ganz besonders im Osten. Auch dieses müssen wir ablehnen. Das ist eine Unterstellung, die jeder sachlichen Grundlage entbehrt.
Die sich bereits seit Jahren abzeichnenden Rückgänge der Teilnehmerzahlen am Unterricht sind nicht Ergebnis staatlicher Einwirkungen. Im Gegenteil, sie entsprechen einem gesamtgesellschaftlichen Trend der Abwendung von institutionellen Glaubensbekenntnissen und Glaubensvermittlungen. Letztlich sind sie – verkürzt dargestellt – auch Ausdruck moderner Lebensweise. Wenn man kritisch auf diese Zahlen schaut, sollte man auch kritisch den eigenen Unterricht analysieren. Da gibt es durchaus Reserven. Als Lehrerin kann ich das beurteilen.
Der Antrag suggeriert, dass der Religionsunterricht nicht mehr flächendeckend und vor allem nicht mehr im Osten stattfinden kann. Das ist eine Vision, die so nicht standhalten wird. Das werden wir in der kommenden Zeit beobachten. Wir sollten verstärkt unsere Anstrengungen darauf richten, schulorganisatorisch Voraussetzungen zu schaffen, die es den Schülern ermöglichen und sie auch dazu animieren, am Religionsunterricht teilzunehmen. – Das sind Ideen, die hier gefragt sind, Herr Apelt, aber die habe ich leider noch nicht von Ihnen gehört.
Ich bin ein wenig irritiert darüber, dass Herr Apelt gesagt hat, er habe mit allen Fraktionen gesprochen. So ist es – zumindest in unserer Fraktion – nicht angekommen. Im Gegenteil – ich hatte bei Ihnen, Herr Apelt, von Anfang an den Eindruck einer Konfrontation, die dem Thema nicht angemessen und bei einer Klärung auch nicht hilfreich ist.
Ich bin froh, dass die CDU ihren anmaßend formulierten Antrag geändert und auch zurückgenommen hat. Wir werden diesem Antrag dennoch nicht zustimmen können. Im Gegenteil, dieser Antrag wird das Gesprächsklima möglicherweise verschlechtern, da politisches und nicht fiskalisches Agieren suggeriert wird.
Ihr Antrag verkennt die Bemühungen von Senat und Kirche, die vorhandenen Pro- bleme im Gespräch zu klären. Stattdessen führt er zu weiterer Konfrontation. Und, Herr Apelt, dass Sie diesen Antrag zur Gewissensfrage hochstilisieren, zeigt, wie weit entfernt Sie von einer Auseinandersetzung sind, die dem Gegenstand dient.
Ich gehe auf zwei wesentliche Gründe unserer Ablehnung ein. Erstens: Der Antrag suggeriert Betrug. Er suggeriert unrechtmäßige Kürzungen,
die in der dargestellten Art und Weise nicht stattgefunden haben. Die im Haushaltsjahr 2002/2003 vorgenommenen Kürzungen sind Bereinigungen, die im Gespräch – im gegenseitigen Einvernehmen – zwischen Kirche und Senat vereinbart wurden. Das heißt, sie sind auf Haushaltsbeschlussebene und damit auf Gesetzesebene gehoben worden.
Im Übrigen sollte man zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweise der Humanistische Verband steigende Teilnehmerzahlen zu verzeichnen hat und dass auch dieses finanziert werden muss.
Außerdem wird es in der Stadt zunehmend weitere Religionsgemeinschaften geben, die Unterricht anbieten. Und auch dieses muss finanziert werden. Die gegenwärtig zu Buche schlagende Gruppengröße von 15 und 10 Schülern pro Gruppe halte ich im Übrigen für diskutierenswert, und zwar nicht nach unten, sondern nach oben.
Sie geht an Realitäten, wie sie in anderen Unterrichtsfächern in den Schulen dieser Stadt gegeben sind, völlig vorbei –
und das in einem Unterricht, der fakultativ angeboten wird und in dem Sinne auch keinen Leistungsanspruch hat wie andere Fächer. Wenn Klassenstärken von 23 Schülern für die Grundschule und mehr als 26 Schüler für die weiterführenden Schulen regelmäßig im Unterricht zu Buche
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nun bekanntlich kein Bildungspolitiker, kein Kulturpolitiker, kein Finanzpolitiker. Ich rede als kirchenpolitischer Sprecher,
damit Sie das einmal wissen, in einer völligen Fehlqualifikation, wo es um einen Finanzantrag geht. Aber ich möchte Ihnen, Herr Apelt, etwas sagen, wo es um Religionsunterricht geht: Was Sie hier geboten haben, war angewandtes Pharisäertum und nichts anderes!
Mir tut es Leid, dass wir diesen Antrag heute abstimmen müssen. Ich denke, die Position ist klar geworden. Wir sollten uns weiter über eine Auseinandersetzung zu Werteunterricht generell verständigen, aber nicht im Rahmen von Haushaltsdiskussionen. – Danke schön!
Sie müssen auch mal zuhören können, Herr Brauer! Ich weiß gar nicht, warum Sie solch einen Krach machen.
Vor allen Dingen dann, wenn die Unwahrheit gesagt wird, sollte man das Recht zur Verbesserung haben.
Erstens: Sie haben behauptet, ich habe mit der PDSFraktion nicht darüber gesprochen. – Das habe ich sehr wohl. Ich bin sogar – das ist mir sehr schwer gefallen – persönlich in Ihre Reihen, zu Ihrem Kollegen Wechselberg gegangen und habe gefragt: „Herr Wechselberg, wollen Sie nicht dabei sein? Wir reden über den Religionsunterricht.“