Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Liebich! Ich nenne Ihnen kurz die Argumente, die ich für wichtig halte – es gibt noch viele andere:
Noch ein drittes Argument: Die besondere Problematik Berlins liegt darin, dass es Bundes- und Landesbedienstete gibt. Was soll ein Berliner Beamter oder Angestellter denken, der nur deshalb, weil er beim Land beschäftigt ist, 80 oder 90 % verdient, wenn er mit der gleichen Tätigkeit beim Bund – neben bestimmten anderen Vorteilen – 100 % verdienen kann? Was wollen Sie eigentlich in den Bezirken tun? Tragen Sie es mit, dass unsere Bediensteten in den Bezirken in Zehlendorf 100 % bekommen und in Marzahn-Hellersdorf nur 70 %? – Das ist der entscheidende Unterschied zwischen einem Wettbewerbsunternehmen und dem öffentlichen Dienst. Ich bin mir sicher, dass Ihre nächste Vollversammlung Sie von diesem völlig verkehrten Weg für den öffentlichen Dienst zurückpfeifen und deutlich machen wird, dass es so nicht geht, weil es dazu führt, dass der Standortfaktor des öffentlichen Dienstes in einem Land positiv und in einem anderen nachteilig wird.
Mich interessiert, ob diese Position von der CDU getragen wird. – Der Länderfinanzausgleich, Herr Dr. Steffel, ist nicht dafür gedacht, die Bezahlung im öffentlichen Dienst auszugleichen.
Er ist dafür gedacht, gleichwertige Lebensbedingungen in unterschiedlichen Bundesländern zu schaffen.
Und – an dem Punkt geben wir Herrn Steffel Recht – es wäre natürlich richtig gewesen, dieses Projekt Solidarpakt, das ein zentrales Projekt Ihrer Regierung ist, selbst in die Hand zu nehmen, von Anfang an und auch am morgigen Tag. Man kann es doch nicht vergleichen mit der Bundesregierung und sagen: Der Bundeskanzler saß in Potsdam auch nicht dabei. – Das tat er nicht. Für ihn war es eine Tarifrunde wie viele andere. Die Stadt will aber nun endlich einmal sehen, dass es nicht um Sondierungen geht, dass es nicht mehr um folgenlose Gespräche geht, sondern dass die Solidarpaktverhandlungen ernsthaft beginnen, dass sie morgen beginnen. Und hier wären Sie auch als Person gefordert.
Wir haben lange die Kette der Brüskierungen der Bediensteten in dieser Stadt gerügt. Ich will es jetzt nicht wiederholen, aber es stieß unangenehm auf, dass der Innensenator dies bis in diese Woche fortgesetzt hat. Vergangene Woche, als sich andere gefreut haben – und das muss man doch auch einmal verstehen, dass sich eine Krankenschwester und ein Busfahrer in der Bundesrepublik freut über einen solchen Tarifabschluss –, da wurde aus Berlin gesagt: Wir bieten Null minus X. Und der Innensenator hat diese Wochen noch im Innenausschuss erklärt: Mit uns kann man morgen über alles reden, aber nicht über Geld.
Die unterschiedliche Situation für Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst, die Sie befürchten, haben wir längst. Wir haben eine Tarifstruktur für Beamte, eine für Angestellte Ost und eine für Angestellte West. Wovon reden Sie eigentlich?
Die Privatwirtschaft mit ihren Flächentarifverträgen, die Sie nicht so gut finden, hat einen riesigen Vorteil: In den meisten Flächentarifverträgen ist das enthalten, was wir wollen, nämlich eine Härtefallklausel für diejenigen, bei denen es dramatische Unterschiede gibt, wie es in Berlin im Vergleich zu Bayern der Fall ist. Bitte informieren Sie sich, bevor sie solch interessante Thesen in die Welt setzen!
Danke schön, Herr Liebich! – Jetzt hat Herr Wieland als Vorsitzender der Fraktion der Grünen das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich diese Eskalationen der vergangenen Wochen zwischen Senat und Gewerkschaften beispielsweise aus der Perspektive eines Theaterbesuchers angesehen hätte oder von mir aus auch als Zuschauer einer Seifenoper im Fernsehen, hätte das durchaus Reiz gehabt. Das hätte man ästimieren können. Da hätte es auch kaum ein Double gebraucht: wie beispielsweise Herr Sarrazin in die TU geht und zwischen trillerpfeifenden Personalräten mit dieser stoischen Ruhe eines Küchenmeisters seine Speisekarte von ausgesuchten Grausamkeiten dort vorträgt, und am Ende heißt es: Wer bis jetzt noch nicht streikbereit war, ist es nun geworden. Auch der Regierende Bürgermeister ist realitymäßig unersetzbar, wenn er vor der täglichen Gala den herzergreifenden Appell macht, nun aber bitte den Gürtel enger zu schnallen. – Die Figuren stimmen schon.
Aber es geht hier nicht um Kino, bedauerlicherweise. Es geht hier um die Realität, und die Realität heißt leider, dass hier offenbar zwei Züge aufeinander zu rasen, dass wir morgen den Ort haben werden, wo wieder einmal in der Art tanzender Gorillas aufgemuskelt wird, und diese Stadt Berlin wahrlich alles andere braucht: jede Sonderrolle, aber doch nicht die Sonderrolle, als einziges Land bundesweit noch einen Streik im öffentlichen Dienst zu erleben! – Das muss gestoppt werden, das ist unser Appell an beide, ausdrücklich an beide Konfliktparteien in diesem Zusammenhang.
Und Herr Steffel, ich muss Ihnen widersprechen – und ein bisschen Vorsicht, wenn Sie aus Zeitungen Zitate über die Leistungen von Politikern verwenden. Vorsicht, es könnte sich gegen den wenden, der es tut. Aber abgesehen davon: Die Rede des Regierenden Bürgermeisters heute war deutlich besser als seine Regierungserklärung vor einem Jahr. Wir fanden sogar, der Hauptmangel dieser Rede war, dass sie nicht schon vor einem Jahr gehalten wurde, insbesondere was den Respekt vor den Leistungen des öffentlichen Dienstes betrifft, den Sie heute verbal
bekundet haben. Dass Sie ihn nicht gelebt haben in diesem Jahr, das haben wir vermisst. Das ist der Hauptmangel dieser Rede gewesen.
Worüber redet man denn bei Tarifverhandlungen, über das Wetter oder über die Herrenmode oder über die Farbe der Krawatten?
Darüber muss natürlich geredet werden. Hier wurde wieder einmal verbal gezündelt, und Sie sitzen immer nur schweigend dabei, wenn es geschieht, und wundern sich dann, dass auch Ihnen die Brocken um die Ohren fliegen, Herr Liebich. Da werden Sie sich in Zukunft weiter wundern!
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Lindner (FDP): Reden Sie hier wie Landowsky?]
Herr Lindner, zu Ihnen kommen wir noch. Während Sie hier ein Tuttifrutti aller Themen, die Ihnen so gerade in den Kopf kommen, geboten haben,
Die Frage ist ganz kurz, Herr Wieland. Haben Sie Frau Stumpenhusen schon ein grünes Parteibuch angeboten? Das Engagement von Frau Stumpenhusen würde besser zu Ihrer Partei passen.
Lieber Herr Lindner! Wir überlassen es gerade auch so intelligenten Menschen wie Frau Stumpenhusen, selbst zu entscheiden, in welcher Partei sie sich aufgehoben fühlen. Das Einzige, was uns sicher zu sein scheint: FDP-Mitglied wird sie nie werden.
Jetzt kommen wir einmal zu Ihnen: Wir können uns an die Ampelverhandlungen noch sehr genau erinnern, Herr Lindner. Herr Rexrodt war es – –
Was uns gefehlt hat, war das klare Bewusstsein des Senats, dass es hier nicht darum gehen kann, unter dieser künstlichen Fessel öffentlicher Dienst alles gleichzubehandeln. Darunter verbirgt sich der Tiefbauamtsleiter, den man noch schnell vor der Bezirksfusion von A 14 nach A 16 auf einer dieser ominösen Hebelisten angehoben hat, der selbst nicht sagen kann, was er eigentlich tut, dessen Untergebene nicht wissen, was er eigentlich tut, Tätigkeitsnachweis schwer zu führen. Und es verbirgt sich unter dieser Klammer die Narkoseschwester mit 48 Stunden Dauerdienst, es verbirgt sich darunter auch die Kitaerzieherin, deren Gruppen immer größer wurden, die wegen Krankheit, wegen Ausfall von Kolleginnen gar zwei, drei Gruppen gleichzeitig betreuen muss. Das alles ist öffentlicher Dienst. Hier hätte viel differenzierter klargemacht werden müssen, dass man bereit ist, hier auch zwischen Oben und Unten zu unterscheiden.
Wir haben es den Damen und Herren der PDS noch einmal in Erinnerung gerufen – wir jedenfalls wissen es noch –, wir haben nicht nur in der Gesellschaft ein Oben und Unten, sondern auch im öffentlichen Dienst ein Oben und Unten. Da kann man nicht hingehen und sagen: Unser Angebot an alle ist gleich Null, mehr gibt es nicht. – Wer so in diese Verhandlungen geht, der begeht wiederum einen ganz schlimmen Kommunikationsfehler.
Ich habe in diesem Zusammenhang neulich einmal von einem Selbsthass der Sozialdemokratie im Umgang mit den Gewerkschaften geredet, weil wir uns so etwas zum Teil nicht anders als mit psychologischen Kategorien erklären können. Da sagte der geschätzte Herr Strieder: Das ist absoluter Quatsch, wir sind verlässliche Bündnispartner der Gewerkschaften, wie eh und je.
Ja, die sehen es etwas anders, Herr Strieder. Frau Stumpenhusen, die Verdi-Chefin können Sie im Moment auf alles ansprechen, aber bitte nicht auf ihr SPD-Parteibuch, dann flippt sie völlig aus. Selbst Ihre verschlafene Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen hat sich ja zu Wort gemeldet mit sehr richtigen Dingen. Zum Teil wird gefordert – man höre und staune –, der Bundeskanzler solle den Hasardeuren im Senat in den Arm fallen. Das hörte man auch vom DGB. Was Sie hier heute versucht haben, was auch der Fraktionsvorsitzende Müller versucht hat, war doch nun erkennbar: wieder etwas Vertrauen beim DGB zurückzugewinnen. Mit Worten allein werden Sie das nicht erreichen, Herr Müller. Hier ist zu viel Porzellan zerschlagen worden.