Der Dringlichkeit des zuletzt genannten Antrags wird offenbar nicht widersprochen. Dann ist die Dringlichkeit gegeben.
Was wir aber brauchen, ist eine wirksame Entlastung statt einer weiteren Belastung des öffentlichen Haushalts von Berlin im Bereich der Personalkosten. Es war daher eine richtige und notwendige Entscheidung, die kommunalen Arbeitgeberverbände zu verlassen. Nur so können wir erreichen, dass die Berliner Besonderheiten in den Verhandlungen auch zur Geltung kommen.
Berlin geht neue Wege. In meiner Regierungserklärung vom 21. Februar 2002 hatte ich die neue Richtung beschrieben:
Berlin braucht einen Mentalitätswechsel, der dem Neuen eine Chance gibt. Am Anfang steht der Mut zur Wahrheit, der Mut, die Probleme beim Namen zu nennen und der Mut, auch harte Konflikte nicht zu scheuen. Dafür tritt dieser Senat an, dafür bin ich als Regierender Bürgermeister gewählt worden.
Diesen Anspruch lösen wir auch Schritt für Schritt ein, und wir haben auch bereits manches angeschoben. Der neue Rundfunksender ist eingerichtet. Wir gehen neue Wege in der Hochschulmedizin. Wir schaffen ein neues Personalüberhangmanagement, wir werden im Bereich der Wohnungsbauförderung umsteuern, und wir werden auch die Strukturen im Bereich der Opern verändern. All das bereiten wir solide vor und setzen es auch um. Es nutzt nichts, etwas übers Knie zu brechen oder nur
Noch eines ist klar: Dieser Senat hat einen klaren Wählerauftrag zur Sanierung des Landes Berlin bekommen. Wir werden nicht zulassen, dass dieses Mandat
nachträglich umgedeutet oder beim ersten wirklichen Konflikt mit einer Interessengruppe in Frage gestellt wird. Wir haben uns das Mandat zur Veränderung erworben, und die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner hat uns gewählt, damit wir diese Veränderungen durchführen. Das ist unser Auftrag, und den werden wir auch erfüllen. Und ich füge hinzu: Das erwarten nicht nur unsere Wählerinnen und Wähler von uns, sondern auch viele, die uns nicht gewählt haben. Sie wollen, dass eine Regierung die Probleme löst und nicht vertagt und auf zukünftige Generationen verschiebt.
Eine vernünftige Politik beginnt mit der Anerkennung der Realität. Zur Berliner Situation: Die Steuereinnahmen liegen weit unter vergleichbaren Stadtstaaten, und zusätzliche Belastungen kommen dadurch auf Berlin zu, dass die Steuereinnahmen des Jahres 2002 um sage und schreibe 526,5 Millionen € hinter unserem Haushaltsansatz zurückgeblieben sind. Gemeinsam mit geringeren Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich – weil die finanzielle Situation auch bei den anderen Ländern schwieriger geworden ist – entsteht damit eine Abweichung gegenüber dem Haushalt von insgesamt 777,5 Millionen €, also knapp 1,5 Milliarden DM. Das rechtfertigt nicht nur den Nachtragshaushalt, sondern verschärft auch den Konsolidierungsdruck in
Die Personalkosten des Landes Berlin liegen deutlich über vergleichbaren Stadtstaaten, und dabei reden wir immer nur über die direkten Personalkosten, die bei uns im Haushalt stehen. Die Personalkosten in der Größenordnung von 7,3 Milliarden €, die trotz eines erheblichen Stellenabbaus in den letzten Jahren konstant geblieben sind, sind nicht die realen Personalkosten. Die Personalkosten der Universitäten, der Krankenhäuser, der BVG und der Theater und Opern sind darin überhaupt noch nicht enthalten. Trotz dieser konstanten Personalkosten haben wir weniger Einnahmen zu verzeichnen.
Der angestrebte Solidarpakt im öffentlichen Dienst gehört mit in die Reihe der Neuerungen – übrigens ebenso wie die Konsequenz, mit der wir auf das Scheitern reagiert haben. Alle kannten die Alternativen und wussten, was kommen würde: Arbeitszeiterhöhung für Beamte, eine Bundesratsinitiative für eine Öffnungsklausel in der Beamtenbesoldung,
Ausstieg aus den Arbeitgebervereinigungen für Arbeiter und Angestellte und auch gegebenenfalls betriebsbedingte Kündigungen nach Auslaufen der Beschäftigungssicherungsvereinbarung ab 2005. Das sind alles Konsequenzen aus dem Scheitern des Solidarpakts.
Ich denke, dass der Mentalitätswechsel in Berlin im Gange ist. Es gibt gravierende Veränderungen in vielen Bereichen, und das bringt Bewegung in die Stadt. Ein „Weiter so!“ kann es nicht geben, das wissen mittlerweile fast alle.
Die Geschäftsgrundlage ist klar. Für unseren Berliner Haushalt sind wir selbst verantwortlich. Hilfe des Bundes und der Länder kann nur dazu dienen, Schulden abzutragen und Zinslasten zu verringern. Aktuelle Haushaltsprobleme werden wir damit nicht lösen können, die müssen wir schon selbst in den Griff bekommen. Insofern ist es folgerichtig, dass wir einerseits sagen, der Bund muss uns helfen, um von den Schulden wegzukommen. Wir werden den Weg vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe beschreiten müssen, weil der Bund uns nicht per se bei der Haushaltsnotlage helfen wird. Aber wir können das nur überzeugend tun, wenn wir alles unternehmen, um selbst unsere Probleme zu lösen, unsere Hausaufgaben zu machen. Ich kann den Menschen im Rest der Republik nicht zumuten, dass sie die Zeche für uns, für die Reformunfähigkeit in Berlin, bezahlen müssen. Ein Zurücklehnen, eine Mentalität nach dem Motto: „Wir können es nicht. Andere müssen uns helfen.“ führt nicht weiter und ist nicht zeitgemäß.
Neu ist auch nicht die Tatsache eigener Tarifauseinandersetzungen. Diese hat es früher schon gegeben, bevor Berlin Mitglied der bundesweiten Tarifgemeinschaft war. Neu ist, dass sie unter dem Vorzeichen größter Knappheit stattfinden, dass es keine Verteilungsspielräume mehr gibt und uns dies zu Kreativität und neuem Herangehen zwingt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass so eine extreme Haushaltsnotlage nicht nur Probleme schafft, sondern auch mit dazu beiträgt, dass man intensiv daran arbeitet, Verbesserungen durchzuführen.
Die Folge aus der Finanzsituation ist: Investitionen des Landes finden kaum noch statt. Vorhin ist über ein wichtiges Projekt – Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm – diskutiert worden. Wir haben auch im öffentlichen Bereich nach wie vor einen Bedarf an Investitionen, die dringend notwendig sind. Die finanzielle Lage führt dazu, dass wir leider immer wieder daran gehen müssen. Die Zinsbelastung lähmt das Land zunehmend und schnürt die Spielräume ein.
Das Problem ist nicht allein ein Berliner Problem: Vielen Bundesländern wird es in Kürze ähnlich gehen – oder geht es jetzt schon so – wie Berlin, und auch der Bund leidet unter der drückenden Zinslast. Für Investitionen und wichtige Politikfelder wie Bildung bleiben immer geringere Spielräume. Völlige Handlungsunfähigkeit ist schon längst kein fernes Schreckgespenst mehr, sondern ein reales Problem für große Teile der öffentlichen Hand. Fest steht – davon bin ich felsenfest überzeugt –: Wer heute nicht gegensteuert, handelt nicht nur fahrlässig, sondern verantwortungslos;
Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zu dem moralischen Vorwurf sagen, den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes werde die Schuld an der finanziellen Misere Berlins gegeben. Niemand im Senat gibt den Beschäftigten Schuld an der Lage Berlins. Ich sage ganz deutlich: Die überwiegende Mehrheit, fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tagtäglich nicht nur ihre Pflicht tun und nicht nur Dienst nach Vorschrift machen, sondern weit darüber hinaus. Sie sind motiviert, etwas zu tun. Ich habe auch Verständnis dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Frage stellen, ob es soziale Gerechtigkeit gibt. Auch bei steigenden Kosten ist ein Anspruch auf Gehaltserhöhung nichts Abstruses, sondern ein legitimes Recht. Aber wir müssen es auch in Einklang bringen. Wir müssen eine Diskussion führen, damit wir verstehen, dass der öffentliche Dienst in dieser Welt nicht allein steht. Er ist keine Insel, sondern um ihn herum gibt es einen privaten Bereich, und dieser arbeitet heute unter gänzlich anderen Bedingungen.
Der Senat sagt, dass die schwierige Lage Berlins heute nur zu bewältigen ist, wenn alle – und ich sage, alle – Konsolidierungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Dazu gehört, dass die Personalkosten des Landes Berlin auf ein vertretbares Maß verringert werden. Der angebotene Solidaritätspakt ist dabei gerade der Versuch, diesen Weg verträglich, ausgewogen und fair zu gestalten, mit den Gewerkschaften und nicht gegen sie.
verantwortungslos gegenüber den Jungen, verantwortungslos aber auch gegenüber dem Gemeinwesen. Die Jungen sind doppelt gekniffen. Erstens kommen sie nicht mehr in den öffentlichen Dienst, weil noch mehr Personal abgebaut werden muss und noch weniger Stellen besetzt werden können. Zweitens müssen sie für den finanzpolitischen Schaden auch noch aufkommen, sprich: den Schuldenberg abtragen. Insofern gibt es überhaupt keine Alternative zu einem energischen Umsteuern, wenn man der jungen Generation noch eine Zukunftschance – auch in Berlin – lassen möchte. Alternativlos ist dieses Umsteuern.
Wir müssen Solidarität neu buchstabieren und neu definieren. Solidarität ist heute vor allem eine Frage des Ausgleichs zwischen den Arbeitsplatzbesitzern und denen, die keinen Job haben.
Der öffentliche Dienst braucht eine Zukunftsperspektive. Ich bin sicher: Der öffentliche Dienst hat eine Zukunft. Wir brauchen ihn, weil er wichtige Dienste leistet: Er sorgt für innere Sicherheit, er gewährleistet soziale Sicherheit, und er sorgt für Bildung. All dies sind Leistungen des öffentlichen Dienstes, bei denen wir Qualität erwarten – und das zu Recht. Ich wünsche mir einen starken, effizienten und effektiven öffentlichen Dienst, der in der Lage ist, die Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen und ihnen das Dienstleistungsangebot zu machen, das sie erwarten. Es ist schon so, dass sich nur Reiche einen armen Staat leisten können. Wer braucht Hilfe? – Das sind doch die Schwachen in unserer Gesellschaft, und zu den Schwachen gehören nicht nur Sozialhilfeempfänger, sondern zunehmend breite Mittelschichten, die jungen Familien mit Kindern. Sie brauchen die Hilfe des Staates, und ich möchte, dass Bildung, Ausbildung und Gesundheit weiterhin von allen Menschen bezahlt werden können und dass es sich nicht nach dem Geldbeutel richtet, ob jemand eine gute Ausbildung oder die notwendige Gesundheitsversorgung bekommt.
Aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass der öffentliche Dienst eine Zukunft hat. Wir müssen ihn reformieren. Dazu gehören die Modernisierung der Verwaltung, die Konzentration des Beamtentums auf hoheitliche Aufgaben im Bereich der Polizei, der Justiz und der Feuerwehr. Man kann mir nicht klarmachen, warum ein Lehrer Beamter oder Beamtin sein muss. Das sind keine hoheitlichen Aufgaben. Wir müssen an diese Strukturen herangehen.
Um den öffentlichen Dienst flexibel zu gestalten, brauchen wir eine Flexibilisierung der Tarife. Wir müssen
in der Lage sein, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Leistung und nicht nur nach Anciennität und Dienstaltersstufen zu bezahlen.