Protocol of the Session on December 12, 2002

Mit Verlaub, Sie scheinen in den letzten 14 Tagen irgendwo in Timbuktu gewesen zu sein. Wenn Sie die Zeitungen, die Sie hier alle zitiert haben, aufmerksam gelesen hätten, dann hätten Sie in allen gefunden, dass Sie ein derartiges Desaster angerichtet haben in der Steuer- und Abgabenpolitik – abgesehen davon, dass Sie sich in

Aber ich gebe Ihnen Recht, wir werden noch einige Jahrzehnte bleiben, vor allen Dingen angesichts dieser Art von Oppositionspolitik. – Danke!

Danke schön! – Für die FDP hat das Wort der Abgeordnete Dr. Lindner!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Herr steuererhöhungspolitischer Sprecher der SPD!

sondern ich möchte Sie mit einem neoliberalen Magazin aus Hamburg konfrontieren, dem „Spiegel“ 49/2002. Überschrieben ist der Artikel mit: „Die Verzweiflungstäter“:

Klamm wie nie zuvor, versucht Rot-Grün alles, um frisches Geld aufzutreiben. Doch höhere Steuern und Abgaben schaden der Konjunktur, verschrecken Unternehmen und vernichten Jobs. Nur Schwarzarbeit und Steuerflucht florieren. Am Ende nimmt der Staat weniger ein als geplant.

weiten Bereichen immer noch nicht mit sich selbst einig sind, was Sie tun wollen –, dass Sie diesem Land einen wirklich schweren Schaden zufügen. Sie gehen nicht bloß in die falsche Richtung, was die Steuerpolitik anbelangt, Sie erhöhen kurzfristig Einnahmen und vernichten langfristig Strukturen, vernichten langfristig Unternehmen, vernichten langfristig Arbeitsplätze und in letzter Konsequenz vernichten Sie auch langfristig Steuereinnahmen. Und dann fängt Ihre Steuerspirale wieder von vorne an. Das ist die Politik, die Sie seit Jahrzehnten einzig und allein betreiben können.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Doering (PDS): Wir sind hier nicht im Bundestag! Sagen Sie einmal etwas zum Land! – Gaebler (SPD): Seit Jahrzehnten?]

Herr Zackenfels hat die Möglichkeit zu erwidern. – Bitte, Sie haben drei Minuten!

Das Erste und Wichtigste ist zuerst einmal die Feststellung, dass ich nicht in Timbuktu war, auch das muss einmal richtig gestellt werden.

Das Zweite: Gehen wir einmal auf den Fall ein, den Sie zitiert haben, nämlich die Körperschaftsteuerausfälle. Ich kann Ihnen gerne anbieten, dass wir das einmal gemeinsam durchdeklinieren. Sie wissen, warum die Körperschaftsteuereinnahmen tatsächlich zurückgegangen sind: Weil die Gesellschaften unter Ihrer Regierung die Eigenmittel in das EK gepackt haben, welches am niedrigsten besteuert ist.

[Goetze (CDU): Umso schlimmer! – Henkel (CDU): Glaubwürdige Entschuldigung! – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Und erst durch uns, die wir gesagt haben, Leute jetzt ist der geringere Steuersatz anzuwenden, haben die Firmen gesagt: Na, da hole ich mir das aus dem Eigenkapital, was damals unter Kohl mehr besteuert worden wäre.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Demzufolge sind wir als Staat, ist die Bundesregierung in der Pflicht gewesen, entsprechende Körperschaftsteuererstattungen durchzuführen, Herr Dietmann.

[Zurufe der Abgn. Czaja (CDU) und Dietmann (CDU)]

Kommen Sie einmal zu mir, ich kann Ihnen einen kleinen Kurs anbieten, natürlich nicht gratis, da müssen wir über den Preis verhandeln, aber Sie lernen etwas über Körperschaftsteuer und wie das reell funktioniert.

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Wegner (CDU): Um Gottes Willen!]

16 Jahre ist das verfehlte Politik gewesen, auch im Bereich der GmbHs, auch im Bereich der Kapitalgesellschaften. Und wir sind nicht Jahrzehnte an der Regierung, wir sind gerade einmal vier Jahre dran.

[Goetze (CDU): Deshalb geht es den Unternehmen so gut! – Weitere Zurufe von der CDU]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Ah! von der SPD, der CDU, der PDS und den Grünen – Doering (PDS): Immer daran denken, Sie sind im Abgeordnetenhaus, nicht im Bundestag!]

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

Ich will Sie jetzt gar nicht quälen mit großen FDPProgrammen oder so etwas,

[Gaebler (SPD): Sie haben ja auch keine! – Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

[Gaebler (SPD): Besser als Möllemann und Rexrodt! – Zuruf der Abgn. Frau Oesterheld (Grüne) und Eßer (Grüne)]

Meine Damen und Herren! Ich weiß, Sie sind fast autistisch, wenn es um dieses Thema geht.

[Beifall bei der FDP]

Ob es Wissenschaftler wie Laffer sind, ob es die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland sind, ob es Vergleiche mit anderen Ländern sind, es ist Ihnen völlig egal: Für Sie, in Ihrer einfachen Welt, heißt Erhöhen von Steuern gleichzeitig Erhöhen von Staatseinnahmen. Das Gegenteil ist der Fall. Das ließe sich hier ewig fortführen.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Ich möchte ganz wenige Ihrer Folterinstrumente, eine Auslese der Unvernunft, kurz beleuchten.

Das Erste ist das Abschaffen des Spendenabzugs für Körperschaften, den Sie vornehmen, und zwar § 9 Abs. 1 Nr. 2 Körperschaftssteuergesetz. Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein: Alle Welt fordert das Engagement auch der Wirtschaft gerade im kulturellen Bereich, im wissenschaftlichen Bereich, und da haben Sie nichts, nichts wirklich Größeres im Sinn, als ausgerechnet dort die Spendenabzugsfähigkeit zu beschränken?

Ein Letztes noch: Miles-and-More. Da sagen Sie: Klar, warum da nicht 15 % draufsetzen? – So kann man denken, das ist keine allzu abwegige Idee, nur ist das Problem, dass die anderen ausländischen Fluggesellschaften in Deutschland nicht besteuert werden, nicht besteuert werden können, so dass das Miles-and-More-ServiceCentrum gerade schon dabei ist, das Zentrum von Werl bei Gütersloh ins Ausland zu verlegen. Das heißt, Sie werden nicht nur diese 15-prozentige Schnäppchensteuer nicht erhalten, sondern die 500 Arbeitsplätze dieses Unternehmens werden Ihnen auch noch wegfallen.

(D deswegen reichen hier auch fünf Minuten. Doch die Hoffnung, dass die Bürger Ihre parlamentarische und vor allen Dingen Ihre Regierungshalbwertszeit deutlich verkürzen, die werde ich so schnell nicht aufgeben. – Herzlichen Dank!

[Doering (PDS): Wem sagen Sie das eigentlich? – Wir sind im Landtag!]

Ein weiteres Beispiel ist die Erhöhung der Pauschale für private Pkw-Nutzung von Dienstwagen. Da sage ich Ihnen einmal in großer Selbstkritik, Herr steuererhöhungspolitischer Sprecher, das haben wir damals auch versucht unter CDU-FDP. Im Krisenjahr 1996 hat die Regierung Kohl-Kinkel die Dienstwagensteuer erhöht. Diese Abgabe sollte damals dazu führen, 1 Milliarde DM mehr einzunehmen. Der Verkauf insbesondere bei Mercedes, BMW und Volkswagen ging spürbar zurück, die Händler zahlten entsprechend weniger Gewinn- und Mehrwertsteuer. Am Ende hatte der Fiskus nicht die 1 Milliarde DM mehr auf der Kante, sondern 200 Millionen DM weniger.

[Brauer (PDS): Gerade Mercedes!]

Man sollte aus seinen Fehlern durchaus auch einmal lernen

[Doering (PDS): Dann ziehen Sie doch Konsequenzen!]

und selbstkritisch feststellen, wir haben die Lektion bekommen, das war großer Unsinn. Wir würden uns zukünftig einem solchen Quatsch widersetzen. Aber auch Sie sind natürlich herzlich eingeladen, aus den Fehlern liberal-konservativer Vorgängerregierungen zu lernen.

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Ein Drittes ist die unbeschränkte Steuerpflicht für die Veräußerung von Wertpapieren und Grundstücken. Ich sage Ihnen, das können Sie sich vielleicht auch nicht vorstellen, nicht unbedingt Sie, Herr Zackenfels, als Steuerberater, aber ein Großteil von Ihnen; denn Sie sind Parteien des öffentlichen Dienstes, für den öffentlichen Dienst. Aber es gibt auch Menschen, die gezwungen sind, außerhalb von Pensionen und Renten für ihr Alter zu sorgen. Die müssen aus bereits mehrfach versteuertem Einkommen einen solchen Kapitalstock aufbauen, aus dem heraus sie dann später ein auch öffentlich Bediensteten vergleichbares Leben bestreiten wollen. Denen greifen Sie noch einmal richtig satt in die Tasche. Da wollen Sie noch einmal schön ran, dass es sich noch weniger lohnt, anders als angestellt oder gar im öffentlichen Dienst beschäftigt zu sein. Das ist das Traurige an der Sache, dass Sie hier immer noch nichts gelernt haben.

Ich möchte Ihnen aber zum Schluss noch etwas zu dem Thema sagen, wie realistisch das alles ist, was Sie hier treiben. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass das hier so abläuft, wie Sie sich das in Ihrer Klein-FritzchenWelt vorstellen,

[Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

dass die alle zuschauen: Um die angesammelten Miesen zumindest bis Ende Dezember noch voll nutzen zu können, legte beispielsweise der Konzern MG Technologies vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember ein Rumpfgeschäftsjahr ein, das endet bevor die neuen Regelungen in

Kraft treten. Die sind sehr kreativ, die warten nicht auf die I. Lesung dieses Sammelsuriums von Unsinn.

[Doering (PDS): Wo findet die I. Lesung statt? – Doch nicht hier!]

Herr Lindner! Achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!