Protocol of the Session on November 28, 2002

Der Antrag der Fraktion der FDP – Stichwort: BSRSkandal – wird federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie und mitberatend an den Rechtsausschuss überwiesen.

Der Antrag der Fraktion der CDU – Stichwort: Sicherstellung ordnungsgemäßer Gebühren und Entgelte – wird an den Rechtsausschuss sowie an den Hauptausschuss überwiesen.

Die Drucksache 15/1012, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, wird zur Beratung an den Wirtschaftsausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss überwiesen.

Zum Gesetzesantrag der Fraktion der Grünen, Drucksache 15/1040, empfiehlt sich ebenfalls die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Betriebe – federführend – sowie mitberatend an den Rechtsausschuss. Die Sachanträge der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen mit den Drucksachennummern 15/1036 bis 15/1039 müssen federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz und mitberatend an den Wirtschaftssausschuss überwiesen werden.

Zu diesen Überweisungen höre ich keinen Widerspruch. Damit ist jetzt so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

a) Antrag

Mehr Berlin, weniger Staat (1)

Antrag der FDP Drs 15/994

b) I. Lesung

Mehr Berlin, weniger Staat (2) – Berliner Stadtplanung vereinfachen

Antrag der FDP Drs 15/995

c) I. Lesung

Mehr Berlin, weniger Staat (3)– Denkmalschutz vereinfachen

Antrag der FDP Drs 15/996

d) Antrag

Mehr Berlin, weniger Staat (4) – Auflösung der Wohnungsämter

Antrag der FDP Drs 15/997

Es ist eine Beratung von bis zu fünf Minuten pro Fraktion vorgesehen, die wir vom Präsidium aus großzügig auslegen werden. Kleine Zeitzuschläge sind möglich, aber wirklich nur kleine.

Ich eröffne die I. Lesung. Es beginnt die Fraktion der FDP mit Herrn Ritzmann. – Bitte schön, eilen Sie herbei, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Mehr Berlin, weniger Staat“ ist der Titel dieser Antragsserie. Berlin braucht mehr Bürgergesellschaft und weniger staatliche Rundumversorgung. Ausgangspunkt dafür ist das Menschenbild des selbstständigen, eigenverantwortlichen Bürgers, der erst einmal versucht, sein Leben selbst zu organisieren, und erst dann einen Staat hinzu holt, wenn es selbst nicht klappt. Und nicht anders herum: ein Staat, der die Bürger einengt, reguliert und gängelt, sodass sie sich ihrer Freiheit beraubt sehen. Dazu gehört der ordnungspolitische Ansatz, wie ein Staat aus Sicht der FDP-Fraktion auszusehen hat, wie er am besten funktioniert, wie er die beste Leistung für Bürger und höhere Kosteneffizienz erbringt.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Strukturell ist dieses Land demoliert, das wissen wir. Die Lage verschlechtert sich ständig. Vor einigen Tagen war in der „Tageszeitung“ zu lesen: „Kinder haften für ihre Eltern“. Genau darum geht es hier, die Zukunftschancen dieser Stadt, die Zukunftschancen kommender Generationen werden verspielt, und zwar hauptsächlich deshalb, weil sich dieser Senat darum herumdrückt, die wesentlichen Strukturentscheidungen anzugehen; das we

sentliche Übel in der Stadt bleibt unangetastet. Der Schuldenstand wächst weiter, und wie Sie alle wissen, die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.

Staatsaufgabenkritik, auch ein Begriff, der viel bemüht wird. Der Staat hat bestimmte Aufgaben zu erledigen. Die Politik definiert, welche das sind und welche man den Bürgern überlassen kann. Dafür gibt es Experten, die Vorschläge machen, es gibt Kommissionen, die ganze Expertisen erstellen. Letztendlich ist es aber eine politische Entscheidung, denn jede Aufgabe, die durch den Staat erbracht wird, wird irgendwo auf der Welt von Privaten oder zumindest in Kooperation mit Privaten erbracht. Ich rate deshalb von dem Irrglauben ab, man könne eine Kommission bestellen, die einem sagt, was machbar ist und was nicht. Machbar ist prinzipiell sehr vieles. Es ist eine politische Entscheidung, ob der Staat etwas selbst ausführt, ob er es in Kooperation mit Privaten, mit Bürgern, mit Unternehmern ausführt oder ob er diese Aufgabe ganz an die Bürger zurückgibt.

[Beifall bei der FDP]

Der Regierende Bürgermeister sollte endlich diesen Handlungsbedarf wahrnehmen und diese Strukturreformen angehen. Wir hören eine Vielzahl von Sonntagsreden, wir lesen interessante Artikel in Sonntagszeitungen. Dieser Senat muss endlich die Wirklichkeitslücke schließen zwischen Sonntagsreden und Dienstagssenatsbeschlüssen. Das würde wirklich helfen, diese Stadt voran zu bringen.

[Wieland (Grüne): Die FDP klatscht gar nicht. Schlaff!]

Die großen Brocken auf der Ausgabenseite, viele sind heute schon genannt worden, da möchte ich mich auf die Landesbetriebe konzentrieren. Der Staat ist kein Banker, er kann es nicht. Der Staat ist kein Versicherer, er kann es nicht. Der Staat muss kein Porzellan herstellen, das können andere besser. Er muss auch nicht an Reisebüros beteiligt sein. Bäckereien betreibt er auch nicht, also weg mit überflüssiger Staatstätigkeit.

[Beifall bei der FDP]

Weg damit, um Geld in die Kasse zu bekommen, und auf der anderen Seite, um Risiken abzuwälzen. Letztendlich macht jedes unter politischem Einfluss geführte Unternehmen auf lange Sicht mehr Miese. Es häuft mehr Schulden an, weil Politiker eingreifen und damit Marktmechanismen außer Kraft setzen, die dazu führen, dass sich Unternehmen weiterentwickeln, dass Innovation stattfindet. Das ist eines der großen Probleme hier in Berlin.

Wir müssen Aufgaben reduzieren, damit wir Personalkosten und damit auch Personalstellen drastisch reduzieren können. Dort, wo Aufgaben wegfallen, fallen auch die entsprechenden Stellen weg. Deswegen eröffnen wir hiermit eine Antragsserie zur Strukturreform in Berlin. [Beifall bei der FDP]

Wir wollen die Bauplanung vereinfachen, das liegt Ihnen vor, mit dem Ziel, die Hürden für Investoren zu senken

und die Gängelung der Bürger abzubauen. Das sind gute Ziele für Berliner Politik. Im Denkmalschutz wollen wir Doppelarbeit reduzieren. Die Wohnungsämter, deren wesentliche Aufgaben weggefallen sind, wollen wir auflösen.

[Beifall bei der FDP]

Das ist ein Potential von ungefähr 150 Stellen mit einem jährlichen Einsparpotential von ca. 9 Millionen €. Das ist ein Auftakt, ein relativ kleiner. Aber wir werden kontinuierlich nachlegen und uns deswegen von diesem Senat unterscheiden, der pauschale Kürzungen über alle Bereiche legen will, die nur dazu führen, dass die Mitarbeiter frustriert werden.

Sie werden von uns weiter konkrete Vorschläge erwarten können zur Abgabe von Aufgaben, zur Streichung von Gesetzen und Verordnungen, zum Schließen überflüssiger Ämter und damit verbunden auch zum Personalabbau. Das Ende des Prozesses, das Ziel ist ein gut organisierter, gut ausgestatteter, motivierter, auf die Kernaufgaben beschränkter öffentlicher Dienst, eine starke Verwaltung in den Kernaufgaben, mit einer hohen Kosteneffizienz und bestmöglichen Leistungen für die Bürger.

Berlin muss saniert werden, Berlin braucht weniger Sonntagsreden. Nehmen Sie Ihren Mut zusammen, raffen Sie sich endlich auf!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Schimmler das Wort. – Bitte schön, Herr Schimmler!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vier Anträge der FDP-Fraktion mit dem Titel „Mehr Berlin, weniger Staat“ sollen einvernehmlich in die Ausschüsse überwiesen werden. Eigentlich sollte man sich in diesem Fall die Rederunden sparen, schließlich gibt es die Ausschussberatungen, und danach kehrt es hierher in das Plenum zurück.

[Ritzmann (FDP): Das gilt aber für alle Anträge, Herr Kollege!]

Es wurden eben Sonntagsreden beklagt. Ich nenne es nicht so, aber es war die große Luftblase, die hier vorgetragen wurde. Wenn der Wunsch der Antragsteller besteht, dann muss man darüber reden. Leider muss man dann allerdings auch feststellen, dass das, was Sie hier vortragen, ein ordnungspolitischer Staat ist, der in der Tat etwas mit dem Titel Ihrer Antragsserie – war das übrigens eine Drohung? – zu tun hat, nämlich mit dem kann man nicht viel Staat machen. Das kann man an dieser Stelle deutlich sagen.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Wieland (Grüne)]

Lassen Sie mich an dieser Stelle einige Beispiele aus dem groß angekündigten Paket nennen, Sie fangen ja ganz klein an. Im ersten Antrag wird die Beschränkung auf Kernaufgaben gefordert. Hierfür soll der Staat ge

stärkt und finanziell entsprechend ausgestattet werden. Dabei geht die FDP-Fraktion augenscheinlich immer noch vom alten Bild hoheitlicher Aufgaben aus. Ansonsten verabschieden Sie sich mit diesem Antrag vom politischen Gemeinwesen, wenn Sie in der Begründung feststellen, alles sei so kompliziert geworden, dass man es ohnehin nicht mehr durchschaue und der Staat deshalb keine Gerechtigkeit mehr herstellen könne. Das heißt im Ergebnis: Lasst den Egoismen freien Lauf, es wird schon das Richtige dabei herauskommen. – Die Ergebnisse solchen Staatsverständnisses haben zum Sozialstaat geführt.

In Ihrem zweiten Antrag wollen Sie schlicht nicht Planung vereinfachen, sondern Sie wollen die Bezirke aus der Planung heraushalten, indem Sie die Bereichsentwicklungsplanung gestrichen haben. Bei mir ist, auch auf Grund mancher Ihrer Redebeiträge im Bauausschuss, der Eindruck entstanden, dass von Ihnen noch nie jemand in die Bereichsentwicklungsplanung eines Bezirks geschaut hat. Sie machen dann aber auch Vorschläge zu den §§ 6 und 7 AG Baugesetzbuch. Wenn Sie einmal überlegten, was Sie dort geschrieben haben, die Abschaffung der Rechtsprüfung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, würden Sie durch Ihre Formulierung des § 7 den Bezirken freies Entscheiden zum Beispiel bei großflächigem Einzelhandel außerhalb der Zentrenstruktur des FNP zubilligen. Und wenn Sie das konsequent umsetzen, können die Bezirke dies sogar nach § 34 des Baugesetzbuches selbst entscheiden, ohne den Senat überhaupt zu fragen.

Im dritten Antrag, der Novellierung des Denkmalschutzes, sollen die Bezirke ebenfalls ausgeschaltet werden. Begründet wird das mit der Fusion mit Brandenburg. Die Entscheidung darüber, ob Berlin Stadtkreis oder Kreisstadt wird, ist überhaupt noch nicht gefällt. Mit Ihren sonstigen Vorstellungen, ökonomienah zu sein und damit auch den Möglichkeiten dezentraler Ressourcenverantwortung nachzugehen, kommt das mit Sicherheit nicht zusammen.

Im vierten Antrag gehen Sie vollständig an den realen Entwicklungen vorbei. Vielleicht haben Sie auch schon einmal gehört, dass die Bezirke mit ihren Globalsummen auskommen müssen. Die haben sie nämlich, und inzwischen haben sie damit große Schwierigkeiten. Aber die Bezirke haben längst auch schon begriffen, dass da etwas ganz anderes läuft. Sie haben nämlich im Zuge der Grundsicherungsämter vieles von dem, was Sie geschrieben haben, längst gemacht, auch wenn manchmal noch das Schild „Wohnungsamt“ draußen hängt. – Insofern nehmen wir die Anträge mit in die Ausschüsse, vielleicht kann man aus dem einen oder anderen noch etwas machen.