Aber jetzt wieder zum Thema. – Herr Dr. Zotl! Man braucht doch uns nicht von der Notwendigkeit kommunaler Selbstverwaltung zu überzeugen. Da müssen Sie bei anderen argumentieren. Wir sagen klipp und klar und haben es immer gesagt: Wenn Sie als rot-roter Senat beispielsweise das richtige politische Bezirksamt einführen mit Koalitionsbildung nicht nur beim Bürgermeister, sondern insgesamt, dann haben Sie unsere Unterstützung. Wenn man endlich dazu kommt, die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und die Wahlen zu den Bezirksversammlungen zu entkoppeln,
damit nicht immer in den Bezirken mitgewählt werden muss, wenn hier zum Beispiel demnächst wieder ein Senat auseinander kracht, dann haben Sie auch unsere Unterstützung. Und auch wenn Sie – was Sie in Ihren Vorschlägen unterbreitet haben, die aber noch gar nicht eingebracht sind, deswegen kommt die Debatte etwas früh – eine Stärkung der Bürgerbeteiligung wollen, den Bürgerbescheid in den Bezirken – da wollen wir sogar noch mehr, aber auch dann unterstützen wir das. Das ist für uns überhaupt nicht die Frage.
Auch die Verkleinerung der Bezirksämter auf fünf Mitglieder ist sinnvoll. Wir hatten bei der Bezirksfusion seinerzeit sowieso nicht verstanden, warum man da, als kleines Bonbon sozusagen, diese Erweiterung wieder vorgenommen hat.
als Vorreiter der Entbürokratisierung hinstellen, habe ich den Eindruck, der Löwe erklärt mir, er sei Vegetarier geworden. Ein kleines Restmisstrauen ist immer noch da; denn – das sagte auch Herr Schimmler ganz richtig – wir haben lange genug über Verwaltungsreform geredet. Für viel Geld haben wir Beratungsgesellschaften noch und noch damit beschäftigt. Wir haben viel zu detaillierte Regelungen im Verwaltungsreformgrundsätzegesetz. Das alles ist da. Es kommt darauf an, dies endlich umzusetzen.
Wir sagen aber auch, zusammen mit den Bezirksbürgermeistern: Was nutzt die schönste Selbstverwaltung in den Bezirken, wenn es nichts mehr zu verwalten gibt, wenn die Bezirke finanziell so ausgeblutet sind, dass der Seenotrettungskreuzer das Rettungsboot vom Haken nimmt und sagt: „Nun steuert mal schön selbstbestimmt weiter über den Atlantik!“ – Das muss man sich heute einmal ansehen, das Kaleidoskop der Verzweiflungshandlungen geradezu, die in den Bezirken auf Grund der Sparauflagen des Senats aktuell vorgenommen werden: Schließung der Hälfte der Bibliotheken in Zotlland, in Lichtenberg, von acht auf vier; man schließt gerade die Hälfte, genauso in Marzahn-Hellersdorf. Schließungen von Jugendeinrichtungen in Mitte, in Reinickendorf und in Friedrichshain-Kreuzberg. Nichteröffnung geplanter und angekündigter Bürgerbüros. Einstellung – das schlägt dem Fass den Boden aus – der Sozialhilfezahlungen in Neukölln an Dritte, an Einrichtungen freier Träger. Sie sollen sehen, wie sie über die Runden kommen. In allen Bezirken verwahrlosen die Grünanlagen und verrotten die bezirkseigenen Gebäude. Beim früheren Rathaus Wedding in der Müllerstraße spannt man Netze auf, damit den Bürgerinnen und Bürgern statt der Verwaltung nicht gleich das ganze Gebäude entgegenkommt. – Das ist der traurige und beklagenswerte Zustand, in dem die Einrichtungen sind. Man tut eben gerade nicht das, was Sie immer als Überschrift schreiben: Man spart nicht an der Bürokratie, sondern man spart an den Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger, und das ist eine Schande.
Das haben am wenigsten die Bezirke zu verantworten, das muss man deutlich sagen. Ihnen hat man die Grundstücke weggenommen. Sie bleiben bis dato auf dem überzähligen Personal sitzen. Wir fordern deswegen, dass es angesichts dieser Misere verbindliche Mindeststandards für die sozialen und für die kulturellen Einrichtungen geben muss. Sonst kommen wir dazu, dass Lebensnotwendiges in den Bezirken nicht mehr getan wird. Die Kosten, die man heute in Jugendeinrichtungen und anderen weg
spart, werden wir später zehnfach und mehr in Ausgaben für Polizei, Justiz und anderes zu zahlen haben. Auch dies muss einmal deutlich gesagt werden.
Der zentrale Mangel dieses Senats ist nach wie vor – das haben wir schon in der Debatte zur Regierungserklärung kritisieren müssen –, dass er es nicht schafft, die drei Komponenten zu verzahnen. Eine Komponente: Aufgabenkritik, Aufgabenreduzierung. Die zweite Komponente: Verwaltungsreform durchführen, Verfahren zur Verwaltungsvereinfachung. Die dritte Komponente: Personaleinsparung. Das alles müsste zu einem harmonischen Dreiklang werden. Weit ist man davon entfernt.
Am Montag wurde uns im Innenausschuss die neue Polizeiführungsstruktur vorgestellt – sehr klar, sehr detailliert, längst fällig. Was völlig fehlte, war die Antwort auf die Frage: Wie viele Stellen werden denn damit stellenplanmäßig eingespart? Stattdessen sollen die, die oben im Stab herausfallen, offenbar unten alle aufgefangen werden. Hier geht nach wie vor auseinander, was ineinander greifen müsste. Solange Sie keine Gesamtvorstellung davon haben, wie im öffentlichen Bereich umgestaltet werden muss, um zu sparen, solange kann es nur scheitern.
Nach wie vor wirkt der Rasenmäher, nach wie vor liebt dieser Senat Planvorgaben in Planzahlen, als sei die DDR noch lebendig. Was diese vorgegebenen Zahlen dann in den Bezirken anrichten, das wird ausgeblendet. Das nimmt man nicht zur Kenntnis, das will man lieber nicht so genau sehen.
Klaus Wowereit will offensichtlich auf Grund eines durchaus verständlichen Milieuschadens, den man erleiden kann, wenn man langjährig im Bezirksamt Tempelhof als Stadtrat tätig war, am liebsten den politischen – –
Aber das entschuldigt es ja nicht. – Er will offenbar den politisch gewählten Bezirksstadträten an das Leder, zur Freude des Beamtenbundes, dem man aber an dieser Stelle einmal in das Stammbuch schreiben muss, dass man unfähige Stadträte immerhin nach einigen Jahren nicht wiederwählen kann, auf unfähigen Beamten aber lebenslang sitzen bleibt. Das sollte sich gerade der Beamtenbund einmal durch den Kopf gehen lassen.
PDS-Bürgermeister Klett geht nun in das andere Extrem. Er sagt: Wir wollen zurück vor 1920, lösen wir doch die Stadt wieder auf in 12 eigenständige Gemeinden, in 12 Teile. Wir und auch die Bürgerinnen und Bürger haben diese Spielchen satt angesichts des Ernstes der Situation. Wir sagen ganz deutlich: Berlin hat so viele Probleme, Berlin hat eine andere, eine bessere Regierung verdient, und vor allem hat es sie nötig!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Probleme, die Berlin hat, und im Rahmen der Solidarpaktgespräche wurde von einem unserer Verhandlungspartner ein Papier auf den Tisch gelegt, uns Gedanken darüber zu machen, ob wir die Bezirke in ihrer jetzigen Form mit Bezirksämtern und Bezirksverordnetenversammlungen aufrecht erhalten wollen. Insofern meine ich, dass dies ein Thema ist, über das es sich lohnt nachzudenken. Es ist nicht nur ein tagespolitisches Thema, sondern durchaus ein dringendes und aktuelles. Ich glaube auch nicht, dass es ausreicht zu sagen: Um Gottes willen, was ist das denn schon wieder für ein Vorschlag. – Die Situation, in der Berlin ist, muss es möglich machen,
auch Ideen zu diskutieren, die auf den ersten Blick nicht einleuchtend sind oder sogar völlig fremd erscheinen. Ich halte es deshalb für richtig, dass man sich über die Grundlagen unserer Stadt und unserer Stadtverwaltung Gedanken macht und sich nicht dadurch begrenzen lässt, indem man argumentiert: Darüber haben wir uns vor zehn Jahren Gedanken gemacht, deshalb dürfen wir jetzt nicht neue denken.
Aber wenn man diesen Gedanken überprüft, kommt man doch zu einem etwas anderen Ergebnis, als es uns in dem Vorschlag zur Abschaffung der Bezirke und der Bezirksverordnetenversammlungen vorgelegt wird. Das Erste ist der demokratische Gesichtspunkt: Wir sind ein Stadt- und Landwesen, das auf die Beteiligung von Bürgern an dieser Verwaltung und dieser Regierung angewiesen ist. Deshalb brauchen wir Strukturen, mit denen wir Bürger möglichst weit in das, was passiert, einbeziehen können. Nur so kann Politik vermittelt werden, und zwar nicht nur Politik der Regierungsparteien, sondern auch der Opposition. Deshalb meine ich, dass ein ganz wesentliches Ziel der Organisation der Stadt die
Bürgerbeteiligung sein muss. Hier muss man schlichtweg sehen – das sage ich jetzt als jemand, der das lange Jahre gemacht hat, aus dem Senat haben das etliche gemacht, von Ihnen haben es auch etliche gemacht –: Das, was Bezirksverordnete in den Bezirken machen, ständig für den Bürger zur Verfügung zu stehen, auf Festen, bei Veranstaltungen, bei Podiumsdiskussionen und ähnlichem, ist ein ganz wichtiger Transmissionsriemen für politische Willensbildung
und kann meines Erachtens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das gilt auch für die Funktion von Bezirksbürgermeistern und Bezirksamtsmitgliedern, die am Sonntag, am Abend, am Feiertag auf Veranstaltungen sind und die anders als Beamte keine Gleitzeitbögen schreiben, um dies durch entsprechende Freizeiten auszugleichen.
Herr Kollege Henkel! Ich versuche gerade darzustellen, auf Grund welcher Überlegungen, ich zu welchem Ergebnis komme. Das Ergebnis nenne ich zum Schluss, um es spannend zu machen. – Das muss man einfach zu Gunsten der Kollegen, die in den Bezirken tätig sind, feststellen. Die Arbeit, die dort gemacht wird, wird gut gemacht. Ob sie durch beamtete Magistratsmitglieder, die nicht gewählt werden, die nicht abwählbar sind, besser gemacht würde, wage ich zu bezweifeln. Die Gemeinden, in denen es andere Modelle gibt, gucken manchmal eher neidisch nach Berlin zur Bezirksstruktur, die wir hier mit unseren Bezirken, den Bezirksverordnetenversammlungen und den Bezirksamtsmitgliedern haben.
Der Regierende Bürgermeister hat lediglich die Frage gestellt, ob man nicht in einer solchen Debatte auch über Bezirke nachdenken muss. Ich bin dabei,
mit Ihnen gemeinsam zu denken. Sie haben es im Übrigen auch schon getan. – Das gilt auch für Bürgerbegehren und andere Partizipationsmodelle,
wobei man sich immer genau überlegen muss, ob man die Bürger mit solchen Modellen überhaupt erreicht. Das ist das eine.
Das Zweite ist: Wir sind nicht um unserer selbst willen da, sondern wir sind dazu da, Dienstleistungen und Verwaltung für den Bürger zu erbringen. Das heißt: Effektive Verwaltung ist ein ganz zentrales Thema, das auch einen ganz zentralen Bezug auf die Haushaltsstruktur und auf unsere Haushaltsnöte hat.
Das ist nicht ganz neu, Herr Kollege Kittelmann! – Hier gilt für mich Folgendes: Dezentralität, ja. Insofern ist das, was wir mit dem Bezirksverwaltungsgesetz, mit dem Ändern der Verfassung gemacht haben, vom Grundsatz her zu akzeptieren. Andererseits muss man auch gerechterweise fragen, ob alles das, was wir gemacht haben, einer ernsthaften Prüfung standhält. Dazu gehört für mich auch – das ist von der FPD-Fraktion gesagt worden, von Herrn Ritzmann – die Einheitsgemeinde Berlin und damit auch eine gewisse Einheitlichkeit der Lebens- und Verwaltungsverhältnisse in der Stadt. Hier liegt meines Erachtens einiges im Argen. Ich finde es schön, wenn nach dem Motto: Lasst hundert Blumen blühen! jeder Bezirk selbstständig organisiert ist. Ich finde es Unsinn, wenn ein Senatsmitglied als Ansprechpartner in einem Bezirk drei verschiedene Bezirksamtsmitglieder in den jeweiligen Ressorts hat. Das kann nicht vernünftige Verwaltung sein, kann nicht der Kommunikation dienen und dient nicht dem Bürger in der Stadt, sondern führt zu Leerlauf, zusätzlichen Sitzungen und Mehrarbeit.
Insofern nehme ich auch die kritische Anmerkung des Regierenden Bürgermeisters ernst. Aus meiner Sicht müssen wir bei aller Vielfalt, bei allem Lassthundert-Blumen-Blühen, zu einer durchstrukturierten Berliner Verwaltung kommen, in der der Bürger, der in Treptow-Köpenick ein Bürgeramt aufsucht, dasselbe Bürgeramt vorfindet wie das, was er in Reinickendorf aufsucht oder in Neukölln und nicht jeweils durch ein Wirrwarr daran gehindert wird, sich zurecht zu finden.
Deshalb meine ich, dass wir zu einem Ergebnis kommen müssen, wonach man den Bezirken stärker, als wir das im Bezirksverwaltungsgesetz gemacht haben, Vorgaben zur Organisation ihrer Bezirksämter und Ämter gibt. Dann bleibt für Blumenblühen noch genug übrig, weil jeder Bezirk Besonderheiten hat, die der andere Bezirk nicht hat