Protocol of the Session on December 13, 2001

[Pewestorff (PDS): Hände aus den Hosentaschen!]

Wozu seinerzeit noch Zwang nötig war, um die SPD und die Kommunisten zu vereinen, das machen Sie jetzt freiwillig. In einer groß angelegten Scheinverhandlung mit FDP und Grünen täuschen Sie auch noch die Wähler. Dass Sie ein Bündnis mit der PDS anstrebten, stand bereits vor gut einem Jahr fest. Wir haben immer darauf hingewiesen. Sie haben allerdings wertvolle Zeit vergeudet, um gegenüber der Öffentlichkeit die Ausrede zu haben, sie hätten alles andere zumindest versucht.

Allein, was bisher schon aus den Gesprächen mit der PDS bekannt wurde, die Verschiebung des Flughafens, der Abbau der inneren Sicherheit, weitere Steuererhöhungen, Verharren der Kitas im staatlichen Zugriff und der Verzicht auf die Olympiabewerbung, reicht aus, um zu erkennen, dass Sie zwar ein Linksbündnis schmieden, aber mit Sicherheit kein Zukunftsbündnis eingehen werden!

[Beifall bei der CDU – Frau Simon (PDS): Olympia ist das Thema! – Pewestorff (PDS): Zur Sache!]

Natürlich – ich sage das auch in aller Sachlichkeit und nicht ohne Betroffenheit – ist es unbestreitbar, dass Investoren, wenn sie die Wahl unter mehreren Alternativen haben, um ein von der PDS mitregiertes Bundesland einen weiten Bogen machen werden.

[Dr. Gysi (PDS): Dann gehen sie nach China!]

Sollte man aber etwa von der PDS etwas anderes erwarten können? Vielleicht dachte manch einer – auch der Wähler – vor der Wahl so. Was aber von den Wahlversprechen der PDS zu halten ist, vor allen Dingen, wenn der Futtertrog zum Greifen nahe ist, wird sich an der Frage der Fusion von BVG und S-Bahn zeigen. Es wird sich an Ihrer Forderung nach Abbau der NettoNeuverschuldung zeigen. Was Sie zur Zeit vorlegen, ist eine Verdoppelung der Netto-Neuverschuldung des alten abgewählten Diepgen-Senats! 6 Milliarden DM pro Jahr wollen Sie Schulden aufnehmen! Wenn dieser vermeintliche Sparkurs nicht zum Crashkurs verkümmern soll, wäre es eigentlich logisch, jede sich nur bietende Gelegenheit zu nutzen, um Berlins Namen in alle Welt zu tragen, um die Stadt attraktiv zu machen und ihre globale Ausstrahlung zu verstärken: vom Velodrom über die Max-Schmeling-Halle, die Radsporthalle, bis hin zum bis dahin komplett sanierten Olympia-Stadion haben wir die Infrastruktur bereits heute zu großen Teilen in der Stadt, die wir für Olympische Spiele benötigen. Wir haben die Voraussetzungen, wir haben die Begeisterungsfähigkeit. Das einzige, was fehlt, ist eine Regierung, die die Chancen dieser Stadt wahrnimmt!

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das finde ich jetzt stark!]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Kaczmarczyk? – Nein? – Danke!

Der neue Senat ist noch nicht einmal gebildet. Schon ist erkennbar, dass diese Stadt unter einem Regierenden Bürgermeister Wowereit entscheidende Zukunftsperspektiven – Olympia ist nur ein Beispiel – verspielen wird. Seien Sie sicher, dass wir Sie immer und überall dann stellen und zur Verantwortung ziehen werden, wenn es um die Zukunft der Berliner und um die Zukunft unserer Kinder geht.

Was die Wahlen in Berlin anbelangt, so war und bin ich ein fairer Verlierer und nehme das Votum der Wähler zur Kenntnis. Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass Olympische Spiele zwar in Deutschland stattfinden, dann aber nicht in meiner Heimatstadt Berlin, nur weil Sie, Herr Wowereit, diese Chance verspielt haben, bin ich ein schlechter Verlierer! Dann würde mir das Herz bluten und es mich persönlich treffen.

[Beifall bei der CDU – Dr. Rexrodt (FDP): Das ist wahr!]

Denn in einem sind wir uns sicher einig: Alle, die wir hier sitzen, werden in unserem Leben als Bundesrepublik Deutschland und als deutsche Hauptstadt Berlin keine zweite Chance mehr erleben, in der sich unsere Hauptstadt Berlin um Olympische Spiele in dieser Welt wird bewerben können. Es ist eine einmalige Chance, die Sie leichtfertig auf dem Altar der PDS-Koalitionsarithmetik geopfert haben!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Deshalb zeigt schon dieses Zukunftsthema, dass Sie keine Zukunftsvisionen haben und dass Berlin eine sachliche, inhaltsvolle, natürlich menschlich-anständige, aber vor allem starke und zukunftsorientierte Alternative benötigt. Diese kraftvolle Opposition werden wir sein. Darauf sollten Sie sich einstellen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Dr. Steffel! – Das Wort für die Fraktion der PDS hat nunmehr der Abgeordnete Liebich. – Bitte schön, Herr Liebich!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Steffel! Sie müssten einmal beginnen, auf Ihre vielen Kollegen aus Ostberlin zu hören. Mit dieser platten KalteKriegs-Rhetorik werden Sie im Ostteil der Stadt nie einen Fuß auf den Boden bekommen!

[Beifall bei der PDS]

Was wir hier machen und entschieden haben, ist gerade nicht miefig und piefig. Es ist realistisch und ist eine sehr verantwortungsbewusste Politik für die Stadt, zu der Sie in den letzten zehn Jahren einfach nicht fähig waren.

[Beifall bei der PDS]

Wenn Sie Visionen einfordern, kann ich nur erwidern, dass die große Koalition sehr viele Visionen in den letzten zehn Jahren hatte: die Vision, Entwicklungsgebiete bebauen zu müssen, schon einmal die Vision Olympia – von wegen „erste Chance“! –, die Vision Berlin-Brandenburg mit dem schlecht vorbereiteten Fusionsstaatsvertrag und vieles andere. Und weil Sie all diese Visionen hatten, ohne vorher einmal nachzurechnen, sind wir jetzt da, wo wir sind. Das müssten Sie sich überlegen, wenn Sie solche Sätze wie eben noch einmal vortragen.

[Beifall bei der PDS]

Eine Anmerkung am Rande: Sie haben – sehr interessant – Erich Honecker zu Rate gezogen.

[Heiterkeit bei der PDS]

Der hatte tatsächlich mal die Vision, Olympische Spiele in die Deutsche Demokratischen Republik zu holen, aber nach Leipzig, wenn ich erinnern darf.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

(A) (C)

(B) (D)

Richtig ist ja – das hat Herr Müller hier gesagt –, dass die Meinungen in der Stadt Berlin zu Olympia gespalten sind, dass es viele Leute gibt, die sagen: Ja, das wäre eine große Chance – auch Leute in den Parteien, in den Fraktionen Herr Kaczmarczyk, Frau Seidel-Kalmutzki. Das verstehe ich sehr gut, und ich befürchte, dass auch in der CDU und auch in der CDU-Anhängerschaft, womöglich auch in der FDP und in der FDP-Anhängerschaft der eine oder andere sich die Frage stellt, ob das jetzt der geeignete Zeitpunkt ist.

[Dr. Lindner (FDP): Genau jetzt!]

Darüber sollte man auch reden. Aber ich finde, dass genau heute der Punkt gekommen ist, wo wir uns auch entscheiden müssen. Wir müssen uns entscheiden, weil eine Bewerbungsfrist auszulaufen droht, und ich halte nichts davon, wie es die FDP heute vorschlägt, sich erst einmal pro forma zu bewerben und dann gegebenenfalls – wenn man nach der Prüfung feststellt, es wird doch nichts – seine Bewerbung wieder zurückzuziehen. Wenn man sich bewirbt, dann muss man sich richtig bewerben. Und wenn man sich entscheidet, sich nicht zu bewerben, dann ist genau heute der richtige Zeitpunkt dafür.

Ich glaube schon, dass es Menschen gibt, die auf die Chance Olympia hoffen und die darin das Signal sehen, das hier eingefordert wurde, und die eine Perspektive mit Olympia verbinden. Es gibt andere – und ich zähle mich eher zu den anderen –, die eher die Risiken betonen. Und es gibt natürlich – das sage ich auch – auf beiden Seiten durchaus Fanatiker. Wir sollten heute nicht der Versuchung unterliegen, über Olympiawahn oder auch Nolympiawahn zu streiten, sondern wir sollten über eine solide Entscheidung für die Stadt reden und diese Entscheidung auch treffen.

Sie haben eine Große Anfrage eingereicht, Herr Steffel. Was Oppositionstaktik betrifft, müssen Sie wohl noch ein bisschen üben. Eine Große Anfrage mit nur fünf Fragen, und dabei sind noch Statements mit einem Fragezeichen versehen worden, das ist dürftig, und das können Sie, denke ich, noch besser. Wenn sich wieder mal eine Gelegenheit ergibt, lassen Sie sich ein paar mehr Fragen einfallen! Aber ich will zwei aufgreifen.

Sie haben in Frage 3 formuliert, ob dem Senat bewusst ist, welchen verheerenden nationalen und internationalen Eindruck er bei einem Verzicht auf eine Beteiligungserklärung der deutschen Hauptstadt machen würde. Zumindest die beiden Parteien, die über eine Koalition verhandeln, aber auch die Grünen sind sich sehr wohl bewusst, was das für einen Eindruck macht. Ich glaube, dass man uns national, aber auch international Anerkennung dafür zollen wird, dass wir eine vernünftige Entscheidung treffen.

Wenn Sie in der Frage 4 fragen: „Wie kann der Senat seine zögerliche Haltung angesichts der in Berlin bereits vorhandenen zahlreichen olympiatauglichen Sportanlagen und der Erfahrung der Stadt mir der Durchführung zahlreicher internationaler Großveranstaltungen in den vergangenen Jahren erklären?“, dann will ich zu diesen Olympiahallen sagen: Wir bezahlen fast bis heute für die Entscheidung damals zur Bewerbung, die nicht einmal einen Erfolg hatte – Velodrom, Max-Schmeling-Halle. Wenn Sie im Hauptausschuss gewesen wären, dann wüssten Sie, wie häufig wir über die immer noch eintreffenden Rechnungen diskutiert haben.

[Abg. Czaja (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Wenn man das anspricht, dann muss man sich auch daran erinnern, dass es zum Beispiel einmal einen großartigen Plan gegeben hat, auf der Fläche des ehemaligen Stadions der Weltjugend eine Halle zu errichten. Die Brache, die dort herrscht, ist auch ein Ergebnis der Bewerbung von damals. Wenn man all das in Erwägung zieht, dann ist es eine ausgesprochen vernünftige Entscheidung, zu sagen: Das kann Berlin alles nicht leisten, wir wollen ein solches Abenteuer nicht noch einmal! – und dann auch einmal nein zu sagen.

[Beifall bei der PDS]

Herr Liebich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Czaja?

Aber bitte!

Bitte, Herr Czaja!

Herr Kollege Liebich, Sie meinen also: Die MaxSchmeling-Halle und das Velodrom hätten nicht gebaut werden dürfen? Oder sind Sie nicht eher der Meinung, dass die Investition in die Max-Schmeling-Halle und das Velodrom auch aus heutiger Sicht in der Stadt eine vernünftige Investition war und nichts damit zu tun hat, dass die fehlgeschlagene Olympiabewerbung auch Kosten verursacht hat?

Herr Liebich!

Ich will es so formulieren: Zu vielem Schönen, was wir jetzt in der Stadt haben, kann man ruhig sagen, dass es schön ist. Man kann großartige Konzerte dort veranstalten, das ist alles sehr nett. Aber man muss sich immer wieder die Frage stellen: Zu welchem Preis? – Diese Frage haben sich die CDU und die SPD damals nicht gestellt, als sie sich beworben haben.

[Niedergesäß (CDU): Gott sei Dank!]

Sie haben munter darauf los gebaut, und wir bezahlen bis heute dafür. Und der Zwischenruf von Herrn Niedergesäß macht deutlich, dass es Ihnen völlig egal ist, was es kostet.

[Zurufe der Abgn. Braun (CDU) und Niedergesäß (CDU)]

Investieren um jeden Preis, das klingt gut, damit der Betonmischer sich dreht. Wunderbar! Aber am Ende haben wir die Rechnung zu bezahlen, wir alle und auch die Kinder, die Herr Steffel angesprochen hat, und das muss man sich einfach vorher überlegen.

[Beifall bei der PDS]

Ich will ein paar Argumente nennen, warum sich die PDS auch nach einer Abwägung und auch nach einer Diskussion entschieden hat, die Position zu unterstützen, dass wir uns für das Jahr 2012 nicht um Olympische Spiele bewerben sollten.