Protocol of the Session on December 13, 2001

Als seinerzeit Erich Honecker seinen Olympiatraum träumte – viele werden sich erinnern –, wurde in Ihrer Partei, Herr Wolf, noch der Jubel von oben durchgestellt. Was das Durchstellen anbelangt, hat sich vielleicht, wenn ich mir die Koalitionsverhandlungen anschaue, nicht allzu viel geändert. Allerdings muss man feststellen, dass in Sachen Zukunft selbst die visionäre Kraft eines Erich Honeckers Sie noch überholt.

[Cramer (Grüne): Sie sind ja nicht nur 10 Jahre, sondern 20 Jahre zurück!]

Und was für einen Standpunkt hat eigentlich die SPD zu dieser Frage? – Wie immer: jeden beliebigen. Ihre sportpolitische Sprecherin und viele weitere Abgeordnete setzten sich bis in die letzten Tage energisch und vehement für die Berliner Bewerbung ein.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sportsenator Böger sprach von einer Stand-by-Position, zu Deutsch, einer Haltung des Danebenstehens. Herr Wowereit hat sich dann für die Sleep-on-Position entschieden. Aber, Herr Regierender Bürgermeister, nach allen Seiten offen zu sein, nicht nur bei Koalitionsverhandlungen – da sind wir das seit Mitte des Jahres gewohnt –, das kann auch bloße Standpunktlosigkeit und Beliebigkeit aus reiner Machtgier bedeuten.

[Beifall bei der CDU]

Ohnehin entsteht der Eindruck, dass die Berliner SPD da etwas gründlich verwechselt. Nachdem Sie in Berlin eine Links-linksaußen-Koalition bilden wollen, ist Ihre neue Mitte, meine Damen und Herren von der SPD, nicht viel mehr als die alte Mittelmäßigkeit. [Over (PDS): Oh, kreativ!]

Oder wie kommt es, dass der Regierende Bürgermeister noch vor wenigen Tagen tönte: „Wenn wieder Olympische Spiele in Deutschland stattfinden, dann sollten sie in der Hauptstadt und ihrer Region stattfinden.“

[Beifall bei der CDU]

Heute so, Herr Regierender Bürgermeister, morgen so! Herr Wowereit denkt vermutlich, wer täglich seinen Standpunkt wechselt, kommt schon rein statistisch häufiger in die Lage, dass er auch mal Recht haben könnte.

[Beifall bei der CDU und der FDP Und hier hätte ich Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, wirk- lich aus vollem Herzen Recht gegeben, wenn Sie bloß endlich einmal bei Ihrem Standpunkt geblieben wären. Insofern, meine Damen und Herren von der SPD, ist Ihre Aktuelle Stunde falsch überschrieben. Es handelt sich nicht um Verzicht aus Verantwor- tung, es handelt sich um Verzicht auf Verantwortung, was ein kleiner, aber ganz wesentlicher Unterschied ist. [Beifall bei der CDU und der FDP Olympische Spiele in Berlin, im dann immer noch jungen 3. Jahrtausend, das wäre ein Stadtfest der Superlative. In der Bewerbungsphase, bei der Entscheidung selbst, in den Jahren und Monaten vor dem Ereignis, bei der Eröffnung, während der Spiele selbst und vor allem – und das ist entscheidend – Wochen, Monate und Jahre danach wären Berlin und die gesamte Ostregion Deutschlands im Fokus des Weltinteresses, weit über die globale Sportcommunity hinaus. Dabei stünde Berlin durchaus im Zentrum positiver, fröhlicher, lebensbejahen- der, dynamischer Berichte. Die Stadt könnte in den Augen von Milliarden von Menschen ihre Dynamik, ihr Temperament, ihre zupackende Mentalität eindrucksvoll weltweit darstellen. [Beifall bei der CDU]

Die Auswirkungen – und das interessiert die Berlinerinnen und Berliner – auf die Stadtgestaltung, die Infrastruktur, die Investitionen, auf die Arbeitsplätze, auf die Medienwelt, aber vor allem auch auf unsere Kultur, auf den Tourismus und natürlich die nachhaltigen Impulse für den Sport, insbesondere für den Breitensport sind schier unermesslich. Mit keiner anderen Kampagne könnten wir so preiswert

[Gelächter bei den Grünen]

von Tokio bis Toronto soviel positive Imagewerbung für unser Berlin machen.

Meine Damen und Herren von den Grünen, Herr Cramer: Sie legen uns heute einen Dringlichkeitsantrag vor, der folgendes beinhaltet:

Olympische Spiele sind ein großartiges Ereignis.

schreiben die Grünen.

Sie haben positive wirtschaftliche und politische Auswirkungen auf die Austragungsstätte. Wer sich für Olympia bewirbt, muss damit rechnen, dass er den Zuschlag für die Austragung der Spiele erhält.

stellen die Grünen fest und kommen zum Ergebnis, auf Grund der wirtschaftlich und politisch positiven Auswirkungen:

Der Senat wird aufgefordert, sich nicht für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2001 zu bewerben.

Das ist nun wirklich nicht nur lächerlich, sondern völlig absurd.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Cramer (Grüne): Lesen Sie doch mal den ersten Absatz!]

Ihre Einwendungen – meine Damen und Herren, Sie können das ja gleich ausführlich vortragen – könnten Sie sich eigentlich sparen. Wir kennen sie alle hinlänglich. Ich höre schon die Häme der PDS, die auf die gescheiterte Bewerbung der 90er Jahre hinweisen wird. Ich höre förmlich die „klugen“ Verweise auf die Finanzmisere der Stadt. Sie werden uns, da zweifele ich nicht im Geringsten, hundert Gründe mitteilen, warum Sie sich ja nicht

ins Zeug werfen, warum Sie auch die Frage der Olympiabewerbung mit einem Gewitter verwechseln: unterstellen, warten und hoffen, dass es vorüber ist. Nein, meine Damen und Herren von PDS und SPD, wenn Sie dieser Stadt, und dazu sind Sie als Senat von Berlin verpflichtet, und unseren Menschen in Berlin etwas Gutes tun wollen, dann beeilen Sie sich. Dann lösen Sie endlich Ihre Stand-by-Position auf. Kommen Sie in die Hufe!

Sie haben gerade einmal knapp drei Wochen Zeit, denn Ende dieses Monats muss die Bewerbung beim NOK eingegangen sein!

[Beifall bei der CDU]

Ich kann nur im Interesse der Berliner sehr eindringlich an Sie appellieren: Revidieren Sie Ihren peinlichen provinziellen Beschluss. Warten Sie nicht länger, sondern vermelden Sie das vehemente Interesse der deutschen Hauptstadt an der Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012! Dann könnten Sie wenigstens in diesem einen Punkt ausnahmsweise mehr an den Tag legen als Ihre langweilige und zukunftsblinde Buchhaltermentalität. Hier kann ich dem „Tagesspiegel“ nur Recht geben: Sparen ist die Voraussetzung, aber nicht das Ziel von Politik!

[Beifall bei der CDU – Pewestorff (PDS): Da war doch Landowsky ganz anders!]

Dies heute als die erste verbale Auseinandersetzung zwischen Opposition und Regierung auf parlamentarischer Bühne zu erleben, ist ein Stück Symbolik. Gerade die Diskussion um die Olympiabewerbung ist zweifelsfrei ein symbolischer Anlass, um über die politischen Konsequenzen dieser Wahl, der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, zu reden.

[Frau Oesterheld (Grüne): Das stimmt!]

Egal, ob Rot-Grün, ob Ampel oder ein Links-linksaußen-Bündnis regiert, werden Sie daran gemessen, wie viel Mut und Entschlossenheit, wie viele Ideen und Kreativität, wie viel Tempo und Energie Sie in die Zukunftsfähigkeit Berlins investieren. Wir respektieren selbstverständlich das Votum der Wähler. Aber wir differenzieren ausdrücklich zwischen der Meinung der Wähler und dem, was Sie daraus machen. Zurzeit hat das eine mit dem anderen nicht das Geringste zu tun.

[Beifall bei der SPD]

Ich glaube nicht, dass es im Interesse des Wählers liegt, dass Sie nunmehr seit fast einem dreiviertel Jahr die Politik in Berlin blockieren. Nichts haben Sie bisher getan, um den Koalitionsbruch zu rechtfertigen. Es mag sein, dass viele mit dem alten Senat unzufrieden waren. Was wir jetzt aber haben, ist praktisch gar keiner. Nichts ist geschehen, um den Haushalt in Ordnung zu bringen, nichts ist geschehen, um die Bankgesellschaft zu sanieren, nichts ist geschehen, um den Flughafenausbau zu beschleunigen. Nun bringen Sie nicht einmal die Kraft auf, wenigstens in das nationale Rennen um eine OIympiabewerbung zu gehen!

[Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Wo leben Sie eigentlich?]

Wo ist denn die von Ihnen groß angekündigte und dringend erforderliche Erneuerung der Berliner Politik geblieben? Ist das Infragestellen von Schönefeld, mit der Sie die gesamte investierende Industrie einer wesentlichen Planungsgrundlage berauben, alles, was Sie der Stadt an Zukunftsoptionen bieten können? Besteht der Realitätssinn, der Sie uns gegenüber angeblich so auszeichnete, wirklich nur darin, dass Sie zehntausende öffentlich Bedienstete und deren Familien permanent verunsichern?

[Beifall bei der CDU]

Herr Regierender Bürgermeister! Es mag sein, dass beim Smalltalk auf Parties und beim Champagnerschlürfen aus roten Damenschühchen mal ein Geistesblitz entsteht, aber das ist bestimmt keine tragfähige Vision, ohne die Berlin – wie Richard von Weizsäcker richtig sagte – nicht denkbar ist. Es mag sein, dass Sie beim Beschreiben des Elends unüberbietbar sind. Berlin braucht aber Dampf und Energie; Berlin braucht Schwung. Statt „das geht nicht“ zu rechtfertigen, sollten Sie lieber darüber

nachdenken, wie es denn doch geht, falls Ihr Kopf, den Sie sich dann zerbrechen müssten, nicht von der Vorabendparty noch zu schwer ist.

[Beifall bei der CDU]

Ihre Kopfschmerzen sollten aber nicht vom Champagner, sondern von dringend notwendigen Zukunftskonzepten herrühren.

[Beifall bei der CDU]

Sie sind drauf und dran, Berlin dem öffentlich Kopfschütteln preiszugeben.

[Cramer (Grüne): Sie nicht?]

Nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, den beiden Schlusslichtern der Republik, liefern Sie nun auch die Hauptstadt Deutschlands einem sozialistischen Bündnis aus. Wenn es einige gibt, die meinen – das hören wir oft –, die PDS solle nun endlich einmal zeigen dürfen, was Sie kann, kann ich nur sehr sachlich entgegenhalten, dass sie dies längst schon getan haben.

[Liebich (PDS): Weizsäcker!]

Sie haben uns und der gesamten Weltöffentlichkeit gezeigt, wohin die Reise des überall gescheiterten Sozialismus geht.

[Pewestorff (PDS): Hände aus den Hosentaschen!]