Weil Sie von Tresenseligkeit geredet haben, muss man vielleicht einmal über Tresen und Tresenpolitik reden. Ich habe den Eindruck, dass vieles, was Sie in Bezug auf Solidarpakt diskutieren, auch am Tresen entsteht.
Ich erinnere mich daran, dass Sie hier vor nicht einmal drei Monaten per Gesetz die Arbeitszeit der Beamten hochgesetzt haben, und jetzt nehmen Sie unseren alten Vorschlag auf und sagen, die Lösung aller Probleme sei die Absenkung der Arbeitszeit. Wo anders als am Tresen führen Sie diese Diskussion?
Herr Krüger möchte darauf entgegnen oder kurz intervenieren. – Bitte schön, Herr Krüger! Sie haben das Wort!
Kollege Schruoffeneger! Dass Sie sich von dem Vorwurf der Tresenseligkeit angesprochen fühlen – hier machen Sie sich mit einem Teil dieses Hauses gemein, der Ihre Gesellschaft in diesem Punkt nicht verdient hat.
Wenn wir Vorschläge zur Umverteilung von Arbeitszeit und Arbeitseinkommen aufgreifen, werden wir immer auf eine Zeit zurückschauen müssen, wo sowohl PDS als auch Grüne diesen Ansatz in unterschiedlicher Ausrichtung und in unterschiedlicher Konsequenz gemeinsam mit Teilen der Gewerkschaften verfolgt haben. Das ist völlig übersichtlich!
[Wieland (Grüne): Es sollte freiwillig und sozial gestaffelt sein! Und das fehlt bei Körtings Vorschlägen]
Kollege Wieland! Wenn das jetzt eine neue Kurzintervention sein sollte, bitte ich Sie darum, dass Sie die parlamentarischen Gepflogenheiten einhalten.
Ansonsten ist ein Studium der heutigen Tageszeitung sehr lehrreich. Dort ist von einer 35-Stunden-Woche mit Teillohnausgleich die Rede.
Danke schön, Herr Kollege Krüger! Einzig bei dem Wort „Schruoffeneger“ müssen Sie noch ein bisschen üben.
Jetzt hat der Kollege Matz für die FDP das Wort! Das ist ein einfacher Name. – Bitte schön, Herr Matz!
Der Präsident sagt zwar, mein Name sei einfach, aber Herr Krüger kriegt den auch immer nicht richtig heraus.
Insofern bin ich mir da nicht ganz sicher. – Wenn ich heute Abend einmal die Harald-Schmidt-Show verpasse, habe ich zumindest kein schlechtes Gefühl, weil ich etwas fast so Gutes hier heute im Parlament erlebt habe. Das war doch eben wunderbar, als Herr Krüger vorhin seiner Erwartung Ausdruck verliehen hat, dass heute gar nichts Interessantes mehr zu diesem Thema passieren kann! – Herr Krüger, wenn Sie hier groß vom Flunkern sprechen, sollten wir uns kurz Zeit nehmen. Ich gebe zu, dass andere im Hause sich immer bemühen, Sie möglichst auf der Hit
liste des Flunkern einzuholen. Aber der Spitzenreiter sind immer noch Sie selbst. Sie sind schließlich derjenige gewesen, der hier so vollmundig im Hauptausschuss und per Pressemitteilung erklärt hat, dass die Bezirke jetzt völlig „aus dem Schneider“ seien, weil sie 180 Millionen $ zusätzlich an warmem Regen, Geldsegen, vom Senat bekommen. Deswegen werde alles wunderbar sein. Und wenige Wochen später stellen wir fest, dass in den Bezirken überhaupt nichts mehr geht. Sie stehen tatsächlich „im Regen“ und wissen gar nicht, wie sie über den Jahresabschluss hinüberkommen sollen, bzw. uns ist im Grunde schon angekündigt, dass wir eine Debatte im Hauptausschuss und seinen diversen Untergremien zu führen haben, wie am Ende des Jahres mit den ganzen Minusbeträgen bei den Bezirken umzugehen ist. Denn dass die Bezirke diese Beträge nicht einfach in das nächste Jahr hinüberziehen können, ist wohl jedem klar. – Ich wollte das eigentlich heute nicht noch einmal erwähnen müssen, aber weil Sie vom Flunkern gesprochen haben, habe ich mich veranlasst gesehen, diesen Punkt hervorzuheben.
Aber wenden wir uns dem Solidarpakt zu! Es gäbe noch ein paar andere Dinge, die man hier zu diesem Thema sagen könnte, aber wir hatten schon eine Debatte zur I. Lesung. Ich verweise noch einmal auf das, was ich dort zu den anderen Punkten bereits gesagt habe. – Machen wir uns nichts vor, Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, der Solidarpakt ist praktisch gescheitert! [Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]
Sie wollen es nur noch nicht zugeben. Sie erzählen: Da wird noch ein bisschen verhandelt – und: Wir probieren es noch mal. – Aber Sie können eigentlich auch nicht mehr darüber hinweggehen, dass aus den Anstrengungen der Arbeitsgruppen nichts herausgekommen ist, nachdem vorher die Verhandlungen zu spät angefangen haben, weil es angeblich immer Terminprobleme gab und es alles gar nicht ging. Das „Dreivierteljahr“, Herr Müller – ich habe eben zufällig beobachtet, wie Sie es Herrn Dr. Lindner absprachen, dass es ein Dreivierteljahr her ist. Selbstverständlich ist es ein Dreivierteljahr her, dass in Koalitionsverhandlungen – erst mit der Ampel und dann zwischen SPD und PDS – das Ziel 500 Millionen $ pro Jahr festgelegt worden ist und auch die ersten Sondierungsgespräche stattgefunden haben. [Zuruf des Abg. Müller (SPD)]
Dass dann erst einmal Monate lang überhaupt nichts passiert ist, liegt in der Verantwortung des Senats oder der Koalition. Aber ein drei viertel Jahr ist es inzwischen hier. Erst jetzt scheint man darüber nachzudenken, wie man die Sache insgesamt in den Griff bekommen kann.
Wenn Sie von der Koalition immer die ganze Zeit mit den Gewerkschaften „herumkumpeln“, dürfen Sie sich auch nicht wundern, wenn da nichts herauskommt!
Sie versuchen seit Monaten, jede Aussage, die wehtun könnte, zu vermeiden – bisher haben wir noch geglaubt, um das Thema über die Bundestagswahl hinüberzuretten. Inzwischen bin ich schon gar nicht mehr der Meinung, dass das der Grund gewesen ist, sondern Sie haben sich einfach nicht getraut, mit den Gewerkschaften ein vernünftiges und auch einmal ein bisschen härteres Gespräch anzufangen. Wenn Sie irgendwo schon einmal Verhandlungen beobachtet haben, wenn Sie sonst noch nirgendwo verhandelt haben, dann nehmen Sie die Koalitionsverhandlungen als Beispiel! Da ist es auch immer so, dass schon am Anfang beide Seiten deutlich sagen, wo es ihrer Meinung nach hingehen solle, und auch alle Instrumente auf den Tisch legen, damit die Gegenseite überhaupt weiß, worum es geht und worauf man sich einzustellen hat. Stellen Sie sich einmal vor, Gewerkschaften würden am Anfang der Tarifverhandlungen schon sagen: Lohnerhöhungen müssen zum Schluss eigentlich nicht herauskommen, und beim Urlaub können wir auch ein bisschen nachgeben; wir können auch mit weniger Urlaub auskommen! – Wenn die Gewerkschaften so vorgingen, könnten sie auch nichts erreichen. Es wundert mich, dass Sie nicht die Dinge auf den Tisch gepackt haben, mit denen Sie jetzt langsam anfan
gen – Arbeitszeitverränderungen, in welcher Richtung auch immer, aber ohne Lohnausgleich. Jeder, der einmal Tarifverhandlungen oder etwas Ähnliches beobachtet hat,
weiß, dass man nach einem Dreivierteljahr mit solchen Drohungen auch nicht mehr besonders beeindrucken kann. Das, was Sie jetzt hervorgeholt haben, ist auch nicht im Entferntesten geeignet, um 500 Millionen $ im Jahr ernsthaft hereinzubringen, die dringend nötig wären, um z. B. einen Einstellungskorridor für den öffentlichen Dienst überhaupt erst möglich zu machen.
Ohne diese 500 Millionen $ ist es überhaupt nicht denkbar, dass man einen vernünftigen Einstellungskorridor ermöglichen kann! Und Sie kommen mit Drohungen, die klingen wie: Wir schmeißen gleich mit Wattebäuschchen! – Damit können Sie die Gewerkschaftsseite nicht im Ernst beeindrucken! Deswegen ist alles, was wir von der Haushaltspolitik dieses Senats und dieser Koalition bisher gesehen haben, ein wirkliches Trauerspiel.
Zu beiden Anträgen empfiehlt der Hauptausschuss die Ablehnung. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachennummer 15/693 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion der CDU, mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sowie von Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP ist der Antrag abgelehnt.
Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachennummer 15/698 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit der Regierungskoalition gegen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP ist der Antrag abgelehnt.
Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft, Betriebe und Technologie vom 9. September 2002 und des Hauptausschusses vom 11. September 2002 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung für kleine und mittlere Unternehmen, Drucksache 15/241
Auch hier empfiehlt der Ältestenrat – ich gehe von Ihrer Zustimmung aus – eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion. Frau Paus ist bereits auf dem Weg hierher und hat nunmehr das Wort. – Bitte schön, Frau Paus!
Herzlichen Dank! Herr Präsident! Es geht um die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie dem Abstimmungsergebnis Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben, haben Sie festgestellt, dass wir mit diesem Antrag allein stehen. Es stellt sich damit die große Frage, weshalb muss ich hier noch einmal das Wort ergreifen und Ihnen weitere fünf Minuten abtrotzen.