Protocol of the Session on September 26, 2002

Das hat schon irgendetwas Merkwürdiges: Wir sitzen hier drin und beschäftigen uns mit solchen durchaus auch wichtigen Themen wie Miniermotten und Ähnlichem, und gleichzeitig steht – –

[Zurufe der Abgn. Frau Kubala (Grüne) und Frau Jantzen (Grüne)]

Herr Lindner! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zackenfels?

Sehr gerne! Fassen Sie sich bitte kurz!

Herr Dr. Lindner! Ist Ihnen der Inhalt der Drucksache 15/607 bekannt? Und sind Sie nicht der Auffassung, dass Sie Ihre Aussage dahin gehend relativieren müssen, dass ein Großteil der von Ihnen angesprochenen Themen genau in dieser Drucksache behandelt wird, und das vierteljährlich?

Nein, das stimmt nicht, sonst hätten wir das längst auf dem Tisch.

[Over (PDS): Am 2. Juli!]

Seit dem Beschluss über die Risikoabschirmung ist etwa schon ein halbes Jahr vergangen. Wo ist denn der lückenlose Bericht?

[Abg. Dr. Flemming (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Nein, keine weiteren Zwischenfragen. – Ich sage Ihnen, Stil des Hauses ist es, dass wir hier sitzen und uns über Miniermotten und ähnlichen Kram unterhalten, und draußen steht der Senator vor laufenden Kameras des „Sender Freies Berlin“ und gibt Ausführungen und Erklärungen, an wen verkauft wird und an wen nicht verkauft wird. Das ist die Lage der Dinge. Das ist kein Umgang mit der Volksvertretung.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen]

Herr Dr. Lindner! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Zeitpläne, beispielsweise, was die IBB anbelangt, wann sie veräußert wird, wann sie ausgegliedert wird, wie die Umwandlung in eine One-Stop-Agency erfolgt – nichts dergleichen, kein Bericht über laufende Geschäfte, kein Stand der Restrukturierungsmaßnahmen und nichts über Straf- und Regressverfahren. Das ist alles ab und zu einmal tröpfchenweise über die Medien zu erfahren. Primär gilt hier die Devise: „Still ruht der See.“

Die Bürgerinnen und Bürger Berlins haben indes einen Anspruch darauf, dass erstens zügig veräußert wird, zweitens die Risiken ausgegliedert werden, scharfe Kontrolle, Haftbarmachen und endliche strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen geschieht. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch und nicht dieses tröpfchenweise langsame und schleppende Vorgehen, wie wir das hier gerade erleben.

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Kurth (CDU)]

Ich will aber bei dieser Gelegenheit auch klar machen, was wir nicht haben können und nicht haben wollen, nämlich eine Hexenjagd. Diese Hexenjagd ist teilweise in Gang gesetzt worden durch diese Initiative eines FU-Professors. Bei dieser Gelegenheit muss ich ganz klar sagen: Das ist nicht die richtige Art und Weise. Demonstrationen können, sollen und müssen im öffentlichen Straßenraum vor Dienstgebäuden, vor Geschäften stattfinden, vor Senatskanzleien und Ähnlichem, das ist völlig in Ordnung.

[Frau Oesterheld (Grüne): Warum nicht einmal in Grunewald, warum immer in Kreuzberg? – Weitere Zurufe der Abgn. Frau Oesterheld (Grüne) und Gaebler (SPD)]

Aber Demonstrationen in Wohngebieten vor den Privathäusern – –

[Gelächter bei der PDS und den Grünen – Over (PDS): Sie haben wohl das Demonstrationsrecht nicht begriffen! – Zurufe der Abgn. Frau Oesterheld (Grüne) und Eßer (Grüne) – Weitere Zurufe von den Grünen]

Sie haben auch einiges nicht begriffen, mein lieber Herr Over. Wir haben einen Konsens in der Gesellschaft, dass sich Demonstrationen nicht in Wohngebieten aufhalten.

[Gelächter bei der PDS und den Grünen – Brauer (PDS): Dann kommen Sie mal nach Marzahn! – Zuruf des Abg. Eßer (Grüne) – Over (PDS): Die laufen sonst nicht durch Wohngebiete? – Weitere Zurufe von der PDS und den Grünen]

In Wohngebieten vor Wohnungen sind andere mit betroffen, da sind Familienangehörige, Nachbarn, und da haben solche Demonstrationen nichts zu suchen.

[Eßer (Grüne): Leben in Kreuzberg keine Familien am 1. Mai?]

Das muss man einmal ganz klar feststellen.

[Beifall bei der FDP – Over (PDS): In allen anderen Stadtteilen laufen die nicht durch Wohngebiete? – Eßer (Grüne): An welchem Ort, wo demonstriert wird, leben denn keine Menschen? – Am Flughafen Tempelhof!]

Und wenn Sie sich hier aufregen, dann möchte ich einmal erleben, wenn Sie als Strafverteidiger die Situation haben, dass sich vor dem Privathaus eines Mandanten von ihnen eine Bürgerinitiative zusammenrottet und Hetze macht, da möchte ich Sie einmal als Strafverteidiger erleben, was Sie gegen eine solche Bürgerinitiative als Erstes machen würden.

[Beifall bei der FDP – Over (PDS): Die sind doch nur durch ganz Grunewald spaziert!]

Wir verlangen eine strenge Aufklärung, Strafverfolgung und anschließend eine strenge Bestrafung der Verantwortlichen, aber Hexenjagd hat nicht stattzufinden.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Und vor allen Dingen hat auch keine Vermischung der Verantwortlichkeiten stattzufinden, wie sie auch in Ihrer Frage 6 anklingt. Da gibt es eine ganz klare Linie. Eine Überprüfung rechtlicher Verbindlichkeiten gegenüber den Fondsanlegern und den Immobilienfonds ist das Mindeste. Die hat zu erfolgen, und zwar in aller Klarheit und Ausführlichkeit. Und wenn es keine rechtliche Verbindlichkeit gibt, dann ist auch nicht zu zahlen. So einfach ist das.

Aber umgekehrt: Wenn es eine rechtliche Verbindlichkeit gibt, dann kann man nicht eine irgendwie geartete moralische oder sonstige Verbindlichkeit, die gegenläufig ist, konstruieren. Da muss ich – und ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell vorkommt – dem Kollegen Nelken Recht geben: So geht das nicht.

[Heiterkeit bei der PDS]

Da geraten die Sachen ein wenig durcheinander. Ich kann nicht einem Fondszeichner, der irgendwo in Bietigheim-Bissingen, in Wanne-Eickel oder Bottrop in eine Sparkasse gegangen ist und einen LBB-Fonds gezeichnet hat,

[Over (PDS): Aber wenn er Vorstand der LBB war, vielleicht schon!]

sagen: „Pass mal auf, Sportsfreund! Eigentlich müssen wir zahlen, es existiert eine rechtliche Verbindlichkeit und eine Haftungskette.“ – Und dann kommt das Aber. Es kommt das Land Berlin daher, dessen Bank und dessen Verantwortliche den ganzen Salat angerichtet haben, und sagt zu einem solchen Fondszeichner, der damit Altervorsorge oder sonst etwas gemacht und im Übrigen nach Fördergebietsgesetz genau das getan hat, was der Staat und die Volkswirtschaft von ihm erwartet: „Okay, jetzt verzichtest du mal auf deine Sache!“ – So funktioniert das nicht.

[Beifall bei der FDP – Eßer (Grüne) und Ratzmann (Grüne): Solche Leute gibt es aber doch!]

Ich habe immer deutlich gesagt: Eine Insolvenzlösung der Immobiliendienstleistungsgesellschaften ist eine ganz klare Lösung. Aber so eine Art moralischen Druck aufzubauen, das ist klar abzulehnen. [Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Natürlich, Herr Eßer: Im Unterschied zu den Prominentenfonds! Das ist eine ganz andere Sachlage. Diese müssen wir klar trennen von den anderen Anlegern. Wer in einer Art Spezialservice sonderbedient wurde, wer sozusagen auf beiden Seiten des Tisches saß – einerseits Konstrukteur und andererseits selbst oder über irgendwelche Freunde und Verwandte Nutznießer war –, den muss man angehen. Da liegt die richtige Zielrichtung.

[Beifall bei der FDP – Over (PDS): Um genau die ging es im Grunewald!]

Nein, da geht es nicht nur darum. Nein, es ist eine Vermischung, doch das muss man sauber trennen.

[Eßer (Grüne): Strieder war auch dabei!]

Bei den Prominentenfonds und Spezialfonds gibt es diese klare Zielrichtung, aber bei einem stinknormalen Anleger – das kann auch Herr Strieder sein, der in eine Sparkasse gegangen ist – besteht ein klarer Unterschied.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Herr Kollege Lindner, ich möchte an das Ende der Redezeit erinnern!

Was indes erforderlich ist – ich komme auch zum Schluss –, ist die Verantwortlichkeit der Politiker, die damals in allen Aufsichtsgremien saßen und in der Verantwortung waren. Da haben wir bisher nichts, aber auch gar nichts gehört.

Wir haben im „Handelsblatt“ gelesen – auch in diesem Fall wiederum nicht im Untersuchungsausschuss, sondern im „Handelsblatt“ –, dass ein Fides-Gutachten, das zu den gleichen Wertungen wie dieser Walther-Report gekommen ist, schon lange vorher gerade dem Aufsichtsrat der Landesbank bekannt gegeben wurde. Da saß eine Reihe von Personen drin, die auch heute noch in dieser Stadt oder in der Bundesrepublik Deutschland Verantwortung tragen, und zwar von beiden großen Parteien. Eine Aufklärung darüber, wie damit umgegangen worden ist und was da passierte, das ist das Mindeste, was die Bevölkerung zu erwarten hat. Die Zielrichtung muss hier deutlich geändert werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Das Wort hat nun Herr Kollege Dr. Flemming zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!