Protocol of the Session on September 12, 2002

Im Juli diesen Jahres hat sich Herr Momper schriftlich an die Einwohner seines Wahlkreises gewandt. Er verwies auf die angeblichen Erfolge der Bundesregierung und bat um Geld für die arme SPD. Dies geschah mit einem Briefkopf, bei dem die Bürger annehmen mussten, dass der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses sich mit dieser Bitte an sie wendet. Herr Momper hat leider versäumt klarzustellen, dass er hier als Abgeordneter und nicht als Repräsentant dieses Hauses handelt. Er hat wiederholt seine Neutralitätspflicht verletzt und sein Amt für parteipolitische Zwecke eingesetzt.

Die FDP-Fraktion missbilligt diese und andere Verstöße gegen die Amtspflicht und fordert Präsident Momper auf, sein Amt künftig überparteilich und unter Beachtung der damit verbundenen Neutralitätspflicht auszuüben. Um eines klar zu stellen: Es ist nichts Unehrenhaftes, sich parteipolitisch zu engagieren, wir alle tun dies. Es ist jedoch Tatsache, dass sich jeder selbst gewissenhaft prüfen und sich überprüfen lassen muss, ob er den besonderen Anforderungen an das Präsidentenamt gewachsen ist. [Dr. Steffel (CDU): Richtig!]

Ich glaube nicht, dass die öffentliche Diskussion über die Amtsführung des Parlamentspräsidenten dem Parlament schadet. Es ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, Meinungsverschiedenheiten, die jedes einzelne Mitglied dieses Hauses betreffen, auch unter den Mitgliedern dieses Hauses auszutragen. Es geht hier nicht um innere Angelegenheiten des Parlaments, sondern um eine Frage der Außendarstellung und die Frage, welche Rolle und welches Ansehen das Parlament wahrnimmt.

Die Kritik gehört auch deshalb in das Plenum, weil Herr Momper nach Diskussionen im Ältestenrat einen Aufklärungs- und Diskussionsbedarf verneint hat und stets alle Kritik an seiner Amtsführung ohne jegliche Ansätze von Selbstkritik zurückgewiesen hat. Der Präsident hat aus unserer Sicht keine Einsicht gezeigt, sein Amt künftig angemessen auszuüben.

[Gaebler (SPD): Was? Das ist jetzt eine Unverschämtheit!]

Ich erinnere Sie daran, dass die Fraktionen von Grünen, SPD und PDS 1997 einen Parlamentspräsidenten in diesem Plenum zum Rücktritt aufgefordert haben.

[Zurufe der Abgn. Hoff (PDS) und Pewestorff (PDS)]

So weit gehen wir nicht – noch nicht. Sollte Walter Momper jedoch auch in Zukunft Präsidentenamt und Parteiarbeit nicht trennen können,

[Zuruf von der CDU: Das kann er gar nicht!]

wird dieses Haus darüber befinden müssen, ob er weiterhin die richtige Besetzung für dieses wichtige Amt ist.

[Beifall bei der FDP]

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Kolat – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde,

[Pewestorff (PDS): So spät ist es noch nicht!]

das wichtigste Thema der Berliner Stadtpolitik, denn es handelt sich hier um einen Antrag der FDP-Fraktion.

[Zuruf von der FDP: Vielen Dank!]

Die FDP gehörte bekanntlich viele Jahre dem Berliner Abgeordnetenhaus nicht an,

[Hoff (PDS): Wir haben sie nicht vermisst!]

die Wählerinnen und Wähler haben das so gewollt, und sie werden gewusst haben, warum.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion! Wenn wir ganz ehrlich zueinander sind, Ihren Wahlerfolg, die Tatsache, dass Sie heute hier sitzen, haben Sie im Wesentlichen dem Niedergang der Berliner CDU zu verdanken,

[Ritzmann (FDP): Dem Niedergang des Landes Berlin!]

dem größten Bankenskandal dieser Republik. Ein eigenes Berlinprofil war und ist bei Ihnen ohnehin nicht sichtbar.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Nun sind Sie im Parlament und ringen verzweifelt um ein eigenes solches Profil, in erster Linie der Fraktionsvorsitzende, Sie, Herr Lindner – allerdings bisher nicht mit viel Erfolg.

[Dr. Lindner (FDP): Ja, ja! – Niedergesäß (CDU): Das können Sie festlegen?]

Abgesehen, Herr Lindner, von Ihrer ständigen Abwesenheit im Hauptausschuss, dem wichtigsten Gremium des Abgeordnetenhauses, hört man von Ihnen politisch: betriebsbedingte Kündigungen, betriebsbedingte Kündigungen, Verkauf, Verkauf, Verkauf. Sie können sich bestenfalls als Chefverkäufer der Stadt Berlin profilieren – und ich denke, als nicht weiter.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Nun zur Sache. Uns alle hier im Parlament muss eines verbinden: das Ansehen des Parlaments

[Dr. Steffel (CDU): Richtig!]

und das Ansehen des Parlamentspräsidenten nicht zu beschädigen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Dr. Heide (CDU): Das soll er einmal selbst machen!]

Die SPD-Fraktion hat zu Beginn dieser Legislaturperiode aus gutem Grund Walter Momper für das Präsidentenamt vorgeschlagen.

[Dr. Heide (CDU): Eher aus Verlegenheit! Weil ihr niemand anderen hattet!]

Walter Momper verfügt über außerordentlich große politische und parlamentarische Erfahrung, schließlich war er Regierender Bürgermeister von Berlin.

[Zuruf von der CDU: Nicht lange!]

Ich sage Ihnen, Herr Momper weiß sehr genau, was er dem Parlament und dem Präsidentenamt schuldig ist.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Ritzmann (FDP): Das müssen wir entscheiden!]

Es ist auch unbestritten – auch wenn Sie hier immer lauter werden –, dass er die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses immer in fairer und loyaler Weise angewandt hat.

[Czaja (CDU): Eine Dienstlimousine!]

Dabei hat er die Rechte der Opposition stets beachtet.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Er ist doch noch am Leben! – Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

Bisher und weiterhin natürlich! – Natürlich hat er seine politischen Grundüberzeugungen genau wie andere Präsidentinnen und Präsidenten auch nicht an der Garderobe seines Vorzim

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mers abgegeben. Wenn Sie sich die Reihe der Präsidentinnen und Präsidenten des Abgeordnetenhauses nach dem Krieg ansehen, werden Sie feststellen, dass nicht einer im Präsidentenamt zum politischen Neutrum geworden ist.

[Niedergesäß (CDU): Doch, Heinrich Lummer! – Allgemeine Heiterkeit]

Das gilt sowohl für Repräsentanten der CDU als auch der SPD.

Nun schauen wir uns Herrn Stölzl an. Niemand wird allen Ernstes behaupten, dass der Vizepräsident Stölzl, der Landesvorsitzender der Berliner CDU geworden ist, ein politisches Neutrum ist.

[RBm Wowereit: Niemals!]

Interessanterweise haben Sie, Herr Lindner, und Ihre Fraktion nicht aufgeschrien, als Herr Stölzl als Vizepräsident des Parlaments den Chefsessel der Berliner CDU übernahm.