Protocol of the Session on September 12, 2002

Die Justizsenatorin ist auch im Saal, Herr Wieland! Nicht, dass das hier falsch dargestellt wird!

Da freue ich mich. Wenn sie nun noch zuhört, bin ich restlos beglückt. – Die Sponsoring-Richtlinie schmort nach wie vor im Senat. Aber hier ist in Berlin tatsächlich ein Einfallstor bei Feuerwehr oder bei anderen für unerlaubte Einflussnahmen gewesen. Das muss noch zu Wege gebracht werden. Ansonsten ist das Instrumentarium der Korruptionsbekämpfung in Berlin da, und die Ergebnisse sind auch da.

Nun sagen Sie – und da haben Sie sogar Recht, Herr Dr. Lindner –: Es gibt auch einen gewissen Humus. Es gab diesen „Kölschen Klüngel“, der war unappetitlich von Anfang an. Herr Scheuch, ein konservativer Soziologe, hat eine Menge darüber geschrieben, mit Pass, mit Doppelpass, mit anderem. Und es gab auch in Berlin Filz und Korruption. Filz gibt es immer noch. Und je mehr Posten auf politischer Ebene zu vergeben sind, desto schwieriger wird es. Insofern ist es richtig, hier Transparenz zu fordern, hier auch transparente Personalentscheidungen zu fordern.

Aber im Umkehrschluss zu sagen, wo die Privaten agieren, gibt es das nicht, ist falsch!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

(A) (C)

(B) (D)

Die Baukartelle, die sich in Berlin gebildet haben, die MillionenDM-Gewinne zu Lasten der Steuerzahler gemacht haben, waren Baukartelle privater Firmen. Ein Verwaltungsmitarbeiter aus der Behörde von Herrn Strieder hat die Bücher geführt und 1,2 Millionen Schweizer Franken deponiert und kassiert für sein Tun, dass er jeweils bestimmte, wer den Zuschlag bekam. Die vielen Beteiligten waren private Baufirmen. – Und das gibt es nicht nur beim Bau. Auch private Müllentsorger, Herr Fraktionsvorsitzender, haben in der Vergangenheit zum Beispiel Parteivorsitzenden einer bestimmten Partei die Sekretärin bezahlt, die in der Parteizentrale bei Herrn Rasch saß – die Firma Alba, die heute schon mal hier Hat-hat-mäßig ins Geschäft gebracht wurde.

[Hört, hört! von den Grünen]

So kann man auch, ganz privat, von liberaler Partei zu privatem Entsorger Beziehungen knüpfen. Es ist nicht weniger unappetitlich!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Das war vor 20 Jahren!]

Und wenn Ihnen hier Günter Rexrodt entgegengehalten wurde als der, der diese Bankgesellschaft immer forciert hat – und der Konstruktion hat Ihre Vorgängerfraktion seinerzeit zugestimmt –, dann ist das doch auch richtig. Die großen Schäden sind doch entstanden, weil privat spekuliert wurde und weil man auf Grund der Konstruktion das Land Berlin immer haftend in der Hinterhand hatte. Das war der Konstruktionsfehler, nicht irgendetwas anderes. Sie haben diese Konstruktion angeschoben und sind nicht ehrlich genug, sich dieser Verantwortung zu stellen. Insofern ist dieser Antrag, vom 18. Juni stammend, ein Schaufensterantrag, wirklich nicht ernst zu nehmen. Wir können ihn nur ablehnen und sind traurig, dass dieses ernste Thema von Ihnen so „verschossen“ wurde.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Herr Dr. Lindner hat um das Wort zu einer Kurzintervention gebeten. Damit hat er auch selbiges. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Von Herrn Gram bis Herrn Wieland – das sage ich in aller Ruhe und Ernsthaftigkeit – unterliegen Sie alle einem Missverständnis.

[Gelächter bei der PDS]

Wir behaupten nicht, dass die Privatisierungen den Nährboden für Korruption entziehen – vor allen Dingen nicht Privatisierungen, wie sie hier üblicherweise laufen, dass man einen staatlichen Betrieb in eine private Rechtsform überführt oder ein Unternehmen hat, an dem das Land bzw. die Stadt, wie in Köln, noch 51 % Anteile hat. Private Kartelle sind selbstverständlich genauso Nährboden für Korruption. Das haben wir auch gar nicht anders behauptet. Wir haben gesagt: Wettbewerb entzieht den Nährboden,

[Wieland (Grüne): Das ist er doch gerade nicht!]

mehrere Unternehmen, die darum ringen. Die Privatisierung allein – da haben Sie völlig Recht; das ist ein ganz ernsthaftes Thema – tut es natürlich nicht.

Aber eins, Herr Kollege Wieland: Wenn Sie meinen, hier immer wieder mit der „Spaßpartei“ herkommen zu müssen –

[Mutlu (Grüne): Das sind Sie doch!]

in der Tat ist die FDP – im Gegensatz zu den Grünen – eine Partei, die Spaß und Lebensfreude bejaht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Grünen dagegen laufen alle immer – wie Sie es auch gerade vorgeführt haben – mit einem höheren moralischen Anspruch herum. [Hoff (PDS): S i e sind doch die Partei mit Sendungsbewusstsein!]

Sie stehen auf einer wesentlich höheren Warte und predigen Ökosteuer und Biowasser.

[Zurufe von den Grünen]

Ihr Fraktionsvorsitzender im Landtag jettet aber beispielsweise erster Klasse mit dienstlich erworbenen Bonusmeilen nach Bangkok und genießt dort – wie eine große Zeitung schreibt – „Kaviar und Champagner satt“. Da sind Sie dann dabei! Das ist aber nicht das, was wir unter Lebensfreude und Spaß verstehen. Wir sind eine Partei, die dem ganzen Volk so etwas gönnt, nicht nur ein paar Funktionären.

[Gelächter – Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Wieland! Sie haben jetzt die Möglichkeit der Erwiderung! – Herr Wieland verzichtet auf eine Entgegnung. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Die antragstellende Fraktion hat um sofortige Abstimmung gebeten. Ich lasse also abstimmen. Wer dem Antrag Drucksache 15/618 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke sehr! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies gegen die Stimmen der FDP so abgelehnt worden.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 16, Drucksache 15/694:

Antrag der Fraktion der FDP auf Annahme einer Entschließung über Parlamentspräsident Momper muss sein Amt überparteilich führen

Auch hier steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Ich erteile zunächst für die FDP-Fraktion dem Abgeordneten Ritzmann das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von einem launigen Schlusswort zu einem ernsten Thema! Das Berliner Abgeordnetenhaus wählt aus seiner Mitte heraus seinen Präsidenten. Dieser hat traditionell eine parteipolitisch neutrale Stellung einzunehmen. Der Parlamentspräsident darf nicht den Eindruck der Parteilichkeit erwekken. Er ist der Repräsentant aller Mitglieder dieses Hauses.

Er ist natürlich auch Abgeordneter, aber durch die Wahl zum Präsidenten erwirbt er nicht nur neue Rechte, sondern auch besondere Pflichten.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Er hat zum einen die Pflicht des ständigen Nachweises seiner Überparteilichkeit. Er stärkt seine Stellung nicht etwa dadurch, dass er sich besonders parteipolitisch engagiert, sondern dann, wenn er seine politische Energie dafür einsetzt, etwa Ansehen und Glaubwürdigkeit der Volksvertretung in der Öffentlichkeit zu fördern. Es ist unbedingt deutlich zu machen, ob sich der Präsident als Repräsentant des Parlaments oder als Parteipolitiker bei politischen Tagesfragen äußert.

[Gaebler (SPD): Gilt das auch für den Vizepräsidenten?]

Dies ist in der Öffentlichkeit häufig schwer zu unterscheiden. Das Amt des Parlamentspräsidenten ist eine Herausforderung an die Gewissenhaftigkeit und erfordert Sensibilität. Beides ist aus Sicht der FDP-Fraktion bei der Amtsführung des Präsidenten Momper nicht gegeben. Die FDP-Fraktion missbilligt deshalb die Verstöße des Präsidenten gegen seine Amtspflicht.

[Beifall bei der FDP]

Nach Auffassung der FDP-Fraktion ist es statthaft, öffentlich und gerade im Plenum dieses Hauses Kritik an der Amtsführung des gewählten Repräsentanten des Abgeordnetenhauses zu üben. Jeder Abgeordnete und jede Fraktion muss sich durch den Präsidenten in seiner Amtsführung vertreten fühlen können. Dazu ist der Präsident gewählt.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wir haben eine ganze Reihe von beklagenswerten Vorfällen, die Ihnen schriftlich vorliegen. Ich greife nur drei Beispiele heraus.

Als dem Präsidenten dieses Abgeordnetenhauses 160 000 Unterschriften überreicht wurden zum Erhalt des Universitätsklinikums Benjamin Franklin, rechtfertigte der Präsident die Politik des Senats, widersprach den Forderungen der engagierten Berlinerinnen und Berliner nach einer Expertenkommission mit der Aussage:

Eine Expertenkommission ist ein Verschiebebahnhof. Das wird es nicht geben.

Das Ergebnis ist bekannt. Anstatt jedoch eine ausgleichende Position einzunehmen, welche die verschiedenen Standpunkte der im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen widerspiegelt, hat der Präsident seine Neutralitätspflicht verletzt und fungierte als Sprachrohr des rot-roten Senats.

Als Berlinerinnen und Berliner sich mit der Bitte an den Präsidenten wandten, er möge sich für den Erhalt der polizeilichen Reiterstaffel einsetzen, verteidigte Präsident Momper die Politik des rot-roten Senats. Anstatt die Sorgen und Nöte der Bürger Ernst zu nehmen, verletzte er die Pflicht zur Überparteilichkeit.