Protocol of the Session on September 12, 2002

[Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

nun hören Sie einmal gut zu, auf der linken Seite! –, dass der Gutmensch auf der linken politischen Seite des Spektrums steht und der Böse, die Schlechtigkeit schlechthin, sich im liberal-konservativen Spektrum befindet.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Das dem so nicht ist – warten Sie, ich kommen noch auf Sie zurück – und dass die Welt eben nicht schwarz-weiß oder in diesem Fall besser gesagt: schwarz und rot ist, zeigt der vorliegende Antrag der FDP, in dem Sie, verehrte Kollegen, völlig zu Recht auf den Kölner Korruptionsskandal eingehen.

Was sich dort abspielte, ist Stoff für einen Mafia-Mehrteiler von Dieter Wedel im deutschen Fernsehen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Neben den von Herrn Dr. Lindner genannten Personen könnte in der Hauptrolle der wegen Spionage und Vermögensdelikten verurteilte Karl Wienand spielen, der offenbar ohne weitere Vorbehalte nach seinen Verurteilungen wieder in den Schoß der SPD aufgenommen wurde und in dem Verdacht steht, unter ihrem Schutzschirm korruptiv agiert zu haben. Ich erspare mir weitere Einzelheiten dieses Dramas. Das ist Ihnen alles bekannt. Herr Dr. Lindner hat es vorhin auch ausführlich geschildert.

An die weiteren, auch von der SPD zu verantwortenden Skandale unter dem Namen Wuppertal und Gladbeck will ich hier nur erinnern. Dann gestatten Sie mir den Hinweis, dass abzuwarten bleibt, was ans Licht kommen wird, wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, Ihre gigantische Medienbeteiligung und die damit verbundenen Finanzströme offenlegen müssen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

All diese Beispiele zeigen, dass die vom obersten SPDSchutzpatron Müntefering vorgenommene Heiligsprechung der SPD in moralischen Fragen ziemlich voreilig war. Es ist letztlich der Mensch, der anfällig ist. Diesbezüglich, Herr Kollege Gaebler, sind wir einer Meinung. Es ist nicht die politische Richtung, der er angehört oder die Politik schlechthin.

[Brauer (PDS): Da kennen Sie sich aus!]

Dennoch weiß auch ich, dass in der Politik besondere Maßstäbe gelten. Diese Erkenntnis muss uns bei der ernsthaften Korruptionsbekämpfung in unserem Land alle leiten. Sie muss von allen hier im Haus gewollt sein und darf nicht unter populistischen Vorzeichen geführt werden.

Die von der FDP – nun muss ich das leider zu den Kollegen auf der rechten Seite des Hauses sagen – angeführten Beispiele sind aber leider populistisch. Sie führen bei der ernsthaften Korruptionseindämmung nicht weiter.

[Dr. Lindner (FDP): So kann man es nicht sagen!]

Sie machen den Versuch, alle bedauerlichen Geschehnisse in Köln und in Berlin – Müllskandal, Schwarze-Pumpe-Verkauf, Müllmonopol und so weiter – in einen größeren Suppentopf hineinzuschneiden und dann umzurühren. Derartig oberflächlich darf hier nicht argumentiert werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wenn Ihre Fraktion, Herr Kollege Dr. Lindner, der Meinung ist, beim Festhalten am Müllmonopol der BSR oder beim Verkauf der Schwarzen Pumpe sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen oder es sei Korruption erleichtert worden, dann müssen Sie Fakten nennen.

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Nennen Sie Ross und Reiter! Dann gibt uns das die Gelegenheit, im zuständigen Vermögensausschuss einzelne Vorwürfe abzuklären und aufzuarbeiten.

Meine Partei unterliegt diesmal nicht der wahrhaft süßen Versuchung, den rot-roten Senat ohne konkrete Anhaltspunkte der Korruptionserleichterung zu bezichtigen. Das wäre wirklich zu billig. Wenn auch die CDU seitens der politischen Linken in diesem Hause seit geraumer Zeit in der Vergangenheit schmerzlichst Objektivität in der Beurteilung des Verhaltens einiger in der Partei vermisst hat – zum Beispiel in der konkreten Anwendung der Unschuldsvermutung, der Sie immer so zu Recht nachhängen und die eine tragende Säule des Rechtsstaats ist –, werden wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, sondern uns an die Regeln des Rechtsstaats halten.

Den vorliegenden Antrag, für den ich sehr viel Sympathie habe, werden wir deshalb ablehnen, weil er nicht ausreichend konkret ist. Um Korruption zu verurteilen, verehrte Damen und Herren von der FDP, bedarf es keines Antrags. Das ist wohl Grundkonsens in unserem Hause, und Selbstverständlichkeiten beschließe ich nicht.

Herr Abgeordneter! Achten Sie auf Ihre Redezeit?

Ich komme zum Schluss. – Ich möchte nur noch die Fraktion der FDP bitten, ihren Antrag in konkrete Regelungsformen zu gießen. Lassen Sie uns gemeinsam und ernsthaft bereden, wie wir dieses Grundübel in Politik, Wirtschaft und beim einzelnen Bürger neben den vorhandenen Strafsanktionen wirksam bekämpfen können. Wenn wir das nämlich deutlich nach außen tragen, geben wir dem Bürger weniger Anlass, seinen so schön gepflegten Politikverdruss weiter zu pflegen, und zeigen ihm, dass die Politik Ernst machen kann, indem sie zunächst bei sich selbst anfängt und dann auch Wirkung für andere zeigt. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Für die PDS-Fraktion hat nunmehr Herr Abgeordneter Hoff das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Entschließungsantrag der FDP Drucksache 15/618 ist aus meiner Sicht ein Antrag zu einem ernsten Thema, aber in völlig inadäquater Form. Er operiert mit auf Verdachtsebene argumentierenden Feststellungen. Es wird behauptet, es habe bei Schwarze Pumpe, bei den Wasserbetrieben, bei der BSR Korruptionsfälle gegeben. Das wird nicht konkretisiert. Damit organisiert man Spekulationen, die man in den Raum stellt. Man erreicht damit, dass sich die FDP als ernstzunehmender Partner in den politischen Auseinandersetzungen über die Frage, wie man mit Korruption ernsthaft umgeht, ins Abseits stellt.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Der Antrag und die Rede des Kollegen Lindner gehen von mehreren falschen Prämissen aus. Nur mal als Hinweis, Herr Kollege Lindner: Nur weil sich Herr Senator Strieder früher einmal

der Strömung der Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus zugeordnet hat, war er dadurch nicht automatisch staatsmonopolistischer Kapitalist. Aber wenn Sie es unbedingt so haben wollen, dann gibt es in unserer Fraktion eine ganze Menge Regulationstheoretiker, die für die hinreichende Regulierung sowohl privater, aber auch öffentlicher Ökonomie sind. Und genau um diese Frage geht es im Bereich von Korruption, nämlich wie man durch entsprechende Regelungsinstrumente Korruption vermeiden kann.

Sie haben nun in Ihrem Antrag – dann bin ich bei der zweiten falschen Annahme – die These aufgestellt, dass Privatisierung das Mittel gegen Korruption ist.

[Dr. Lindner (FDP): Wettbewerb!]

Das Problem ist nur: Eine KPMG-Untersuchung hat im Zeitraum von 1994 bis 1999 Unternehmen befragt. Von den befragten Unternehmen haben 64 % der Unternehmen in der Privatwirtschaft deutlich gemacht, dass sie Opfer von Wirtschaftskriminalität und damit an erster Stelle – genannt waren 80 % – von Korruption geworden sind. 29 % derjenigen, die als Korruptionstäter in den Unternehmen festgestellt worden waren, waren leitende Angestellte dieser Unternehmen. Die befragten Unternehmen befinden sich aber in ökonomischem Wettbewerb. Die Frage kann also nicht sein, ist es zu wenig Wettbewerb, der zu Korruption führt, sondern es ist das Geld. Dort, wo Großprojekte organisiert werden, steigt die Korruptionsgefahr. Das sind die Ergebnisse von Transparency International. Kollege Gram hat in seiner Rede auf Frankfurt am Main und die Fälle hingewiesen, die im Römer stattgefunden haben. Da lassen sich auch noch andere finden. Im Zusammenhang mit den Mitteln, die für den Aufbau Ost ausgegeben wurden, hat es immer wieder Fälle von Korruption gegeben. Der 1. FC Saarbrücken und wie die Landesregierung Saarland sich dort verhalten hat, ist ein solches Beispiel. Wir haben die Bestechung bei der Frankfurter Messe, beim Frankfurter Hochbauamt, den gesamten Komplex Köln-Arena. Natürlich hat es bei diesen Großprojekten immer wieder Fälle von Korruption gegeben. Mit Ihrem Antrag und dem Modell, nur Privatisierung schütze davor,

[Dr. Lindner (FDP): Wettbewerb!]

haben Sie nicht hinreichend belegen können, dass das gegen Korruption hilft.

Betrachtet man den Köln-Skandal, den Sie als Ausgangspunkt Ihres Antrags genommen haben, auf den Sie in Ihrem Antrag aber nicht eingegangen sind, ist der Ausgangspunkt ein Konsens von SPD und CDU im damaligen Kölner Rat – das war auch Titel eines Antrags dort –: Privatisierung macht kommunale Leistungen billiger. Akteur des Köln-Skandals war die AVG-GmbH; 50,1 % der Anteile hatte die Stadt Köln, 28,1 % das Privatunternehmen Trienekens, das zu RWE gehört, und 24,8 % die Stadtwerke Köln.

[Ritzmann (FDP): Ist das ein Wettbewerb!]

Das Problem war aber – das ist der Punkt, über den wir reden müssen –, wie wir bei öffentlicher Auftragsvergabe – ich habe Transparency International schon genannt – Regelungen schaffen – Transparency International sagt dazu: It takes two to a Tango –, mit denen Korruption verhindert wird. In Bund und Ländern sind einschlägige Erfahrungen mit Privatisierungen gemacht worden. Diese müssen uns als negative Beispiele vor Augen sein, auch das Beispiel Wasserbetriebe, wo es nicht um Korruption, sondern um fehlgeleitete Formen von Privatisierung geht, mit deren Konsequenzen wir als öffentliche Hand zur Zeit konfrontiert sind. Das ist aber ein anderer Punkt als Korruption, den Sie angesprochen haben. Hier muss man sauber differenzieren. Wir stehen vor dem Problem, dass Korruption dort besteht, wo Geld zu holen ist. Hier sind Kontrollinstrumente und Institutionen gefragt.

Als letzter Satz: Wir müssen uns an Organisationen, Institutionen und Regelungen halten, wie sie von Transparency International oder dem von der Innenministerkonferenz mittlerweile anerkannten Deutschen Forum für Kriminalprävention bereits festgelegt worden sind. Vor diesem Hintergrund kann man darüber dis

kutieren, wie wir in Zukunft mit den Anstalten öffentlichen Rechts im Land umgehen. Aber hier muss sauber differenziert werden und nicht in der Form, wie Sie als Tatsachenbehauptung versuchen, bei den öffentlichen Anstalten im Land Berlin Korruption zu vermuten, wo keine ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Abgeordneter Wieland das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob in dem Saal hier jemand noch nicht weiß, was er am 22. September wählt. Wenn sich jetzt niemand meldet, kann ich nicht den Elan von Gaebler oder von Gram aufbringen, eine Wahlkampfrede zu halten, um gegen Müntefering oder Bangemann oder wen auch immer aufzurechnen. Es ist eigentlich vertane Liebesmühe bei leeren Pressetribünen usw.

Ich sage auch mal zur FDP: Wir haben durchaus Verständnis für eine Spaßpartei, und wir lachen auch ganz gern und oft über Sie, Herr Dr. Lindner.

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ja, so sind wir – wenn Sie sich hier so schön aufplustern und man sich immer fragt, platzt er nun gleich oder was kommt als Nächstes. Aber bei diesem Thema Korruption hinzugehen, einen Antrag runterzurotzen, der im Wesentlichen heißt: gegen Korruption radikale Privatisierung, dann haben wir das Problem gelöst –

[Ritzmann (FDP): Wettbewerb!]

das geht nun wirklich etwas zu weit.

Ich muss auch Ihnen sagen, Herr Gram: Sie wissen es doch eigentlich besser, wie der Stand der Korruptionsbekämpfung in Berlin ist. Er ist nicht schlecht. Er ist seit den Zeiten von Frau Peschel-Gutzeit auf ein neues Niveau gehoben worden. Berlin hat aus dem, was in Frankfurt am Main geschehen ist, Konsequenzen gezogen. Berlin hat präventive Arbeitsgruppen zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsrichtlinien, die wir nicht für verbesserungsfähig halten. Wir haben uns die Mühe gemacht und das einmal nachgeprüft. Was nach wie vor fehlt – aber Innensenator und Justizsenatorin sind schon gegangen –, ist die so genannte Sponsoring-Richtlinie. – Da ist er, der Kollege Dr. Körting! Er hat für sie eine Zeit lang gekämpft, als er noch Justizsenator war.

Die Justizsenatorin ist auch im Saal, Herr Wieland! Nicht, dass das hier falsch dargestellt wird!