Das ist wahr, Frau Oesterheld. Ich wollte Ihnen nur ein bisschen was aus Europa erzählen. – In London – große europäische Stadt, Finanzmetropole –
ging es Mitte der 80er Jahre darum, ein Gebiet, nämlich die Docklands – das war ein heruntergekommenes Industriegebiet, Betriebe und Hafenflächen –, umzuplanen und zu versuchen das Gebiet, das man in der bisherigen Form nicht mehr brauchte, weiterzuentwickeln. Noch Mitte der 90er Jahre – obwohl die Infrastruktur vorhanden war – war in den Docklands tote Hose. Heute – fünf bis sieben Jahre später – sind die Docklands der wirtschaftliche Motor Londons neben der City of Westminster. Man muss in die Zukunft schauen, sich etwas trauen und investieren, wenn man eine Stadt voranbringen will. Diese Stadt braucht das. Sie braucht nicht den Stillstand, den Sie wollen.
Ich gebe Ihnen noch weiteren europäischen Unterricht. Schauen wir einmal nach Paris, zum Beispiel nach La De´fense. Es handelt sich um ein riesiges Stadterweiterungsgebiet, eine Bürostadt, von der von vornherein gesagt wurde, sie würde nicht funktionieren, sie sei monostrukturiert und habe keine Zukunft. La De´fense ist heute ein attraktives Viertel. Es ist vor 20 Jahren geplant worden. Sie müssen, wenn Sie große Projekte in einer großen Stadt in Angriff nehmen, ein wenig in die Zukunft schauen und können nicht sagen: Das was wir heute planen, muss morgen realisiert sei. – Hier geht es um Strategien und nicht um aktuelle, tagespolitische Befindlichkeiten.
Meine Damen und Herren, natürlich hat der Alex eine ähnliche Entwicklungsperspektive. Es geht um die Frage, dass dieses wichtige innerstädtische Gebiet das einzige Innenstadtgebiet in Europa ist, das in dieser Dimension neu gestaltet werden kann.
Am Alexanderplatz wird durch die vom Abgeordnetenhaus 1999 in einem Bebauungsplan festgehaltene Bebauung eine neue 1-A-Lage entstehen. Es wird eine Lage sein an einem großen, bekannten Bahnhof. „Berlin-Alexanderplatz“ ist eine Adresse, die auch außerhalb von Berlin bekannt ist. Und es wird eine Entwicklung geben, die im Jahr 2006 zur Realisierung der Sockelbauten geführt hat, und bis zum Jahr 2013 werden die Hochhauspläne realisiert werden.
Es ist klar, dass die Investoren ihre Projekte hart kalkulieren, und keiner von ihnen wird ein unkalkuliertes Risiko eingehen. Das ist am Alexanderplatz so und das ist sonst nirgends in der Welt anders. Aber gerade deswegen haben wir – weil das auch in der Koalitionsvereinbarung eine Rolle spielte – mit allen Investoren noch einmal persönlich geredet. Ich habe allen Investoren in einem persönlichen Gespräch angeboten, den vom Abgeordnetenhaus bereits beschlossenen Bebauungsplan zu ändern, eine andere bauliche Form auf dem Alexanderplatz zuzulassen, wenn dann die Entwicklung für dieses Areal schneller ginge. Und keiner der Investoren war bereit, auf diese bisherige Planung zu verzichten.
Keiner der Investoren wollte, dass die Planungen verändert werden und eine andere bauliche Struktur mit dem Alexanderplatz gefunden wird. Nicht etwa, weil das alles Spekulanten sind, sondern sie sind heute bereit, zum Beispiel 40 Millionen DM für Grundstücke auszugeben, wo die Zinsuhr täglich läuft. Sie haben sich verpflichtet, die Straße am Alexanderplatz auf ihre Kosten völlig neu gestalten zu lassen. Die Investoren haben sich verpflichtet, 55 % der Kosten für die Neuanlage des Alexanderplatzes zu tragen.
Wir werden mit dem Geld der Investoren im nächsten Jahr beginnen, diese Pläne zu realisieren. Und in den städtebaulichen Verträgen ist auch festgehalten, dass im Jahr 2006 die Sockelgebäude fertig sind und bis zum Jahr 2013 die Hochhäuser stehen müssen.
Bei der Baugenehmigung für die Sockelgeschosse wird natürlich notwendig sein nachzuweisen, dass die Statik vorhanden ist, um später die Türme aufzunehmen. Mit den Grundstückskosten, mit den Straßenumbaukosten, mit den Gestaltungskosten des Alexanderplatzes und den erhöhten Baukosten durch die erhöhten statischen Anforderungen gibt es so viele Vorinvestitionen der Investoren, dass sie es sich nicht werden leisten können, diese Projekte abstürzen zu lassen.
Die Büroflächennachfrage in Berlin wird künftig natürlich und vor allem auch durch die Hauptstadtfunktion Berlins bestimmt werden. Insofern werden unternehmensbezogene Dienstleistungen vermehrt in Berlin angesiedelt werden, und die so genannten Global-Player-Unternehmen mit ihren Deutschlandzentralen bevorzugen nicht nur die Hauptstadt, sondern häufig auch Hochhausstandorte. Das entspricht ihren Anforderungen nach hoher Repräsentativität und schafft auch Möglichkeiten zur modernen Selbstinszenierung. Die Büroflächennachfrage wird sich auch künftig vorrangig auf die Innenstadt konzentrieren. Hier besonders in den Lagen Berlin-Mitte und City-West. Wir gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2010 2,5 Millionen Quadratmeter nachgefragt werden.
Ich möchte auch noch auf die Investitionsbedeutung für Berlin hinweisen. Denn nach dem Potsdamer und Leipziger Platz hat dieses Planungsgebiet am Alexanderplatz das größte Entwicklungspotential für Berlin. Es entsteht dort eine neue 1-A-Lage. Insgesamt erwarten wir am Alexanderplatz ein Bauvolumen von rund 6,6 Milliarden 3. Nimmt man das Bauvolumen von Potsdamer und Leipziger Platz zusammen – das waren 5,4 Milliarden 3 –, dann können wir sagen: Es ist am Alexanderplatz noch einmal deutlich mehr Bauvolumen als am Potsdamer und Leipziger Platz. Das zeigt, welche großen Chancen in dieser Entwicklung für Berlin stecken.
Der Alexanderplatz ist nach wie vor ein Ort mit großer Tradition, dessen Name weit über die Grenzen der Stadt bekannt ist. Als einer der wichtigsten Plätze im pulsierenden Berlin wird der neue Alexanderplatz zum Wahrzeichen der Stadt im 21. Jahrhundert. Berlin spielt im Kalkül führender Wirtschaftskapitäne und Investoren eine beachtliche Rolle, denn die glauben an das Zukunftspotential, das Berlin hat. Und wenn es einen Ort in Berlin gibt, wo sich dieses Zukunftspotential zu einer Vision vom modernen Wirtschaftsstandort Berlin verdichtet, dann ist es der Alexanderplatz.
Ich bitte Sie ganz herzlich: Reden Sie die Chancen Berlins mit dieser großen Investition am Alexanderplatz nicht selbst klein. Die Bauarbeiter, die Investoren und die zukünftigen Arbeitnehmer werden es uns danken, wenn wir diese Planung von heute morgen und übermorgen realisiert haben, denn das hilft, Wirtschaftskraft nach Berlin zu holen und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. [Beifall bei der SPD]
Danke schön, Herr Senator Strieder! – Wir kommen zur Besprechung der Großen Anfrage. Es stehen uns nach unserer Geschäftsordnung bis zu zehn Minuten pro Fraktion zur Verfügung. – Es beginnt die Fraktion der Grünen. Frau Hämmerling hat wiederum das Wort. – Bitte schön!
[Frau Oesterheld (Grüne): Nimm ihn auseinander! – Abg. Wieland (Grüne): Warst Du überhaupt schon einmal in London?]
Schönen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Strieder! Ich verstehe, dass Sie sich Hochhäuser am Alex wünschen. Das ist aber nicht der Punkt, um den es hier geht. Es geht auch nicht darum, was Senator Strieder sich wünscht, es geht nicht um Peterchens Mondfahrt und um die Illusionen am Alexanderplatz. Hier geht es darum: Was ist realistisch, was kann am Alexanderplatz entstehen, und was wollen die Investoren? Dazu muss ich einmal sagen, steht fest: Die Investoren wollen keine Hochhäuser bauen. So viel ist klar, alles andere bleibt im Nebel, und auch auf unsere Anfragen haben Sie heute hier nicht geantwortet.
Es geht ja nicht darum, ob wir Hochhaustürme am Alexanderplatz wollen oder ob wir sie nicht wollen. Ob wir sie schön finden, ökologisch oder was auch immer. Es geht eben nicht mehr um Hochhäuser, sondern es geht darum, was da wirklich passiert. Die Investoren wollen die Hochhäuser nicht bauen, und wenn dort überhaupt etwas gebaut wird: Was wird gebaut, und was machen wir mit dem Platz, wenn lediglich ein paar Sockel gebaut werden? Das sind doch Fragen, die uns umtreiben und auf die Sie eine Antwort finden müssen.
Wir alle konnten in der Zeitung lesen: Die Investoren müssen die Hochhäuser nicht bauen. Das Land Berlin verzichtet auf ein Rücktrittsrecht, wenn die Türme nicht errichtet werden. Es gibt keinerlei Bauverpflichtung für die Hochhaustürme bzw. gebaut werden muss nur dann, wenn es den Investoren wirtschaftlich zumutbar ist. Was ist denn wirtschaftlich zumutbar, und wer entscheidet, wann was zumutbar ist? Genau deswegen wird es 2006 keine Hochhäuser geben und wahrscheinlich auch keine Sockelgeschosse.
Der rosarote Senat hat den Investoren die Grundstücke hinterhergeworfen. Wir wissen jetzt, Sie haben die Frage nach dem Kaufpreis nicht beantwortet, weil Sie jeden Quadratmeter um 1 000 Euro billiger verkauft haben als es der Bodenwert hergegeben hätte.
[Niedergesäß (CDU): Oh, ist ja gewaltig! Warum? Weil sonst kein Verkauf zustande gekommen wäre. Es wäre deshalb kein Verkauf zustande gekommen, weil einfach kein Bedarf für diese Hochhäuser besteht: Der Immobilienmarkt ist übersättigt. Und die Investoren heben sich die Bauoption für die kommenden Jahrzehnte auf. In dem amerikanischen Renten- fonds ist so ein Fonds wunderbar untergebracht, sage ich Ihnen, Herr Niedergesäß! [Niedergesäß (CDU): Woher wissen Sie das denn ]
Also, was passiert jetzt? – Die Grundstücke sind verkauft, es gibt nicht einen Bauantrag, die Hochhäuser kommen nicht. Und nun, Herr Strieder? Ihnen und Ihren Planern ist das egal. Sie machen jetzt neue Angebote, wie Sie eben gerade sagten, aber in Wahrheit haben Sie längst die nächsten Investruinen am Gleisdreieck, am Leipziger Platz, am Spittelmarkt und so fort, verplant und schaffen damit Konkurrenz zu dem, was Sie am Alexanderplatz vorhaben und in den Entwicklungsgebieten schon gebaut haben. Was ist das für eine Politik?
Und der PDS ist der Alexanderplatz eben auch egal – leider –, seit sie im Senat sitzt. Ich weiß, meine Damen und Herren von der PDS, sie behaupten immer, der Bebauungsplan wurde von der großen Koalition beschlossen, und sie hätten nur die Pflicht, ihn jetzt umzusetzen, sonst würden Regressansprüche drohen. Genau das, und das wissen Sie auch, ist falsch.
Frau Hämmerling! Gestatten Sie eine kurze Unterbrechung. – Ich bitte doch die Kollegen von SPD und FDP in der ersten Reihe, die Gespräche dorthin zu verlegen, wo sie der Rednerin nicht den Rücken zudrehen müssen. – Bitte schön, fahren Sie fort!
Schönen Dank, Herr Präsident! – Also Regressansprüche gibt es seitens der Investoren erst dann, wenn sie Eigentümer der Grundstücke sind. Genau diese Kaufverträge haben Sie jetzt beschlossen. Jeder kann das Ergebnis im Protokoll der letzten Plenarsitzung nachlesen. Auf dieser Sitzung sind mit Stimmen der PDS diese Kaufverträge beschlossen worden, und deshalb tragen auch Sie, gerade als Vertreterinnen und Vertreter der Ostinteressen, Verantwortung für das Planungschaos, das wir jetzt am Alex haben.
Apropos Ansprüche: Wir, die Bündnisgrünen, haben vor Restitutionsansprüchen seinerzeit gewarnt. Wir haben gesagt, mit der Festsetzung des Bebauungsplanes am Alexanderplatz werden Restitutionsansprüche auf uns zukommen. Das haben wir jetzt vom Gericht schriftlich bestätigt, weil nämlich Alteigentümer ihre Ansprüche auf den Alex durchgesetzt haben. Ihre Ignoranz kostet das Land Berlin wieder einmal einen Haufen Geld, und wir hatten Recht mit unserer Warnung. Vielleicht sollten Sie öfter einmal auf uns hören. So viel zu der Frage, Herr Strieder, wer von wem in diesem Haus lernen kann.
Uns ist der Alexanderplatz eben nicht egal. Wir akzeptieren nicht, dass auf unabsehbare Zeit die Bausubstanz vor sich hingammelt, dass auf unabsehbare Zeit die Straßenbarrieren den Alex von den Nachbarquartieren trennen, dass der Platz tot ist nach Ladenschluss. Am Alex ist noch immer 12 Jahre nach der Wende „Erich am Ende“ nach Ladenschluss, und das kann einfach nicht so bleiben.
Apropos Ladenschluss, Herr Strieder: Das ist ein Stück aus dem Tollhaus, und dazu haben Sie heute nicht ein einziges Wort verloren. Das sind nämlich die Planungen für den Einzelhandel. Sie wollen 320 000 Quadratmeter Verkaufsfläche errichten, und das ist weltweit einmalig. Wie hieß es doch im Tagesspiegel?: Die Welt aber wird lachen. Der Alex verträgt sicher mehr Verkaufsfläche, als jetzt vorhanden ist, aber doch nicht siebenmal so viel wie am Potsdamer Platz.
Sie haben in Ihrer schriftlichen Beantwortung darauf hingewiesen, dass die Verkehrsanbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr hervorragend ist. Aber die Zulieferung funktioniert doch nicht über S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahn.
Sie ziehen mit der Zulieferung den Lkw-Schwerlastverkehr in die Innenstadt, in den Bereich, wo sie gerade Verkehr vermeiden und die Straßen zurück bauen wollen. Was soll ich dazu sagen? Ich kann nur sagen, dass ist wieder einmal ein echter Strieder.
Aber im Ernst, Herr Strieder: Wo soll die Kaufkraft für den Alex herkommen? Sie ziehen sie aus der Umgebung ab. Jede Mark wird nur einmal ausgegeben. Die kleinen und mittelständischen Einzelhandelsunternehmen in den Ladenstraßen gehen kaputt. Die Infrastruktur geht kaputt, und am Ende müssen Sie wieder Stadtteilmanagement finanzieren, um die Stadt zu reparieren. Herr Strieder, das ist keine vorausschauende Stadtplanung. Das ist vorprogrammiertes Chaos, und das lehnen wir ab.