Protocol of the Session on August 29, 2002

Auch auf der Einnahmenseite spiegeln sich die dramatischen Entwicklungen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Die Gewerbesteuereinnahmen sind 2001 um circa 14 % zurückgegangen, d. h. eine Summe von 130 Millionen $ ist dem Landeshaushalt verloren gegangen. Nicht zuletzt verlassen große Traditionsunternehmen wie Babcock-Borsig und Spreequell die Stadt.

Die CDU-Fraktion hat ein Sofortprogramm für Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze in Berlin vorgelegt. Lassen Sie mich einige Punkte nennen:

−Aufhebung der Haushaltssperre: Damit der Weg für Investitionen und Beschäftigung gerade im Handwerk, in kleinen und mittleren Unternehmen frei gemacht wird.

−Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, als Standortvorteil: Damit Berlin sein Potential als Metropole und Tourismusmagnet nutzen kann.

−Senkung der Gewerbesteuer unter die Grenze von 400 Punkten: Als Signal für Investoren und Existenzgründer.

−Privatisierung der Messe: Zur Nutzung der Chancen des Messe- und Kongressstandortes Berlin.

−Abschaffung von Gesetzen und Verordnungen im Rahmen eines Bürokratie-TÜVs

[Pewestorff (PDS): Aktualität!]

und zeitliche Begrenzung aller neuen Gesetze und Verordnungen, damit nach Ablauf dieser Frist ihre Notwendigkeit erneut überprüft werden kann.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Steuersenkungen und Bürokratieabbau sind dringender als je zuvor, nur Sie scheinen die Dringlichkeit nicht einschätzen zu können. Das ist eben das Problem in dieser Stadt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Unruhe bei der SPD und der PDS]

Herr Kollege, Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber ich bitte Sie, sich an die Begründung der Aktualität zu halten und nicht zur Sache zu sprechen.

[Beifall bei der SPD]

Ich weiß, dass das schwer zu trennen ist, aber bitte berücksichtigen Sie das.

Herr Präsident! Ich spreche zu äußerst aktuellen Themen dieser Stadt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich würde Ihnen empfehlen, sich bei den Menschen in dieser Stadt umzuhören, welche Probleme sie für aktuell und in vorderster Linie lösungsbedürftig ansehen.

Schließlich brauchen wir dringend ein Investitionsprogramm für das krisengeschüttelte Berliner Handwerk, um dem unabweisbaren Instandhaltungsbedarf im Hoch- und Tiefbaubereich bei Straßen, Schulen, Kindertagesstätten usw. zu erfüllen. Dies hätte unmittelbare Auswirkungen im mittelständischen Berliner Handwerk und würde ein mehrfaches dieser Kosten bei längerem Zuwarten – auch hier zeigt sich die Dringlichkeit – ersparen.

[Pewestorff (PDS): Man möge dem Mann doch einmal eine Geschäftsordnung schenken!]

Wir wissen ja, Herr Pewestorff, dass Sie dieser Diskussion ausweichen wollen, weil Sie sie in der gegenwärtigen Verfassung des Senats und dieser Koalition nicht bestehen können. Vielleicht müssen Sie sich ja auch noch davon erholen, dass Herr Gysi Sie dusselig gequatscht hat, wie heute eine PDS-Parlamentarierin in der Zeitung zitiert wird.

Was in dieser Zeit, im ersten Jahr einer neuen Regierung, nicht auf den Weg gebracht wird, wird auch in der Folgezeit nicht erreicht. Sie werden deshalb das gleiche Schicksal erleiden, wie die rot-grüne Bundesregierung.

[Gaebler (SPD): Zur Aktualität!]

Ihre bisherige Bilanz: Statt Aufbruch Abbruch, statt Taten Stillstand, statt klarer haushaltspolitischer Rahmenbedingungen für politisches Handeln Haushaltsperre, statt personeller Kontinuität im Senat Anzeichen zur Selbstauflösung, statt überzeugender personeller Alternativen Notlösungen –,

Herr Kollege! Würden Sie bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident! – statt Überzeugungskraft in der Bevölkerung Verlust in der Zustimmung bei der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr der Kollege Wieland das Wort zur Begründung der Aktuellen Stunde.

[Wieland (Grüne): Frau Kubala macht das!]

Gut! – Bitte schön, Frau Kubala, dann haben Sie das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachhaltigkeit ist keine akademische Formel. Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben uns in aller Dramatik vor Augen geführt, dass die Konsequenzen des vom Menschen verursachten Klimawandels auch für unsere Weltregion ein Gesicht haben.

Überschwemmungen in nur schwer vorstellbarem Ausmaß, zusammenbrechende Häuser, vernichtete Ernten und verzweifelte Menschen: Das sind eigentlich keine unbekannten Bilder, aber wir haben sie bisher immer nur im Fernsehen gesehen, in anderen Regionen wie China und Indien. Nun aber hat es unsere unmittelbaren Nachbarn in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und nicht zu vergessen in Tschechien und Ungarn getroffen.

Dies ist ein außerordentlich ernsthaftes Signal, eine aktive und verstärkte Klimapolitik nicht länger auf die lange Bank zu schieben. Die Bereitschaft zur Solidarität mit den Opfern hat in unserem Land ungekannte Ausmaße erreicht. In der Diskussion der letzten Wochen ist sehr deutlich geworden, dass das Wissen über den Klimawandel und das Verständnis der notwendigen Klimaschutzmaßnahmen in der Gesellschaft und in den Medien größer ist als von vielen erwartet.

Wir haben gute Gründe und auch die Pflicht, uns in einer Aktuellen Stunde zunächst mit zwei Themen zu beschäftigen, die auf vielfältige Weise und unauflösbar miteinander verbunden sind: Unsere Unterstützung mit den Opfern der Flutkatastrophe und unser Beitrag zur Vorsorge, dass die Häufigkeit und Schwere solcher Katastrophen hier und anderswo durch eine aktive und verstärkte Klimaschutzpolitik in dieser Form nicht wieder auftritt.

[Beifall bei den Grünen]

In diesen Tagen ist aber nicht nur die Flutkatastrophe ein Thema: Vor wenigen Tagen begann in Johannesburg die weltgrößte Konferenz der UNO, die Konferenz zur Nachhaltigkeit, von der häufig – fälschlicherweise – berichtet wird, dass sie sich ausschließlich mit Klimaschutzund Umweltschutzpolitik beschäftige. Es geht aber um Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft und die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem.

Diese Zusammenhänge gelten nicht nur im globalem Raum. Gerade wir in Berlin sollten wissen, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik der letzten Jahre keineswegs dem Prinzip der Nachhaltigkeit entspricht.

[Beifall der Frau Abg. Paus (Grüne)]

Gerade der Berliner Haushalt, den der Finanzsenator zutreffend als rechtswidrig bezeichnet hat, ist Folge und Ausdruck einer Misswirtschaft und in keiner Weise zukunftsfähig.

[Beifall bei den Grünen und des Abg. Gaebler]

Die Wirtschaftspolitik berauscht sich an immer neuen Worthülsen von der „Drehscheibe nach Osteuropa“ bis zur „OneStop-Agency“!. Zur nachhaltigen Veränderung hat es bisher nicht gelangt, was sich insbesondere am Fehlen zukunftsfähiger Arbeitsplätze zeigt. Die von CDU und FDP heute beantragten Themen sind deshalb heute und zu jeder Zeit aktuell.

Es darf aber in dieser komplexen Debatte niemals ignoriert werden, dass die Natur die Grundlage unseres Wirtschaftens und unserer Gesellschaft ist und dass Natur mit einer Gewalt reagieren kann, die alle unsere Schutzmaßnahmen wirkungslos werden lässt. Notwendig für ein wirkliches Umsteuern in der Energie-, Verkehrs- und Umweltpolitik sind nicht die Lippenbekenntnisse des Senats, sondern konkrete Taten. Dazu gehört auch der Verzicht auf unsinnige Ausbauprojekte von Wasserstraßen, ob an Elbe, Havel oder Spree. Einen wirklichen Bedarf für diese teuren Mammutprojekte gibt es nicht, und die Folgen bei Hochwasser erleben wir gerade. Eine Politik, die nicht konsequent auf eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise setzt und deren Folgen auf nahe und ferne Nachbarn oder zukünftige Generationen verschiebt, ist nicht zukunftsfähig. Sie ist verantwortungslos.

[Beifall bei den Grünen und des Abg. Gaebler (SPD)]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr zur Begründung der Aktuellen Stunde das Wort der Kollege Lindner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rekapitulieren wir kurz, was bei unserem letzten Zusammentreffen in diesem Raum passiert ist: Da erlebten wir in einer Posse, wie sich der Finanzsenator hinstellte und erklärte, die Abgeordneten dieses Hauses hätten über eine verfassungswidrige Vorlage abzustimmen.

[Doering (PDS): Aktualität!]

Wir erlebten, wie diese Posse derart weiterging, dass der Regierende Bürgermeister darauf für den Senat von Berlin erklärte, es sei doch nicht verfassungswidrig, sondern verfassungsgemäß. Dies allein hätte schon in jedem politisch zivilisierten Bundesland wie etwa Nordrhein-Westfalen oder Hessen