Protocol of the Session on June 13, 2002

Ich finde schon, dass der Rechtsanwalt von Herrn Landowsky von mir eine Antwort verdient. Die soll er bekommen. – Natürlich obliegt es mir nicht, hier eine Gerichtsentscheidung vorwegzunehmen. Ich kann nur sagen, die Wohnungen und die Räume von Herrn Landowsky sind durchsucht worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Er steht unter Verdacht, ein Verbrechen begangen zu haben. Mehr wollte ich damit nicht zum Ausdruck bringen. Das Endergebnis wollte ich nicht vorwegnehmen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zuruf von der CDU: Ist ja unerhört! – Rabbach (CDU): Sie sind ein verbaler Verbrecher!]

Wir kommen zur

lfd. Nr. 5:

a) Drucksache 15/425:

Große Anfrage der Fraktion der CDU über Endlich den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses beginnen!

b) Drucksache 15/520:

Antrag der Fraktion der FDP über Wiederaufbau des Stadtschlosses, Vollendung eines Ensembles

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Dr. Stölzl

c) Drucksache 15/521:

Antrag der Fraktion der FDP über Von Leipzig lernen, heißt Fehler vermeiden

d) Drucksache 15/561:

Antrag auf Annahme einer Entschließung der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS über Empfehlungen der Expertenkommission Historische Mitte Berlins

Im Ältestenrat haben sich die Fraktionen für die Begründung der Großen Anfrage auf eine Redezeit von bis zu 5 Minuten verständigt. – Zur Begründung rufe ich ein Mitglied der Fraktion der CDU auf, das ist nach Liste der Herr Kollege Apelt. – Bitte schön! [Klemm (PDS): Können Sie nicht die Debatte vom letzten Mal zu Protokoll geben?]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir – –

Herr Apelt, Entschuldigung! Im Eifer dieses wirklich unerwarteten heftigen Gefechtes habe ich hier, wofür ich mich entschuldige, die Überweisung zu den verkehrspolitischen Anträgen übersehen. interjection: [Wieland (Grüne): Der FDP wäre das nie aufgefallen!] Zu den Anträgen empfiehlt der Ältestenrat folgende Ausschussüberweisungen: Der Antrag Drucksache 15/435 soll federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz sowie mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr überwiesen werden. Die Anträge Drucksache 15/436 und 15/525 sollen an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr überwiesen werden. Der Antrag Drucksache 15/437 soll federführend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr überwiesen werden sowie mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz und im Ausschuss für Berlin-Brandenburg behandelt werden. Der Antrag Drucksache 15/438 soll federführend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz überwiesen werden. Der Antrag Drucksache 15/511 soll federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr überwiesen werden. – Wer diesen Ausschussüberweisungen seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Enthaltungen! – Dann ist dies einstimmig so beschlossen. Ich bitte um Nachsicht für meine Nachlässigkeit und gebe jetzt wieder das Wort an den Kollegen Apelt. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir über die Zukunft des Schlossplatzes reden. Die Tatsache, dass wir nach zwölf Jahren immer noch reden, unentwegt hin und her überlegen, abwägen, prüfen und nochmals prüfen und neu beurteilen und wieder verschieben, macht die Sache nicht besser, sondern zeigt nicht nur die Unsicherheit in dem gesamten Thema, sondern auch die Unfähigkeit der Akteure, angemessen mit unserer Geschichte und den Wunden aus unserer Geschichte umzugehen. Wie soll diese Stadt bei all dem ideologischen Ballast, der da vor sich hergeschoben wird und hinter dem sich so manch einer versteckt, umgegangen werden? Wie soll diese Stadt zu sich selbst finden? Wie soll diese Stadt zu ihrer geistigen Mitte im Herzen Deutschlands finden, wenn sie selbst dieser Mitte beraubt wird und das Suchen nach einer Selbstbestimmung in einer geistigen Leere endet? Das Nachsehen hat die Stadt und ihre Bewohner, die sich in der geographischen Mitte eine Wunde gefallen lässt, auf der die Verantwortlichen aus Bund und Land herumtrampeln. Das, was die Koalition jetzt wieder macht, ist nichts anderes. Dabei merken Sie nicht, dass Sie sich selbst ein Armutszeugnis ausstellen.

Kein Geringerer als Walter Ulbricht selbst, der vor 52 Jahren das Stadtschloss hat sprengen lassen, hätte seine Freude daran, wenn er in das demokratische Berlin schaute. Und wahrscheinlich würde er sich im Grab noch heute vor Lachen den Bauch halten, wenn er sähe, welch lächerliches Schauspiel nach Jahren Diskussion aufgeführt wird, wie einige Herren, auch Kultursenatoren, hinter der Schwerfälligkeit von Instanzen nur ihre Ideologiesüchtigkeit verstecken.

Warum machen wir nicht endlich Schluss mit dem unwürdigen Schauspiel? Warum können wir nicht konstatieren: Die Sprengung war eine kulturhistorische und städtebauliche Katastrophe für die geschundene Stadt, für Berlinerinnen und Berliner und alle Deutschen, die ihr Schloss, wie der Kunsthistoriker Hamann einmal sagte, mit dem Louvre in Paris, mit dem Hradschin in Prag, mit dem Kreml in Moskau und dem Dogenpalast in Venedig verglichen haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Mutlu (Grüne): Geht es nicht auch etwas kleiner?]

Die Wunde, die wie ein Schandfleck jüngster deutscher Geschichte die Mitte Berlins verunstaltet, muss geschlossen werden. Diese Wunde hat die Stadt nicht verdient, so wenig wie die soundsovielte Arbeitsgruppe, den Arbeitskreis oder die Kommission, die zum 54. Mal Bedenken aufnimmt und abwägt und prüft. Wir kennen alle die Beispiele. Die Stadt hat es nicht verdient, dass nicht entschieden wird, weil es wieder einen Politiker, einen Fraktionsvorsitzenden oder einen Senator gibt, dem das nicht gefällt und der wieder sagt, wir müssen eine neue Kommission einberufen. Dann geht es weiter mit dieser Ratlosigkeit, immer unter dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis. – Wir sind im zwölften Jahr, wann wollen Sie endlich anfangen, in der Mitte Berlins zu bauen?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wie lange wollen Sie so noch weitermachen und sich blamieren? Es gibt doch auch ein ästhetisches Gewissen. Lassen Sie der Moderne ihre Spielwiesen auf den Brachflächen, lassen Sie den Militärs ihre Aufmarschplätze vor den Toren der Stadt, lassen Sie den eitlen Architekten ihre Selbstverwirklichungsphantasien in den Wohnsilos – davon hat Berlin noch genug –, aber geben Sie der Stadt ihr Gesicht zurück.

[Beifall bei der FDP]

Geben Sie der Stadt das Stück Geschichte wieder, das ihr Ulbricht hat nehmen wollen. Und geben Sie der Stadt, die im letzten Krieg sehr viel verloren hat, ein kleines Stück Architektur in ihrer Mitte zurück, als Vollendung eines einmaligen Ensembles und als ein großes Stück ihres Stolzes. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Apelt! – Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat nun Herr Senator Strieder das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müssen uns in diesem Haus über die Bedeutung dieses Ortes in der Stadt nicht gegenseitig belehren.

[Wansner (CDU): Bei Ihnen schon!]

Die Kommission hat nicht zum Schloss getagt, sondern hatte die Aufgabe, die Neudefinition der historischen Mitte Berlins sich vorzunehmen. Natürlich spielt dabei die Nachnutzung und die zukünftige Gestaltung des Schlosses eine herausragende Rolle. Ich möchte jedoch betonen, dass es im Umfeld dieser Entscheidung für die Stadt außerordentlich wichtige Grundsatzentscheidungen zu treffen gilt. Sie betreffen den Umgang mit dem ehemaligen Staatsratsgebäude, die Bebauung oder Nichtbebauung der Schlossfreiheit, den Umgang mit dem Schlossplatz und die Neugestaltung der Breiten Straße. Die Kommission hat sich diese Aufgabe nicht leicht gemacht. Deswegen misst der Berliner Senat dem Bericht und den darin enthaltenen Aussagen eine außerordentlich große Bedeutung zu.

(A) (C)

(B) (D)

Sen Strieder

Der Senat betrachtet das von der Kommission empfohlene Nutzungskonzept als ein neues, wichtiges Konzept, das auch darauf reagiert, wie Deutschland im Zeitalter der Globalisierung den kulturellen Diskurs mit seinen Nachbarn und Partnern in der Welt führt. Es gibt erstmals mit den Vorschlägen der Kommission eine geistige Grundlage für die Reorganisierung der historischen Mitte Berlins. Das von der Kommission empfohlene städtebauliche Konzept steht – Sie werden verstehen, dass mich das freut – im Wesentlichen im Einklang mit dem von meiner Verwaltung vorgelegten Planwerk Innenstadt.

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP]

Der Senat begrüßt die Empfehlungen der Expertenkommission, sich bei der Neubebauung des Schlossareals selbst an der Stereometrie des ehemaligen Schlosses zu orientieren und damit den historischen Stadtgrundriss zu respektieren. Ich meine aber, es ist nach zehn Jahren an der Zeit, nicht nur über die Form, sondern ein wenig mehr über den Inhalt dieses Nutzungskonzeptes zu diskutieren. Wenn es jetzt unsere Aufgabe ist, in der Mitte dieser Stadt und in gewisser Weise auch in der Mitte dieser Republik den kulturellen Dialog zu führen, die Ausgestaltung, der lebendigen Beziehung zu anderen Völkern herzustellen und nicht nur in kolonialistischer Weise deren Kultur auszustellen, sondern heutige, lebendige Kultur miteinander in Kontakt zu bringen, dann müssen wir uns die Frage stellen, ob ein barockes Bauwerk, ob die Repräsentationsform der Monarchie die richtige Ausdrucksform für eine solche neue Nutzung ist.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Lindner (FDP): Reißen wir den Rest auch noch ab!]

Wir sollten das offen miteinander diskutieren und die Frage wenigstens zulassen – wenigstens so weit müsste die liberale Toleranz noch gehen –, ob wir es modernen Architekten zutrauen könnten, einen solchen Ort zu formulieren und dafür ein Konzept zu entwickeln.

[Hahn (FDP): Das können Sie doch nicht mehr glauben!]

Das stete Misstrauen in die Ausdrucksfähigkeit unserer Zeit ist kein Beweis dafür, dass wir an die Gestaltbarkeit unserer Gesellschaft glauben. [Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Innerhalb der Konzepte ist es klar: Das Staatsratsgebäude bleibt bestehen. Es wird von der Business School genutzt werden. Wir sind allerdings auch froh darüber, dass die Business School weiterhin öffentlichen Zugang zum Staatsratsgebäude gewährleisten wird.

[Beifall bei der PDS]

Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindner?

Ja, klar, bei Herrn Lindner gerne!

Herr Senator! Wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir selbstverständlich als Liberale

[Wieland (Grüne): Wo ist die Frage?]

nicht nur Fragen zulassen, sondern dass wir darüber hinaus sogar Ihren Parteifreund, den Präsidenten der Bundesarchitektenkammer und bewussten Befürworter einer zeitgenössischen Bebauung in unsere Fraktion eingeladen

[Wieland (Grüne): Das hat er nicht verdient!]

und ihm ganz ausführlich Raum gegeben haben, genauso und eher länger als Herrn Boddien und anderen, seine Vorstellungen mit uns zu erörtern.