Der zweite Ansatz betrifft die Beihilfe. Sie sagen, alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, alle Beamtinnen und Beamte sollten sich mit einem Eigenbeitrag an der Beihilfe beteiligen. Damit greifen Sie nicht das zweite Problem an – das tun wir in unserem Antrag –: Wie kommt es eigentlich, dass Ärzte und Ärztinnen im Land Berlin die Beihilfe zu einem Gebührensatz abrechnen, der weit über den normalen Abrechnungssätzen für Privatpatienten liegt? Da wäre der Ansatz, wo sehr viel mehr Geld zu holen wäre und wo andererseits nicht unbedingt die Beteiligung der Patienten an den Kosten erfolgen müsste. Das haben Sie mit Ihrem Gesetzentwurf ignoriert.
Die zweite Frage – werter Kollege Krüger, Sie haben diesen Antrag so gelobt – finde ich skandalös. Ich habe selten ein so kinder- und familienfeindliches Gesetz wie dieses gesehen. Stellen Sie sich die Familie X mit drei Kindern vor, Beamte, eingruppiert in A 7, also in die niedrigste Gehaltsstufe. Die Ermäßigung von der Zuzahlung beträgt bei drei Kindern 50 §. Dieselbe Familie mit drei Kindern bei Gehaltsstufe B 8 – Staatssekretär – hat wegen der drei Kinder 120 $ Ermäßigung. Das kann es nicht
sein! Sie haben hier das alte Spiel: Wer mehr verdient, bekommt eine höhere Ermäßigung. Das muss im Ausschuss noch einmal dringend nachgebessert werden.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Vorlage in den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Hauptausschuss. Darüber lasse ich abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um sein Handzeichen! – Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Keine. Damit ist das so beschlossen.
I. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über Gleichstellung von Lesben und Schwulen voranbringen – Gesetz zum Abbau von Benachteiligungen von Lesben und Schwulen
Der ursprüngliche Beratungsvorbehalt der Grünen wird nicht mehr aufrechterhalten. Deswegen können wir gleich zu dem kommen, was der Ältestenrat empfiehlt, nämlich die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung – federführend – sowie an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. Darüber lasse ich abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um sein Handzeichen! – Die Gegenstimmen! – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung so beschlossen. – Vielen Dank!
I. Lesung des Antrags der Fraktion der FDP über Bestimmungen zur Zweckentfremdung von Wohnraum ist zwecklos
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/440-1 – vor. Nach unserer Geschäftsordnung steht für die Beratung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion zur Verfügung.
Ich eröffne die I. Lesung. Wortmeldungen liegen aus allen Fraktionen vor. Das Wort für die Freien Demokraten hat der Abgeordnete von Lüdeke. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat die Abschaffung der Zweckentfremdungsverordnung – eigentlich das Zweckentfremdungsbeseitigungsgesetz und die II. Zweckentfremdungsverbotsverordnung – beantragt, weil wir der Überzeugung sind, dass sich die Zweckentfremdungsverordnung in unserer Stadt erledigt hat. Das hat sie aus folgenden Gründen: Ziel dieser Verordnung war es, Leerstände und Umnutzungen zu vermeiden. Zu den Leerständen wissen wir inzwischen alle, dass in Berlin an die 140 000 Wohnungen leer stehen. Gegen Wohnungsprobleme müssen wir demnach nicht mehr ankämpfen, da wir keine haben. Die Umnutzung hat sich im Prinzip auch erledigt. Gegen Spekulation können wir mit Planungsrecht vorgehen. Wir sehen nicht ein, warum ein Softwareentwickler, ein Existenzgründer, ein junger Rechtsanwalt nicht innerhalb seiner Wohnung seinem Gewerbe nachgehen soll, bis sich seine Praxis oder sein Büro so erfolgreich entwickelt hat, dass er nach größeren Büroräumen suchen kann.
Wir denken, dass sich die Regelung vollkommen überholt hat. Angesichts der Tatsache, dass wir es begrüßen müssen, wenn sich in dieser Stadt noch Leute selbständig machen, sollten wir
diesen keine Hürden in den Weg stellen, sondern diese Hürden möglichst beseitigen. Wir verzeichnen bei der teilgewerblichen Nutzung eine ziemlich hohe Nachfrage in der Stadt. Wir möchten den Existenzgründern den Weg dafür freimachen. Nebenbei hat das den Effekt, dass wir in erheblichem Maß öffentliche Mittel einsparen können, denn an der ganzen Sache hängt ein Verwaltungsapparat, der sich damit beschäftigt.
Das verstehen wir überhaupt nicht, weil wir damit wieder ein Ungleichgewicht bekommen. Was stellt sich die CDU vor? Soll der Softwareentwickler, der zufällig in Steglitz wohnt, nicht das dürfen, was er in Lichtenberg dürfte? Mit solchen Regelungen können wir nichts anfangen. Wir bevorzugen die radikale Lösung, nämlich komplett weg mit der Zweckentfremdungsverordnung. Jeder soll in seinen Wohnräumen seinem Gewerbe nachgehen können. Es soll auch keine Abstufung nach Geschossen geben. Es soll keine Reglementierung geben. Die Regel soll wegfallen. Die Zweckentfremdungsverordnung hat sich erledigt. [Beifall bei der FDP]
Vielen Dank, Herr von Lüdeke! – Für die Sozialdemokraten ergreift Herr Kollege Schimmler das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ermächtigungsgrundlage für die Zweckentfremdungsverbotsverordnung ist eine bundesgesetzliche Regelung, wie es zu Recht in dem Änderungsantrag aufgeführt ist, die das Ziel hat – wie es dort heißt –,
die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen, wenn diese besonders gefährdet ist.
Da wird Herr von Lüdeke sicherlich sagen, dass das alles nicht mehr der Fall sei. – Aber wir müssen auch sehen, dass dies eine Rechtsformulierung ist, die durchaus immer wiederkehrt und sich in zahlreichen Gesetzen wieder findet.
Der richtige Weg, der hier zunächst einmal eingeschlagen wurde, ist der, den der Senat am 6. November des letzten Jahres bereits gemacht hat, indem er weitestgehende Ausnahmemöglichkeiten geschaffen hat, die all das, was Herr von Lüdeke erwähnte, ermöglichen würden. Man muss nur aufpassen, wie jetzt die Praxis ist. Wir werden uns im Ausschuss ganz genau ansehen, ob alle Bezirke diese Möglichkeiten nutzen. Leider hat in einigen Bezirken eine restriktive Praxis zu der Verstimmung gegenüber der Regelung geführt.
Zu dem, was Sie eben ansprachen, Herr von Lüdeke: Die Planungsrechtsänderung bekommen Sie nicht für ein Gebäude oder eine kleine Ecke, sondern es müssen größere Gebiete sein, die entsprechend abstrakt sein müssen. Das ist eine Crux, mit der Sie dann auch nicht flexibel darauf reagieren können, wenn der von Ihnen angesprochene Softwareentwickler möglicherweise in seiner Wohnung etwas machen will. Wenn er es in einer Mietwohnung macht, wird es schwierig. Hat er hingegen eine Eigentumswohnung, ist das rechtlich schon längst ausdiskutiert. Das kann er.
Wir müssen bei diesen Fragen aber auch sehen, dass die Regelung, wie sie hier in der Begründung für die Zweckentfremdungsverbotsverordnung steht, auch – ich sagte es anfangs – Gegenstand anderer Regelungen ist. So hat die Bundesregierung gerade ein Mietrechtsreformgesetz beschlossen, in dem ein neuer § 577 a BGB enthalten ist, der genau mit der selben Formulierung die Möglichkeit bietet, eine Verlängerung von Kündungsfristen für Mieter bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten zu schaffen. Sie haben in der Koalitionsvereinbarung sicher gelesen, dass der Senat prüfen wird, ob dies an einigen Stellen auch in Berlin möglich ist.
Für die Stadt Berlin ist es richtig gewesen, zunächst einmal die weitestgehenden Ausnahmeregelungen durchzusetzen und diese hier hereinzubringen. Soweit ist der Wunsch der CDUFraktion, sich mit einem Änderungsantrag an den Bundesrat zu wenden, um insgesamt die Möglichkeit zu schaffen, kleinere Gebiete zu nehmen, richtig. Wir sehen, wenn wir uns Berlin betrachten, durchaus, dass nicht nur verschiedene Gebiete unterschiedliche Voraussetzungen haben und den Mietern unterschiedliche Möglichkeiten bieten. Es ist zwar ein hoher Wohnungsleerstand vorhanden, aber er ist nicht überall in der Stadt gleich verteilt, und er ist nicht in allen Segmenten des Wohnungsmarktes gleich verteilt. Sie finden nicht für alle Einkommensschichten jeweils in der entsprechenden Größe die gesuchte Wohnung. Deshalb wäre eine Regelung, über Gebiete eine Einschränkung zu machen, richtig. Es wäre gut, wenn wir das im Bundesrat durchsetzen könnten.
Deshalb meine ich, dass wir beide Anträge – den der CDU mit größerer Sympathie – im Ausschuss beraten sollten. Der Antrag der CDU ist jedoch – das hat Herr von Lüdeke richtig bemerkt – eigentlich kein Änderungs-, sondern ein Ersetzungsantrag, denn er setzt das voraus, was die FDP nicht haben will. Dem Antrag der FDP würden wir nicht zustimmen.
Vielen Dank, Kollege Schimmler! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Goetze das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abseits der politischen Debatte, die wir hier im Hause führen, befassen sich auch die Gerichte mit dem Sachverhalt. So ist für den 13. Juni dieses Jahres eine Entscheidung des OVG zu diesem Thema angekündigt worden, weil nach der Feststellung des Senators, es gebe keine Wohnungsnot mehr in Berlin, zahlreiche Verbände und einzelne Betroffene den Weg vor die ordentliche Gerichte gewählt haben, so dass wir möglicherweise wieder einmal vor die Tatsache gestellt werden, dass Politik durch Rechtsprechung gemacht wird und nicht durch das Parlament. Wir sollten aber zumindest versuchen, für das Parlament hier noch zu einem Votum zu kommen.
Berlin hat eine höchst unterschiedliche Leerstandsquote – etwa im Bezirk Hellersdorf mit 12,8 % oder im Bezirk Tempelhof mit 1,9 %, jeweils basierend auf Zahlen des BBU. In einzelnen Innenstadtbezirken wie z. B. in Wilmersdorf beträgt sie 1,1 % oder in Charlottenburg 2,4 %, und demgegenüber beträgt sie in Marzahn wiederum 11,8 %. Daran kann man schon sehr deutlich sehen, dass die Gesetzesforderung, einen bezahlbaren Wohnraum in ausreichender Größenordnung bereitzustellen, in Teilen Berlins durchaus erfüllt ist, in anderen Teilen aber nach wie vor nicht gegeben ist. Deshalb ist es auch sinnvoll, diesen Gesetzestext in der Weise, wie wir als CDU-Fraktion ihn ändern wollen, auf Bundesebene ändern zu lassen.
Schauen Sie sich an, was dort als Sachverhalt dahinter steht! Es wird gesagt, die Zweckentfremdungsverbotsverordnung gilt jeweils für eine Gemeinde. Das ist die Mittelstadt mit 50 000 oder 250 000 Einwohnern genauso wie der Großraum Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt. Es ist nicht sachgerecht, in einer Stadt wie Berlin, die letztlich aus 10, 12 oder 15 Mittelstädten zusammengesetzt ist – vom Niveau her und auch von ihren Subzentren her –, alles über einen Kamm zu scheren. Deswegen muss diese Zweckentfremdungsverbotsverordnung für Teile dieser Gebiete bzw. für Teile der Gemeinde möglich sein.
Warum ist das für Berlin auch notwendig? – Die Festlegung, dass z. B. am Potsdamer Platz eine Wohnanteil von 20 % realisiert werden soll, hat dem Gebiet wohl nicht geschadet, sondern doch nur genutzt, nämlich dort ein Stück Urbanität erhalten.
Dass in vielen Textbebauungsplänen für die Innenstadt – Wilmersdorf, Charlottenburg, sicherlich auch Mitte – inzwischen auch bestimmte Wohnanteile festgelegt worden sind, hat man
doch aus der Überlegung heraus gemacht, nicht die reinen Kanzlei- und Shopping-Meilen zu schaffen, die dann nach 20 Uhr mehr oder weniger tot sind, sondern man wollte dort urbanes Leben erhalten. Wenn man das erhalten will, muss man auch dafür sorgen, dass der noch vorhandene Wohnraum als solcher dort weiter zur Verfügung steht.
Was ist in den letzten Jahren passiert? – Dieses Gesetz, das die Grundlage für die Zweckentfremdungsverbotsverordnung bildet, ist 1971 verabschiedet worden. Dann hatten wir in Berlin nach meiner Erinnerung dreimal den Fall, wo man anschließend gesagt hat: „Nun sind wieder sechs Jahre vergangen. Wir haben keine so glückliche Regelung dazu gehabt. Machen wir einmal eine Altfallregelung: Alle, die in den letzten Jahren gegen dieses Gesetz verstoßen haben, werden als Altfall behandelt und haben keine Sanktionen mehr zu befürchten. Ab jetzt machen wir es aber richtig!“ – Das ist einige Male hintereinander passiert. Wir hatten also eine schleichende Vernichtung von Wohnraum im City-Gebiet. Selbstverständlich ist hierbei nicht die Existenzgründerwohnung in Marzahn oder in Steglitz nachgefragt, sondern nachgefragt ist die Altbauwohnung am Kurfürstendamm mit 300 qm Wohnfläche, in die sich dann eine Rechtsanwaltskanzlei einbringt. Das sind die Fälle, die immer als Beispiel angeführt werden. Und in kleineren Dimensionen sind es die Fälle, die auch realistisch sind.
Deswegen ist es zu kurz gedacht und macht es die stadtentwicklungspolitischen Bemühungen der letzten Jahre einfach zunichte, wenn man sagt: „Wir scheren alles über einen Kamm und heben hier alles auf!“ – Nein! Wir sind der Auffassung, dass hierbei eine differenzierte Betrachtung notwendig ist, dass wir die stadtentwicklungspolitischen Ziele in den Zentren – nämlich den Erhalt des letzten Wohnraumes dort – weiterhin aufrecht erhalten sollten und dass – was heute auch schon der Fall ist – zahlreiche Existenzgründungsmöglichkeiten und Ausnahmen nicht nur erhalten, sondern weiter ausgedehnt werden sollten, indem man sagt: In 70 oder 80 % des Berliner Stadtgebietes kommt diese Verordnung nicht mehr zur Anwendung.
Ein Letztes möchte ich noch sagen: Das Problem mit dieser Verordnung ist, dass es auf der einen Seite Restriktionen für Gebiete gibt, wo wir die Zweckentfremdung auch nicht wollen, es aber auf der anderen Seite in den vergangenen Jahren Stadträte gab, die sich in einzelnen Bezirken einen Sport daraus gemacht haben, angesichts der Tatsache, dass soundsoviele Wohnungen nicht zu vermieten waren, weil es keine Nachfrage gab, die Eigentümer dieser Wohnungen auch noch zu verfolgen, mit Bußgeldern zu belegen und zu einer Vermietung zu zwingen, obwohl das wegen der nicht mehr vorhandenen Nachfrage überhaupt nicht möglich war.
Da ist der Stadtrat Porath aus Tiergarten ein leuchtendes und gnadenloses Beispiel gewesen. Das ist die eigentliche Crux – die Perversion des Gesetzesgedankens an dieser Stelle weiter fortzusetzen. Das gehört möglichst schnell abgeschafft, und das müssen wir im Rahmen dieser Beratungen auch realisieren. – Vielen Dank!