Es ist die erklärte Absicht des Senats, die Medienentwicklung Berlins zu seinem Schwerpunkt zu machen. Solange ich dieses Thema verfolgt habe – bekanntlich nun schon viele Jahre –, gedachte sich noch jede Berliner Regierung damit zu schmücken. Viel dabei herausgekommen ist jedoch nie. „Jetzt oder nie“ könnte man sagen; gewisse Voraussetzungen haben sich verbessert. Berlin zieht Firmen und Institutionen der neuen und alten Medienbranche an. Es reizt viele, hier zu arbeiten. So sagte jüngst der Chef der Softwarefirma SAP, Hasso Plattner, die kulturelle und intellektuelle Strahlkraft Berlins sei ausschlaggebend für die Entscheidung seiner Firma, sich in Berlin niederzulassen – eine Aussage, die Maßstab sein sollte bei den Entscheidungen für den Erhalt auch der kulturellen und wissenschaftlichen Vielfalt in Berlin!
Denn um die strukturellen Rahmenbedingungen des Medienstandorts Berlin steht es nicht zum Besten. Immer mehr Firmen haben in der Medienbranche Personal abgebaut, so dass in Berlin inzwischen weniger Menschen in diesem Bereich arbeiten als
in Hamburg – so die jüngste Erhebung des BAW Instituts für Wirtschaftsforschung. Hier muss etwas getan werden; vor allem müssen die Zuständigkeiten im Senat endlich so gebündelt werden, dass Interessenten aus der Medienbranche nicht von Pontius zu Pilatus laufen müssen, ehe sie den richtigen Ansprechpartner finden.
In einem Interview sprach der Regierende Bürgermeister davon, er wolle vor der Medienbranche den roten Teppich ausrollen. Doch wohin führt dieser rote Teppich? – Es kann nicht sein, dass angesichts der Eitelkeiten zwischen dem Regierenden Bürgermeister und dem Wirtschaftssenator die Zuständigkeiten länger ungeklärt bleiben!
Die Lage in der Medienbranche ist angespannt. Der KirchKonzern ist pleite. Dadurch hat Berlin zwar einen politischen Hardliner, den Geschäftsführer von TV-Berlin und Radio Hundert,6, Herrn Georg Gafron, verloren;
das werden wir aber verschmerzen können. Doch was bedeutet die Kirch-Pleite im Bereich der Arbeitsplätze in dieser Branche? – Der Kirch-Sender TV-Berlin sendet zwar noch, steht aber ebenfalls vor der Insolvenz. Auch der Nachrichtensender n-tv schreibt rote Zahlen. Was hilft es, wenn der Senat die Firma Universal Music Deutschland mit Arbeitsplätzen nach Berlin holt, auf der anderen Seite aber Hunderte von Medienarbeitsplätzen verloren gehen?
Schon zu Zeiten der großen Koalition wurde mit großem Getöse Bernd Schiphorst als Medienbeauftragter für BerlinBrandenburg in die Stadt geholt. Als Hertha-Präsident und Berater des Bertelsmann-Konzerns mag er erfolgreich sein, doch mit seinem dritten Posten, als Medienbeauftragter, ist er überfordert. Die Konkurrenz auf dem Medienmarkt herrscht zwischen Berlin und Brandenburg weiter fort; es gibt bei den Firmen der neuen Medien keinen Entwicklungsfortschritt; Versuche, diese Branche zu vernetzen, sind kläglich gescheitert.
Zuerst sollte – damit komme ich zu einem weiteren ganz wichtigen Aspekt für die Medienregion Berlin-Brandenburg – diese Region für einen interaktiven Ausbau des Fernsehkabelnetzes der Telekom herhalten. Dann wollte man das regionale Netz an die US-Firma Liberty Media verkaufen. Aber als der Regierende Bürgermeister dessen Chef John Malone mit dem roten Teppich empfing, war längst klar, dass die Kartellbehörde diesen Deal gar nicht genehmigen würde. Am Ende steht ein Debakel: Der Preis für die Kabelnetze ist verfallen, es findet sich noch kein Käufer, und die Telekom hat kein eigenes Geld, um selbst die Modernisierung der Technologie zu realisieren. Statt auf Kabel wird nunmehr auf einen neuen Übertragungsweg der Fernsehsignale gesetzt, den digitalen terrestrischen Empfang. Alles wird abgeschaltet werden. Im nächsten Jahr werden die 150 000 Haushalte, die ihr Fernsehprogramm noch über Antenne empfangen, auf einen schwarzen Bildschirm schauen. Es macht Sinn, dass man auf eine digitale Technologie umwechselt, aber wir kritisieren, dass der Senat die Abschaltung des analogen terrestrischen Fernsehens ohne Beteiligung unseres Parlaments durchführt und damit auch die Rahmenbedingungen, unter denen diese Abschaltung stattfindet, ganz offen lässt. Die Verbraucher werden sich noch wundern, wenn sie gezwungen sein werden, sich einen Digitalempfänger zu kaufen, der immer noch so viel kostet wie ein ganz normaler Fernseher.
Nein, da irren Sie sich. Wir können hier oben die Redezeit genau kontrollieren. Ich bitte Sie, wirklich auf das Zeichen zu achten.
Ich komme zum Schluss. – Es ist vollkommen klar, dass der Senat hier Vorsorge treffen muss, wie vor allen Dingen mit sozial schwachen Menschen umgegangen werden muss, die sonst vom Fernsehempfang abgeschnitten werden.
Es stünde einer rot-roten Regierung gut an, ein Signal zu setzen und freie Radios zuzulassen. Angeblich hat es immer an der CDU gelegen, das dies – wie in anderen Bundesländern – nicht durchgesetzt werden konnte. – Mit dieser Aktuellen Stunde, mit unserer Großen Anfrage und mit unserem Antrag wird klar: Der Handlungsbedarf in Medienfragen ist groß in Berlin. Wir können dem Senat nur zurufen: Tun Sie endlich etwas!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung für die etwas legere Haltung; ich brauche heute aus orthopädischen Gründen das Rednerpult als Stütze. – Als Unterstützung, Frau Ströver, empfinden wir auch die von Ihnen beantragte Aktuelle Stunde und die Große Anfrage zur Medienstadt Berlin. Diese geben uns Gelegenheit, einmal darzustellen, dass die meisten Ihrer Forderungen im Grunde auf den Weg gebracht sind oder sich sogar schon in Umsetzung befinden. Ich stelle das im Einzelnen dar:
Wir haben zum Beispiel heute Morgen mit den Brandenburgern zusammen weitere offene Fragen des Staatsvertrags für die neue Zwei-Länder-Anstalt aus SFB und ORB ausgeräumt.
Der Vertrag ist in Kürze unterschriftsreif und wird dem Parlament zugeleitet. Wir werden dann gemeinsam die Einzelheiten dieses Staatsvertrags besprechen. Also: Auch in diesem Punkt ist Ihrem Petitum Genüge getan.
Der neue Sender ist in der Tat ein zentrales Reformprojekt der Koalition zur Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Medienstandorts Berlin-Brandenburg. Dass wir schon so weit gekommen sind, zeigt, dass es uns mit dem Ausbau Berlins als Medienstadt ernst ist. Aber es müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Davon nenne ich zwei: In Berlin war es vor allem die jahrelange Übung der Herren Diepgen und Landowsky, die alles getan haben, um Berlin den ORB vom Leib zu halten. Immer wieder gab es die Mahnung, endlich zu einer vernünftigen Kooperation der Sender zu kommen, aus wirtschaftlichen, finanziellen und medienpolitischen Gründen. Und immer wieder hat es die CDU verstanden, diese aus kleinmütigen und eifersüchtigen Motiven zu verhindern. Das hat dem Standort geschadet, und das hat auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Berlin nicht genützt.
Aber diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Wir werden die beiden Anstalten zusammenführen, die gemeinsam in der ARD und vor allem im Wettbewerb mit den übrigen Anbietern dadurch nur gewinnen können.
Nicht zu verachten sind aber auch die aktuellen Hindernisse, die wir zu gewärtigen haben. Mal ehrlich – es ist ein mittlerer Skandal, wenn die Brandenburger CDU in Geheimpapieren die Besetzung von Verwaltungs- und Programmdirektorenposten der neuen Anstalt mit ihren Leuten reklamiert.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen – Zuruf des Abg. Hoffmann (CDU)]
Das lässt nur einen Schluss zu: Die Brandenburger CDU träumt offenbar vom Staatsfernsehen. Sie wollen in ihrer Angst vor kritischem Journalismus ihre Füße in die Tür setzen, so wie es einst in Berlin der Oberkontrolleur Klaus Landowsky ständig versucht hat. Wir werden nicht zulassen, dass der neue Sender am Gängelband geführt wird. Wir werden dafür sorgen, dass die äußere wie die innere Pressefreiheit vor parteipolitischen Angriffen – gleich welcher Art – geschützt wird.
Die CDU in Brandenburg hat damit ihre Verhandlungsposition eher noch weiter geschwächt. Denn auch ihren so genannten Fusionsbeauftragten werden wir wohl nicht mittragen können, denn der riecht einfach zu stark nach Zeitgewinn, nach Zeitverzögerung. Wir brachen keinen Fusionsbeauftragten und auch keinen Gründungsintendanten, denn wir sind überzeugt, dass Herr Schättle und Herr Rosenbauer gemeinsam wie bisher den Fusionsprozess steuern und zum Erfolg führen werden. Besser ist da schon die Initiative, die aus dem SFB bekannt wurde, nämlich einen Think-Tank von Mitarbeitern einzurichten, um den Fusionsprozess aktiv zu begleiten. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, um dies zu forcieren.
Zwei Anmerkungen dazu, um mögliche Irritationen zu vermeiden: Wir wollen mit diesem Fusionsprozess der beiden Anstalten Lehren aus der Fusion im Südwesten Deutschlands ziehen. Wir wollen einen Fehler vermeiden, der dem SWR Probleme macht. Das ist die Vorgabe von Programmstrukturen durch den Staatsvertrag einerseits und die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit andererseits. Dies macht dem SWR ziemliche Probleme. Wir wollen im Einklang mit dem, wie es bisher von den Staatskanzleien verhandelt wurde, einen schlanken Staatsvertrag, der eben nicht die Programmstrukturen der neuen Anstalt vorwegnimmt. Wir wollen dies dem neuen gemeinsamen Sender überlassen und halten dies auch für die notwendige Zurückhaltung der Politik an diesem Punkt.
Ein zweiter Punkt betrifft die Mitbestimmungsrechte. Wir wissen genau, dass der neue Sender auch bei der Einführung neuer Techniken vorne sein soll, und wir wollen diese Innovationen im neuen Sender. Deswegen halten wir es für richtig, dass die Sendeleitung Spielräume haben muss, um diese einzuführen. Aber ich kann für mich sagen, dass ich es für unverzichtbar halte, dass die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten gewahrt bleiben. Ich glaube, dass nur mit Wahrung der Mitbestimmungsrechte – was Kündigungen angeht – der Strukturwandel und der Fusionsprozess erfolgreich gestaltet werden kann. Wir kommen mit den Beschäftigten so viel weiter, als wenn wir hier Abstriche machen würden.
Ich bin sicher, dass von der Senderfusion langfristig positive Signale für den Medienstandort Berlin-Brandenburg ausgehen werden. – Frau Ströver, weil Sie beklagten, dass Berlin als Medienstadt hinter Hamburg zurückgefallen sei und hier ein erheblicher Verlust an Arbeitsplätzen stattgefunden habe, nehme ich kurz allgemein zur bundesweiten Formkrise der Medienbranche Stellung: Es ist kein Berliner Problem. Wir haben die Konzentration in der Medienbranche. Wir haben immer neue Angebote. Wir haben inzwischen die Erkenntnis, dass die Nachfrage begrenzt ist. Und wir haben die Erkenntnis, dass die Probleme sehr viel damit zu tun haben, dass Erwartungen zu hoch geschraubt waren. Wenn Sie Pay-TV nehmen – mit dem Angebot von 250 Stunden Fußball, 100 Stunden Formel 1, 75 Spielfilme und jeden Abend zwei Gameshows für 12 § monatlich –, dann ist das ein wunderbar günstiges Angebot, wenn man 26 Stunden am Tag fernsehen kann. Dass sich das nicht durchsetzt – mit allen Konsequenzen für die Betriebsergebnisse und die Beschäftigten –, war klar. Das hat etwas mit den natürlichen Grenzen der Belastbarkeit zu tun. Das hat auch etwas mit vernünftigem Zuschauerverhalten zu tun. Das sind Auswirkungen auf die Medienbranche, die überall zu tragen sind. Das ist ein Stück Neustrukturierungsprozess bundesweit, den wir auch in
Berlin durchlaufen. Das bringt nicht zuletzt auch bei uns einige Turbulenzen auf dem Medienmarkt mit sich. Aber das halte ich – siehe Hundert,6 – nicht unbedingt für ein Problem. Im Gegenteil: Ich halte es für kein schlechtes Zeichen, wenn die Medienanstalt eine Frequenz neu ausschreiben kann. Das beweist doch, dass neue Anbieter in Berlin auch ihre Chance erhalten können.
Kurz zu den medienpolitischen Grundsätzen, mit denen wir vorankommen müssen: Wir müssen die Marktchancen für Programmqualität sichern. – Da bin ich völlig mit Ihnen, Frau Ströver, einer Meinung. Wir haben als Politik die Verpflichtung, die Wettbewerbschancen für anspruchsvolle Programmmacher unter dem Druck der Quote zu erhalten, und wir werden das tun. Auch diesem Ziel dient die Fusion der beiden Anstalten. Ich bin sicher, dass in Sachen Qualität der neue BBR, SBB oder RIO Akzente setzen wird.
Aber wir brauchen auch Realismus bei der Betrachtung Berlins als Medienstadt. Zu beklagen, dass Berlin noch nicht Spitze ist, ist ein bisschen alte Großspurigkeit. Ich finde nicht, dass Ihnen das gut zu Gesicht steht. „Wir sind die Größten“ ist ein bisschen Vergangenheit. Es ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen die Realität anerkennen, dass es Köln, München und Hamburg gibt. Es ist in der Tat so, dass Köln die Nummer 1 ist, und München ist Nummer 2. Wir sind eben Nummer 4. Wir haben vier Standorte in Deutschland, die bedeutsam sind, und wir werden einiges tun, um den Standort voranzubringen. Sie können sicher sein, dass wir das tun werden.
Ich kann mir allerdings nicht verkneifen, einen Vorteil herauszuheben. Wenn der Chef von Universal den Umzug seines Unternehmens nach Berlin mit dem politischen Klima in der Stadt begründet und wenn er sagt, Hamburg sei Law and Order, dann muss etwas dran sein, dass für kreative und zukunftsorientierte Unternehmen Wowereit und Gysi offenbar die bessere Adresse sind als CDU und Schill-Partei.
Ich möchte gerne einmal sehen, wie viele Leute wir in viereinhalb Jahren in die Stadt geholt haben werden.
Wir müssen durch die gezielte Förderung von Zukunftsbranchen und Innovationen Akzente setzen. Das werden wir tun. Kurze Stichworte: Erstens haben wir uns in der Frage Filmförderung eindeutig verhalten. Wir werden einen Schwerpunkt auf die Filmförderung legen. Wir werden hier die Ansätze hochfahren. Dies ist zur Stärkung des europäischen Films, Berlins und Babelsbergs notwendig. Dies wird sich für den Medienstandort günstig auswirken.
Zweitens werden wir in der Frage der Umstellung von analog auf digital auf dem terrestrischen Weg – was Sie als so problematisch dargestellt haben – die Chance ergreifen, als Berlin und Brandenburg Modellregion zu werden. Wir werden die erste Region sein, die vollständig digital terrestrisch empfängt. Wir werden dies sozialverträglich umsetzen. Wir werden erst dann umschalten, wenn die letzten Haushalte – jetzt sind es noch 5 Prozent, die terrestrisch empfangen – die Chance hatten, die Geräte zu günstigen Preisen zu kaufen. Hierbei setzen wir auch auf Informationen durch die Medienanstalt und auf die Sender, um die Leute darauf vorzubereiten. Sie können sicher sein, dass wir das sozialverträglich tun, aber wir werden es tun.