Protocol of the Session on May 16, 2002

[Unruhe bei der CDU]

Ob das politisch geschickt ist und ob man politisch dazu steht und sich damit auseinandersetzt, ist eine parteipolitische Debatte, die geführt werden muss. Ich bitte aber zur Kenntnis zu nehmen, dass das mit dem Senat und dessen Politik nichts zu tun hat.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Das Wort zu einer Nachfrage hat nunmehr Frau Dr. Klotz von der Fraktion der Grünen. – Bitte!

Herr Regierender Bürgermeister! Teilen Sie meine Einschätzung und die Einschätzung der Fraktion der Grünen, dass man den USA und dem amerikanischen Volk in großer Verbundenheit und Freundschaft zugetan sein kann und trotzdem Kritik an amerikanischer Politik, zum Beispiel in Menschenrechtsfragen, wegen der Blockade eines Internationalen Gerichtshofes oder wegen der Nichtunterzeichnung des Kioto-Protokolls haben kann?

[Beifall des Abg. Wolf, Harald (PDS)]

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Selbstverständlich sind außenpolitische Beziehungen, freundschaftliche Beziehungen, zwischen zwei Ländern, zwischen zwei Völkern zunächst per se unabhängig von einer Tagespolitik. Selbstverständlich gehört zur Freundschaft auch, dass man unterschiedliche Auffassungen haben kann, in tagespolitischen Entscheidungen, aber auch in den Grundlagen. Es ist auch zulässig, dass das artikuliert wird. Das wird in Amerika gegenüber Maßnahmen der deutschen Politik ebenso kritisch gesehen und diskutiert werden. Warum denn auch nicht. Wir sind eine Welt, die näher zusammenrückt, und wo man im jeweiligen anderen Land, vielmehr als das früher der Fall war, die Entscheidungen kritisch positiv begleitet. Dies soll so sein, und das wird auch so bleiben.

Ich denke, dass die amerikanische Bevölkerung und auch der amerikanische Präsident sehr wohl zwischen der großen Zahl von Menschen in dieser Republik, die sich in Solidarität mit den Amerikanern befinden, und den wenigen Krawallmachern zu unterscheiden weiß, auch zu unterscheiden weiß, wenn es sich um Menschen, die aus einer Friedensbewegung kommen, handelt, wie Viele aus dem Kirchenbereich, wie Viele aus dem konservativen Lager. Ich erinnere in dem Zusammenhang an die

Debatten im Bundestag erinnern zum Afghanistan-Einsatz. Hier war es vielen Menschen schwer gefallen, ihre Zustimmung zu geben, nicht weil sie etwas gegen die Amerikaner haben, sondern weil sie aus einer bestimmten Tradition kommen und auch Sorge um eine Situation in der Welt haben, in der der Friede gefährdet ist. Diese Möglichkeiten müssen gerade in einer Demokratie, gerade in einer offenen Demokratie wie der Bundesrepublik Deutschland, auch zum Ausdruck gebracht werden können, in der richtigen Form, nämlich friedlich, weil ich unterstelle, dass diejenigen, die dort demonstrieren wollen, dies für den Frieden tun. Da verbietet es sich von selbst, Gewalt auszuüben. Ich meine, das muss differenziert betrachtet werden.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Der Abgeordnete Reppert hat das Wort zu einer weiteren letzten Nachfrage. – Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! Damit wir uns nicht falsch verstehen, Herr Wowereit: Freimütige Kritik unter Freunden, und so verstehe ich unser Verhältnis zu Amerika, –

Sie müssen bitte eine Frage stellen!

– muss möglich sein und hat nach meiner Auffassung jedoch andere Formen.

[Zurufe: Frage!]

Bis hierher war die Frage noch nicht zu erkennen!

Ich hoffe, Herr Wowereit, dass Herr Gysi und die PDS Ihre klaren Äußerungen verstanden haben. Jetzt komme ich zu meiner Frage: Halten Sie den Demoaufruf und den Arbeitsauftrag des Wirtschaftssenators für vereinbar und für den Berliner Arbeitsmarkt für besonders sinnvoll in Anbetracht des Einsatzes von 10 000 Polizisten in Berlin, der vermuteten Randale und Krawalle, die dann ähnlich wie beim 1. Mai weltweit über den Fernsehsender ausgestrahlt werden, oder halten sie es in Anbetracht des politischen und wirtschaftlichen Schadens, der dadurch entsteht, nicht eher für sinnvoll, sich als Regierungspartei von solchen Chaoten und Krawallmachern fernzuhalten?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich halte alle negativen Bilder, die um die Welt gehen, für falsch, weil sie Berlin insgesamt schaden. Davon können Sie ausgehen, genauso wie sich Genua oder andere Städte in der Welt, so auch in Australien am 1. Mai, nicht darüber freuen, dass Bilder der Gewalttätigkeit in der Welt verbreitet werden. So wird ein Eindruck vermittelt, der so nicht zutreffend ist. Das schadet in der Tat der Stadt, und deshalb kann ich an dieser Stelle nur noch einmal dringend an die Menschen appellieren, die in der Stadt sind, aber vor allem auch an die, die in die Stadt kommen: Sie werden gern aufgenommen, wenn sie sich hier friedlich verhalten. Aber wenn hier Menschen in die Stadt kommen, die dies nur zum Krawallmachen tun, dann sage ich: Ich habe sie nicht eingeladen! Und ich heiße sie auch nicht willkommen. Das sage ich ganz deutlich.

Sie müssen aber eines zur Kenntnis nehmen, und das nun noch einmal: Wir können das nicht verhindern. Und das ist das Problem an der ganzen Angelegenheit. Wir können aber eine Situation auch herbeireden. Wir können auch Anzeigen aufgeben, international, dass hier Krawalle und Demonstrationen stattfinden. Das können wir selber noch schaffen. Auch da gibt es ein

(A) (C)

(B) (D)

RBm Wowereit

hohes Maß an Verantwortlichkeit bei denen, die im Vorfeld solch eine self-fullfilling prophecy konstruieren. Davor warne ich auch dringend.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Zur Anfrage Nummer 3 hat die Frau Abgeordnet Schaub von der Fraktion der PDS das Wort, und zwar zum Thema

Konsequenzen nach Erfurt

Bitte schön, Frau Schaub!

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Teilt der Senat die Auffassung, dass mit Blick auf die Ereignisse am Erfurter Gutenberg-Gymnasium auch an Berliner Schulen die sozialpädagogischen und schulpsychologischen Beratungs- und Betreuungsangebote verstärkt werden sollten, und welche Maßnahmen gedenkt der Senat zu ergreifen?

2. Welche Veränderungen hält der Senat an Berliner Schulen für notwendig, um Schülerinnen und Schüler zu starken Persönlichkeiten zu entwickeln, ihre Lernmotivation auszuprägen und Schulversagen vorzubeugen ?

Danke schön, Frau Schaub! – Das Wort hat nun der Senator für Bildung, Herr Böger!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnet Schaub! Der Senat teilt die Auffassung, dass nach den schrecklichen Ereignissen am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt die Bemühungen zur Gewaltprävention noch verstärkt werden müssen.

Der Amoklauf hat auf allen Ebenen direkt zu gesetzlichen Initiativen und konzeptionellen Überlegungen und Überprüfungen geführt. Auf Bundesebene hat der Senat vor und nach Erfurt eine Verschärfung des Waffengesetzes immer unterstützt, anders als andere Landesregierungen und auch parteipolitische Gruppierungen.

Zweitens: Der Senat wird auch alle Bemühungen zu Erweiterungen des Jugendschutzes und auch zum Verbot von gewaltverherrlichenden Darstellungen in den verschiedenen Medien aktiv unterstützen, selbst dann, Frau Abgeordnete, wenn nicht mit hinlänglicher Sicherheit nachgewiesen werden kann, ob sich aus solchen Gewaltdarstellungen entsprechendes Verhalten direkt ableiten lässt.

Was die Bildungspolitik in Berlin betrifft, so wird der Senat in seinem Bemühen fortfahren, an allen Schulen des Landes ein offenes Klima zu schaffen, dass über Probleme gesprochen werden kann. Wenn man in die Analyse über Erfurt eintreten würde, ist die absolute Sprachlosigkeit, übrigens auch im Elternhaus, am Erschütterndsten. Es erschüttert, dass Eltern überhaupt nicht mehr wissen, was in ihrem Kind, und sei es auch formal erwachsen, vorgeht. Und es ist wichtig, in der Schule, bei all dem, was wir von der Schule verlangen, ein solches Klima zu ermöglichen. Dies setzt eine große Bereitschaft und auch großes Engagement der Berliner Lehrerinnen und Lehrer voraus. Ich bin davon überzeugt, dass diese Bereitschaft und dieses Engagement gegeben sind.

Wir haben darüber hinaus eine Fülle von sonstigen Maßnahmen in dem Berliner Schulwesen angelegt. Ich nenne einige: Konfliktlotsen, Konfliktmoderation, Sozialstationen, Schülerclubs. All dies dient dazu – wenn ich das einmal so sagen darf –, sozialpädagogische Elemente in das Schulsystem einzufügen.

Im Übrigen habe ich angeordnet, dass wir noch einmal die Zahl der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen im Land Berlin überprüfen. Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir die Stellen um insgesamt 25 mit dem neuen Schuljahr erhöhen werden. Nicht dass wir uns missverstehen: Wir können durch noch so viel Einsatz von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen am Ende nicht irgendetwas verhindern, wenn eine solche Zusammenballung käme. Aber ich glaube, es lohnt sich allemal, an dieser Stelle intensiv in der Berliner Schule weiterzuarbeiten.

Zur Frage 2 möchte ich – die, wie insgesamt die Frage, einen sehr komplexen Zusammenhang betrifft – Sie darauf hinweisen, dass von Berlin aus schon vor einigen Jahren eine Initiative unter dem Titel „Demokratie lernen und leben“ gestartet wurde. Mittlerweile handelt es sich um ein Bund-Länder-Projekt, mit dem der Versuch unternommen wird, im schulischen Leben auch zu lernen, mit Konflikten umzugehen, in Konflikten Aussage sowie Gegenaussage zu verstehen und demokratisches Verfahren in der Schule einzuüben. Wir machen dies mit der festen Absicht, um an dem großen Projekt und Bildungsauftrag der Schule, der Entwicklung demokratischer Persönlichkeiten, mitzuarbeiten.

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Schaub gibt es und Sie erhält sofort das Wort. – Bitte!

Herr Senator! Ich stimme mit Ihnen in der Auffassung überein, dass es sich um ein komplexes Problem handelt. – Ich habe eine spezielle Nachfrage, die in dem Geflecht der Verantwortung die der Lehrer betrifft. Welche Vorstellungen gibt es, ganz gezielt mittels Fortbildungen Lehrerinnen und Lehrer zu stärken, ein komplexes Angebot zu machen, das ganz gezielt von diesen absolviert werden kann, – ich wage beinahe zu sagen: absolviert werden muss, weil deren Basisausbildung auch bereits einige Zeit zurückliegt?

Herr Senator!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Schaub! Es gab auch schon vor Erfurt eine Fülle von Informationsmaterial. Es gibt aber auch noch ein überarbeitetes Fortbildungsangebot des LISUM, das sich an alle Lehrerinnen und Lehrer richtet.

Ich betone es noch einmal: Schwere persönliche Konflikte und Verdrängungsprozesse bei Schülerinnen und Schülern zu erkennen, setzt generell voraus, dass Sie ein Schulklima, eine Schulqualität haben, dass dies überhaupt realisiert werden kann. Es setzt zweitens – das sage ich ganz bewusst – Zeit voraus, damit sich die Lehrerinnen und Lehrer damit beschäftigen können. Wenn Sie so wollen, ist die vom Berliner Senat schon vor einiger Zeit getroffene Maßnahme einer stundenmäßigen Entlastung für Lehrerinnen und Lehrer in Klassenleiterfunktion nicht zuletzt auch als Beitrag für diesen Zweck gedacht. Ob dies insgesamt ausreicht, ist sehr schwierig zu beantworten.

Wir prüfen gegenwärtig, ob es rechtlich möglich ist, auch bei erwachsenen Schülerinnen und Schülern Elternhäusern Mitteilung zu geben von bestimmten schulischen Maßnahmen. Bislang sind wir dazu nicht befugt. Ich bin noch nicht ganz sicher, ob das künftig rechtlich möglich sein wird. Dies wird geprüft, um so noch stärker und sicherer die Einbeziehung der Eltern zu gewährleisten.

Danke schön, Herr Senator! – Eine weitere Nachfrage wird von Frau Schaub nicht gewünscht, wohl aber von Frau Harant von der SPD-Fraktion. – Bitte, Sie haben jetzt das Wort!

[Frau Harant (SPD): Meine Frage hat sich eben mit der Antwort von Herrn Senator Böger erledigt.]

Das ist wunderbar. – Dann hat Frau Dr. Barth eine Nachfrage. – Bitte!

(A) (C)