Protocol of the Session on March 9, 2000

Für die CDU-Fraktion hat Frau RichterKotowski das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Köppl! Ich bin nicht innenpolitische Sprecherin und auch nicht sozialund drogenpolitische Sprecherin, sondern jugendpolitische Sprecherin. Trotzdem rede ich hier im Namen meiner Fraktion. Ich lehne genauso wie der Rest dieser Fraktion den Antrag ab.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

In unserer Fraktion besteht nämlich Einigkeit darüber, dass drogenakzeptierende Maßnahmen – dazu gehören aus unserer Sicht Fixerstuben – entschiedener Widerstand entgegenzusetzen ist.

[Over (PDS): Weltfremd sind Sie!]

Egal, ob diese Einrichtungen nun als Drogenkonsumräume oder verharmlosend neuerdings als Gesundheitsstuben betitelt werden, bleiben sie für uns trotz Legalisierung durch die rot-grüne Bundesregierung unakzeptabel. Lassen Sie mich das hier begründen.

Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass Abhängige in Fixerstuben nicht für die Therapie gewonnen werden können. Vor der Rauschgifteinnahme sind sie wegen des Drogenhungers und nachher wegen des Rausches nicht ansprechbar. So erklärte der Experte Prof. Täschner von der Klinik für Psychotherapie des Bürgerhospitals in Stuttgart in einer öffentlichen Anhörung des Bundestages vor Inkrafttreten des Gesetzes, dass Fixerstuben zwar den Konsumenten Erleichterung verschafften, aber nicht dazu beitrügen, die Sucht zu bekämpfen. Außerdem seien Fixerstuben ein Anziehungspunkt für andere Suchtmittelabhängige, die dort zusätzlich Heroin konsumierten. Dies eröffnet Möglichkeiten des Konsums, die – so seine Worte – „nicht wünschenswert“ seien. Das heißt, die ausschließliche Gestattung des Heroinkonsums ist in der Praxis überhaupt nicht durchzuhalten. Der Zugang für Konsumenten mit langjähriger Drogenkarriere und solche, die noch am Anfang einer Abhängigkeit stehen, ist nicht zu verhindern. Insofern trägt die Fixerstube zu einer Vermischung von weniger tief und sehr tief in der Sucht Abgeglittenen bei. Abhängige und Schwerstabhängige bedürfen aber unterschiedlicher Hilfsangebote, die mittels Fixerstuben in der notwendigen Differenzierung nicht zu leisten sind.

Und jetzt zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Dr. Köppl.

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cramer?

Nein! Herr Cramer soll sich doch lieber mit Verkehrspolitik auseinandersetzen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Haha! von den Grünen]

Das Zurückdrängen der Kriminalität ist einer der Hauptpunkte, die Sie in Ihrer Rede dargestellt haben. Das haben Sie vorhin in der sogenannten Sofarunde auch schon einmal erzählt. Das Heroin muss beschafft werden. Sie könnten nur dann zu einem Zurückdrängen der Kriminalität in Ihrem Sinne kommen, wenn Sie in den Fixerstuben das Heroin unentgeltlich abgäben.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Denn die Beschaffungskriminalität wäre nicht zu vermeiden. Das müssen Sie dann an dieser Stelle auch sagen, dass Sie mit den Fixerstuben die staatliche Heroinabgabe verbinden wollen. Dann diskutieren wir aber über einen anderen Punkt und sehr viel weitergehend.

[Over (PDS): Die Anregung können wir gleich aufnehmen! – Wieland (Grüne): Empfehlen Sie uns das? – Weitere Zurufe von der PDS und den Grünen]

Ich denke, dass das Thema nicht geeignet ist, die Rednerin mit umfangreichen Zwischenrufen zu stören. Ich bitte, einfach zuzuhören. Das Thema ist ernst genug.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Das gilt auch für Herrn Over! Ich bitte Sie da hinten, sich zu mäßigen! [Dr. Steffel (CDU): Als Betroffene!]

Herr Köppl hat gesagt, dass Drogeninstitutionen gefordert hätten, dass Fixerstuben eingeführt werden sollten. Es ist sicherlich richtig, dass es Drogeninstitutionen gibt, die Fixerstuben fordern. Aber wenn Sie sich mit dem Problem auseinandersetzen, merken Sie, dass es dort auch sehr unterschiedlich ist. Es wird nicht von allen gefordert und vor allem nicht in dieser Art und Weise.

Immer wieder wird als Begründung angeführt, dass durch Fixerstuben die Zahl der Drogentoten sinken würde. Als exemplarisches Beispiel wird dabei Frankfurt am Main genannt. Wenn in Städten wie Frankfurt die Todesfälle gesunken sind, dann nicht notwendigerweise wegen der Einrichtung von Fixerstuben.

[Müller-Schoenau (Grüne): Sondern trotz – wahrscheinlich!]

Denn nach Beginn des Substitutionsprogramms 1991 und der polizeilichen Zerschlagung der offenen Drogenszene 1992 waren die Todesfälle in Frankfurt bereits drastisch gesunken, bevor 1994 die erste Fixerstube eröffnet wurde. Da muss man sich schon einmal mit der Zeitabfolge beschäftigen.

Auch das ordnungspolitische Argument zu Gunsten von Fixerstuben, wie z. B. der Wegfall herumliegender Spritzen auf Spielplätzen und in Wohngebieten, greift nicht. Die Realität existierender Druckräume wie in Frankfurt zeigt, dass private Wachmänner die neue offene Szene, die sich in unmittelbarer Umgebung der Fixerstuben bildet, abdrängen müssen.

Allein diese Beispiele zeigen, dass in unserer Stadt, die über eine Vielzahl von niedrigschwelligen Angeboten und andere differenzierten Suchtprojekten verfügt, die Einrichtung von Fixerstuben aus gesundheitspolitischen und sicherheitspolitischen Gründen nicht gewollt sein kann.

Aber auch haushalterische Überlegungen müssen bei den knappen finanziellen Ressourcen eine große Rolle spielen. Bedenken Sie bitte, dass eine Fixerstube – in der Diskussion sind vier – bereits Kosten in Höhe von 700 000 bis 800 000 DM im Jahr verursachen würde.

[Sen Dr. Werthebach: 1 Million!]

Wir sind der Auffassung, die ohnehin knappen finanziellen Mittel für die Drogenhilfe dürfen nicht für ein so fragwürdiges Projekt verschwendet werden.

Die CDU-Fraktion fordert den Senat deshalb auf, von den gesetzlichen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen und Fixerstuben in Berlin unter keinen Umständen zuzulassen. – Vielen Dank! [Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der PDS hat Frau Abgeordnete Dott das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird hier so getan, Frau Richter-Kotowski, als ob Sie die Wahrheit ein für allemal fest hätten und daran überhaupt nicht zu rütteln wäre.

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Wir denken vorher nach!]

Wenn Sie davon sprechen, dass die Vermischung von weniger tief Gefallenen und den ganz Verelendeten in den Fixerstuben stattfindet, so weise ich darauf hin, dass Sie diese Vermischung täglich in den Parks und in der Drogenszene am Bahnhof finden. Sie findet heute draußen statt. Das ist kein Argument gegen diese Stuben. Wenn Sie sagen, dass sich die Kosten der Fixerstuben auf diese 500 000 DM, 600 000 DM oder 700 000 DM

(A) (C)

(B) (D)

beziehen, ist das sicherlich richtig. Wie sieht es aber jetzt aus? – Die Drogenkranken infizieren sich mit Spritzen, sie bekommen Hepatitis oder andere Folgererkrankungen.

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Was sind das für Unterstellungen!]

Ich weiß nicht, ob Sie sich solche Kranken schon einmal angesehen haben. Die Folgen dieser nicht ausreichenden Drogenpolitik wird einfach auf die Krankenkassen abgewälzt. Schließlich sind sie als kranke Menschen an anderer Stelle zu betreuen. Dieser Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden.

Auch aus diesem Grund begrüßt die PDS-Fraktion den Antrag der Grünen. Er ist sehr konkret und einleuchtend formuliert, und ich kann den fachlichen Argumenten von Dr. Köppl nur wenig hinzufügen. Mit diesem Gesetz sind zwar einerseits die bestehenden Einrichtungen, die es z. B. in Frankfurt schon gab, gesetzlich legitimiert worden. Auf der anderen Seite stellt dies eine große Chance für andere Städte dar. In Berlin hätte es nun beginnen können. Offensichtlich wird dies aber zu einer Glaubensfrage innerhalb des Senats selbst.

Ich habe mir in der vergangenen Woche angehört, was in den einzelnen Ausschüssen zu diesem Thema schon in diversen Aktuellen Stunden gesagt worden ist, und habe mich gefreut, bei den SPD-Senatsmitgliedern zumindest Nachdenklichkeit und Überlegungen in etwas moderne Richtungen gehört zu haben. Ich hoffe sehr, dass sie sich im Senat gegen die nicht besonders fachliche Auffassung der CDU-Senatoren – die ich allerdings bisher nur gelesen habe – durchsetzen. Die Einigung im Vermittlungsausschuss hat in Berlin eher Verwirrung anstelle von Klarheit gebracht, obwohl jetzt die gesetzlichen Möglichkeiten für ein Handeln endlich gegeben sind.

Es müsste doch klar sein, dass im Hinblick auf die Nachfrage von Drogen das Strafrecht überhaupt nicht abschreckend wirken kann. Das sehen wir doch. Wir haben die Folgen der gegenwärtigen Drogenpolitik täglich vor Augen! Wenn Betroffene aussteigen wollen, müssen ausreichend Angebote vorhanden sein. Vor allem kommt es aber darauf an, dass sich ihre normalen Lebensverhältnisse stabilisieren können. Dazu muss man an diese Menschen herankommen. Deswegen sind neue niedrigschwellige Angebote notwendig. Uns ist ganz besonders wichtig, dass mit Hilfe dieses Angebots Fixerstube auch eine parallele psychosoziale Betreuung möglich würde. Dies kann und muss nicht in jedem Fall greifen, das ist völlig klar. Es gibt keine hundertprozentige Lösung. Auch diese Gesundheitsräume sind nur eine Möglichkeit in der Palette der niedrigschwelligen Angebote, die es in der Stadt schon gibt, aber eine inzwischen in anderen Städten bewährte Möglichkeit. Wir möchten gern, dass die Schadensbegrenzung und die Ausstiegsförderung durch risikoarme, hygienische Bedingungen möglich und genutzt wird. Wir möchten gern, dass die Gesundheitsfürsorge, die hier möglich wird, genutzt wird. Wir möchten auch, dass die Drogenpolitik einfach eine Facette hinzugewinnt, um mehr Menschen als bisher auch helfen zu können. In diesem Gesetz werden Mindeststandards festgelegt. Sie sollten sich das Gesetz genauer ansehen. Es geht nicht darum, einfach einen Raum zu eröffnen, und es anderen zu überlassen, damit fertig zu werden. Gerade die Gesundheitsförderung wird gut und überzeugend formuliert. Es ist eine Notfallversorgung vorgesehen. Es sind Fachkräfte vorgesehen. Es ist einfach Gesundheitshilfe vorgesehen.

Auch die Innenpolitik kann solche Dinge erkennen, auch wenn sie sich über Gesundheitspolitik vielleicht nicht sehr viele Gedanken macht, was ich sehr bedauere. Im Übrigen habe ich kürzlich – ich erlaube mir zu zitieren – im Zusammenhang mit Fixerräumen ein interessantes Zitat in einer Zeitung gefunden. Wir haben gehört, dass sich Berlin im Vermittlungsausschuss enthalten hat. Bayern soll dagegen gestimmt haben. Eine Zeitung kommentierte die folgendermaßen:

Dass jedoch ausgerechnet Bayern das eigentliche Erfinderland der offiziellen Druckräume für flüssige Drogen so vehement gegen Fixerstuben ist, verwundert. Kennt nicht aus

München die ganze Welt ein jährliches offizielles Fest, bei welchem sich die Opfer im Rausch vor den Kameras winden?

Ich kenne eine Menge anderer Männerbünde, die sich mit ihrem letzten Rausch brüsten.

Sie müssen zum Schluss kommen!

Der ist legal, Schnaps gibt es in jedem Supermarkt. Diese heuchlerische Politik muss aufhören. Wir unterstützen diesen Antrag der Grünen. – Danke!

[Beifall bei der PDS]

Für die Fraktion der SPD hat das Wort Frau Abgeordnete Helbig. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wehren uns gegen eine so pauschale Ablehnung, wie sie die CDU-Fraktion gerade in ihrem Redebeitrag zum Ausdruck gebracht hat. interjection: [Beifall bei der SPD]

Wir begrüßen es, dass die rot-grüne Bundesregierung die Voraussetzungen geschaffen hat, Drogenkonsumräume einzurichten. [Beifall bei der SPD und den Grünen]

In Berlin haben die von den Drogenproblemen besonders betroffenen Innenstadtbezirke bereits seit längerem Interesse an der Bereitstellung von Druckräumen. Dies wurde ihnen bisher immer unter Hinweis auf die Rechtslage verwehrt.