In unserer Geschäftsordnung ist klar geregelt, dass Abgeordnete Zuwendungen, die sie im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit als Mitglied des Abgeordnetenhauses erhalten haben, anzugeben haben.
Wenn Zweifel bestehen, können Sie sich vertrauensvoll mit dem Präsidenten besprechen. Erstens reichen die Verhaltensregeln aus. Zweitens: Wer sich spät von seinem Gewissen „gepackt“ sieht, kann sich vertrauensvoll an den Präsidenten wenden. Drittens eignet sich dieses Thema nicht zu Häme und Polemik, sondern es ist ernst genug, und es soll hier auch klar differenziert werden, damit nicht alles zusammengemengt wird – und zwar zu Lasten von uns allen. Hier sitzen genügend Abgeordnete, die rund um die Uhr für ihr Mandat und für die Bürgerinnen und Bürger draußen arbeiten.
Und diese alle müssen sich im Augenblick mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen. Für sie ist es ungerechtfertigt, dass man sich hier in dieser Art und Weise einmischt mit Vorgängen, die damit nichts zu tun haben. Ich verlange auch von Ihnen, dass Sie mehr differenzieren.
Als Nächster hat der Abgeordnete Dr. Wruck das Wort! Herr Dr. Wruck, Ihnen stehen fünf Minuten Redezeit zur Verfügung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So einfach können wir es uns nicht machen, wie es zumindest ein Teil der Vorredner getan hat. Man sieht gern den Splitter im Auge des anderen, und den Balken im eigenen sieht man nicht.
Es geht in diesem Zusammenhang – und das ist vielleicht ein leichter Vorwurf an die Grünen – nicht um Korruption, sondern um die Frage der Vorteilsannahme. Keiner sagt hier, dass etwa die Dienstflüge oder die Geschenke, die erfolgt sind, einen Korruptionstatbestand erfüllt hätten. Es geht um die Frage, ob es eine unzulässige Vorteilsannahme ist. Das sagt jedenfalls eine bestimmte Norm des Strafgesetzbuches, § 331 StGB. Und jetzt kommt der Punkt, den der Regierende Bürgermeister durchaus gesehen hat: Diese Vorteilsannahme, was Flüge anlangt, wird dann problematisch, wenn derjenige, der diesen Vorteil im Hinblick auf Dienstflüge oder überhaupt Flüge gewährt, gleichzeitig mit dem betreffenden Senator auf Grund seiner Dienstpflichten in Beziehungen steht. Dann ist die Grenze zwischen unzulässiger Vorteilsannahme und einem bloß wohlwollenden Geschenk überschritten. [Beifall bei den GRÜNEN]
Der Berliner Senat hat im Jahre 1995 – Peschel-Gutzeit, sage ich nur – ein Korruptionsbekämpfungsgesetz von Berlin im Bundesrat eingebracht. Wenn man diese Grundsätze, die damals entwickelt wurden und die im Rechtsausschuss von allen Parteien gut geheißen wurden, heute für den internen Dienstgebrauch des Senats anlegte, wäre das, was hier geschehen ist, unzulässig, weil man sich danach nicht ein allgemeines Wohlwollen durch eine Vorteilsgewährung erwirken kann. Deswegen
muss sich der Senat an den eigenen Vorschlägen, die er im Bundesrat eingebracht hat, messen lassen. Er kann nicht einfach sagen: Das interessiert mich nicht, was ich 1995 in die Bundesratsinitiative hineingeschrieben habe; das lässt mich alles kalt. Nein, man muss diese große Koalition daran messen, was sie damals als richtig unter der Justizssenatorin PeschelGutzeit im Bundesrat als wesentliches Indiz und wesentlichen Grund für eine Änderung der gesetzlichen Lage vorgetragen hat.
Es reicht nicht aus – das sage ich dem Senat – zu sagen: Das war 1995; das interessiert uns nicht mehr; wir haben heute eine andere Auffassung. Nein, was damals, 1995, bereits als richtig und wichtig angesehen wurde, kann nicht heute, angesichts der konkreten Situation, falsch sein. Deswegen ist es richtig und wichtig, gerade auch die Frage von Dienstflügen zu erörtern. Ich erinnere noch einmal daran, was der Bund der Steuerzahler dazu sagte: „Wie würden Sie darüber denken, wenn eine Firma einem Senator ein Dienstfahrzeug kostenlos zur Verfügung stellt und sagen würde: Das kann man alles machen?“ Nein, das kann man nicht in dieser Form machen,
Der tut das doch nicht, Herr Strieder, weil Sie so nette Augen haben, sondern weil er denkt: Wenn ich mal mit dem Strieder zu tun habe, dann wird er sich bestimmt daran erinnern, welchen Vorteil ich ihm einmal gewährt habe.
Deswegen ist es vernünftig, diese Frage zu erörtern unter Einbeziehung des Senats und auch dessen, was der Senat 1995, mit diesem Regierenden Bürgermeister, dazu gesagt hat.
Vielen Dank, Herr Dr. Wruck! Die Beratung ist damit abgeschlossen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung. Wer dieser Überweisung so folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? – Damit ist einstimmig so beschlossen.
Die lfd. Nr. 19 ist bereits durch die Konsensliste erledigt. Die lfd. Nr. 20 wurde bereits mit Der Großen Anfrage und dem Tagesordnungspunkt 13 aufgerufen und ebenfalls erledigt. Die lfd. Nrn. 21 bis 23 sind erledigt durch die Konsensliste.
Antrag der Fraktion der PDS über integriertes Verkehrskonzept für die Innenstadt – Alternativen zur U 5 – Verlängerung zwischen Lehrter Bahnhof und Alexanderplatz
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit wird der Empfehlung des Ältestenrats gefolgt.
Antrag der Fraktion der PDS über Unterstützung der Gedenkveranstaltung anlässlich des 55. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 16. April findet anlässlich des 55. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen die Gedenkveranstaltung des Internationalen Sachsenhausenkomitees und der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten statt. Vor dem Hintergrund aktuellster Entwicklungen auch in Berlin gewinnt diese Veranstaltung eine besondere Dimension hinsichtlich ihrer internationalen Wirkungen. Insofern bin ich sehr froh, dass Herr Bürgermeister Klaus Böger in diesem Jahr eine unselige Blockadestrategie des Senates von Berlin couragiert durchbrochen hat und signalisierte, dass er die Berliner Landesregierung am 16. April durch seine Anwesenheit vertreten wird. Und ich äußere an dieser Stelle die Erwartung, dass auch das Abgeordnetenhaus von Berlin in dieser Frage nicht zurücksteht.
Ich muss nicht auf die besondere Bedeutung Sachsenhausens im System der deutschen Konzentrationslager hinweisen. Die Fakten sind hinlänglich bekannt. Es ist nicht nur die Tatsache, dass Sachsenhausen de facto das Konzentrationslager der Reichshauptstadt war. Nach Sachsenhausen wurden die in der Reichspogromnacht 1938 in Berlin und in Norddeutschland verhafteten Juden verbracht. Sachsenhausen spielte eine wesentliche Rolle im so genannten „Euthanasieprogramm“ der Nationalsozialisten. In Sachsenhausen wurden systematisch sowjetische Kriegsgefangene ermordet, und von den insgesamt 204 000 Häftlingen, die in den neun Jahren des Bestehens das Lagertor durchschreiten mussten, überlebten rund 100 000 nicht. Bekannt ist, dass es vielfach Sonderkommandos aus Sachsenhausen waren, die in Berlin zur Beseitigung von Bombenschäden und zur Entsorgung von Blindgängern eingesetzt wurden. Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen muss man auch die Äußerung des Vorsitzenden des Fördervereins der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, des früheren Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Schütz sehen, dass „vor allem Berlin seine Verantwortung für Sachsenhausen anerkennt“. Er betonte, dass da noch mehr zu tun sei und dass man auch noch mehr tun könne. Dem ist nichts hinzuzufügen. Klaus Schütz lieferte mithin die Begründung der Ihnen vorliegenden Drucksache 14/195.
Worum geht es uns? – Es ist eine bewahrenswerte Tradition, dass zu diesen Gedenkveranstaltungen die Überlebenden des NS-KZs aus den verschiedenen Ländern Europas eingeladen werden. Einmal abgesehen davon, dass es eine gute Sitte des Einladenden ist, die Kosten zu übernehmen, ist es ein Fakt, dass vor allem die Überlebenden aus den osteuropäischen Ländern diese Kosten objektiv nicht tragen können. Und gestatten Sie mir bitte an dieser Stelle den Hinweis, dass diese Menschen oftmals mehrfach betroffen sind. Nachdem sie den nun alles andere als freiwilligen Lageraufenthalt in Sachsenhausen überlebten, fanden sich viele von ihnen nach der Befreiung wieder diesmal in sowjetischen Lagern des Stalinschen Terrorsystems. Und sie befinden sich heute am letzten Ende der Sozialhierarchie ihrer Länder.
Nun wandte sich bereits im Mai 1998 das SachsenhausenKomitee an den Regierenden Bürgermeister mit der Bitte, die diesjährige Veranstaltung zu unterstützen. Die Senatskanzlei bezifferte seinerzeit die Gesamtkosten auf ca. 340 000 DM. Bis Anfang dieses Jahres passierte nichts, nicht einmal eine symbolische Zusage, kein Versprechen um Prüfung. Den Bitten um klä
rende Gespräche entzogen sich die Senatsvertreter weitgehend. Es blieb bei unverbindlichen Telefonaten. Inzwischen ist die Situation so weit gediehen, dass das Komitee die Anzahl der Eingeladenen, vor allem aus Russland und der Ukraine, um ca. 50 % reduzieren muss. Ich möchte dies nicht weiter bewerten. Allerdings muss ich feststellen, dass beim Festhalten an dieser hoffentlich nicht bewussten Verzögerungsstrategie die von mir durchaus ernst genommenen Bekenntnisse der verantwortlichen Berliner Landespolitiker hinsichtlich der Wahrnahme der Verantwortung auch Berlins für diesen dunkelsten Abschnitt deutscher Geschichte konterkariert werden. Ich nehme an, dass dahinter kein absichtsvolles Handeln steht. Geben Sie bitte ein deutliches Zeichen humanitärer Gesinnung und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Eine Bitte zum Schluss: Da ich annehme, dass unser Antrag in den Hauptausschuss überwiesen werden wird, bitte ich eindringlich, ihn mit der gebotenen Dringlichkeit zu behandeln und zwischendurch seitens der Senatskanzlei, oder vielleicht findet sich der Regierende dazu bereit, dem Internationalen Sachsenhausen-Komitee den Hinweis zu geben, dass Berlin sein Anliegen unterstützen wird. Es ist schon viel zu viel Zeit vergangen. – Ich danke Ihnen! [Beifall bei der PDS]