Klaus Uwe Benneter
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauche auch nicht so lange. Die CDU hat hier eigentlich einen ganz guten Vorschlag gemacht. Ich denke, dem könnte man auch folgen, es müsste nur darauf hingewiesen werden, dass es sich um den § 7 und nicht um den § 8 unseres Pressegesetzes handelt, der hier ergänzt werden soll. Aber die Begründung, die Sie dazu gebracht haben, Herr Braun, ist doch schon ein bisschen merkwürdig. Wir wollen auch mehr Transparenz, und das ist ja nichts Außergewöhnliches. Andere Länder haben dies ja.
Brandenburg hat da eine sehr ausführliche Regelung, die geht weit über Ihren Vorschlag hinaus. Ich denke, dass man der vielleicht auch noch einmal nähertreten und sie sich noch einmal ansehen sollte. Aber Ihre Begründung, dass es eigentlich darum ginge, die SPD-Beteiligung transparenter zu machen, die geht nun wirklich ins Leere.
Sie gönnen uns zwar das Vermögen. Sonst haben Sie ja immer behauptet, dass Sozialdemokraten nicht mit Geld umgehen könnten.
Und dort, wo wir jetzt endlich einmal gutes Geld machen, auch gute Erträge haben, ohne dass wir inhaltlich auf die Presseerzeugnisse Einfluss nehmen,
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da kommen Sie an und wollen uns das nicht gönnen. Herr Braun, da haben Sie wahrscheinlich nicht genügend nachgelesen. Sie haben die „Sächsische Zeitung“ hier angesprochen. Dann hätten Sie einmal in die Gesetze gucken müssen. Im Landespressegesetz Sachsens gibt es diese Offenlegungspflicht schon lange, die Sie für Berlin fordern und meinen, mit dieser Forderung nun hier die SPD treffen zu können. Dort liegt offen, welche Beteiligung die SPD an der „Sächsischen Zeitung“ hat, und dagegen ist auch überhaupt nichts zu sagen.
Denn die SPD hat daraus gelernt, dass es für eine Partei keinen Sinn macht, direkt Einfluss auf Presseerzeugnisse nehmen zu wollen.
Das hat sie gerade hier in Berlin sehr schmerzlich lernen müssen. Die SPD hat auch nichts zu verschleiern, und da war auch kein Druck notwendig.
Richtig ist, dass es eben Kreise gibt, die an die sehr ertragreichen SPD-Anteile an Zeitungen heranwollen. Und wenn Sie, Herr Braun, wirklich mehr Transparenz haben wollen, dann sollten wir uns in der Beratung dieses Gesetzes wirklich fragen, ob es ausreicht, sich nur auf Zeitschriften und Zeitungen zu begrenzen.
Wir könnten doch auch sicher dazu kommen, dass wir alle periodisch erscheinenden Presseerzeugnisse – und zwar nicht nur Printmedien –, insbesondere auch Hörfunk- und Fernsehstationen ihre Beteiligungsverhältnisse alle Monate einstreuen lassen und das alle Monate einmal zu den besten Sendezeiten. Hundert,6 sagt, dass Herr Kirch dahinter steht. TV Berlin sagt, dass Herr Kirch dahinter steht. SAT 1 sagt, dass Herr Kirch dahinter steht. Das wäre sicher auch sehr interessant für den Zuhörer. Insofern denke ich, dass wir Ihrem Vorschlag im Ergebnis folgen können, halte aber das Landespressegesetz Brandenburgs für sehr viel geeigneter, um hier mehr Transparenz zu schaffen und etwas gegen die Pressekonzentration zu tun. Die Offenlegungspflicht sollte auch im Berliner Pressegesetz verankert werden. Auch wenn das für die Presseerzeugnisse wieder Aufwand bedeutet, rechtfertigt die Demokratie diesen Aufwand. Nicht mit der Begründung, Herr Braun, kann Ihnen gefolgt werden, aber im Ergebnis. – Danke schön!
Herr Regierender Bürgermeister! Mich interessiert eine Frage, die Ihr Ressort Justiz betrifft. In den Pressenachrichten war auch die Rede davon, dass der Kollege Körting einmal eine Erhebung gemacht hätte, dass von 280 Sexualstraftätern lediglich 46 therapiert werden könnten, weil zu wenig Plätze zur Verfügung stünden. Ist es heute wenigstens so, dass alle unter Führungsaufsicht oder Bewährungsaufsicht stehenden Straftäter, die therapiewillig sind, auch tatsächlich eine Therapie in Anspruch nehmen können?
Herr Senator Kurth! Ich möchte meine Frage hier mit anschließen, denn die Frage nach den Auswirkungen, die diese Wertberichtigungen auf die Dividendenausschüttung an den Mehrheitsgesellschafter Land Berlin haben werden, können Sie uns doch hoffentlich beantworten – ausgehend von einem Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 200 Millionen DM, den Sie eben selbst genannt haben. Unterstellt, es gibt diesen Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 200 Millionen DM: Welche Auswirkungen hat dies auf die Dividendenausschüttung an das Land Berlin?
Lassen Sie mich diese Fragen insoweit ergänzen: Wie hoch ist eigentlich die Kapitalvernichtung, die der Aktiensturz bei der Bankgesellschaft durch diese Informationen über die Sonderprüfung hervorgerufen hat?
Herr Präsident! Entschuldigung, ich bin so neu, ich kenne nicht die Gebräuche, deshalb bitte ich um Nachsicht. interjection: [Oh! von der CDU – Cramer (Grüne): Ein politischer Anfänger! – Wieland (Grüne): Endlich einmal ein bescheidener politischer Anfänger!]
Ich frage den Senat:
Welche Auswirkungen werden die offenbar notwendig werdenden Wertberichtigungen bei der Bankgesellschaft Berlin auf die Dividendenausschüttungen an den Mehrheitsgesellschafter Land Berlin haben?
Herr Senator Kurth! Sie hatten vorhin die Frage nicht beantwortet, wie hoch der Schaden für das Land Berlin ist,
der durch die immense Kapitalvernichtung eingetreten ist, dadurch, dass der Aktienkurs so in den Keller gegangen ist.
Herr Senator Kurth! Welches Ergebnis hatte denn das Krisengespräch, dass Sie mit dem Regierenden Bürgermeister und dem Fraktionsvorsitzenden der CDU in der letzten Woche geführt haben, und haben Sie dabei auch als Vertreter des Hauptgesellschafters an personelle Konsequenzen in diesem Bereich gedacht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier ein gutes Gesetz gemacht,
und Herr Werthebach hat darauf hingewiesen, dass es nicht nur das modernste Verfassungsschutzgesetz in der Bundesrepublik sein wird, sondern auch das fortschrittlichste. Darauf will ich jedenfalls hinweisen, weil es uns gelungen ist, die Möglichkeiten, die der Verfassungsschutzausschuss nach unserer Berliner Verfassung bereits jetzt hat und die auch bisher schon im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr weitgehend waren, noch auszuweiten, so dass wir zu effektiven und auch durchgehenden Möglichkeiten kommen, den Verfassungsschutz zu kontrollieren.
Nein, nein, es war gar nicht eingeschaltet.
Meines war es nicht, das war ausgeschaltet. Ich hoffe, wir werden dadurch nicht weiter unterbrochen.
Ich wollte noch einmal deutlich machen – obwohl wir bereits ein weitreichendes Verfassungsschutzkontrollgesetz hatten –, dass es uns mit diesem Gesetz gelungen ist, das noch zu verbessern. Herr Werthebach hat darauf hingewiesen, dass es unser Anliegen sein muss, den Verfassungsschutz aus den negativen Schlagzeilen zu bringen, die er in der Vergangenheit gemacht hat, und ihn zu einem wirklich schlagkräftigen Instrument, gerade im Zusammenhang mit den Entwicklungen des Rechtsextremismus, gegen alle Feinde der demokratischen Grundordnung zu machen.
Es ist uns mit einer ganz wesentlichen Neuerung gelungen, etwas in diesem Gesetz zu regeln, was andere Verfassungsschutzgesetze nicht haben: Zu den Neuerungen gehört die Möglichkeit, dass der Ausschuss eine Vertrauensperson mit der Durchführung von Untersuchungen beauftragen kann. Es soll damit ermöglicht werden, dass sich zumindest diese Vertrauensperson über alles uneingeschränkt informieren kann und zu einer
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uneingeschränkten und umfassenden Kontrolle befugt ist. Dies ist unser Wille. Wir selbst haben in der Vergangenheit oftmals als Aufsschussmitglieder erlebt, dass mit dem Hinweis auf Sicherheitsbedenken und Sicherheitsbedürfnissen die umfassende Akteneinsicht, die nach dem Gesetz auch jetzt schon gewährt sein sollte, eben nicht gewährt war. Häufig bestanden die Akten aus vielen Fehlblättern. Das wird in der Zukunft nicht mehr möglich sein. Stattdessen wird in der Zukunft der Ausschuss eine Vertrauensperson haben, die in alles lückenlos Einblick nimmt. Diese Vertrauensperson benötigt, gerade wegen dieser größeren Möglichkeiten, wirklich das Vertrauen der überwiegenden Mehrheit der Ausschussmitglieder und wird deshalb mit Zweidrittelmehrheit zu Beginn der Wahlperiode gewählt werden. Die Beauftragung erfolgt dann im Einzelfall mit der Mehrheit der Mitglieder. Die Vertrauensperson unterrichtet sodann den Ausschuss in nichtöffentlicher Sitzung über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen.
Mit der Änderung des § 3 des Ausführungsgesetzes zum Gesetz über die G 10-Maßnahmen, da geht es um Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, ist es uns gelungen, dass der Umfang der Berichtspflicht der Verfassungsschutzbehörde gegenüber dem Verfassungsschutzausschuss erweitert worden ist. Die Aufgabe des Verfassungsschutzausschusses ist es dabei, die p o l i t i s c h e Kontrolle vorzunehmen, insbesondere zu bewerten, inwieweit hier die Maßnahmen wirken vor dem Hintergrund des betroffenen Grundrechts. Es geht hier immerhin um ganz massive Eingriffe in Grundrechte. Wenn solche Eingriffe erfolgen, muss es Aufgabe eines Verfassungsschutzausschusses sein, hier immer wieder zu überprüfen, ob auf diese Art und Weise wirksam eine Kontrolle stattfinden kann, bzw. ob die Maßnahmen wirklich das bringen, was sie nach dem Willen des Gesetzgebers bringen sollen. Daneben behält die G 10-Kommission ihre Aufgabe, denn sie führt eine Rechtmäßigkeitskontrolle durch, im Einzelnen entscheidet diese über Zulässigkeit und Notwendigkeit der Beschränkungsmaßnahmen. Das ist nicht Aufgabe des Verfassungsschutzausschusses, der nimmt die politische Kontrolle wahr, nicht mit den detaillierten Informationen, die die G 10-Kommission erhält. Er muss anhand von Berichten der Verfassungsschutzbehörde in der Lage sein, feststellen zu können, ob die Kontinuität und Entwicklung der vorgenommenen Maßnahmen über einen längeren Zeitraum erfasst werden können, um aus solch einer Entwicklung über einen längeren Zeitraum und mit den Informationen nachvollziehen zu können, ob die Maßnahmen wirklich in ihrer Wirkung so gerechtfertigt sind. In dieser Darstellungsform ist unter Angabe des betreffenden Straftatbestandes hinzuzufügen, in welchem Bereich des Untersuchungsfeldes des Verfassungsschutzes die Maßnahme erfolgt, zum Beispiel im Links-, Rechts- oder Ausländerextremismus oder im Bereich der Spionageabwehr und wie viele Personen von der Maßnahme betroffen sind. Eine solche Auskunft erhalten wir bisher nicht, auch nicht unter den entsprechenden Geheimhaltungsbedingungen.
Der erweiterte Berichtsumfang an den Verfassungsschutzausschuss gilt neben den eigentlichen G 10-Abhörmaßnahmen in Zukunft auch für die Fälle, in denen § 3 des Ausführungsgesetzes eine entsprechende Anwendung findet, wie nunmehr hinsichtlich der Wohnraumüberwachung und hinsichtlich von Maßnahmen, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses gleichkommen.
Abschließend will ich hervorheben, dass die Kontrollbefugnisse des Datenschutzbeauftragten in vollem Umfang aufrecht erhalten bleiben. Der Umstand, dass die G 10-Kommission in Zukunft auch über Maßnahmen entscheidet, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, bedeutet keine Beschränkung der Rechte des Datenschutzbeauftragten. Die Kontrollbefugnisse des Berliner Beauftragen für Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht hinsichtlich der durch diese Maßnahmen erhobenen und bearbeiteten personenbezogenen Daten bleiben hiervon vielmehr völlig unberührt. Dies entspricht dem Umstand, dass die Detailüberprüfung – ob beispielsweise Löschungsfristen über erhobene Daten eingehalten werden, ob und in welchem Maße Daten weitergeleitet wurden – wegen des
Umfangs der vorzunehmenden Prüfungen und der erforderlichen technischen Spezialkenntnisse nicht von den drei Mitgliedern der G 10-Kommission und dem betreuenden Parlamentsassistenten allein geleistet werden könnten.
Wir erwarten jedenfalls, dass das Gesetz genutzt wird, um mit der neu geschaffenen Abteilung, dem neu ausgewählten Personal, den Verfassungsschutz dauerhaft aus negativen Schlagzeilen zu bringen und zu einem wirksamen Instrument zum Schutz und der Verteidigung unserer Verfassung zu machen.
Die Koalition hat aus den Fehlentwicklungen der Vergangenheit gelernt, hat zügig einen Gesetzentwurf vorgelegt, und ich bitte Sie, diesem heute zuzustimmen. Damit hat die Regierungskoalition gezeigt, dass sie auch bei schwierigen Themenfeldern in der Lage ist, fortschrittlich und zukunftsgerichtet arbeiten zu können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass wir verschiedene Antworten auf die Große Anfrage bekommen haben.
Ich meine jedenfalls, dass das, wir mir vorliegt, eine beeindruckende Aufzählung dessen ist, was in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich passiert ist.
Die Tatsache, dass in diesen letzten zehn Jahren zwei Justizverwaltungen zu vereinigen waren, die von völlig unterschiedlichen Ausgangsbasen auszugehen hatten, nötigt schon Respekt ab, wenn man diese Listen sieht, was in diesen zehn Jahren alles passiert ist, und zwar nicht nur, dass eine völlig neue Gesetzlichkeit vorhanden war und mit – wenn man so will – der vorhandenen bundesdeutschen Gesetzlichkeit zusammenzubringen war, dass auch das vorhandene Personal nicht einfach übernommen werden konnte – das musste nicht nur umgeschult werden, sondern musste häufig naturgemäß, wenn ich an Staatsanwälte denke, dann völlig ausgetauscht werden. Das sind Dinge, die hier unter immensen persönlichen und auch sachlichen Anstrengungen, Investitionsanstrengungen, geleistet wurden. Und die sind eben, wenn man hier von Nordrhein-Westfalen spricht, dass dort schon 1996 die IuK-Mittel ganz anders eingesetzt worden seien, Herr Weinschütz, dann ist das etwas anderes in Nordrhein-Westfalen gewesen in den letzten zehn Jahren als das, was wir hier in Berlin zu bewältigen hatten.
Deshalb gilt doch gerade denjenigen, die in den letzten zehn Jahren für diesen Bereich Verantwortung hatten, unser besonderer Dank. Dem konnte sich auch Ihr Kollege Wieland nicht entziehen. Ich will mich hier nicht zurücknehmen und hier auch noch einmal ausdrücklich Jutta Limbach, Lore Peschel-Gutzeit und auch Ehrhart Körting für das danken, was sie in den letzten zehn Jahren zur Vereinigung des Justizbereichs geleistet haben.
Aber die drei hätten das naturgemäß nicht leisten können, wenn sie nicht eine entsprechende Motivation und Unterstützung vor Ort gehabt hätten. Hier ist es richtig, wenn darauf hingewiesen wird, dass das Personal – sowohl die nichtrichterlichen Beschäftigten als auch Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, alle im Justizbereich – enorme Anstrengungen in den letzten zehn Jahren unternommen hat.
Aber richtig ist, jetzt geht es um die Umorientierung der Justiz zu einem Dienstleistungsbetrieb. In diesem Dienstleistungsbetrieb – darauf haben alle Redner hingewiesen – liegt sicher einiges im Argen, um nicht zu sagen, teilweise vieles im Argen. Der zuständige Senator und Regierende Bürgermeister hat darauf hingewiesen, dass er bestrebt sei, die Defizite trotz der Haushaltssituation zu überwinden, und dass der Senat diese Defizite aufarbeiten wolle. Ich will Ihnen, Herr Diepgen, gleich ein gutes Beispiel geben. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung als einen wesentlichen Punkt für sich die Zeugenbetreuung genannt. Herr Staatssekretär Rauskolb hat am runden Tisch noch im Juni dieses Jahres erklärt, dass das Zeugenbetreuungsprogramm von Ihnen vordringlich behandelt wird, wenn die räumlichen Gegebenheiten vorhanden seien. Nun hat sich – u. U. zu Ihrem Erstaunen – der Amtsgerichtspräsident entschlossen, Ihnen in der Wilsnacker Straße solche Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die stehen zur Verfügung. Jetzt wird nur die zugesagte personelle Ausstattung benötigt. Hier, Herr Diepgen, haben Sie die Möglichkeit, die Defizite aufzuarbeiten und Versprechen wahr zu machen, was das Zeugenbetreuungsprogramm angeht. Wir halten dieses Programm für wichtig. Wenn solche Versprechun
gen gemacht wurden und die räumlichen Verhältnisse gegeben sind, dann sollte das nicht noch ein Jahr länger warten, sondern sofort aus dem Justizhaushalt umgesetzt werden.
Bei der Verwaltungsreform kann die Justiz auch nicht ausgespart werden. Sie haben hier dargelegt, dass wir beispielsweise in den Justizvollzugsanstalten schon jetzt eine dezentrale Fachund Ressourcenverantwortung haben. In Tegel wird dies noch weiter modellhaft durchgeführt und weitergeführt. Aber nach unserer Auffassung könnte diese Dezentralität, die nach der Verwaltungsreform und nach dem Verwaltungsreformgrundsätzegesetz vorgesehen ist, sehr wohl bei den Gerichten, insbesondere auch bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit, noch weiter durchgeführt werden, als sie hier nur angedeutet ist.
Wir sind der Auffassung, so dezentral wie möglich, und dabei möglichst auch für jedes einzelne Amtsgericht eine entsprechende eigene Fach- und Ressourcenverantwortung durchzuführen. Dabei wird die Unabhängigkeit der Justiz nicht gefährdet, schon gar nicht die Unabhängigkeit richterlicher Entscheidungen.
Wenn hier die Rede davon war, dass es schnelle angemessene Aburteilungen für Gewalttäter geben müsse, dann wird dem in diesem Hause sicher niemand widersprechen. Aber es nützt nichts, mit forschen pauschalen Sprüchen zu kommen und forsche pauschale Forderungen zu stellen. Die Strafjustiz wird die gesellschaftlichen Versäumnisse nicht aufarbeiten können, nicht aufholen können. Die Strafjustiz kann lediglich Fehlentwicklungen sanktionieren und aufhalten. Gestalten muss die Gesellschaft selbst, und zwar in Schule, in Familie, in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dann ist es auch notwendig, dass dafür die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Das ist die Hauptaufgabe, die wir hier in diesem Parlament zu leisten haben, das hier in diese Richtung zu bringen. Dann brauchen wir auch nicht mehr nach schnellen angemessenen Aburteilungen zu rufen, sondern dann werden sie einfach erfolgen können, weil die entsprechenden personellen und sachlichen Voraussetzungen auch im Justizbereich gegeben sind.
Herr Braun, ich will noch kurz zu den P-Staatsanwaltschaften Stellung nehmen. Die damals beabsichtigte Umorganisation ist nicht erfolgt, Herr Wieland. Da haben Sie nicht Recht, sondern auf unsere Intervention hin
ist dieses Vorhaben, wieder gesonderte P-Staatsanwaltschaften einzuführen, aufgegeben worden. Wir haben nicht diese gesonderten P-Staatsanwaltschaften, wir haben jetzt eine normale Organisation im staatsanwaltschaftlichen Bereich. Dort gibt es eine Zuständigkeit sicher auch für politische Delikte,
aber nicht als gesonderte Staatsanwaltschaften, sondern diese Staatsanwaltschaften sind auch für andere Delikte zuständig. Wir wollten gerade verhindern, dass sich in diesen Staatsanwaltschaften so eine Bunkermentalität breit machen kann. Dies ist auch verhindert worden. Diese Organisationsreform hat so nicht stattgefunden.
Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: Herr Nelken, Sie haben auf die katastrophalen Zustände im Justizvollzug hingewiesen. Ausgangspunkt ist die katastrophale Überbelegung, die es mehr und mehr unmöglich macht, einen Betreuungsvollzug durchzuführen. Es besteht die Gefahr, dass nur noch verwahrt wird und steht damit in klarem Widerspruch zum Strafvollzugsgesetz. Hier wird man kurzfristig die Verhältnisse nur bessern können, wenn die Zahlen verringert werden und wenn daran gedacht wird, zumindest vorübergehend den Strafantritt für
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bestimmte Tätergruppen auszusetzen, um dadurch zumindest den im Justizvollzug Beschäftigten die Chance zu geben, dort wieder dem Straftvollzugsgesetz entsprechend einen Behandlungsvollzug anwenden zu können.
Zur Frage eines gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts – das haben Sie, Herr Diepgen noch einmal in den Mittelpunkt Ihrer künftigen Anstrengungen gestellt – habe ich hier im Haus keinen Widerspruch gehört. Das wollen wir alle. Nur in diesem Zusammenhang, Herr Diepgen, habe ich kein Verständnis dafür, wenn Sie in gleichem Atemzug, mit dem Sie das für Berlin und Brandenburg gemeinsame Oberverwaltungsgericht fordern, sagen, dass das Finanzgericht nicht in die Pampa geschickt werden kann, wobei Sie mit Pampa Cottbus oder Frankfurt/Oder meinen!
Wer in dieser Art und Weise gegenüber Brandenburg auftritt, verhindert ein gemeinsames Oberverwaltungsgericht für Berlin und Brandenburg!
Ich möchte noch zu einem in der Antwort aufgeführten Punkt Stellung nehmen.
Gut, dann muss ich diesen Aspekt zurückstellen. – Das Vertrauen in die Justiz hängt nicht davon ab, ob Sie ein eigenständiges Justizministerium haben,
sondern davon, Herr Wieland, ob die Justiz in der Lage ist, in angemessener Zeit zu für den Bürger verständlichen Ergebnissen zu kommen.
Das kann man auch bei der derzeitigen Konstruktion. Das muss man nicht wie Heribert Prantl als Sündenfall bezeichnen. Zu Gunsten der Justiz ist dringend eine bessere Ausstattung mit Personal und sonstigen Ressourcen erforderlich. Das kann man auch bei der jetzigen Organisation und mit der jetzigen Senatsverwaltung.
Es gibt Senatsverwaltungen, die einen weitaus größeren Bereich zu erledigen haben. Hier nun die Justizverwaltung als einen sehr kleinen Bereich angesichts unserer Verfassungslage mit einer eigenständigen Verwaltung ausstatten zu wollen, ist nicht gerechtfertigt und nicht angemessen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Wochen ist häufig die Frage gestellt worden, ob die erregte Debatte über den Rechtsextremismus und den Antisemitismus in unserem Land nur eine Erscheinung des nachrichtenarmen Sommers sei, ein Stück des alljährlichen Sommertheaters, das jetzt wieder abgesetzt werden könne, weil der normale politische Betrieb wieder angelaufen ist. Hinter dem Zynismus einer solchen Vermutung, gewollter oder ungewollter Zynismus, verbergen sich unangenehme Wahrheiten.
Wahr ist, dass der Rechtsextremismus und der Antisemitismus keine neue Erscheinung in der Bundesrepublik ist, nichts wirklich Neues. Und wahr ist, dass wir alle ihn verharmlost haben. Wahr ist auch, dass der Rechtsextremismus erst in dem Augenblick von vielen Repräsentanten der Politik und der Wirtschaft als Gefahr erkannt und wahrgenommen wurde, als wir auf Konferenzen im Ausland in Erklärungsnot gerieten und als ausländische Unternehmen ihre Investitionsabsichten in der Bundesrepublik zurückstellten. Und wahr ist leider auch, dass hierzulande nach hilflosen Debatten über Gegenmaßnahmen jetzt die Tendenz zu bestehen scheint, sich auf die Erörterung eines NPDVerbots zu beschränken und sich damit vor der Analyse der Ursachen zu drücken.
Natürlich ist es wichtig und richtig, sich die Täter genau anzusehen, ihre Biografien und ihre Motive zu erforschen. Da gibt es bereits einige gesicherte Erkenntnisse. Fast alle Gewalttäter sind junge Männer. Sie wurden nicht deshalb straffällig, weil sie, wie sie behaupten, sich gegen eine „Überfremdung“ wehren wollten und dagegen, dass ihnen „Ausländer die Arbeitsplätze
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wegnehmen“. Keiner der Gewalttäter hat persönlich solche Erfahrungen gemacht. Die meisten ausländerfeindlichen Anschläge werden in den Bundesländern verübt, in denen es die wenigsten Ausländer gibt. Das ist keine irgendwie begründete Ideologie, das sind Parolen, die in einem ausländerfeindlichen Umfeld entstanden sind und unreflektiert nachgebetet werden. Diese Menschen werden auch deshalb zu Schlägern, zu Totschlägern und zu Mördern, weil sie glauben, keinen Platz in der Gesellschaft zu haben, keine Perspektive, weil sie sich nicht gebraucht und deshalb missachtet fühlen und weil sie gelangweilt sind.
Aber die sozialen Umstände erklären nicht alles. Zu einem schwachen Ich-Gefühl kommen charakterliche Deformationen, kommen Dumpfheit, Feigheit und eine abgrundtiefe brutale Gemeinheit. Diese Täter wagen es nicht, öffentlich zu ihren angeblichen Überzeugungen zu stehen, sondern sie vergreifen sich brutal an Schwächeren, an Kindern, an Behinderten, an Obdachlosen, an Menschen, die ihnen nichts getan haben. Sie vergreifen sich an ihnen nur deshalb, weil sie anders sprechen, eine andere Hautfarbe haben und weil sie schwächer sind.
Ein Teil dieser Täter ist durch erzieherische Maßnahmen nicht mehr zu erreichen. Diese müssen unnachgiebig verfolgt und schnell und streng bestraft werden. Je mehr Gewalt ohne Konsequenzen ausgeübt werden kann, desto mehr sinkt die Hemmschwelle gewaltbereiter Täter.
Zur strengen Bestrafung bedarf es keiner neuen Gesetze. Das geltende Strafrecht gibt jedem deutschen Richter die Möglichkeit, täter- und tatangemessen zu urteilen, es muss nur angewandt werden, dass bei der Strafzumessung nach unserem Strafgesetzbuch vordringlich auch die Gesinnung, die aus der Straftat spricht, zu berücksichtigen ist. Und eines müssen wir auch wissen: Die gewünschte schnelle Bestrafung von Gewalttätern, setzt eine entsprechende Ausstattung der Staatsanwaltschaften und der Gerichte voraus. Auch wenn wir Herrn Diepgen als Justizsenator kaum erleben, müsste selbst ihm mittlerweile aufgefallen und zu ihm durchgedrungen sein, unter welch erbärmlichen Bedingungen gerade die Strafjustiz bei uns zu arbeiten hat.
Für einige der jugendlichen Täter ist es hoffentlich noch nicht zu spät. Sie müssen sehen, sie müssen spüren und sie müssen erleben, dass sie in dieser Gesellschaft Chancen haben. Das heißt, im Bemühen um mehr Ausbildungsplätze, um gesicherte Arbeitsplätze gerade für Jugendliche darf nicht nachgelassen werden. Ende September, schon einen Monat nach Beginn des Ausbildungsjahres fehlen noch immer 4 000 Ausbildungsplätze. 4 000 potentielle Jugendliche ohne Perspektive können wir uns nicht leisten, wenn wir wirksam den rechten Sumpf austrocknen wollen.
Aber Perspektiven für Jugendliche und engagierte Sozialarbeit und vorbeugende Erziehung sind nur ein Teil der Wahrheit. Den anderen Teil der Wahrheit will kaum jemand zur Kenntnis nehmen, genauer gesagt, kaum jemand will über diesen Teil der Wahrheit eingehender nachdenken. Die Richter im Fall des ermordeten Angolaners Adriano haben es in ihrem Urteilsspruch festgehalten: „In Deutschland herrscht ein rassistisches Klima.“ Unsere Ausländerbeauftragte Barbara John stellt fest:
Wir leben seit zehn Jahren in einem Zustand des Terrors gegenüber sichtbaren Minderheiten wie Afrikaner, Asiaten, Obdachlosen.
Und vor wenigen Tagen erst hat sich der neue BGH-Präsident Günter Hirsch gezwungen gesehen, öffentlich darauf hinzuweisen,
dass Juden und ausländische Mitbürger in Angst leben, dass die dumpfe Brutalität gegen Schwächere nicht nur die einzelnen Menschen, sondern unser freiheitliches Gesellschaftsmodell bedroht, dass diese Gewalt das Recht verhöhnt, eine Schande für unser Land ist und letztlich die demokratische Grundordnung untergräbt.
Ist das wirklich so? Ist unsere Demokratie wirklich in Gefahr? Oder ist alles nur Medienhysterie, wie Herr Koch aus Hessen zu erkennen meint? Leben wir nicht in einer Demokratie, die sich als stabil und auch als wehrhaft erwiesen hat, die auch mit dem Linksterrorismus fertig geworden ist?
Seit es die Berichte des Verfassungsschutzes gibt, ist in ihnen immer wieder auf den Rechtsextremismus hingewiesen worden. Aber wann auch immer von einer rechten Gefahr gesprochen wurde, erhob sich sofort aus Ihren Reihen – der CDU – immer wieder die lautstarke Forderung, eine zumindest gleich starke linksterroristische Gefahr zu beschwören.
Aber mit dem Linksterrorismus ist unsere Demokratie fertig geworden, zum einen, weil die Terroristen unnachsichtig verfolgt und bestraft wurden, vor allem aber, weil der Linksterrorismus keinen wirklichen Rückhalt im deutschen Volk hatte. Das ist, wie wir erkennen müssen, in Bezug auf den Rechtsextremismus anders. In einer Studie der Freien Universität ist herausgefunden worden, dass jeder fünfte Brandenburger und jeder achte Berliner ein rechtsextremes Weltbild hat.
Die Zahl der Personen mit rechter Gesinnung ist damit in den letzten beiden Jahren um 10 Prozent angestiegen. Woher kommt das? – Reale Ursachen gibt es nicht. Weder „ist das Boot voll“, noch nehmen die Ausländer die Arbeitsplätze weg. Asylbewerber dürfen gar nicht arbeiten, und die Ausländer mit gesichertem Status, die arbeiten dürfen, die übernehmen in der Regel die Tätigkeiten, für die sich deutsche Arbeitnehmer gar nicht finden lassen. Ausländer sind auch nicht, wenn man sie mit den jeweils entsprechenden Bevölkerungsgruppen in Deutschland vergleicht, überproportional kriminell. Und wie gesagt: In den Ländern mit dem geringsten Ausländeranteil gibt es die meisten fremdenfeindlichen Gewalttaten. Brandenburg hat einen Ausländeranteil von 2,1 Prozent. Die fremdenfeindliche Gewalt ist hier aber knapp doppelt so hoch wie in Hamburg mit seinen 14,1 Prozent Ausländern.
Wir dürfen es nicht länger vor uns selbst verheimlichen: In Deutschland hat sich ein brauner Bodensatz gehalten, auf dem nicht erst jetzt, aber jetzt verstärkt, üble Gewächse gedeihen. Dieser braune Bodensatz war, wie sich jetzt zeigt, auch in der DDR vorhanden, ist dort aber totgeschwiegen worden. In der DDR war per Obrigkeitsbeschluss der neue Mensch erschaffen worden, der mit dem Faschismus nichts zu tun hatte und deshalb auch keine Nazivergangenheit aufarbeiten musste. In der alten Bundesrepublik haben wir die Rechtsradikalen sehr wohl zur Kenntnis genommen. Und wir haben uns immer sehr befriedigt geäußert, wenn die Rechtsradikalen in Parlamentswahlen scheiterten. Aber wir haben es hingenommen, dass sie sich frech mit Büchern, Zeitschriften und Zeitungen, mit Hetz-CDs und anderen üblen Machwerken eine Öffentlichkeit schufen.
Mehr noch: Rechtsradikalismus, hier durchaus bewusst zu unterscheiden vom Extremismus, ist vor allem von der CSU nicht nur geduldet, sondern geradezu hofiert worden. Ich sage nur: Gauweiler. Und in der Zeitung „Welt“ hat sich neulich der Rechtsextremismusforscher Prof. Hajo Funke auf die Frage, was muss geschehen, so geäußert:
Es darf nicht nur ein symbolisches, ideelles Bündnis für Toleranz gegenüber Ausländern geben. Die Politik, insbesondere CDU und CSU in ihren nationalkonservativen Flügeln, muss endlich aufhören, den rechten Rand bedienen zu wollen.
Und zum Bedienen dieses rechten Randes gehört auch das unwürdige Gezerre um das Holocaust-Mahnmal. Dazu gehört auch die jahrelange erbärmliche Diskussion über die Spiegelwand in Steglitz zur Erinnerung an die ermordeten Juden. Dazu gehört auch, wenn wir es uns über Jahre nicht leisten, den durchfahrenden Sinti und Roma einen menschenwürdigen Aufenthaltsplatz in unserer Stadt zu gewährleisten.
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Was war es anderes als ein billiges Zugeständnis an diesen rechten Rand, als die hessische CDU die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft startete? – Billig und perfide zugleich, eine fremdenfeindliche Aktion im Mantel einer Quasi-Bürgerbefragung.
„Hier können Sie gegen Ausländer unterschreiben“, war die Parole an vorüberkommende Passanten.
Wer anders als der rechte Rand sollte mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ gewonnen werden? Und wen anders als diesen rechten Rand hat Herr Merz im Auge, wenn er mit Ausländerund Asylthemen den nächsten Wahlkampf emotionalisieren will? Will er Stichwortgeber für das sein, was die Dessauer Richter „rassistisches Klima“ genannt haben?
Ich will hier nicht unterstellen, dass sich irgendjemand durch die Unterschriftenaktion in Hessen oder durch die Mahnmaldebatte in Berlin direkt veranlasst gesehen hat, einen Baseballschläger zu ergreifen und auf einen Asylbewerber einzuschlagen.
Aber die Herren an den Stammtischen – die mit den Judenwitzen und den fremdenfeindlichen Sprüchen –, die konnten sich durchaus ermutigt sehen, lauter und unverschämter zu werden.
Und das ist es, was das rassistische Klima in Deutschland schafft.
Ein Teil der Politik übt sich in Toleranz gegenüber dem rechten Rand, ein Teil der Bevölkerung, jener unbelehrbare, verbohrte, ignorante und überhebliche Teil, fühlt sich dadurch in seinen dumpfen Vorurteilen bestätigt. Dieser Teil bietet dann Basis und Rückhalt für haltlose junge Männer, die sich nur dann stark fühlen, wenn sie Schwächere schlagen, treten oder gar erschlagen können.
Zu den schlimmsten Ereignissen im Nachkriegsdeutschland gehört für mich die Szene, als im Sommer 1992 in Rostock-Lichtenhagen die Wohnungen von Vietnamesen in Brand gesetzt wurden, und draußen eine Menschenmenge Beifall johlte. Und vielleicht wäre die Öffentlichkeit damals auch bald wieder zur Tagesordnung übergegangen, wenn nicht zufällig auch ein Fernsehteam in der Flammenhölle eingeschlossen gewesen wäre und authentisch berichten konnte, wie es ist, zusammen mit Frauen und kleinen Kindern den sicheren Feuertod vor Augen zu haben.
Eine Gesellschaft, in der ein Teil der Menschen in ständiger Angst lebt, in der Mitbürger um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssen, eine Gesellschaft, in der die Würde von Menschen verletzt wird, in dem sie bedroht und gequält und gejagt werden, das wäre, das i s t keine demokratische Gesellschaft mehr. Unsere Demokratie bedeutet nicht nur das Gewähren von Freiheit, sondern auch Schutz der Freiheit und des Lebens jedes einzelnen, egal wie er aussieht und woher er kommt, Schutz der Freiheit bedeutet Schutz von Minderheiten, bedeutet Mitmenschlichkeit und Wahrung der Menschenwürde.
Unser Bundespräsident Johannes Rau hat nach seiner Wahl auf den entscheidenden Artikel unseres Grundgesetzes – unserer gemeinsamen Wertordnung – hingewiesen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ In diesem Satz kristallisiert sich der antitotalitäre Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Satz heißt: Wer Gewalt, auch verbale Gewalt, gegen Juden oder Ausländer zulässt, verletzt nicht nur die Würde der jüdischen und ausländischen Mitbürger, sondern ver
stößt auch gegen seine eigene Würde. Dieser unserer eigenen Menschenwürde wieder Achtung zu verschaffen, ist jetzt unsere Aufgabe und muss zur Aufgabe jedes Bürgers und jeder Bürgerin in unserem Land werden.
Wir können die Aufgabe, Anstand und Würde zu sichern und zu schützen, nicht nur Polizei und Justiz zuschieben, die übrigens – auch das sei hier gesagt – alle rechtlichen Instrumente zu Verfügung haben, um wirksam gegen Gewalttäter aller Couleur vorzugehen.
Wer jetzt meint, unsere gemeinsame Abscheu und Empörung über die Angriffe auf unsere jüdischen und ausländischen Mitbürger für seine alten freiheitseinschränkenden Vorhaben nutzen zu können, wird auf unseren Widerstand treffen.
Mit flächendeckenden Videoüberwachungen und ausgedehnten Versammlungsverboten wird die freiheitliche Demokratie, die es jetzt zu schützen gilt, Stück für Stück zurückgedrängt. Das werden wir nicht zulassen.
Ich bin weiter fest davon überzeugt, dass wir in einer stabilen Demokratie leben und dass diese Demokratie auch den Rechtsextremismus in die Schranken verweisen kann. Das verlangt aber, dass wir uns alle – alle in diesem Hause und alle Menschen draußen – beteiligen. Es muss jetzt heißen: aufstehen, einmischen, Zeichen setzen. Die immer wieder beschworene Solidarität der Demokraten heißt heute: gemeinsames Aufstehen für ein tolerantes Berlin.
Herr Präsident! Danke für diesen Vorschuss. – Herr Gram, ich glaube, ich werde Herrn Werthebach künftig vor Ihnen in Schutz nehmen müssen. Er will uns etwas ganz Modernes vorlegen. Das, was Sie an Lob über diesen Dienst ausgeschüttet haben, hat nichts mit der Realität zu tun. Aus diesem Grund möchte Herr Werthebach zur Radikalkur greifen. Das ist auch der Grund dafür, dass die Grünen und die PDS meinen, nicht mehr bei ihren alten Anträgen bleiben zu können, sondern auch zur Radikalkur greifen. Insofern hat der Präsident Recht, denn ich stehe dazwischen und wünsche mir, dass PDS und Grüne, die in den letzten Jahren besonders unter dem Verfassungsschutz gelitten haben, nun mitmachen.
Also kein Leiden wie das, das immer in Oberammergau dargestellt wird. Ich meine ein Leiden im politischen Sinn.
Wenn heute die Überschriften lauten, dass Werthebach seinen Verfassungsschutz zusammenstreicht, dann können wir das nicht hoch genug bewerten. Wenn wir zudem lesen, dass er Führungspositionen überregional ausschreiben und zeitlich befristet einsetzen will – womit er der Verwaltungsreform damit beim Verfassungsschutz voll und ganz Geltung verschaffen will –, dann können wir das nur begrüßen. Ich gehe davon aus, dass das ganze Amt aufgelöst wird. Das Personal wird gänzlich durchgemischt. Frau Koller führt mit jedem einzelnen Mitarbeiter Gespräche. Es wird Aufwand getrieben, um zu einer entsprechenden Personaldurchmischung zu kommen und qualifiziertes und wissenschaftliches Personal zu bekommen.
Herr Gram hat übertrieben formuliert, dass wir in der letzten Woche einen einzigartigen Bericht über den Linksextremismus bekommen hätten. Meinem Eindruck nach war er relativ strukturlos aneinander gereiht, irgendwelche Erkenntnisse waren zusammengemengt, und man hat aus dem Kaffeesatz gelesen. Frau Künast hat auch ein paar skandalöse Schlussfolgerungen zitiert. Wir wissen, dass wir bei Herrn Werthebach aufpassen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ihm – in seiner Eigenschaft als Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz – schon einmal bescheinigen müssen, dass er mit den Informationen und dem dortigen Datenbestand nicht sorgfältig genug umgegangen ist. Das werden wir in Berlin zu verhindern wissen. Ich bitte deshalb die Oppositionsparteien, uns zu unterstützen und die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, um zu einer Informationsbehörde zu kommen, dass wir zu einer Landeszentrale für politische Bildung und Aufklärung kommen. Das müssten wir gemeinsam schaffen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wird der Senat die Kritik des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes beachten und für eine sorgfältigere Ausarbeitung der Verbotsverfügungen für zukünftige NPD-Demonstrationen in Berlin sorgen?
2. Was wird der Senat unternehmen, um die für den 1. Mai geplante Demonstration der NPD zu verhindern?
Herr Senator Werthebach! Sie meinen, Sie hätten ausreichend Ihre Erkenntnisse dem Verwaltungsgericht vorgetragen. Warum hat dann der zuständige Senator dem Verwaltungsgericht nichts über die neuen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über die Zusammenhänge von NPD und gewaltbereiten Neonazi-Kameradschaften und Skinheadgruppen vorgetragen, über die er uns gerade erst in der letzten Woche im zuständigen Ausschuss berichtet hat? Muss sich der Senat nicht deshalb den Vorwurf gefallen lassen, den der Verwaltungsgerichtspräsident erhoben hat, dass hier juristische Naivität und Ahnungslosigkeit am Werk war?
Kann die Tatsache, Herr Werthebach, dass Sie das nicht können, daran liegen, dass für den extremistischen Bereich vom Verfassungsschutz in der Vergangenheit weit weniger ausgegeben worden sein soll als für Erkenntnisse aus dem linksextremistischen Spektrum? Ist das der Grund dafür, dass nur ein ungenügender Vortrag gegenüber dem Verwaltungsgericht erfolgen konnte?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als SPD-Fraktion sind froh, dass wir uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigen können. Wir sehen in diesem Verfahren gewährleistet, dass die parlamentarische Überprüfung von Abgeordneten, die nur unter ganz besonderen Umständen, ganz besonderen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann. Wenn man vom Wählerauftrag für das freie Mandat ausgeht, muss diese verfassungsrechtliche besondere Stellung der Abgeordneten in einem solchen Verfahren gewährleistet sein und gewährleistet bleiben. Das Verfahren muss so ausgestaltet sein, wie es mit der Zustimmung der Oppositionsfraktionen gefunden wurde. Dieses Verfahren stellt sicher, dass mit den Informationen, die in nichtöffentlichen Sitzungen, im nichtöffentlichen Verfahren gewonnen werden, kein politischer Missbrauch erfolgen kann und dass die persönlichen Daten geschützt sind, dass die einzelnen, gegebenenfalls betroffenen Abgeordneten hier aktiv eingreifen können, selbst initiativ werden können, nicht lediglich nur angehört werden, und dass vor allen Dingen auch ein ermittelter Sachverhalt so korrekt wiedergegeben ist, dass er hier nicht zu politischem Missbrauch führen kann, dass hiermit kein Schindluder getrieben werden kann.
Uns ist sehr wichtig, dass der Zeitfaktor berücksichtigt wird. Wenn irgendwelche Verfehlungen zu lange zurückliegen, müssen unsere rechtsstaatlichen Verfahren Eingang finden und Verwertungsverbote greifen.
Wir als SPD meinen jedenfalls, dass wir diesem Antrag auf Einsetzung eines Ehrenrats auch mit den Änderungen mit bestem Gewissen zustimmen können. Und wir freuen uns, dass die anderen Fraktionen sich dem angeschlossen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion kann ich klar machen, dass der Senator Strieder sich an Gesetze und Verordnungen gehalten hat. Ich finde, Herr Abgeordneter Wieland, wenn ich mich frage, was Ihr Anliegen wirklich ist, das Sie mit diesem Antrag verfolgen: Filz und Korruption sind ja nicht nur schwer wiegende Vorwürfe, sondern in diesem Lande schon öfter aufgetaucht. Ob alles aufgetaucht ist, wissen wir nicht. Aber wenn Sie in diesem Zusammenhang von Filz und Korruption sprechen, dann dürfen wir das zwar nicht klein reden, aber wir dürfen vor allem nicht diese völlig falschen Zusammenhänge herstellen, wie Sie das getan haben.
Die völlig falschen Zusammenhänge bestehen zu den Vorwürfen, die Senator Strieder gemacht werden. Es wird der Versuch gemacht, dies in Zusammenhang zu bringen, was die CDU auf Bundesebene mit Millionenbeträgen getan hat. Dies beides hat nichts miteinander zu tun.
und bringt unseren Staat in ganz andere Nöte als das, was Sie jetzt meinen in Zusammenhang bringen zu können. Das sollte in diesem Zusammenhang ganz klar gemacht werden, insbesondere, wenn Sie meinen,– –
Nein! Sie bringen das mit diesem Vorwurf in diesen Zusammenhang! –
aber dies ist jedenfalls kein Vergehen gegen diesen so genannten Pätzold-Erlass gewesen. Wenn ich mich frage, warum Sie dieses Thema heute in dieser Weise ansprechen, dann ist es offensichtlich das schlechte Gewissen Ihrer Kollegin Künast, die sich mit diesem Antrag gegenüber ihrer eigenen Fraktion rechtfertigen muss, die sich offensichtlich weit aus dem Fenster gehangen hat, als es um diesen Organizer ging, und nach Wochen feststellen musste, dass bei ihr Ähnliches vorliegt.
Was die Flüge angeht: Diese waren fachlich geboten und dienstlich veranlasst. Wer hier behauptet, sie hätten etwas mit Privatem zu tun, oder er habe sich in irgendeiner Weise durch diese Mitflüge abhängig gemacht,
der irrt. Wenn Senator Strieder mitgeflogen ist, hat er im Dienste des Landes gehandelt
und im Dienste all derer, die hier immer wieder für mehr Arbeitsplätze plädieren, und es gibt nicht den geringsten Anlass und den geringsten Anschein dafür, dass er sich für irgendetwas habe vereinnahmen lassen.
Sich jetzt hier päpstlicher zu geben als der Papst!
Wir können darüber entscheiden – und das sollten wir auch im Rechtsausschuss tun –, wo hier die Grenzen zu ziehen sind. Wenn wir von den Senatorinnen und Senatoren verlangen, dass sie sich überall für Arbeitsplätze stark machen, dann liegt es im Interesse des Landes Berlin, wenn sie mit bestimmten Firmen mitfliegen, um bei der Stadtverwaltung in Moskau für diese ein gutes Wort einzulegen und sie dort bekannt machen.
Und wenn dies im Interesse des Landes Berlin ist, dann können wir auch sagen: Das Land Berlin soll dies bezahlen.
Aber auf der anderen Seite sehe ich nicht ein, warum private Unternehmer – wenn es in deren Interesse liegt – sich nicht in bestimmter Weise an den Kosten solcher Akquisitionen beteiligen können, die im Interesse des Landes Berlin, aber auch im Interesse einzelner liegen. Das kann in einer solchen Mischfinanzierung passieren, ohne dass sich etwas Anrüchiges ergibt, was unter die Stichworte Filz oder Korruption fallen würde.
Abgeordnete sind weitgehend von anderen Amtsträgern zu unterscheiden. Wir sind unserem Gewissen unterworfen.
(A) (C)
(B) (D)
In unserer Geschäftsordnung ist klar geregelt, dass Abgeordnete Zuwendungen, die sie im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit als Mitglied des Abgeordnetenhauses erhalten haben, anzugeben haben.
Wenn Zweifel bestehen, können Sie sich vertrauensvoll mit dem Präsidenten besprechen. Erstens reichen die Verhaltensregeln aus. Zweitens: Wer sich spät von seinem Gewissen „gepackt“ sieht, kann sich vertrauensvoll an den Präsidenten wenden. Drittens eignet sich dieses Thema nicht zu Häme und Polemik, sondern es ist ernst genug, und es soll hier auch klar differenziert werden, damit nicht alles zusammengemengt wird – und zwar zu Lasten von uns allen. Hier sitzen genügend Abgeordnete, die rund um die Uhr für ihr Mandat und für die Bürgerinnen und Bürger draußen arbeiten.
Und diese alle müssen sich im Augenblick mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen. Für sie ist es ungerechtfertigt, dass man sich hier in dieser Art und Weise einmischt mit Vorgängen, die damit nichts zu tun haben. Ich verlange auch von Ihnen, dass Sie mehr differenzieren.