Protocol of the Session on September 27, 2001

Ein überdimensioniert ausgebauter Flughafen in der märkischen Region hätte zur Folge, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssten, um möglichst viele Menschen in möglichst viele Flugzeuge zu bekommen, damit der Flughafen wirtschaftlich rentabel ist. Dies stünde aber in eklatantem Widerspruch zu den ökologischen Anforderungen, zu denen sich die Bundesregierung, die Bundesländer und auch die Stadt Berlin hinsichtlich der CO2-Reduzierung verpflichtet haben.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Absurd verhält sich die PDS. Gregor Gysi ist für Sperenberg, aber gegen einen Großflughafen, Jutta Matuschek ist gegen alles und Harald Wolf ist für den Konsensbeschluss. Gysis bunte Truppe steht ziemlich beliebig da. Das sollten Sie einmal ändern!

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Die Schadstoffemissionen, die zu 80 % bei Start und Landung entstehen, belasten die Umgebung der Flughäfen. Über den Wolken werden sie in die Stratosphäre emittiert und zerstören dort die Ozonschicht – ein Garant für das Leben auf dem Planeten Erde. Auch deshalb darf der Flugverkehr nicht unermesslich wachsen, er muss auf das Notwendige reduziert werden.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Von den Befürwortern des überdimensionierten Ausbaus wird immer wieder auf die Funktion als Jobmaschine hingewiesen. Das Rad des Flughafens wird aber in Berlin nicht neu erfunden. Die Arbeitsplätze und auch die Beschäftigten sind doch bereits vorhanden. Deshalb ist eher ein Verlust von Arbeitskräften zu befürchten. Wahrscheinlich darf man zufrieden sein, wenn niemand wegen der Umstrukturierung entlassen wird.

Irritationen gab es in den vergangenen Jahren zuhauf. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts in Brandenburg sind mir bis heute unerklärlich. Dagegen ist die Entscheidung des Gericht in Frankfurt/Oder nachvollziehbar. Die gerügten Mängel müssen unverzüglich beseitigt werden.

Das Planfeststellungsverfahren verläuft, wenn man den Presseberichten Glauben schenken darf, teilweise chaotisch. Die Fraktion der Grünen unterstützt daher die Auffassung von Senator Strieder, nach der die Schließung von Tempelhof und Tegel rechtsverbindlich und einklagbar im Planfeststellungsbeschluss verankert werden soll. So wurde übrigens seinerzeit in München verfahren. So wollen wir es in Berlin auch halten.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Unabhängig vom Planfeststellungsverfahren für den Bau des Single-Airports läuft die Privatisierung. Das Angebot des Bieterkonsortiums, dafür lediglich 50 Millionen DM zu bezahlen, ist in der Tat ein unsittliches Angebot, insbesondere vor dem Hintergrund, dass vor drei Jahren noch 650 Millionen DM geboten wurden. Die Privatisierung soll doch die öffentliche Hand entlasten. Nun sollen die Risiken beim Staat verbleiben und nur die Gewinne privatisiert werden. Eine solche Privatisierung ist eine Mogelpackung. Eine solche Privatisierung lehnen wir ab.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Der Senat und die Holding haben klug gehandelt, das Angebot zunächst abzulehnen, denn die öffentliche Hand ist nicht erpressbar und die drei Gesellschafter haben Alternativen. Bei der ersten Alternative wird das Angebot von Hochtief und IVG endgültig abgelehnt, das Planfeststellungsverfahren aber zügig zu Ende geführt. Bei der folgenden Neuausschreibung können sich auch Bieter bewerben, die früher vom Verfahren ausgeschlossen wurden, weil sie bei der Planung beteiligt waren. Dazu gehört z. B. die British Airways, die sich mit Daimler-Benz und

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Dornier in einer Bietergemeinschaft beworben hatte. Könnten die sich wieder bewerben, wären mehrere Bewerber da und der Staat in einer besseren Verhandlungsposition. Auch das wollen wir berücksichtigen.

Würden Sie zum Schluss kommen, Herr Kollege?

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! – Die zweite Alternative ist die nüchterne Kaufmannsrechnung. Zu prüfen wäre nämlich, ob mit den Gewinnen aus Tegel und den Erlösen aus der Flughafengebühr, eine Lizenz zum Gelddrucken, die Gesamtbilanz für die öffentliche Hand günstiger ist, als das unsittliche Angebot der Bieter. Ist das der Fall, sollten die drei Gesellschafter den Flughafen lieber selber bauen.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der SPD]

Sie sehen, die Grünen gehen völlig unideologisch an die Privatisierung heran.

[Heiterkeit bei der PDS]

Völlig unideologisch, jawohl! Genaue Zielvorstellungen haben wir aber für die innerstädtischen Flughäfen. Deshalb: Tegel und Tempelhof müssen geschlossen, der Konsensbeschluss muss schnellstmöglich umgesetzt werden.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Niedergesäß (CDU): Das ist ja ein starkes Stück!]

Danke schön! Für die CDU-Fraktion hat nunmehr deren Vorsitzender Herr Dr. Steffel das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Steffel!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1948 haben wir in nur drei Monaten die größte Start- und Landebahn Europas hier in Berlin, in Tegel, errichtet. Damals ging es um die Anbindung des isolierten, freien Teil Berlins an die freie Welt. Heute geht es darum, dass Berlin nicht wirtschaftlich isoliert wird und dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer ganzen Region nicht durch eine verfehlte Politik gefährdet wird. Aus unserer Sicht gibt es deshalb zum Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg International in Schönefeld überhaupt keine Alternative.

[Beifall bei der CDU]

Wirtschaft und Arbeitnehmer brauchen die zügige Verwirklichung des Airports in Schönefeld, weil er als Wachstumsmotor und Jobmaschine für die ganze Region, viele sagen für die gesamten neuen Bundesländer, unverzichtbar ist. Und der Großflughafen wird eine Jobmaschine, so wie es heute bereits unsere drei vorhandenen Flughäfen sind. Die Anzahl der Beschäftigten auf den bestehenden drei Berliner Flughäfen ist in den letzten zwei Jahren um mehr als 12 % gestiegen. Die Anzahl der Auszubildenden hat in diesem Zeitraum, in nur 24 Monaten, ebenfalls um mehr als 30 % zugenommen. Die Erwartungen, die vom Bau dieses Großflughafens, dieses internationalen Drehkreuzes, ausgehen, sind konservativ geschätzt: 17 Millionen Passagiere im Jahre 2007 und mindestens 50 000 Jobs für die Region. Legt man die Faustformel 1 Millionen Fluggäste pro Jahr gleich 1 000 zusätzliche Arbeitsplätze zu Grunde, werden 17 000 Mitarbeiter im Jahre 2007 direkt beim Flughafen beschäftigt sein. Bei 20 Millionen Passagieren, die sehr vorsichtig für 2010 prognostiziert werden, wären sogar 60 000 Arbeitsplätze für die Region BerlinBrandenburg eine äußerst realistische Größenordnung.

Dieser internationale Flughafen hat in nur wenigen Jahren ein Bauvolumen von 7 bis 8 Milliarden DM. Allein während dieser Bauphase entstehen 5 000 Jobs auf der Flughafenbaustelle, viele unmittelbar zusätzlich im angliedernden Infrastrukturbereich. In dieser Phase wird natürlich unser ohnehin schon notleidendes Berliner Handwerk, das Bauhauptgewerbe, das Baunebengewerbe, viele Berliner und Brandenburger Unternehmen riesig von dieser Investition profitieren.

Die positiven Auswirkungen – auch das ist außerordentlich erfreulich, weil das nicht bei allen Großprojekten so ist – dieses Flughafens auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung werden von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung, von der überwältigenden Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner, geteilt.

[Beifall bei der CDU]

So sind 73 % der Befragten für den Bau des Flughafens, also fast drei Viertel. 76 % sind der Meinung, dass die Region den Flughafen dringend brauche, und 81 % teilen die Auffassung, dass der Flughafen die wirtschaftliche Situation der Region nachhaltig verbessern wird.

Bei meinem Besuch in Brüssel in der letzten Woche hatte ich die Gelegenheit, mit der zuständigen EU-Kommissarin für Verkehr und stellvertretenden Präsidentin der EU-Kommission, Frau De Palacio zu sprechen. Dabei erläuterte Sie mir, dass aus der Sicht der EU der Großflughafen Berlin-Schönefeld mit 20 % der Investitionssumme durch die Europäische Kommission im Rahmen des TEN-Programms, transeuropäische Netze, gefördert werden könnte. Eigentlich wäre das eine Aufgabe des Senats von Berlin gewesen!

[Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Die letzten 10 Jahre auch!]

Aber da es nur noch drei Wochen sind, die Sie amtieren, ist es auch nicht weiter tragisch, dass es kein Senatsmitglied in drei Monaten geschafft hat, einmal nach Brüssel zu fahren, sich dort vorzustellen oder Gespräche zu führen.

[Beifall bei der CDU]

Herr Dr. Steffel! Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Nein!

Eine solche Förderung, und wir reden hier von mehr als 1 Milliarde DM für den Berliner Haushalt, setzt allerdings voraus, da ist die EU-Kommission kompromisslos, dass es ein Drehkreuz mit internationaler Anbindung gerade Richtung Osteuropa ist, denn das sagt ja schon der Name transeuropäische Netze, den dieses Förderprogramm trägt. Also wenn wir diese Milliarde aus den EU-Fördertöpfen haben wollen, müssen wir ein Drehkreuz mit internationaler Anbindung und zügig – ich habe ausdrücklich nachgefragt – das Privatisierungsverfahren abschließen. interjection: [Beifall bei der CDU]

Danach muss dann die Bundesregierung die Förderung beantragen, und ich erwarte, nicht nur aus diesem Grund, dass der Senat unverzüglich die Vorbereitung für diese Förderung unternimmt und das Geld von mehr als 1 Milliarde DM im Interesse der Berliner Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht verschenkt. [Beifall bei der CDU]

Deshalb hält die CDU-Fraktion unverändert an der Privatisierung dieses Flughafens fest. Es gibt aus unserer Sicht hierzu keine ernsthafte Alternative. Wir fordern umgehend ernsthafte und vernünftige Verhandlungen mit dem einzigen verbliebenen Konsortium. Die Anforderung neuer Angebote macht nur dann Sinn, wenn man mehrere Gesprächspartner hat. Wenn es nur noch einen Gesprächspartner gibt, muss man an den Verhandlungstisch und nicht über die Medien das Konsortium verärgern und mit dem Konsortium öffentlich über den Kaufpreis philosophieren. Das ist völlig verfehlt und unsensibel.

[Beifall bei der CDU]

Wer von den Grünen und von der PDS noch heute von Stendal oder Sperenberg öffentlich als Standort spricht, sabotiert ganz bewusst den Standort Schönefeld.

[Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Das haben Sie gemacht!]

Wer von einem Regionalflughafen spricht, wie dies Herr Gysi tut, hat überhaupt nicht verstanden, worum es eigentlich geht. Berlin hat drei Regionalflughäfen.

[Beifall bei der CDU]

Und wer eine Investition von 8 Milliarden DM so leichtfertig auf das Spiel setzt, gefährdet nicht nur die Arbeitsplätze Tausender Berlinerinnen und Berliner, sondern verhindert auch die weitere Ansiedlung von Unternehmen und Existenzgründungen in der ganzen Region.

[Beifall bei der CDU]

Wer ein Planfeststellungsverfahren so amateurhaft durchführt wie der damalige Umweltminister Platzeck,

[Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen – Cramer (Grüne): Wer war eigentlich der Aufsichtsratsvorsitzende?]

nimmt bewusst jahrelange Verzögerungen dieses größten Infrastrukturprojektes der neuen Bundesländer in Kauf.