Protocol of the Session on September 27, 2001

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 35. und wahrscheinlich letzte ordentliche Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 14. Wahlperiode und begrüße Sie und unsere Gäste und Zuhörer sehr herzlich.

Ich sagte bereits, dass dies voraussichtlich die letzte Plenarsitzung in dieser Wahlperiode ist. Viele M i t g l i e d e r d e s A b g e o r d n e t e n h a u s e s werden d e m n ä c h s t e n P a r l a m e n t n i c h t m e h r a n g e h ö r e n. Ihnen allen möchte ich heute für die A r b e i t d a n k e n , die sie im Parlament f ü r B e r l i n g e l e i s t e t haben.

[Allgemeiner Beifall]

Das ist auch einen Beifall wert, das denke ich wohl.

Lassen Sie mich mit nur wenigen Worten einige von ihnen, stellvertretend für alle, besonders hervorheben. Zu denen, die aus dem Abgeordnetenhaus von Berlin ausscheiden, gehört auch der A b g e o r d n e t e E b e r h a r d D i e p g e n , Berlins ehemaliger, langjähriger Regierender Bürgermeister. Er war 30 Jahre lang Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Eberhard Diepgen hat als schulpolitischer Sprecher der CDUFraktion begonnen, war viele Jahre Mitglied des Hauptausschusses und von 1979 bis 1981 dessen Vorsitzender. Von 1980 bis 1984 war er Vorsitzender der CDU-Fraktion und anschließend vom Februar 1985 bis März 1989 Regierender Bürgermeister von Berlin. Von März 1989 bis Januar 1991 war er wieder Fraktionsvorsitzender, dann von Januar 1991 bis zum 16. Juni 2001 erneut Regierender Bürgermeister von Berlin. Eberhard Diepgen hat in diesen 30 Jahren immer mit großem Engagement und ganzer Kraft für unsere Stadt gearbeitet. Er hat länger an der Spitze dieser Stadt gestanden als jeder andere. Er hat sich bei den Berlinerinnen und Berlinern hohes Ansehen und große Populariät erworben. Weit über die Grenzen der Stadt hinaus im In- und Ausland, nicht nur in den Partnerstädten Berlins in aller Welt, ist er hoch angesehen. Als Berliner von Geburt und Überzeugung hat er die Sache Berlins stets mit Leidenschaft vertreten. Berlin hat ihm zu danken. Eberhard Diepgen hat sich um unsere Stadt verdient gemacht. Herzlichen Dank!

[Allgemeiner anhaltender Beifall]

Der A b g e o r d n e t e H u b e r t R ö s l e r gehört ebenfalls seit mehr als 30 Jahren der CDU-Fraktion in unserem Parlament an. Er ist seit 1971 Mitglied des Rechtsausschusses, der damals noch Justizausschuss hieß, und seit 1980 – mit einer Unterbrechung in der 13. Wahlperiode – dessen Vorsitzender. Hubert Rösler ist eine Institution, wenn es um Verfassung und Gesetzesangelegenheiten geht. In der Justizpolitik war er für das jeweilige Senatsmitglied stets ein kompetenter Gesprächspartner und für die Berlinerinnen und Berliner ein engagierter Anwalt. Von 1991 bis 1994 gehörte er als Sprecher der CDU-Fraktion der Enquetekommission „Verfassung und Parlamentsreform“ an, die die Grundlagen der neuen Verfassung von Berlin erarbeitete. Wir haben ihm für 30 Jahre erfolgreiche Parlamentsarbeit herzlichst zu danken! [Beifall]

Das waren die beiden dienstältesten Parlamentarier.

Der A b g e o r d n e t e R e i n h a r d R o ß ist seit April 1985 Mitglied der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses. Er hat sich als Gesundheitspolitiker seiner Fraktion profiliert und ist seit 1995 Vorsitzender des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses. In dieser Position hat er über Parteigrenzen hinweg großes Ansehen erworben. Unter seiner Führung hat der Petitionsausschuss die gute Tradition fortgesetzt, dass alle parteipolitischen Unterschiede in den Hintergrund treten, wenn es um Hilfe für die Bürger geht, die durch Bürokratie und Fehler von Behörden in Bedrängnis geraten sind. Für diese Arbeit gilt dem Kollegen Reinhard Roß unser aller Dank!

[Beifall]

Auch unser A l t e r s p r ä s i d e n t P e t e r S c h u s t e r wird dem nächsten Parlament nicht mehr angehören. Er war seit 1991 Mitglied der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses. Die

Schwerpunkte seiner parlamentarischen Arbeit lagen in den Bereichen Schule, Wissenschaft und Forschung. Er war schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion und ist für seine Meinung immer energisch eingetreten. – Da kommt bei manchen das Lächeln auf, aber wir wissen alle, dass er da beharrlich war. – Als wissenschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion hat er sich dann stets mit Sachkenntnis und Beharrlichkeit für die Belange der Hochschulen und der Studenten eingesetzt. Auch ihm gebührt unser Dank! [Beifall]

Aus der PDS-Fraktion wird die A b g e o r d n e t e K e r s t i n A n d i n g dem nächsten Abgeordnetenhaus auch nicht mehr angehören. Sie ist seit 1995 Mitglied des Parlaments und hat sich im Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie engagiert und über alle Maßen eingesetzt. Sie hat sich nie nach vorne gedrängt, aber auf ihren Fleiß und ihre Sachkenntnis konnte sich ihre Fraktion im Ausschuss und auch in den einzelnen Beratungen immer verlassen. Auch ihr spreche ich unseren Dank aus! [Beifall]

In der Fraktion der Grünen wird der A b g e o r d n e t e B u r k h a r d M ü l l e r - S c h o e n a u aus dem Parlament ausscheiden. Für ihn wird die nächste Zeit ganz persönliches, familiäres Engagement den Vorrang haben. Die Politik wird erst einmal vertagt. Burkhard Müller-Schoenau gehört dem Abgeordnetenhaus seit 1995 an und hat sich in der Nachfolge von Frau Dr. Michaele Schreyer als haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion sehr schnell durch seine Kompetenz einen Namen gemacht. Auch ihm gebührt unser Dank!

[Beifall]

Ich konnte an dieser Stelle nur einige wenige würdigen, aber – wie bereits gesagt – stellvertretend für alle. Der Dank gilt wirklich allen, die sich in diesem Haus für unsere Stadt und für die Bürger engagiert haben, und denen, die dem neuen Parlament nicht angehören, wünsche ich persönliches Wohlergehen, Gesundheit und alles Gute.

Die vier Fraktionen haben sich auf einen gemeinsamen Aufruf nicht nur geeinigt, sondern sind willens, dass wir diesen Aufruf den Bürgerinnen und Bürgern Berlins gemeinsam zur Kenntnis geben, und zwar den A u f r u f z u r Wa h l b e t e i l i g u n g a n d e n B e r l i n e r A b g e o r d n e t e n h a u s w a h l e n a m 2 1. O k t o b e r. Hier geht es um die Wahrnehmung des Wahlrechts auch durch Bürgerinnen und Bürger aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. In dem Text heißt es:

Am 21. Oktober sind die Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Alle Berlinerinnen und Berliner sind aufgerufen, ihr Recht auf freie Wahlen zu nutzen und ihre Stimme abzugeben. Gerade jetzt, nach den schrecklichen Terroranschlägen vom 11. September auf New York und Washington, die auch Anschläge auf unsere offene Gesellschaft, auf Freiheit und Demokratie und gegen das friedliche Miteinander der Völker, Kulturen und Religionen sind, rufen wir alle Bürgerinnen und Bürger auf, mit ihrer Wahlteilnahme ein Zeichen für die hohe Wertschätzung unserer demokratischen Grundrechte und deren Erhalt zu setzen.

Berlin ist eine europäisch orientierte Stadt und legt daher besonderen Wert darauf, dass sich bei den anstehenden Wahlen nicht nur die Berlinerinnen und Berliner deutscher Nationalität, sondern alle hier lebenden Bürger der Europäischen Union beteiligen. Wir rufen daher auch alle in Berlin lebenden EU-Bürger auf, ihr Wahlrecht für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen wahrzunehmen. Ihre Stimme und ihre Kompetenz sind für eine europäische und weltoffene Gestaltung der Stadt gefragt.

So weit der Aufruf. Ich hoffe, die Bürgerinnen und Bürger draußen nehmen sich dieses auch zu Herzen und gehen am 21. Oktober zur Wahl.

Meine Damen und Herren! Ich g r a t u l i e r e in unserer Runde F r a u S e n a t o r i n S c h ö t t l e r recht herzlich z u i h r e m G e b u r t s t a g. Alles Gute!

[Beifall]

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Führer

Nun komme ich zum Geschäftlichen. Es sind am Montag wieder drei A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar

1. Antrag der Fraktion der Grünen und der Fraktion der SPD zum Thema: „Schnellstmögliche Realisierung des internationalen Single-Airports in Schönefeld für die Region BerlinBrandenburg“, 2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Sicherheit in der deutschen Hauptstadt – eine Herkulesaufgabe für Polizei, Verfassungsschutz und Feuerwehr“, 3. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „Probleme und Risiken im Flughafenprivatisierungsverfahren offen benennen“.

Im Ältestenrat konnten wir uns am Dienstag nicht auf ein gemeinsames Thema verständigen, so dass ich nunmehr zur Begründung der Aktualität aufrufe. – Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Abgeordnete Gewalt. – Bitte sehr! Sie haben nach der Geschäftsordnung das Wort für fünf Minuten!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich braucht man die Aktualität des Themas „Hauptstadtsicherheit“ in diesen Tagen, insbesondere nach dem, was sich heute in einem Schweizer Kantonsparlament ereignet hat – –

Meine Damen und Herren! Ich habe auch gerade die Meldung erhalten. – Entschuldigen Sie, Herr Gewalt! – Ich verlese Ihnen ganz kurz die dpa-Meldung:

Ein Amokläufer hat heute im Regionalparlament des Schweizer Kantons Zug 14 Menschen getötet. Das teilte der Präsident des Schweizer Parlaments, Peter Hess, in Bern mit. Drei der Todesopfer seien Mitglieder der Zuger Kantonsregierung. Auch der Täter soll tot sein. 10 Menschen wurden verletzt.

Der Mann hatte sich mit einer Polizeiuniform getarnt. Er stürmte am Morgen in den Sitzungssaal des Kantonsrats und schoss mit einem Sturmgewehr und einer Pistole unter Beschimpfungen um sich. Möglicherweise zündete er auch eine Handgranate oder einen Sprengsatz. Augenzeugen berichteten von einem heillosen Durcheinander und viel Blut. Die Menschen hätten sich sofort auf den Boden geworfen.

Bei dem Täter handelt es sich um einen im Raum Zürich wohnenden Schweizer. Vor dem Gebäude entdeckte die Polizei ein Auto mit weiteren Waffen. Ebenso wurde ein Brief gefunden, in dem von einem „Tag des Zorns für die Zuger Mafia“ die Rede ist.

Offenbar steht die Tat im Zusammenhang mit einer Aufsichtsbeschwerde, die am Donnerstag im Kantonsrat abgewiesen wurde. Bei seiner Tat schrie der Mann zwischen den Schüssen Forderungen nach einer Behandlung seiner Beschwerde.

Ich denke, dass wir uns zu Ehren der Toten erheben!

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Ich danke Ihnen!

Herr Abgeordneter Gewalt, Sie haben das Wort!

Herzlichen Dank, Herr Präsident, für diese erklärenden Worte; allen Mitgliedern des Hauses waren diese furchtbaren Ereignisse sicher noch nicht bekannt. Sie begründen aber auch die Aktualität des Themas Hauptstadtsicherheit, das die CDU-Fraktion heute gewählt hat. Diese Aktualität springt uns in diesen Tagen geradezu ins Auge. Der Innensenator hat vor gerade mal drei Tagen erklärt, dass wegen der angespannten Sicherheitslage nach den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten die Polizei Schwierigkeiten bekommen könnte, die unabsehbare Zahl von Sicherheitsaufgaben in der Stadt zu bewältigen. Er hat angekündigt, die Bundesregierung im Spannungsfall zu bitten, erstmals in der Geschichte die Bundesrepublik

Deutschland nach Artikel 87 a des Grundgesetzes die Bundeswehr zur Gewährleistung der inneren Sicherheit der Hauptstadt einzusetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen in der Stadt diese Entwicklung außerordentlich besorgt macht und dass sie erwarten, dass das Berliner Parlament, dass ihr Parlament in einer so ernsten Situation zu den Fragen der inneren Sicherheit Stellung nimmt.

Stattdessen – das bedauere ich außerordentlich – will die rotgrüne Mehrheit hier heute dieses Thema beiseite schieben. Offensichtlich nicht, weil sie die Aktualität dieser dramatischen Ereignisse verkennt, sondern weil sie nicht dokumentieren will, dass Rot-Grün in Fragen der Terrorismusbekämpfung in Berlin in wesentlichen Fragen zerstritten ist. Der Innensenator weitet die Regelanfrage beim Verfassungsschutz im Rahmen der Einbürgerung deutlich aus, der grüne Koalitionspartner lehnt nicht nur die Ausweitung ab, sondern würde am liebsten die Regelanfrage ganz abschaffen. Polizei und Innensenator setzen auf die Rasterfahndung, von uns unterstützt, doch die Rasterfahndung bei der Terrorismusbekämpfung – die Grünen lehnen sie kategorisch ab. Dieses Durcheinander in der Sicherheitspolitik des rot-grünen Senats ist in der Tat in der gegenwärtigen Situation alles andere als erfreulich. Nur, dieses totzuschweigen, löst das Problem nicht. Deshalb verstehe ich Ihr Verhalten nicht.

In diesem Zusammenhang ein Wort zu Ihrer Informationspolitik, Herr Dr. Körting. Auf unsere Frage im Innenausschuss nach einer Erklärung zu der von Ihnen veranlassten Rasterfahndung haben Sie jede Auskunft mit dem Hinweis auf Geheimhaltung abgelehnt. Am gleichen Abend ist in der „Abendschau“ ein detaillierter Bericht zu eben dieser Rasterfahndung an der Technischen Universität zu sehen, mit der Wiedergabe von Anordnungen des Amtsgerichts Tiergarten. Also Herr Innensenator, verzeihen Sie, mit Geheimhaltung hat das nun wirklich nichts mehr zu tun. Der wahre Grund dürfte wohl eher darin liegen, dass Sie vermeiden wollten, dass im Innenausschuss deutlich wird, dass Sie sich in diesem Punkt Rasterfahndung von Ihrem grünen Koalitionspartner maßgeblich unterscheiden.

Und auch zu den vom Senat vollmundig angekündigten 13 Millionen DM für die Polizei hätten wir gern heute noch einmal in der Aktuellen Stunde nachgefragt. In Wahrheit ist es nämlich nur die Hälfte. Die restlichen 6,5 Millionen DM müssen aus dem Polizeihaushalt selbst erbracht werden, wie Sie wissen. Rechnet man nun noch die 12,5 Millionen DM ab, die Sie im Nachtragshaushalt gestrichen haben, gibt der rot-grüne Senat, Herr Dr. Körting, im Vergleich zu Ihrem Vorgänger, Herrn Werthebach, nicht 13 Millionen DM mehr, sondern 6 Millionen DM weniger aus; und das nach dem 11. September 2001. Das sind die nackten Tatsachen. Ihr ganzes Muskelspiel ist da – verzeihen Sie den Ausdruck – nichts weiter als eine Luftnummer.

Herr Innensenator! Wir haben Ihnen bei der Terrorismusbekämpfung unsere Unterstützung zugesagt. Bei Rasterfahndung und Regelanfrage können Sie sich im Gegensatz zu Ihrem Koalitionspartner auf die CDU-Fraktion verlassen.

[Dr. Zotl (PDS): Zur Aktualität!]

Wir erwarten dann aber auch, und auch die Berlinerinnen und Berliner, dass Sie mit Ehrlichkeit und Offenheit dieses Parlament informieren. Mit Ihrer Weigerung, diese Probleme hier heute zu debattieren, haben Sie eine Chance hierzu vertan.

Bereits in der nächsten Woche – die Ereignisse in der Schweiz zeigen dies – könnte dieses Haus schwere, vieleicht auch harte Entscheidungen zur inneren Sicherheit treffen müssen. Mit Blick auf Ihren Koalitionspartner und Teile Ihrer Fraktion, Herr Dr. Körting, hoffe ich, dass Sie wissen, was Sie tun. – Vielen Dank! [Beifall bei der CDU]

Für die Koalitionsfraktionen hat das Wort der Abgeordnete Cramer. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich die Aktuelle Stunde von SPD und Bündnis 90/Die Grünen begründe, möchte ich von dieser Stelle für beide Fraktio

(A) (C)

(B) (D)