Protocol of the Session on July 12, 2001

[Zurufe]

Die Redereihenfolge ist so. Sie sind die Antragstellerin? – Also, wenn Frau Helbig einverstanden ist, dann hat Frau Simon das Wort. –

[Heiterkeit bei der PDS]

Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen, dass die Abstimmung jetzt sicher wieder etwas unkomplizierter und übersichtlicher wird.

Ich mache es kurz. Ich möchte – was im Parlament sicher etwas ungewöhnlich ist und wozu ich bisher selten Gelegenheit hatte – mich hier einmal ausdrücklich öffentlich freuen, nämlich darüber, dass es uns gelungen ist, diese Anträge, die eben aufgerufen wurden, mit großer Einhelligkeit, mit einer deutlichen Mehrheit durch die Ausschüsse zu bringen und heute zur Abstimmung stellen zu können. Zwei Legislaturperioden hat es gebraucht, bis die PDS mit ihren Anträgen zur Mitgliedschaft Berlins im Netzwerk Gesunde Städte ähnlich wie Bündnis 90/

Grüne diese Mitgliedschaft durchsetzen konnte, von der ich glaube, dass sie für die Stadt Berlin große Vorteile bringen und – was sehr wichtig ist – bei der Umsetzung dieser Mitgliedschaft ein wesentlich erweitertes Bewusstsein für Gesundheitsförderung für diese Stadt und ihre Menschen bewirken wird.

[Beifall bei der PDS – Beifall der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]

Da auch die SPD in ihren Wahlprogrammen immer wieder diese Mitgliedschaft im Netzwerk Gesunde Städte festgeschrieben hatte, denke ich, hier nicht mehr große Überzeugungsarbeit leisten zu müssen.

Wichtig ist, dass wir in Berlin schon viele Bezirke – Ost wie West – haben, die seit Jahren Mitglied in diesem Netzwerk sind. Sie mussten in ihrer Arbeit, die sehr vielfältig und sehr basisorientiert ist, unter Einbeziehung der Menschen vor Ort, immer wieder feststellen, dass es bestimmte Fragestellungen gab, die sie mit Blick auf bezirkliche Kompetenzen und Möglichkeiten einfach nicht lösen konnten. Dazu gehören wesentliche Fragen des Verkehrs, der Umwelt, der Bauwirtschaft. Wir erhoffen uns von der Mitgliedschaft Berlins als Ganzes, dass es in Zukunft für die Bezirke leichter wird, bestimmte Probleme, bei denen sie auf die Stadt und ihre Zustimmung angewiesen sind, zu lösen. Zum anderen hoffen wir, dass in Berlin eine Auflage, die mit dieser Mitgliedschaft verbunden ist, aktiv und nachhaltig umgesetzt wird, nämlich bei allen Planungen über alle Ressorts hinweg immer Gesundheit, Gesundheitsförderung und Wohlbefinden mitzudenken. Selbst der CDU dürfte es jetzt leicht fallen zuzustimmen, nachdem Herr Branoner vorhin so ein lebhaftes Bekenntnis zur Nachhaltigkeitspolitik abgelegt hat, denn auch Nachhaltigkeitspolitik ist eine Politik der Gesundheitsförderung. Ich hoffe, dass die CDU mit Blick auf dieses Ziel der Nachhaltigkeit diesen Anträgen, die heute zur Abstimmung vorliegen, die Zustimmung nicht verweigert. Ich jedenfalls bin froh, dass wir es nach zwei Legislaturperioden und beharrlicher Arbeit von Seiten der Opposition geschafft haben, das hier heute zur Abstimmung stellen zu können.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Beifall des Abg. Momper (SPD)]

Für die Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Helbig das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich kurz fassen und noch einige Ergänzungen zu den Ausführungen der Kollegin Simon machen. Vielleicht noch etwas zur Erläuterung, weil nicht alle unbedingt jeden Tag mit dem Thema zu tun haben: Die Weltgesundheitsorganisation hat die gesunde Stadt als eine Leitlinie der Stadtpolitik definiert. Daran zu arbeiten ermöglicht, die physischen und sozialen Lebensbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern und ihnen die Voraussetzungen für die Entfaltung gemeinschaftlicher Aktionen zu geben.

In den vergangenen Jahren – das hat Frau Simon gerade erwähnt – haben bereits mehrere Berliner Bezirke ihren Beitritt zum Gesunde-Städte-Netzwerk erklärt und entsprechende Konzepte entwickelt. Es ist nun aber an der Zeit, dass Berlin als europäische Metropole durch seinen Beitritt das Signal gibt, dass wir uns alle den Zielen des Gesunde-Städte-Netzwerks verpflichtet fühlen. Um ressortübergreifend eine gesundheitsfördernde Politik für ganz Berlin zu entwickeln, müssen alle Beteiligten wie auch Krankenkassen, die Wirtschaft und bestehendes Bürgerengagement an einen Tisch. Dazu können auch künftig die angedachten regionalen Gesundheitskonferenzen ihren Beitrag leisten.

Wir wollen mit der Unterstützung dieses Antrags erreichen, dass der Senat bereits vorhandene Kompetenz in diesem Bereich bündelt und zu einem Konzept aus einem Guss zusammenführt, ohne mit überzogener Bürokratie eine zweite Ebene einzuziehen. Wir bitten daher, dieses weltoffene Signal zu unterstützen und dem Antrag zuzustimmen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Jantzen das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich gut. Jahrelang haben Bündnis 90/Die Grünen und die PDS – namentlich Herr Köppl – in diesem Hause dafür gestritten, dass Berlin als Ganzes dem Gesunde-Städte-Netzwerk beitritt. Neue Mehrheiten machen neue Entscheidungen möglich. Ich freue mich sehr, dass wir heute beschließen, dass Berlin dem Gesunde-Städte-Netzwerk beitritt.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ich werde es Ihnen ersparen, Sie noch einmal aufzuklären, was es bedeutet. Das haben mir Frau Simon und Frau Helbig abgenommen. Wir haben auch in der nächsten Legislaturperiode noch sehr viel damit zu tun, das umzusetzen, was jetzt als Leitlinie für eine gesunde Stadt anerkannt wird. Wir werden uns in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass es diesen Absichtserklärungen des Senats besser ergeht als den Leitlinien, die wir bisher verabschiedet haben. Ich denke da an die Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt, für eine barrierefreie Stadt und für die Seniorenpolitik. Wir werden uns dafür einsetzen, damit Berlin für Alt und Jung lebenswert bleibt bzw. wird.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen Stimmen und bei Stimmenthaltungen der CDU die Annahme der Anträge in neuer Fassung. Wer so gemäß der Beschlussempfehlung Drucksache 14/1421 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei einer Gegenstimme und vielen Stimmenthaltungen ist dies mit Mehrheit so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 16 E, Drucksache 14/1423:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport vom 5. Juli 2001 zum Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD über Verschuldung von Kindern und Jugendlichen entgegen wirken, Drucksache 14/1223

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Antrags unter Änderung des Berichtsdatums in „31. Dezember 2001“. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dies einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 16 F, Drucksache 14/1426:

Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 11. Juni 2001 und des Hauptausschusses vom 4. Juli 2001 zum Antrag der Fraktion der PDS über Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma, Drucksache 14/471

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig bei mehreren Enthaltungen der Fraktion der CDU die Annahme des Antrags mit Änderungen, die Sie bitte der Drucksache 14/1426 entnehmen. Über diese Drucksache lasse ich jetzt abstimmen. Wer also der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei einer Gegenstimme und vielen Stimmenthaltungen ist dies mit Stimmen von SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 16 G, Drucksache 14/1427:

Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport vom 21. Juni 2001 und des Hauptausschusses vom 4. Juli 2001 zum Antrag der Fraktion der Grünen über therapeutische Versorgung schwerstmehrfach behinderter Kinder in den Schulen sicherstellen, Drucksache 14/1013

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Es ist eine Beratung gewünscht. Für die Fraktion der CDU beginnt der Abgeordnete Schlede. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden dieser Beschlussempfehlung nicht zustimmen. Der Grund ist relativ einfach. Sie entspricht nicht mehr der Fassung des Antrags der Grünen, den wir favorisieren.

[Frau Jantzen (Grüne): Das ist Ihnen zu verdanken, Herr Schlede!]

Der ursprüngliche Antrag lautete:

Der Senat wird aufgefordert, die für die Beschulung schwerstmehrfach behinderter Kinder notwendige therapeutische Versorgung in den öffentlichen Schulen sicherzustellen.

Dieser Antrag wird jetzt dahin gehend verändert, dass man den Senat auffordert, bis zum 31. Dezember 2001 ein Konzept vorzulegen. Das entspricht einem sogenannten Prüfbericht. Das ist uns für die Versorgung schwerstmehrfach behinderter Kinder ausdrücklich zu wenig. Und das auch angesichts der Tatsache, dass der Senat jüngst erst beschlossen hat, beispielsweise für die Integration 60 zusätzliche Stellen im Bereich der Sekundarstufe I zu schaffen. Da kommen die schwerstmehrfach Behinderten deutlich zu kurz.

Auf Grund einer Kleinen Anfrage, die ich jüngst gestellt habe und die mir im Juni beantwortet wurde, hat sich herausgestellt, dass der Senat im Rahmen der Einzel- und Klassenintegration etwa 79 Prozent der Mittel für Lernbehinderte und Verhaltensgestörte ausgibt. Es gibt also auch in diesem Bereich nur ca. 25 Prozent für die sonstigen Behinderten einschließlich schwerstmehrfach Behinderter aus. Das ist nach unserer Auffassung ein krasses Missverhältnis. Man hätte vorher prüfen müssen, wie die Versorgung der schwerstmehrfach Behinderten ist. Diese scheint aus finanziellen Gründen in Frage gestellt zu sein – im Vergleich zu denen, die offensichtlich überversorgt sind.

Ich musste statt dessen aus der Antwort entnehmen, dass eine kontinuierliche Erfassung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Verlauf ihres zehnjährigen Bildungsgangs nicht erfolgt ist. Bei insgesamt 760 Schülerinnen und Schülern des 6. Jahrgangs hat man nach sechs Jahren Förderung festgestellt, dass nur bei ca. 22 Prozent der Übergang auf die normale Schule möglich ist, während bei mehr als 50 Prozent nach wie vor ein Förderbedarf mit Empfehlung auf Fortsetzung des Schulbesuchs in integrativen Maßnahmen vorhanden ist. Wir finden, dass dieses Missverhältnis, das leider zu Ungunsten der schwerstmehrfach Behinderten geht, schnell beseitigt werden sollte. Deswegen stimmen wir dem Ursprungsantrag der Grünen zu und verweigern dem nun verwässerten Antrag unsere Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der SPD hat die Abgeordnete Neumann das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. Bildung kann sehr unterschiedliche Dinge bedeuten. Für schwerstmehrfach behinderte Kinder heißt das zum Teil schlicht, das Essen und Schlucken zu erlernen. Herr Schlede, Sie sollten ein

mal eine solche Schule besuchen. Wer dieses getan hat, der weiß, dass dies auch besondere Aufgaben und Belastung für das Lehrpersonal mit sich bringt. Dieses verdient unseren besonderen Dank. [Beifall bei der SPD]