Protocol of the Session on July 12, 2001

Familien bedürfen der positiven Unterstützung durch die Politik insbesondere bei der Gewährleistung der Vereinbarkeit von Familie, Berufstätigkeit und Familienarbeit. Der Nachtragshaushalt nimmt keine Veränderung an der Finanzierung der Kindertagesstätten in kommunaler oder freier Trägerschaft vor. Alle Eltern, die das wünschen, können wie bisher die Bildungs- und Betreuungsangebote der Berliner Kitas für ihre Kinder in Anspruch nehmen. Es bleibt Aufgabe der Bildungspolitik, in den kommenden Jahren auch angesichts der immer flexibleren Arbeitszeiten der Eltern die ganztägigen Betreuungsangebote an Schulen und Kindertagesstätten auszubauen. Nur so werden wir ein Klima schaffen, dass jungen Menschen mehr Mut zur Familie macht.

Trotz der finanziellen Engpässe sind an den Familien- und Erziehungsberatungsstellen, an den Ausgaben für Jugendarbeit und an den Programmen für Demokratie und gegen rechte Gewalt keine Abstriche gemacht worden.

[Beifall bei der SPD]

Berlin muss täglich 11 Millionen DM Zinsen zahlen – ein Betrag, für den man täglich fünf Schulen sanieren könnte.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Obwohl uns diese Mittel fehlen, Herr Niedergesäß, hält die Koalition am ehrgeizigen Ziel fest, weiterhin mit 100 Millionen DM jährlich die Schulen und Sportstätten zu sanieren.

[Beifall bei der SPD]

Herr Niedergesäß, das müssten Sie als Baupolitiker schon aus diesem Grunde begrüßen und loben.

[Niedergesäß (CDU): Das hat die große Koalition beschlossen! Olle Kamellen!]

Intakte und gepflegte Sportstätten sind für die Freizeitbetätigung junger Menschen, aber auch für die Gesundheit aller unverzichtbarer Bestandteil städtischer Infrastruktur. Mit dem Nachtragshaushalt wird das aufgelaufene Defizit der Berliner BäderBetriebe in Höhe von 27 Millionen DM ausgeglichen. Wir wünschen dem Senat und den Verantwortlichen bei den Bäderbetrieben eine glückliche Hand bei der Weiterentwicklung dieser Betriebe zu einem erfolgreichen Dienstleister.

Der neue Senat und die Koalition haben die Verantwortung für Berlin übernommen, und das ist gut so.

[Beifall bei der SPD – Niedergesäß (CDU): Das ist schlecht!]

Erstens: Mit einer klugen Finanzpolitik setzen wir die Steuermittel zielgenauer ein und senken die Ausgaben. Herr Niedergesäß, weil Sie immer von „ollen Kamellen“ reden: Das Besondere an der neuen Situation ist, dass jetzt Finanzsenatorin und Regierender Bürgermeister an einem Strang ziehen – in die gleiche Richtung. Das konnte ich vorher nicht immer feststellen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Zweitens: Mit einer dynamischen Wirtschaftspolitik erhöhen wir die Einnahmen durch Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Drittens: Mit einer modernen und durchgreifenden Bildungspolitik erfüllen wir die Voraussetzungen für eine Wissensgesellschaft und sichern den Berliner Betrieben gut ausgebildete und leistungsstarke Arbeitskräfte.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, dem Nachtragshaushalt zuzustimmen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Nolte, für Ihren Bericht!

Bevor ich Herrn Hoff zu seinem Redebeitrag auffordere, möchte Sie noch einmal daran erinnern, die Handys bitte auszuschalten. Auch wenn Sie sie stumm schalten, stört das die Regie nach wie vor. Wir sehen und merken das. Bitte, achten Sie darauf! Die Wirkung der Handys auf unsere technischen Anlagen ist hinreichend bekannt.

Das Wort hat nun Herr Hoff. – Nach unserer Rechnung haben Sie noch eine Redezeit von 16 Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon verblüffend, wenn man einerseits über Bildungspolitik als dem zentralen Politikfeld dieser Stadt redet und die CDU-Fraktion sich hier zur großen Bildungspartei stilisieren will, interjection: [Niedergesäß (CDU): Wir sind das!]

aber an Vorschlägen in der Debatte um den Nachtragshaushalt eigentlich überhaupt nichts kommt und als weitere Politikvorschläge nur Ideen kommen, die lediglich wohlfeile Erklärungen sind. Denn finanziert sind diese nicht. Schaut man sich die Überlegungen zum Zukunftsfonds an, so heißt es nur: Weiterfinanzieren! – Einen realistischen Gegenfinanzierungsvorschlag gibt es nicht.

Informatiklehrstühle sollen neu eingerichtet werden, so lautet eine andere Forderung. Ich sehe an dieser Stelle davon ab, dass man einmal diskutieren müsste, ob das in dieser Weise über

haupt sinnvoll ist oder ob man zu dem Vorschlag kommen sollte, den man im Parlament – im Übrigen auf Initiative der PDS – länger diskutiert hatte, nämlich dass man schaut, wie man durch Kooperationsstrukturen eine bessere Ausstattung in der Informatikausbildung auch fächerübergreifend hinbekommen kann. Damit würde man nicht nur eine bessere Informatikausbildung, sondern auch eine multidisziplinäre bzw. interdisziplinäre Ausbildung erreichen. Man könnte damit zu einem Zustand kommen, wo über die Fachdisziplinen hinweg Diskurse initiiert werden, aus denen dann Wissen und neue Ideen kommen, die wiederum vielleicht auch durch Ausgründungen zu neuen Unternehmensstrukturen führen. Sie bleiben hier zurück. „Finanzieren, finanzieren!“ – das ist das Einzige, was Sie hierzu vorschlagen, aber eine Gegenfinanzierung haben Sie nicht.

Statt dessen sagt die CDU: „Für Wissen muss man auch einmal Schulden aufnehmen können.“ – Wir haben Schulden aufgenommen, 10 Milliarden DM insgesamt. Das Problem ist aber, dass wir sie nicht für Wissen oder Innovationen aufnehmen können, sondern wir haben sie wegen der Bankenkrise aufnehmen müssen.

[Ha! von der CDU – Weitere Zurufe von der CDU]

Selbst wenn wir die Wahl gehabt hätten, Schulden für Wissen aufzunehmen oder nicht, hätten wir es nicht gemacht, weil wir der Auffassung sind, dass Schuldenaufnehmen nicht Zukunftsfähigkeit realisiert, sondern die Zukunftsfähigkeit einer Stadt wie Berlin – insbesondere in der aktuellen Haushaltssituation – in Frage stellt. Man muss vielmehr aus den vorhandenen Potentialen die Möglichkeiten für Wissen initiieren.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen – Abg. Gräff (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gräff?

Welches Abgeordneten?

Des Abgeordneten Gräff! Er ist noch deutlich jünger als Sie, aber Sie müssten ihn trotzdem kennen.

Ja, das ist der wirtschaftspolitische Sprecher. Ich habe ihn schon gehört.

Herr Gräff, Sie haben das Wort!

Herr Abgeordneter Hoff! Sind Sie nicht auch der Meinung, dass bestimmte Investitionen in die Zukunft vielleicht auch Steuereinnahmen und Arbeitsplätze nach sich ziehen?

[Gaebler (SPD): Das haben wir jetzt oft genug gehabt!]

Das kann durchaus möglich sein. Aber ich gebe Ihnen einmal folgende Antwort: Eine Gewerbesteuerabsenkung, wie die CDU sie fordert – Sie sind ja der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion –, ist angesichts der aktuellen Haushaltssituation keine sinnvolle Wirtschaftspolitik. Wenn Sie mir solche Fragen stellen, überlegen Sie, welche Wirtschaftspolitik Sie machen. Ich bin bei dem gleichen Punkt, bei dem ich eben war: Sie machen Vorschläge, die in der aktuellen Haushaltssituation unrealistisch sind. Eine Gewerbesteuersenkung ist in Berlin aberwitzig.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Niedergesäß (CDU): Das kapiert ihr sowieso nie! – Zuruf der Frau Abg. Greiner (CDU)]

Wenn man sich anschaut, was im Bereich der Bildung und Innovation gemacht werden muss, sind wir bei folgender Situation: Man muss sich den gesamten Bildungs- und Innovations

prozess anschauen. Das heißt, wir fangen an beim Schulbereich, gehen über Wissenschaft und Forschung bis hin zu den Bereichen, die die Wirtschaft und Innovation betreffen.

Schaut man sich den Schulbereich an, so ist in diesem Nachtragshaushalt im Rahmen dessen, was das Land Berlin realisieren kann, einiges erreicht worden. Kollege Nolte, mein Vorredner, hat darauf schon hingewiesen. Im Bereich Integration sind 60 neue Lehrerinnen- und Lehrerstellen geschaffen worden. In der Grundschule ist Stabilität und ein guter Einstieg besonders wichtig, und für die verlässliche Halbtagsgrundschule sind weitere 50 Stellen realisiert worden. Schließlich sind zur Absenkung von Klassenfrequenzen in den sozial besonders schwer betroffenen Bereichen wiederum 30 neue Stellen für Lehrer bzw. Lehrerinnen und Erzieher bzw. Erzieherinnen realisiert worden.

Wenn die These von der Wissensgesellschaft stimmt und es zutrifft, dass Bildungsaneignung für das Fortkommen in Beruf und weiterem Leben von unglaublich großer Wichtigkeit ist, so ist der Zugang zur Bildung die zentrale Frage einer Politik der sozialen Gerechtigkeit. Wenn in den zentralen sozial betroffenen Bereichen die Zugänge zur Bildung und die Bildungsaneignung gerade für die sozial Benachteiligten verbessert werden, dann ist das eine Form einer Politik der sozialen Gerechtigkeit, der wir als PDS-Fraktion zustimmen können.

[Beifall bei der PDS – Niedergesäß (CDU): Ihr habt es auch nötig!]

Das ist richtig. Eine Politik der sozialen Gerechtigkeit, Herr Niedergesäß, ist in dieser Stadt sehr wohl nötig. Nach der Politik der CDU, die wir hier in den letzten Jahren erlebt haben, ist eine Politik der sozialen Gerechtigkeit sehr nötig, und die unterstützen wir auf jeden Fall.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Dann sind wir beim Bereich von Wissenschaft und Forschung: Mit der Idee der Hochschulverträge – das Copyright liegt hierbei in der Tat beim ehemaligen Wissenschaftssenator Peter Radunski – hatten wir als PDS-Fraktion anfangs durchaus Berührungsschwierigkeiten, denn sie realisieren für die Hochschulen zwar Planungssicherheit, aber dies im Status der Unterfinanzierung. Das halten wir politisch in einer Stadt, deren hauptsächliche ökonomische Ressource Wissenschaft und Forschung sind, für ein Problem. Der Punkt ist aber, dass man das in der aktuellen Haushaltssituation nicht von einem Tag auf den anderen ändern kann. Und die Tatsache, dass seit 1997 die Hochschulen zwar erhebliche Konsolidierungsleistungen erbracht haben, aber dafür aus dem willkürlichen Kürzungskarussell herausgenommen wurden und damit Planungssicherheit auf dem Status der Unterfinanzierung erhalten haben, ist ein zentraler Fortschritt. Aus diesem Grund werden wir der Verlängerung der Hochschulverträge in dieser heute vorliegenden Form unsere Zustimmung geben.

[Beifall des Abg. Liebich (PDS)]

Diesen Hochschulverträgen geben wir auch deshalb unsere Zustimmung, weil sie aus unserer Sicht Fortschritte realisieren, die es in den vergangenen Jahren so nicht gegeben hat und die wir nur unterstützen können. Es gibt auf Bundesebene die Initiative für eine Hochschuldienstrechtsreform. Klar ist, dass das althergebrachte Professorinnen- und Professorenwesen überarbeitet werden muss. Klar ist, dass es neue Strukturen braucht, dass wir auch mehr jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen und dass man ihnen den Einstieg erleichtern muss. Wenn das Land Berlin vor dem Hintergrund seiner Haushaltssituation 50 Millionen DM für ein Professorenerneuerungsprogramm zur Verfügung stellt, dann finden wir das unterstützenswert. Genauso unterstützenswert, wie wir die Frauenförderung an Hochschulen finden, die ein ganz zentraler Aspekt der Verträge geworden ist. Nicht aus Barmherzigkeit, nein, sondern deshalb, weil Frauen an den Hochschulen ein Leistungs- und Qualitätsfaktor sind und weil die Förderung von Frauen an den Hochschulen, in einer Situation, in der wir eine Pyramide haben – unten ein immer größer werdender Teil von Frauen, die an die Hochschulen kommen, und oben ein immer geringer werdender