Protocol of the Session on June 28, 2001

Ich zitiere den CDU-Abgeordneten Borgis:

Es ist ein schwerer Fehler, wenn einige Zehlendorfer aus sehr vordergründigen Motiven der CDU schaden.

So geschrieben in der „Welt“ von vorgestern. Die notwendige Schlussfolgerung für Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, müsste allerdings sei: Es ist ein schwerer Fehler, wenn sich die CDU-Fraktion wegen dieser Motive schnellen Neuwahlen widersetzt und damit der Demokratie schadet.

[Beifall bei der SPD]

Noch einmal: Es gibt kein Gezerre um den Wahltermin. Es gibt offensichtlich Einvernehmen zwischen allen Fraktionen, dass vorzeitig gewählt werden soll. Es gibt eine große Übereinstimmung, in diesem Hause und in der Stadt, dass dies möglichst früh – spätestens am 23. September – sein sollte.

[Adler (CDU): Das stimmt nicht – 21. Oktober!]

Eine Einigung wird nicht von der Mehrheit dieses Hauses blokkiert, sondern von der CDU-Fraktion, die in einer Trotzecke steht und da offensichtlich nicht herauskommen will. Wenn Sie wirklich für Neuwahlen sind, meine Damen und Herren von der CDU, und eine entsprechende Entscheidung des Parlaments herbeiführen wollen, dann akzeptieren Sie als Demokraten auch die Mehrheitsentscheidung hinsichtlich des Termins, und stimmen Sie mit uns für die vorgelegte Resolution!

[Bohm (CDU): In die Verfassung schauen!]

Die SPD wird sich nicht beirren lassen. Wir wissen, dass die Menschen in der Stadt schnelle Neuwahlen wollen.

Wenn die CDU aus Prestigegründen nicht den 23. September akzeptieren will: Die SPD ist auch bereit, schon früher zu wählen. Für einen Wahltermin am 9. September müsste das Parlament am 16. Juli den Neuwahlbeschluss fassen. Das können wir hier und heute beschließen, wenn Sie sich dazu eindeutig erklären.

Wir fordern alle auf, den Wählerinnen und Wählern schnell das Wort zu geben. Eines muss aber heute als klare Botschaft von diesem Parlament ausgehen: Keine weiteren Verzögerungen, Neuwahlen jetzt, spätestens am 23. September.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gaebler! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt Alexander Kaczmarek das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident!

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Da brauchen Sie von der linken Seite des Hauses keine Sorge zu haben! – Wir reden heute über den Termin für Neuwahlen, wohlgemerkt nicht über das „Ob“. Diejenigen, die das hier von der linken Seite des Hauses beantragt haben, müssen sich allerdings auch fragen lassen, ob das Plenum der geeignete Ort für Termindiskussionen ist. Daran habe ich meine Zweifel.

[Beifall bei der CDU – Klemm (PDS): Sie haben doch selbst einen Antrag gestellt!]

Eines ist klar, und da sind sich alle Fraktionen einig: Es müssen schnellstmöglich Neuwahlen stattfinden. Nach der farb- und schwunglosen Regierungserklärung des neuen Regierenden Bürgermeisters kann ich für die CDU-Fraktion deutlich sagen: Wir wollen den Berlinerinnen und Berlinern schnellstmöglich die Gelegenheit geben, der SPD die Quittung für ihren Wortbruch, diesem Senat die Quittung für seine Handlungsunfähigkeit und SPD und Grünen die Quittung für ihr skrupelloses Zusammengehen mit der PDS zu geben. Das wollen wir in der Tat.

[Beifall bei der CDU]

Wie weit Sie damit schon sind, haben Sie heute mit Ihren wortgleichen Anträgen dokumentiert. Es ist ja nett und zartfühlend von der PDS, dass sie immerhin noch einen eigenen Briefkopf verwenden; ansonsten sind Sie sich inhaltlich offenbar schon so nah, dass Sie die Texte eins zu eins übernehmen.

[Frau Oesterheld (Grüne): Den Termin!]

Das Parlament diskutiert heute über den richtigen Termin. Wir reden hier in der kostbaren Zeit der Aktuellen Stunde über Terminfragen. Ich habe mich heute, auch bei der Diskussion, die wir im Vorhinein geführt haben, gefragt, ob es nicht Dinge in dieser Stadt gibt, die es wert wären, vorrangig in diesem Parlament besprochen zu werden.

[Beifall bei der CDU]

Während wir in diesem Plenum über Terminfragen diskutieren, kämpfen draußen Berlinerinnen und Berliner um ihre Arbeitsplätze, ob das bei ADtranz oder bei Krupp ist.

[Beifall bei der CDU]

Bürger dieser Stadt kämpfen um ihre Existenz. Das Einzige, was der linken Seite dieses Hauses dazu einfällt, ist eine Debatte um vier Wochen mehr oder vier Wochen weniger.

[Beifall bei der CDU]

Auch das müssen Sie sich sagen lassen: Die Schuldenuhr tickt weiter, die Finanzkrise verschärft sich weiter, und das Einzige, was Ihnen dazu einfällt, ist ein Streit um vier Wochen. Sie haben nicht begriffen, was die Menschen in dieser Stadt wirklich brauchen. Wo sind Ihre Antworten auf die drängenden Fragen der Menschen in dieser Stadt? Sie haben keine Antworten. Sie verschanzen sich hinter dem Scheinproblem des Wahltermins. Aber ich sage Ihnen deutlich: Die Menschen in dieser Stadt interessieren Ihre taktischen Spielchen nicht. Sie wollen Antworten auf die wirklichen Fragen, und davor wollen Sie sich drücken. Abbauen, bremsen, verhindern, vertagen, aussitzen und Parteiklientel versorgen, das ist das wahre Programm des Übergangssenats.

Ihre Kraft reicht gerade noch aus, Herrn Köppl ohne jede Ausschreibung zu einem hoch dotierten Beamten zu machen. Da kann er dankbar sein, dass er eine Sekunde vor dem Einstellungsstopp noch in den sicheren Schoß des öffentlichen Dienstes gerutscht ist. Das Glück haben viele Menschen ohne grünes Parteibuch nicht. [Beifall bei der CDU]

Ansonsten fällt Ihnen zu jeder inhaltlichen Frage nur ein: Wir sind ja hier nur der Übergangssenat. Sie haben gestern weder eine Antwort auf die Fragen nach einem Konzept für die Messe geben können, noch können Sie beantworten, welche Vermögensgeschäfte Sie weiter verfolgen können, noch wollen Sie ein Sanierungskonzept vorlegen. Sie denken gar nicht daran, einen Haushaltsplan 2002 zu erarbeiten und vorzulegen. Wozu haben Sie diese Senatoren und diesen Senat eigentlich gewählt? Die

Sitzungen des Abgeordnetenhauses hätten diese Damen und Herren auch von der Zuschauertribüne verfolgen können. Das wäre für den Steuerzahler billiger gewesen.

[Beifall bei der CDU]

Ihr Zauberwort, mit dem Sie sich jeder inhaltlichen Auseinandersetzung entziehen wollen, heißt Neuwahlen. Mit ihrem Verhalten verletzen die Senatoren ihren Amtseid. Und wenn sie nur zwei Wochen im Amt wären: Diese Stadt hat keine Zeit, um zu warten, wie eine Regierung Wahlkampf aus dem Dienstwagen macht und die drängenden Probleme liegen bleiben.

[Frau Simon (PDS): Dank Ihrer!]

Ihre Standardantwort ist: Wir bereiten hier nur Neuwahlen vor. – Das habe ich heute mehrfach gehört. Verschonen Sie uns doch bitte mit diesem Märchen. Um Neuwahlen vorzubereiten, hätten Sie keinen neuen Senat wählen müssen. Dafür reicht der Landeswahlleiter aus.

[Beifall bei der CDU]

Ich frage mich das mal ernsthaft: Wie bereitet die neue Kultursenatorin denn Neuwahlen vor? Indem der Chor der Staatsoper im Wahllokal singt? Ihre Argumente klingen so hohl wie die große Kesselpauke der Berliner Philharmoniker.

Die Wahrheit ist: Sie führen seit Anfang dieses Jahres einen knallharten Wahlkampf. Als wir noch an die Fortsetzung der großen Koalition glaubten und dafür gearbeitet haben, hatte sich die SPD schon für den Wahlkampf aufgestellt. Der geplante Gipfelpunkt sollte nun der 23. September sein – übrigens der einzige konkrete Punkt in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung.

Warum gerade der 23. September? – Das will ich Ihnen sagen: Sie haben Angst vor den Wahlen in Hamburg am 23. September, und das zu Recht. Sie wissen, dass die SPD dort die Quittung bekommen wird für ihr Versagen bei der inneren Sicherheit. Dieses Desaster vor Augen, versuchen Sie nun alles, um den Wahltermin noch vor die Hamburgwahl zu schieben. Das ist ein Spiel, das wir nicht mitmachen werden.

[Beifall bei der CDU]

Großherzig bietet Herr Strieder dann noch zwei frühere Termine an. Vielen Dank, Herr Strieder! Wir werden nicht in der Sommerpause einen Wahlkampf unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen. [Beifall bei der CDU – Zuruf der Frau Abg. Merkel (SPD)]

Und vielen Dank, Herr Strieder, wir werden auch nicht an Gesetzen und Verordnungen manipulieren, nur um Herrn Münteferings Wunschtermin durchzusetzen. Da haben Sie uns nicht an Ihrer Seite. Sie mögen sich von Münteferings Baracke fernsteuern lassen, wir nicht. [Beifall bei der CDU – Zuruf der Frau Abg. Merkel (SPD)]

Das sei auch deutlich gesagt, gerade wo Sie so laut schreien: Die Zeiten, wo die SPD uns Bedingungen gestellt hat, sind ein für alle Mal vorbei.

[Ja! und starker Beifall bei der CDU]

Sie haben in den vergangenen Monaten das Stöckchen immer ein bisschen höher gehalten. Wir sind Ihren Forderungen nach einem Nachtragshaushalt und nach strukturellen Einsparungen nachgekommen, die Sie dann gar nicht zur Kenntnis nehmen wollten.

[Cramer (Grüne): Gelten die nun noch oder nicht?]

Sie können nicht erwarten, dass wir Ihnen auch nur noch einen einzigen Wunsch erfüllen und schon gar keinen Wunsch, der das Wahlverfahren einer rechtlichen Anfechtbarkeit aussetzt oder die Chancengleichheit zwischen den Parteien verletzt.

Machen Sie sich bitte keine Illusionen: Wir sind keine Statisten in Münteferings Schmierentheater. Sollten Sie wirklich zum 2. August eine Sondersitzung zur Auflösung des Parlaments beantragen, wird die CDU-Fraktion nicht daran teilnehmen.

[Beifall bei der CDU]