Protocol of the Session on May 31, 2001

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 27. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sehr herzlich.

Ich habe zu Beginn der Sitzung einiges Geschäftliches mitzuteilen: Die Fraktion der PDS hat ihren A n t r a g über Zusätzliche Forderungen an die Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes – AHG –, D r u c k s a c h e 14/374, für erledigt erklärt und damit z u r ü c k g e z o g e n.

Am Montag sind zum gleichen Zeitpunkt drei A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU zum Thema: „Auswirkungen der Bankenkrise auf den Berliner Haushalt“, 2. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „Konsequenzen der Bankenkrise für Berlin“, 3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Bankenkollaps, Haushaltsnotstand – Diepgen muss Verantwortung übernehmen!“

Im Ältestenrat haben wir uns darauf verständigt, dass die Aktuelle Stunde heute auf Antrag der Koalitionsfraktionen aufgerufen wird. Diese Aktuelle Stunde wird verbunden beziehungsweise beginnt mit einer Erklärung des Regierenden Bürgermeisters gemäß Artikel 49 Absatz 3 der Verfassung von Berlin. Die näheren Einzelheiten gebe ich mit Aufruf des Tagesordnungspunkts 1 A bekannt.

Das Thema der Aktuellen Stunde des Bundestages am heutigen Tag wird ebenfalls die Problematik der Berliner Bankgesellschaft sein. Für den hierfür von Berlin erwarteten Redebeitrag hält es der Regierende Bürgermeister für sinnvoll, dass er von Senator Kurth übernommen wird. Er bittet daher, S e n a t o r K u r t h für die heutige S i t z u n g d e s A b g e o r d n e t e n h a u s e s ab 14.30 Uhr für etwa 45 Minuten zu e n t s c h u l d i g e n.

Wir kommen dann zur

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Zu Beginn der Fragestunde und vor Aufruf der ersten Frage habe ich Ihnen wieder einen Vorschlag zu unterbreiten, nämlich die Fragen 2, 3 und 4, die sich jeweils mit dem Flugzeugabsturz im Bezirk Neukölln befassen, gemeinsam aufzurufen und beantworten zu lassen. Wie immer haben dann die Fragesteller das Recht auf zwei Nachfragen, und insgesamt stehen den übrigen Abgeordneten dann auch zwei zusätzliche Nachfragen zur Verfügung.

Dieses Verfahren schlage ich Ihnen auch für die Fragen 5 und 6 vor, die beide die Sanierung des Brandenburger Tors zum Thema haben. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich bitte die Abgeordneten Herrn Gaebler, Frau Matuschek und Herrn Cramer sowie Frau Kasten und Frau Dr. Neef, sich entsprechend darauf einzustellen.

Das Wort zur ersten Frage hat der Abgeordnete Braun von der CDU-Fraktion zu einer Mündlichen Anfrage über

Gedenkveranstaltung zum 40. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Aktivitäten plant der Senat zum 40. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August?

2. Ist dem Senat bekannt, ob auch die Bundesregierung des Jahrestags gedenken wird?

Wer antwortet für den Senat? – Herr Senator Stölzl!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Ich antworte im Namen des Senats wie folgt:

Erstens: Das Land Berlin wird aus Anlass des 40. Jahrestages des Mauerbaus am 13. August folgende Veranstaltungen durchführen:

−am Montag, dem 13. August, 10 Uhr: Kranzniederlegung an der Peter-Fechter-Stiege durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin −10.30 Uhr: Eröffnung der Ausstellung zum Mauerbau an der Bernauer Straße 111 durch den Regierenden Bürgermeister – diese neu gestaltete Ausstellung −11 Uhr: Gedenkveranstaltung auf dem Gelände der Kapelle der Versöhnung in der Bernauer Straße 4 mit anschließender Kranzniederlegung an der Gedenkstätte Berliner Mauer in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters

Am Vorabend des Mauerbaus, am 12. August 2001, zwischen 19 und 22 Uhr, findet an der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße eine vom Land Berlin initiierte öffentliche Großveranstaltung zum 40. Jahrestag des Mauerbaus statt.

Neben diesen offiziellen Veranstaltungen gibt es eine Vielzahl von wissenschaftlichen und kulturellen Gedenkveranstaltungen. Gut 50 Bildungsträger, Gedenkstätten, Forschungseinrichtungen, Opferverbände und Gedenkinitiativen erinnern in über 100 Veranstaltungen in der Zeit von Mai bis Ende Oktober an den Mauerbau vor 40 Jahren. Die Veranstaltungsfolge ist zusammengefasst in dieser Broschüre, die Sie in Ihren Fächern gefunden haben sollten.

Wer sich über das Internet informieren will, der kann die gesamte Fülle der Veranstaltungen, auch die neu hinzukommenden spontanen, unter www.13.August.de laufend aktualisiert finden.

Zu 2: Laut Auskunft des Protokollchefs des Bundesministeriums des Innern plant die Bundesregierung keine eigenen Veranstaltungen am 13. August 2001. Sie avisierte jedoch die Teilnahme von Vertretern des Bundes an den geplanten Berliner Veranstaltungen. Wir haben uns auch informiert, was der Herr Bundespräsident tun wird. Er wird eine Erklärung zum 40. Jahrestag des Mauerbaus abgeben, jedoch nicht an den Senatsveranstaltungen am 13. August teilnehmen.

Vielen Dank, Herr Senator! Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit noch einmal darauf hinweisen, alle Nachfragen erst dann zu stellen bzw. zu drücken, wenn die Antwort gegeben wurde und die möglichen zwei Zusatzfragen gestellt worden sind. Was vorher gedrückt wurde, ist definitiv nicht im Display. – Die erste Nachfrage hat der Abgeordnete Michael Braun!

Herr Senator Stölzl! Liegen dem Senat von Berlin Erkenntnisse darüber vor, dass die – höflich ausgedrückt – Zurückhaltung der Bundesrepublik beim Gedenken an den Mauerbau damit zusammenhängt, dass die Bundes-SPD in Berlin eine neue Regierung unter Beteiligung der PDS anstrebt?

[Heiterkeit – Zuruf: Da sollten Sie den Innensenator fragen!]

Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Braun! Dem Senat von Berlin liegen keine Kenntnisse vor, welche strategischen Überlegungen die Bundesregierung in Bezug auf die Landesregierung verfolgt. Man könnte auch sagen: Allwissend bin ich nicht, doch viel ist mir bewusst. Die

(A) (C)

(B) (D)

Sen Dr. Stölzl

Abwesenheit von symbolischen politischen Gesten regt das Nachdenken selbstverständlich an, und wir hätten uns gewünscht, dass die Bundesregierung wie die ganze Nation dieses bedeutenden Tages in jeder Hinsicht gedenkt. Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit, übrigens auch, dass Parteien, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, eigentlich sich keinen Millimeter in der Beurteilung dieser schändlichen Geschichte vor 40 Jahren unterscheiden dürften.

[Beifall bei der CDU]

Die zweite Nachfrage – Herr Braun!

Herr Senator Stölzl! Gerade angesichts der aktuellen Lage in Berlin frage ich nach, ob bei den Gedenkveranstaltungen nicht ein Schwerpunkt auf das Thema Agitprop der SED gelegt werden sollte?

[Heiterkeit bei den Grünen und der PDS]

Herr Senator, können Sie das beantworten?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Ich empfehle das Studium der sehr nützlichen Broschüre.

[Wieland (Grüne): Und den Besuch des Deutschen Historischen Museums!]

Es ist erstaunlich, wie viel die Initiativen und Institutionen in der ganzen Breite der Betrachtungen, nicht nur des Mauerbaus, sondern auch des historischen Zusammenhangs, hier zu Wege gebracht haben, z. B. in Kongressen. Aus guten Gründen ist dies nicht nur etwas, das sich um den 13. August herum rankt. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Ferienzeit allem Gedenken nicht freundlich gesonnen ist, sondern weil man von Mai ab der Vorgeschichte besser erinnern kann, die ja bekanntlich mit Ulbrichts Worten, dass niemand vorhatte, eine Mauer zu bauen – am 15. Juni 1961 –, erstmals sichtbar geworden ist.

Ich glaube, wer dieses Programm ernst nimmt, wird tief in die Geschichte der deutschen Spaltung eindringen und in die Geschichte der SED damals.

Vielen Dank, Herr Senator! Auf dem Display erscheint als erste Nachfragerin Frau Dr. Lötzsch. Danach Herr Gaebler. – Frau Dr. Lötzsch!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Herr Senator Prof. Stölzl, da wir am Montag im Kulturausschuss diese Thematik sehr ausführlich debattiert haben, können Sie doch sicher dem Abgeordneten Braun von der CDU bestätigen, dass die erste größere Veranstaltung zu dieser Thematik unter dem Titel „Der Mauerbau – Die einvernehmliche Krise“ am Anfang dieser Woche von der Rosa-Luxemburg-Stiftung durchgeführt wurde.

Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Ich habe vorhin schon angedeutet, dass ich mir wünsche und davon ausgehe, dass die Beurteilung dieses historischen Ereignisses schlechthin nicht nach parteipolitischen Grenzen verlaufen kann. Die historische Wahrheit gilt für alle Parteien. Deshalb begrüßen wir, dass selbstverständlich alle die Geschichte ernst nehmen, und zwar unbeschadet ihrer parteipolitischen Bindung, mit offenem Auge und nüchtern. Welche Schlüsse man parteipolitisch für die Gegenwart zieht, ist nicht von den Veranstaltern zu planen.

Vielen Dank, Herr Senator! – Eine weitere Nachfrage hat der Abgeordnete Gaebler!

Herr Senator! Dann kann ich aus Ihren Worten auch schließen, dass Sie den verzweifelten Versuch des Abgeordneten Braun, sich über die Gedenkveranstaltung parteipolitisch zu profilieren, diesem Anlass nicht unbedingt für angemessen halten? interjection: [Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Herr Senator! Ob das beantwortbar ist, weiß ich nicht. Ich stelle Ihnen frei, ob Sie etwas dazu sagen wollen. interjection: [Unruhe – Rabbach (CDU): Nur Herr Gaebler kann die Frage beantworten! ]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Ich halte ein lebendiges Parlament, das sich nicht nur in Geschäftsordnungsdebatten und in dem Kampf um die Finanzen erschöpft, sondern um die Wertentscheidungen in diesem Land kämpft, für eine gute Sache. Profilierung ist der Sinn der Demokratie. Wer sich nicht profiliert, wird im demokratischen Prozess nicht sichtbar. Also begrüße ich jede Art von Profilierung über geistige Inhalte, die in diesem Parlament stattfindet. interjection: [Beifall bei der CDU]