Protocol of the Session on November 30, 2000

Man kann sich nicht nur hinstellen und sagen, es gebe keine Lösung, wir müssten uns etwas anderes suchen.

Wir sind bei dieser Frage nicht allein. Die Veranstalter haben es deutlich gemacht: Wenn wir uns nicht um eine entsprechende Lösung bemühen, dann stellt sich nicht die Frage, wann die nächste Love-Parade in Berlin ist, sondern dann wird sie woanders stattfinden.

[Frau Ströver (Grüne): Das glauben Sie doch selbst nicht!]

Doch, das glaube ich schon.

Die Love-Parade ist für die Stadt eines der wichtigen Symbole, die zum einen die Veränderungen hier positiv begleitet und zum anderen insbesondere die jugendliche Dynamik der Stadt unterstreicht.

[Beifall bei der CDU]

Dazu passt allerdings nicht das alljährliche Hickhack, das zwischen Bezirk und Senatsverwaltung betrieben wird. Der nun scheidende Bezirksbaustadtrat hat dies in sehr eindrucksvoller Weise jedes Jahr von Neuem inszeniert. Ich rege hierzu an, dass die Senatsverwaltung entweder ausreichend Mittel zur adäquaten Nachbearbeitung zur Verfügung stellt oder hier selber tätig

wird, damit diese unschöne Diskussion dort ein Ende hat und wir in einem vernünftigen Rahmen dort die Love-Parade durchführen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Brauner! – Für die PDS- Fraktion hat nun Herr Hoff das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Haus schon häufig über die Love-Parade geredet worden, auch schon bedeutend qualifizierter, was sich jetzt nicht auf die beiden Vorredner beziehen soll, sondern insgesamt auf die Atmosphäre, wie dieses Thema hier bearbeitet wird. Einige Punkte kann man nach einer ganzen Reihe von Diskussionen jetzt einmal feststellen.

Erstens müsste eine Mehrheit, die sich vernünftig mit der Love-Parade auseinandersetzt, eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die Love-Parade eindeutig keine politische Demonstration ist. Es gibt mittlerweile zu diesen Fragen „Chaostage, Love-Parade“ eine rechtswissenschaftliche Literatur, es gibt einen Aufsatz eines Professors aus Speyer – der Name fällt mir im Moment nicht ein –, es gab eine Gegenauffassung in der Zeitschrift „NJW“. Wenn man diese Argumente abwägt, dann wird deutlich, dass man sich für einen engen oder einen weiten Versammlungsbegriff entscheiden muss. Aber selbst, wenn man diese Entscheidung nicht treffen möchte, ist von den Rahmenbedingungen der Love-Parade völlig klar, dass es sich hier nicht um eine politische Demonstration handelt. Dass sie hier Jahr für Jahr dennoch als politische Demonstration genehmigt wird, ist eigentlich ein Skandal und zeigt, dass es ein relativ reduziertes kommunikatives Verständnis des Senats mit Investoren dieser Stadt gibt.

Offensichtlich gibt es auch ein Problem des Senats, mit Monopolanbietern in dieser Stadt umzugehen. Die Love-Parade GmbH und die Mayday GmbH und eine ganze Reihe weiterer Institutionen, die im Prinzip in einem Unternehmen zusammen sind, sind für diese Love-Parade Monopolanbieter. Das Land Berlin ordnet sich bereits seit Jahren diesem Monopolanbieter unter, nicht nur in der Frage, politische Demonstration oder nicht, sondern insbesondere auch in den Fragen, wie geht man mit dem Müll der Love-Parade um, wie geht man mit den Sanitärfragen der Love-Parade um, wie bearbeitet man das. Hier wird bezogen auf die Rahmenbedingungen der Love-Parade seit 1995 – die Love-Parade hat sicherlich ein exponentielles Wachstum genommen, was auch eine Erfolgsgeschichte darstellt – durch das Land Berlin unverantwortlich gehandelt. Hier wollen wir seit Jahren eine Änderung, aber der Senat reagiert nicht darauf. Das ist ein Problem und muss in diesem Haus wieder sehr deutlich angesprochen werden, weil es – wie in den Vorjahren auch – ein Skandal ist, dass hierbei nichts geschieht. Es ist ein Skandal, dass auch im nächsten Jahr der Innensenator diese Veranstaltung wieder als politische Demonstration genehmigen will. Hier muss ganz deutlich gemacht werden, dass das Haus in seiner Mehrheit nicht mehr bereit ist, das hinzunehmen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Nun zur Durchführung der Love-Parade und den Alternativrouten: Es hat im vergangenen Jahr – organisiert von der Wirtschaftsverwaltung – einmal den Versuch gegeben, eine ganze Reihe von Strecken zu testen. Es ist interessant, wenn man die entsprechenden Protokolle liest, dass bezogen auf die Autobahn – auch die Avus wurde in die Überlegungen einbezogen – ausgeführt wird, dies sei ein Problem, weil es Schwierigkeiten mit dem Versammlungsrecht gäbe. Das heißt kurzgefasst, dass man die Avus für die Love-Parade nicht sperren kann, weil die versammlungsrechtlichen Argumente dafür nicht ausreichen. Diese Überprüfung der Wirtschaftsverwaltung ist allein ein Argument dafür, dass, wenn der Innensenator einmal mit der Wirtschaftsverwaltung kommunizieren würde, die Love-Parade nicht mehr als politische Demonstration genehmigt werden dürfte.

Es wird aber in diesen Protokollen auch ganz deutlich, dass diese Stadt eine solche Großveranstaltung – sei es eine politische oder eine kulturelle Veranstaltung – mit 1 Million Menschen nicht zentral an einem Platz organisieren kann. Es ist aus diesem Grunde – vor Jahren schon, 1996 das erste Mal – die Idee eines dezentralen Demonstrationskonzepts erarbeitet worden. Das heißt, man macht dann einen Sternmarsch.

[Frau Ströver (Grüne): Wohin denn?]

Damit würde man auch die Sicherheitsbedenken ausräumen können, wenn es darum geht, dass auch im Panikfall – denn die Routen sind ja für die Westberliner City als ein dezentrales Versammlungskonzept auch deutlich gemacht – Ausweichräume vorhanden sind. Das fanden die Grünen auch lange Zeit gut und ist von ihnen auch gefordert worden – ich erinnere mich noch an Presseerklärungen des Abgeordneten Volk –, bis sie die Tempelhof-Variante entdeckt haben.

Ein dezentrales Demonstrationskonzept ist also eine Alternative, wenn man mehr als 1 Million Menschen – es waren ja schon bis zu 1,8 Millionen Menschen – nicht allein an einem Ort unterbringen kann. Weil es diese Idee gibt, muss dieses Konzept auch geprüft werden. Das hat die Wirtschaftsverwaltung aber bisher unterlassen, was wir als Defizit empfinden.

Es gibt in unserer Fraktion keine einheitliche Auffassung zum Antrag der Fraktion der Grünen, sondern es gibt eine mehrheitliche Auffassung, die diesen Antrag bezogen auf das Flugfeld für sinnvoll hält, aber es gibt auch eine Reihe von Abgeordneten meiner Fraktion – auch aus der Wirtschaftspolitik –, die ein dezentrales Demonstrationskonzept fordern und die Idee mit dem Flugfeld nicht für das allein selig machende Konzept halten.

Ich wollte Ihnen hier im Plenum beide Positionen – dezentrales Demonstrationskonzept oder Flugfeld – deutlich machen und insbesondere noch einmal betonen, dass es sich um keine politische Demonstration handelt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Hoff! Für die SPD-Fraktion hat Herr Müller das Wort.

[Cramer (Grüne): Es sollte jetzt heißen: „Müller-Tempelhof“!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Paus! Wir sind uns insofern völlig einig, als dass natürlich die Love-Parade für den Bezirk Tiergarten eine riesige Belastung darstellt. Das ist völlig unstrittig.

[Beifall bei der SPD]

Und ich halte das auch für höchst problematisch, dass seit vielen Jahren der Bezirk mit diesem Problem weitestgehend allein gelassen wird.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Daran führt aus meiner Sicht auch gar kein Weg vorbei, dass der Wirtschaftssenator seine Aufgabe bei den Gesprächen, bei diesen Runden Tischen, die er einberuft, auch endlich einmal ernst nimmt und sich nicht nur mit der Love-Parade als Veranstaltung in Berlin feiern lässt, sondern endlich auch selbstbewusst und kritisch mit den Veranstaltern an diesen Runden Tischen verhandelt.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Dafür sind sie da, und wir müssen ihn noch einmal ernsthaft auffordern, das zu tun. Denn – davon gehe ich fest aus – die LoveParade ist natürlich ein wichtiger, attraktiver Punkt für Berlin, ich glaube, auch darin sind wir uns weitgehend einig. Aber ich bin der festen Überzeugung, auch für den Veranstalter ist es wichtig, in Berlin zu bleiben. Diese Abwanderungsgedanken bei den Veranstaltern sehe ich nicht ganz so ernst, wie sie dargestellt wurden.

[Beifall der Abgn. Gaebler (SPD) und Hoff (PDS)]

Ich glaube schon, das ist ein Geben und ein Nehmen, ein Gleichberechtigtes auf beiden Seiten, und entsprechend selbstbewusst kann man dem Veranstalter gegenüber auftreten und seine Pflichten dort einfordern.

[Beifall bei der SPD und den Grünen] – Frau Ströver (Grüne): Warum passiert das nicht?]

Wenn wir uns aber einig sind, dass es eine attraktive Veranstaltung für Berlin ist, dann muss man auch sagen, dass es ein riesiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt ist, das darf man nicht aus den Augen verlieren. Es geht nicht nur darum, dass hier Hunderttausende Menschen an diesem Tag in der Stadt feiern, sondern sie lassen auch eine Menge Geld hier, sie tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Es ist weltweit eine positive Darstellung in den Medien über diese Veranstaltung, und Berlin muss alles tun, um diese Veranstaltung in der Stadt zu halten.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Aus meiner Sicht ist es dann erforderlich, an einer attraktiven Route für die Love-Parade festzuhalten. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie Ihr Vorschlag mit dem Flughafen Tempelhof zu Stande kommt.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Ich bin der festen Überzeugung, diese attraktive Veranstaltung lebt auch davon, dass sie eine attraktive Streckenführung hat, lebt von den Bildern, die weltweit gesendet werden und kann nicht dort ausgeführt werden, wo auf einem toten Flugfeld, wo rundherum kein Leben ist, auf einmal, künstlich erzeugt, Hunderttausende Menschen feiern sollen.

[Zurufe von den Grünen]

Wenn es Ihnen nicht nur darum geht – und das war in hren Redebeiträgen auch deutlich zu merken –, diese Konzeption mit der politischen Demonstration hier zu kritisieren und die Schäden, die im Tiergarten entstehen, sondern wenn es Ihnen ganz grundsätzlich um die Love-Parade geht, dann muss man es auch deutlich und offen sagen, dann muss man sagen: Wir wollen sie so in der Stadt nicht mehr. – Dieses Vehikel über den Standort ist unehrlich, und aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den Grünen]

Vielen Dank, Herr Müller! – Meine Damen und Herren! Der Ausschuss empfiehlt bei dieser Thematik die Ablehnung. Wer also dem Antrag Drucksache 14/338 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen ist dieser Antrag abgelehnt.

Die lfd. Nr. 13 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 14, Drucksache 14/814:

Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 18. Oktober 2000 und des Hauptausschusses vom 15. November 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Erhalt des Studentendorfes Schlachtensee, Drucksache 14/529