Protocol of the Session on October 26, 2000

Wir sind bei der

lfd. Nr. 3 C, Drucksache 14/747:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Staatsvertrag über die Zusammenführung der Landesbausparkasse Berlin mit der LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Hannover zwischen dem Land Berlin und dem Land Niedersachsen vom 6. Oktober 2000, Drucksache 14/717, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Betriebe und Technologie vom 25. Oktober 2000

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Führer

Ich rufe die §§ 1 und 2, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/717 auf. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Gesetzes. Deshalb können wir auf eine Beratung verzichten. Widerspruch dagegen höre ich nicht. Damit haben wir die Einzelberatung geschlossen. Ich lasse abstimmen. Wer dem Gesetz zum Staatsvertrag im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/717 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist das einstimmig beschlossen.

Die lfd. Nr. 4 ist vertagt.

Wir kommen damit zur

lfd. Nr. 5, Drucksache 14/701:

Große Anfrage der Fraktion der PDS über Hoffnungen, Erwartungen, Versprechungen – die Realität der Privatisierungspolitik der großen Koalition

Die schriftliche Beantwortung der Großen Anfrage liegt Ihnen seit gestern vor. Dafür bedanke ich mich. – Ich gebe dem Abgeordneten Liebich von der PDS-Fraktion das Wort zur Begründung!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren findet in Berlin ein Ausverkauf in nicht gekannter Größenordnung statt. Er dient nicht der Umsetzung vermeintlich politischer Ziele – wie zum Beispiel eine Privatisierung von nicht hoheitlichen Aufgaben – und nicht der Stärkung der Wirtschaftskraft Berlins, wie es uns manch ein Regierungspolitiker glauben lassen möchte. Berlins Haushaltsnotstand ist der alleinige Grund. Aber Vermögensaktivierung ist kein Konsolidierungsersatz. Das sagte beispielsweise die ehemalige Finanzsenatorin, Frau Fugmann-Heesing, zu ihrem Amtsantritt. Damit hatte sie Recht, und das gilt auch immer noch, auch wenn ihr damaliger Staatssekretär heute Finanzsenator ist. Nur hatte das weder auf ihre noch auf seine Politik einen Einfluss. Das Stopfen von Hauhaltslöchern – weil Strukturveränderungen nicht umsetzbar waren oder nicht griffen – war der Grund. Für Zukunftsentscheidungen von diesem Ausmaß ist das kein guter Grund.

Wir reden heute anlässlich unserer Großen Anfrage über die drei großen Privatisierungen der letzten Legislaturperiode. Bewag, GASAG und die Wasserbetriebe sind versilbert worden und spülten Milliarden in die Landeskasse. Dass das Thema weiterhin aktuell ist, beweist die Haushaltsplanung für das Jahr 2001, in der 5,6 Milliarden DM für Vermögensaktivierung eingeplant sind. Diese 5,6 Milliarden DM sind mehr als das, was die Privatisierung der drei genannten Unternehmen erbracht hat. Diese Summe ist utopisch und eines von Kurth’s Haushaltsrisiken, das so nicht akzeptiert werden darf.

Es ist an der Zeit zu bilanzieren, was die Verkäufe der Vergangenheit gebracht haben, ob die Hoffnungen, Erwartungen und Versprechungen oder eher die Befürchtungen, die seinerzeit nicht nur von der Opposition geäußert wurden, erfüllt wurden. Natürlich ist nicht abzustreiten, dass wirtschaftliche Entwicklungen nicht nur vom Berliner Senat beeinflusst werden. Klar ist auch, dass nicht alles vorhersehbar war und ist. Die Liberalisierung auf dem Energiemarkt verlief schneller als gedacht, der Trinkwasserverbrauch ging stärker zurück als angenommen, der Wettbewerbsdruck für die privatisierten Unternehmen ist also höher.

Niemand erwartet, dass im Berliner Senat künftig Hellseher angestellt werden. Das Problem ist jedoch, dass Versprechungen gemacht wurden, die sich durch all diese Entwicklungen als nicht haltbar herausgestellt haben. Niemand hat sie gezwungen, blühende Landschaften in Berlins öffentlichen Unternehmen zu versprechen. Sie meinten, nur damit sei die Zustimmung der Koalitionsfraktion zu erlangen. Das erweist sich jetzt als Bumerang. Arbeitsplätze werden stärker abgebaut als gedacht. Zusätzliche Ansiedlungen erfolgen nicht in dem gewünschten Maß. Ein Beispiel nenne ich dafür: Bei der Privatisierung der

GASAG wurde die Einrichtung von 370 neuen Arbeitsplätzen in Berlin versprochen. Bisher wurden davon 200 umgesetzt, die zum Teil auch noch Verlagerungen sind. Bei der VIAG wurde versprochen, dass das Regionalzentrum Nord der VIAG Interkom mit 800 Arbeitsplätzen in Berlin eingerichtet wird. Umgesetzt worden ist davon gar nichts. Sie haben die Zustimmung des Parlaments unter Vorspiegelung nicht haltbarer Versprechungen erkauft. Diese Politik ist nicht redlich.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Nun wird der PDS gern vorgeworfen, dass wir in dieser Frage befangen sind, da wir Privatisierungen generell ablehnen. Ich möchte auf dieses Argument einige Minuten verschwenden. Diese Annahme beruht auf einem Vorurteil. Dieses Vorurteil ist falsch. Damit Sie es vielleicht langsam lernen und begreifen, zitiere ich aus dem Wahlprogramm der Berliner PDS:

Die PDS wird sich auch in Zukunft für die Bewahrung des öffentlichen Einflusses auf die Infrastrukturunternehmen und dessen Nutzung

das unterscheidet uns manchmal vom Senat –

einsetzen. Dabei ist die Sicherung des öffentlichen Einflusses

Achtung! –

für die PDS nicht zwingend gleichbedeutend mit dem Eigentum an den öffentlichen Unternehmen. Stattdessen fordert die PDS ein Controlling bei allen öffentlichen Beteiligungen auch für den Bereich der öffentlichen Unternehmen. Wir werden dabei die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer der Leistungen der Unternehmen, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die strukturpolitischen und damit letztlich auch die finanziellen Interessen des Landes berücksichtigen.

So weit zur Position der PDS in dieser Frage. Diese differenzierte Haltung ist auch in unseren Vorschlägen zu den bisherigen Privatisierungen abzulesen. Im Fall der Bewag haben wir einen Vorschlag unterbreitet, einen Kapitalfonds einzurichten. Bei den Berliner Wassenbetrieben standen wir einer Teilprivatisierung aufgeschlossen gegenüber, allerdings nicht in der vom Senat vorgeschlagenen Form. Gegen die sind wir bekanntlich vor den Verfassungsgerichtshof gezogen, mit einem Teilerfolg, der hier bereits eine Rolle spielte und dessen Folgen uns immer noch beschäftigen.

Auch bei der GASAG standen wir einer Privatisierung aufgeschlossen gegenüber, das übrigens nicht – um Gerüchten vorzubeugen –, weil die GASAG an ein Staatsunternehmen veräußert wurde. Solch eine Haltung, die Privatisierung nicht generell ablehnt, schlägt bei uns jedoch nicht in das Gegenteil um, alles zu begrüßen, was das Etikett Privatisierung trägt. Da gibt es bei der CDU und auch dem christdemokratischen Finanzsenator durchaus noch Reserven. Daher bitte ich den nach mir sprechenden Finanzsenator, nicht die Fehler der Vergangenheit zu rechtfertigen, sondern zu sagen, was Sie künftig besser machen werden.

Wir begrüßen die Haltung von Peter Kurth zur Frage ausländischer Bieter. Die von ihm in seiner Antwort zitierten Unsicherheiten herrschten im Fall der Bewag übrigens nicht bei uns. Es war der CDU-Fraktionsvorsitzende, Klaus-Rüdiger Landowsky, der als Erwerber damals das deutsche Konsortium von Bayernwerk und Preußen-Elektra bevorzugte und sagte: „Britische und amerikanische Unternehmen orientieren sich erfahrungsgemäß vor allem am Aktienwert. Ich will nicht, dass in Houston über Berliner Arbeitsplätze und Berliner Strom entschieden wird.“ Gut, dass sich die CDU in dieser Frage besonnen hat.

Auf die Bewag haben wir in unserer Anfrage ein besonders deutliches Augenmerk gelegt. Das ist auch nicht überraschend, da die Entscheidung von E.on im Sommer, seine Bewag-Anteile an die HEW zu veräußern, heftige Turbulenzen ausgelöst hat. Wir unterstützen in dieser Frage die Position des Senats, die Herr Kurth in seiner Antwort sehr deutlich formuliert hat. Ein Konsortialvertrag mit absolut gleicher Partnerschaft und ein gemein

(A) (C)

(B) (D)

sames Angebot von HEW und Bewag für die VEAG ist ein konstruktiver Weg. Wir gehen davon aus, dass Mitgliederäußerungen, das Wackeln von Eberhard Diepgen, vom Tisch ist.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Gestatten Sie mir an dieser Stelle auch hier den Hinweis, dass die PDS in dieser Frage Interessengleichheit mit dem Privatunternehmen Southern Company und nicht mit dem Staatsunternehmen HEW/Vattenfall hat. Von staatssozialistisch kann also keine Rede sein. Für Arbeitsplätze in Berlin springen wir wieder einmal über unseren Schatten. Bei einer Unternehmensführerschaft durch Southern ist der Arbeitsplatzabbau unwahrscheinlicher, da deren Stromproduktion vor allem außerhalb Europas stattfindet, im Gegensatz zu HEW, die unter anderem mit dem Kernkraftwerk Brunsbüttel erhebliche Überkapazitäten produzieren, die zu Lasten von Berliner Arbeitsplätzen gehen könnten.

[Müller-Schoenau (Grüne): Deswegen abschalten!]

Atomstrom für Berlin zu Lasten Berliner Arbeitsplätze darf auch für Eberhard Diepgen kein Weg sein!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ein weiterer Grund für die Privatisierung der Vergangenheit war, dass sich der Senat offenbar nicht in der Lage gesehen hat, die notwendigen Strukturentscheidungen in den Unternehmen selbst zu treffen. Ja, es gibt einen dringenden Rationalisierungsund Effektivierungsbedarf in Berlins öffentlichen Unternehmen. So mancher liebgewonnene Zopf muss dort abgeschnitten werden. Sie wollen sich vor diesen Entscheidungen drücken. Es gibt für Sie nur einen Ausweg: Weg mit dem ganzen Ramsch! Das ist allerdings keine Politik, sondern ein Armutszeugnis.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich wüsste einen besseren Weg; den habe ich vorhin bereits angesprochen. Wir haben ihn bereits mehrfach vorgeschlagen: Führen Sie ein anständiges Beteiligungsmanagement und Controlling ein. Die Berliner Senatoren, die in den Aufsichtsräten sitzen müssen nicht mehr zu den Aufsichtsratsitzungen gehen wie die Friseure. Konzepte und Entscheidungen der Eigentümer sind gefragt. Gern stellen wir unseren Antrag zur Einführung solch eines Managements und Controlling aus der letzten Legislaturperiode erneut. Sie können dieses Mal zustimmen!

Öffentliche Betriebe sind nicht nur Kostenfaktoren oder zu aktivierendes Vermögen, sondern könnten dem Land auch anders nutzen. Man hätte Instrumente in der Hand, mit denen man Infrastrukturpolitik betreiben könnte. Verkauf mindert diese Möglichkeiten. Wir Politiker sind gewählt worden, um Politik zu machen und nicht, um Möglichkeiten für Politik zu vermindern.

[Beifall bei der PDS]

„Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt“, hat der Kabarettist Dieter Hildebrandt gesagt. Sorgen wir dafür, dass dieser Spielraum nicht immer kleiner, sondern stattdessen genutzt wird. – Ich danke Ihnen –!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Liebich. Die Beantwortung erfolgt durch den Finanzsenator Peter Kurth!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS hat 22 zum Teil sehr ausführliche Fragen gestellt. Eine nicht weniger ausführliche schriftliche Antwort liegt Ihnen vor. Ich möchte sie an dieser Stelle nicht wiederholen, sondern nur auf einige grundsätzliche und aktuelle Aspekte eingehen.

Die Privatisierungspolitik des Senats war und bleibt ein besonders wichtiges Element der Strukturpolitik für die Stadt. Wir brauchen und werben für neues Kapital und neues unternehmerisches Engagement. Wir suchen und gewinnen für die kommunalen Unternehmen der Daseinsvorsorge die richtigen

zukunftsgerichteten strategischen Partner, damit die Unternehmen in dem neuen Wettbewerb eine Chance haben. Ich bin in der Tat nicht der Meinung, Herr Liebich, dass die öffentliche Hand der richtige strategische Partner ist, wenn es darum geht, vor einem aus europäischen und auch rechtlichen Erwägungen heraus neu zu definierenden Wettbewerb die Unternehmen bei der Frage, wo neue Geschäftsfelder und grenzüberschreitend Partner gefragt sind, zu begleiten. Hier sind wir und die Unternehmen auf den Sachverstand von außen angewiesen.

Die Eigentümerstellung wird immer weniger geeignet sein, die notwendigen strukturellen Interessen, die das Land hat, durchzusetzen. Es kommt darauf an, dass wir über Gesetz und über geeignete Verordnungen die Rahmenbedingungen schaffen. Wir können uns dabei gar nicht darauf beschränken, dies nur dort durchsetzen zu wollen, wo wir Eigentümer sind.

Herr Senator! Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Simon?