Protocol of the Session on June 8, 2000

[Heiterkeit bei den Grünen und der PDS]

So will er in Sachen U 5 und Olympia-Stadion vorgehen. Ich fürchte, er wird – außer beim Finanzsenator – manche Unterstützung im Senat bekommen.

Ich würde der Koalition empfehlen, auch einmal zu lesen, wie das kommentiert wird. Der „Tagesspiegel“ schreibt unter der Überschrift „Diepgen kämpft im Untergrund um seine Macht“:

Diepgen legt Sprengsätze an die haushaltspolitischen Eckdaten, die von der Koalition beschlossen wurden, wohl wissend, dass Bund und Länder mit Argusaugen darauf achten, dass das – immerzu jammernde und fordernde – Land Berlin die Haushaltskonsolidierung nicht aus dem Auge verliert.

Die „Berliner Zeitung“ schreibt von Notopferverwöhnten in der CDU und sagt voraus: „Die Haltung zum Sparkurs wird in nächster Zeit über viele Politikerschicksale entscheiden.“ Den Eindruck habe ich auch, ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob damit das Schicksal von Herrn Diepgen oder das Schicksal von Herrn Kurth gemeint ist. Aber das liegt letztlich in Ihrer Hand.

[Czaja (CDU): Wir verstehen das schon! – Rabbach (CDU): Die sind beide gut!]

Was ist eigentlich die Grundlage der heutigen Debatte? – Die Grundlage ist, dass wir uns alle einig waren: Das Olympia-Stadion muss saniert werden, und wir versuchen, einen Investor zu finden, der es finanziert. Der angedachte Deal war der zu sagen: Ein Investor, der bereit ist, dieses Projekt privat zu finanzieren, soll dann auch nach der Fertigstellung 20, 30 Jahre am Betrieb dieses Stadions verdienen. Das halte ich für akzeptabel. Nur: Herausgekommen ist jetzt das Gegenteil; von einer Privatfinanzierung kann überhaupt nicht die Rede sein. Von den Gesamtkosten in Höhe von 473 Millionen DM trägt die öffentliche Hand 383 Millionen DM. Und der Eigenkapitalbeitrag von Walter Bau liegt exakt bei Null. Es gibt keinen eigenen Beitrag. Das Einzige, was die Firma Walter Bau beiträgt, ist ein Kredit in Höhe von 90 Millionen DM, aber diesen muss die Firma weder zurückzahlen noch muss sie dafür bürgen. Das müssen wir machen; deswegen steht dieses Thema heute auf der Tagesordnung. Ein solches Finanzierungsmodell ist jedoch nicht das, was am Anfang stand. Wir lehnen es deswegen ab.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Nun ist es aber so, dass die Firma Walter Bau zwar nichts privat finanziert, aber trotzdem die Gegenleistungen erhalten soll, nämlich über 20 Jahre lang das Stadion mit Gewinn betreiben zu dürfen. Da erhebt sich die Frage, ob das wirklich Ihre Vorstellung von Public-Private-Partnership ist. Denn in diesem Fall sieht es doch so aus: Alle Kosten und alle Risiken liegen auf Seiten des Landes Berlin; die Gewinnmöglichkeiten liegen beim privaten Investor. Wir verstehen unter Public-Private-Partnership etwas anderes und sagen zu diesem Modell Nein.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Denn wenn das Land Berlin den Löwenanteil der Finanzierung übernehmen muss, wäre es auch sinnvoll, dass Berlin an dem Betrieb und an den möglichen Gewinnen den größten Anteil haben müsste. Das haben Sie nicht vor; Sie wollen 20 Jahre lang die Juniorrolle beim Land Berlin lassen, und die Firma Walter Bau soll groß verdienen.

Nun liegt die Entscheidung über dieses Projekt im Moment nicht mehr bei uns und auch nicht beim Senat, sondern wird vermutlich vom Gericht getroffen. Die Firma HochTief hat sich noch nicht eindeutig geäußert, ob sie vor Gericht gehen wird. Herr Strieder hat in den letzten Tagen mehrmals erklärt, man werde sich diesbezüglich schon einigen. Ich habe da einen anderen Eindruck. Der hängt damit zusammen, dass die Firma HochTief im Zusammenhang mit der Entscheidung zum Flughafen Schönefeld noch eine alte Rechnung offen hat. Ich gehe davon aus, dass die Firma HochTief vor Gericht ziehen wird.

Mich erinnert überhaupt eine ganze Menge an diesem Verfahren an Schönefeld. Auch bei dem Projekt des Großflughafens wurde uns am Anfang gesagt: „Das finanzieren wir privat.“ Auch da wurde uns gesagt: „Der Investor macht das selbst.“ Auch da wurde der Senat bei den Verhandlungen vom Investor „über den Tisch gezogen“. Auch da lagen alle Kosten und Risiken bei der öffentlichen Hand, die Gewinnmöglichkeiten beim Investor. Damals ging der unterlegene Bewerber vor Gericht, und er siegte. Ich vermute, das wird in diesem Fall auch so passieren; denn ich habe den Eindruck, dieser Senat ist nicht in der Lage, Projekte von dieser Größenordnung zu organisieren.

[Beifall bei den Grünen]

Den aktuellen Beweis der Unfähigkeit des Senats hat man am Dienstag in der Senatssitzung gesehen. Es ging darum, wie die Gesamtfinanzierung dieses Projekts realisiert werden kann. Der Senat hat keine Lösung gefunden: Er hat dieses Thema vertagt. Hier, Herr Rabbach, hätte ich mir gewünscht, dass die Koalition Vorschläge macht, wie man es schafft. Wir sagen – das haben wir mit der PDS gemeinsam, und das unterscheidet uns von der CDU –, wir sind für die Sanierung des Olympia-Stadions, und wir sagen Ihnen auch, wie wir es finanzieren:

[Rabbach (CDU): Das ist ja ganz neu!]

Wir wissen, der Investitionshaushalt ist begrenzt. Wir wissen, wenn neue Ausgaben dazukommen, müssen andere gestrichen werden. Deswegen sagen auch wir – wie inzwischen viele erkannt haben –: Wer das Olympia-Stadion sanieren will, muss sagen: Wir verzichten auf die U 5. Das ist der einzige Weg, diese Sanierung zu finanzieren.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wenn wir uns heute entscheiden sollten, diese 90-MillionenDM-Bürgschaft zu akzeptieren, dann liegt fest – soweit das Gericht nichts anderes beschließt –, dass in der Angelegenheit Olympia-Stadion das Land Berlin der dumme Zahlmeister und die Firma Walter Bau der lachende Gewinner ist. Walter Bau erhält nicht nur einen großen, lukrativen Bauauftrag, sondern sie kann auch noch 21 Jahre lang satte Gewinne beim Betrieb des Stadions machen. Das sind Gewinne die eigentlich in die Kasse des Landes Berlin fließen sollten. Hier hätte ich auch von den „Sparpäpsten“ der SPD, zum Beispiel von Herrn Wowereit, ein bisschen mehr Widerstand erwartet.

[Wowereit (SPD): Na, Ihr Widerstand war ja „enorm“, Herr Müller-Schoenau!]

Nichts gegen Ihre kritischen Fragen, die Sie im Ausschuss gestellt haben, aber am Ende ging es ums Abstimmen. Und da haben Sie leider versagt.

Es gibt bei diesem Projekt aber noch andere Gewinner, zum Beispiel Hertha BSC. Hertha BSC war ursprünglich als Mitfinanzier vorgesehen. Daraus ist nichts geworden. Trotzdem bekommt Hertha alle Wünsche erfüllt. Es werden die mehr als 100 Logen gebaut, und neben dem Stadion wird noch ein „Home of Hertha“ errichtet. Außerdem Trainingsplätze. Das kostet 10 Millionen DM. Das wird natürlich auch vom Steuerzahler bezahlt.

[Wowereit (SPD): Das stimmt doch gar nicht! – Rabbach (CDU): Bei der Wahrheit bleiben!]

Offenbar findet die Koalition auch an der Stelle, dass Public-Private-Partnership bedeutet: Der Staat bezahlt, der Profiverein freut sich.

Ich will hier gar keine Missverständnisse aufkommen lassen: Natürlich sind wir dafür, dass Hertha in seiner Arbeit unterstützt wird [Rabbach (CDU): Womit wollen Sie denn Hertha unterstützen?]

und dass die Wünsche von Hertha beim Umbau des OlympiaStadions berücksichtigt werden. Aber eine Mitfinanzierung durch Hertha wäre in diesem Fall angemessen gewesen, und es ist ein Versagen, dass von Hertha keine Mitfinanzierung eingeklagt wurde.

[Beifall bei den Grünen – Frau Merkel (SPD): Das wissen Sie doch gar nicht!]

Hertha hat allein in der zurückliegenden Champions League mehr als 30 Millionen DM verdient. Dieser Verein nagt nicht am Hungertuch – ganz im Gegensatz zum Land Berlin. Eine Mitfinanzierung wäre angemessen gewesen. Man hat im Moment das Gefühl, es gibt kaum etwas Besseres, als Vertragspartner des Landes Berlin zu sein, dann bekommt man fast alles umsonst.

Mein letzter Punkt: Es gibt möglicherweise noch einen weiteren Gewinner bei der Sanierung des Olympia-Stadions. Wenn Presseberichte stimmen, die ich in den letzten Tagen gelesen habe, dann wird der frühere Sport-Staatssekretär Löhe künftig als Berater für die Firma Walter Bau beim Umbau des OlympiaStadions mitwirken. Für ihn selbst hätte sich das Engagement für dieses Stadion dann auch persönlich gelohnt. Allein die Tatsache, dass Herr Löhe mit diesem Gedanken öffentlich spielt und diese Möglichkeit ganz offen einräumt, finde ich ziemlich unappetitlich. Herr Löhe war noch bis vor wenigen Monaten mit dieser Angelegenheit dienstlich befasst. Ich meine, es sollte sich verbieten, dass er kurz nach dieser Zeit in den Dienst – –

Beachten Sie Ihre Zeit, Herr Müller-Schoenau!

Ja! Ich bin sofort am Ende. – Ich fordere Sie von der Koalition auf: Versuchen Sie doch bitte, Herrn Löhe von diesem Schritt abzubringen.

[Beifall bei den Grünen]

Noch besser wäre, wenn Herr Löhe freiwillig darauf verzichtet. Alles andere wäre ein Skandal.

[Beifall bei den Grünen]

Mein Schlusssatz – und damit rede ich kürzer als meine beiden Vorredner –: Natürlich – und, Herr Rabbach, das wollten Sie hören – unterstützen wir die Sanierung des Olympia-Stadions. Wir brauchen dieses Stadion nicht nur als Baudenkmal, sondern auch als Austragungsort für die Heimspiele von Hertha, für das ISTAF und andere Großveranstaltungen. Wir können aber nicht eine Finanzierungsart mittragen, bei der alle Kosten und Risiken beim Land Berlin und alle Gewinnmöglichkeiten beim Investor liegen. Wir werden deswegen heute den Antrag auf die 90-Millionen-DM-Bürgschaft ablehnen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Müller-Schoenau! – Für die Fraktion der SPD bekommt jetzt das Wort Frau Abgeordnete Dunger-Löper.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rabbach! Ich muss – leider – doch noch mal auf die kleinlichen Fragen der Finanzierung dessen, was wir hier heute machen, zurückkommen.

[Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

Wir ändern heute das Haushaltsgesetz, ein Haushaltsgesetz, das wir vor knapp drei Monaten nach langen Beratungen verabschiedet haben und dessen Leitgedanke war: Wir wollen gestalten – das Olympia-Stadion war auch schon dabei –, aber wir wollen auch konsolidieren, um im Jahre 2009 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt in Berlin zu erreichen. Insofern ist die Änderung des Haushaltsgesetzes nach nur drei Monaten sicherlich ein wesentlicher Schritt, den man gut begründen muss. Aber wir waren uns an dieser Stelle alle darüber einig: Es ist eine Änderung des Haushaltsgesetzes, die keine Ausweitung des Volumens darstellt, sondern eine Umverteilung innerhalb der Investitionsmittel der kommenden Jahre. Das heißt, der Beschluss zur Finanzierung der Sanierung des Olympia-Stadions heißt auch Verzicht auf andere Investitionsmaßnahmen. – Ich komme später noch einmal darauf zurück.

Das, was wir heute treffen, ist eindeutig eine politische Entscheidung. Es ist eine Schwerpunktsetzung zu Gunsten des Olympia-Stadions. Das Olympia-Stadion hat unstrittig für Berlin eine herausgehobene Bedeutung. Es ist eine Sportstätte, die nicht nur für den Fußball, sondern auch für viele andere sportliche Ereignisse in dieser Stadt von großer Bedeutung ist. Das sind auch überregionale Sportereignisse wie Pokalendspiele aber auch möglicherweise die Fußballweltmeisterschaft. Sie machen Berlin zu einem Sportstandort und gleichzeitig Deutschland zu einem Standort für Sport. Das Ganze setzt uns unter einen Zeitdruck. Deswegen haben wir die verkürzten Beratungen an dieser Stelle in Kauf genommen. Aber es ist eine Entscheidung – das will ich an dieser Stelle noch einmal betonen –, die die Attraktivität der Stadt Berlin erhöhen wird, die Besucher anlocken und damit auch die Wirtschaft der Stadt voranbringen soll.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Rabbach (CDU): Bravo!]

Wenn wir den heute hier vorliegenden Vertrag betrachten, wie er mit seiner Zusammensetzung vorhanden ist, können wir ihn sicherlich nur gerecht beurteilen, wenn wir uns auch die Vorgeschichte mit ansehen. Die Verhandlungen begannen nicht im Dezember 1999, sondern zogen sich bereits durch die vergangene Legislaturperiode unter der Federführung des damaligen Fachsenators Klemann. Ursprünglich – und das wurde von vielen

mitgetragen – war eine Sanierung aus privaten Mitteln und nur mit geringen öffentlichen Zuschüssen geplant. Die Pläne aber – Sie haben vorhin gefragt: Wo sind denn die Vermarktungsmöglichkeiten? – stießen im Rahmen des Olympiageländes an erhebliche Schwierigkeiten. Insbesondere scheiterten sie an emissionsschutzrechtlichen Problemen.

Der Senat hat sich 1998 im Wettbewerb für den Entwurf des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner entschieden. Die öffentliche Diskussion darüber ist breit geführt worden. Ich denke, inzwischen ist deutlich geworden, dass dieser Entwurf die Identität des ursprünglichen Olympia-Stadions am stärksten mit berücksichtigt. Auf dieser Basis erfolgte dann eine Ausschreibung zu einer Public-Private-Partnership. In dem Ausschreibungsverfahren wurde dargelegt, dass eine private Finanzierung angestrebt wurde und demzufolge ein Betreibermodell gewählt werden sollte.

Der Senat hat nun Anfang Dezember 1999 einen bevorzugten Bieter auf Grund dieser Ausschreibung ausgewählt und war damit in dem Modell gefangen, das als Ausgangspunkt gewählt worden war. Dieser bevorzugte Bieter war die Walter Bau AG zusammen mit einer Bank. Dieses Modell wurde auch von Hertha BSC – einem der Hauptnutzer dieses Stadions – präferiert. Wenn wir noch einmal den damaligen Stand vor Augen führen, ging es dort um eine Investition von über 500 Millionen DM mit einer Pachtlaufzeit von über 50 Jahren, in denen Berlin von möglichen Einnahmen, die aus dem Olympia-Stadion hätten fließen können, ausgeschlossen war. Die Investitionen von Berlin waren mit 250 Millionen DM etwas niedriger als das, was wir heute vorliegen haben. Aber natürlich war die extrem lange Laufzeit ein Nachteil, der sicherlich durch den neuen Vertrag ausgeglichen wurde. [Beifall des Abg. Gaebler (SPD)]

Wenn wir uns angucken, was wir heute als Vertragsmodell ausgehandelt haben, ist das zwar auf den ersten Blick ein wenig unübersichtlich im Ergebnis, aber durchaus eine Verbesserung gegenüber dem Stand von Dezember 1999. Vorteile sind auf jeden Fall ein Festpreis von 473 Millionen DM. Und wir haben im Grunde eine Beteiligung des Landes Berlin von 283 Millionen DM, die durch 100 Millionen DM vom Bund und 90 Millionen DM durch eine Kreditaufnahme durch Walter Bau ergänzt werden. Berlin hat hier ab dem 14. Jahr – gegebenenfalls auch durch die Verlängerung der Verträge etwas später – Erlöse erst in Höhe von 35 % und dann darüber hinaus zu erwarten. Damit ist dieser neue Vertrag gegenüber allen vorher diskutierten Modellen eine wesentlich bessere Beteiligung des Landes am Erlös, der aus diesem Stadion fließen soll.