Protocol of the Session on June 8, 2000

Davon könnten wir noch manches über Kreativität, Professionalität und Managementfähigkeit lernen.

[Doering (PDS): Gerade der Senat!]

Es ist das Klima in der Stadt, die Atmosphäre der Kultur, der Urbanität, das, was im Prenzlauer Berg, in Mitte und Kreuzberg und teilweise auch in Neukölln stattfindet, das die Menschen anregt, nach Berlin zu kommen. Es existiert offenbar eine gewisse Berliner Aura. Dieser Umstand kann uns nur helfen. Wir sollten alles daran setzen, dies zu pflegen, um noch mehr Existenzgründer nach Berlin zu bringen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind notwendig. Im Wirtschaftsausschuss am Montag wurden zwei Dinge als nötig erachtet: Köpfe und Schnelligkeit im Handeln. Wir müssen dazu beitragen, dass neue Betriebe und Arbeitsplätze entstehen. Wir begrüßen die Initiative der Bundesregierung, IT-Fachkräfte anzuwerben. Dies ist positiv und hilft, dass wir wettbewerbsfähiger gegenüber Japan, Amerika und anderen werden. Das ist gut so. In Berlin können wir dazu unseren eigenen Beitrag – auch im Sinne einer Qualifizierungsoffensive – leisten. Wir haben in diesem Bereich eine gute Infrastruktur. Das gilt für die Universitäten, Kunsthochschulen, Fachhochschulen und Schauspielschulen, die für die Gesamtheit wichtig sind. Es kommt darauf an, dass wir diesbezüglich unsere Verantwortung übernehmen.

Mir hat ein Insider gesagt, die Berliner Bauordnung sei internetfeindlich. Es ist unsere Aufgabe, uns zu überlegen, wie die Bauordnung geändert werden kann. Es geht nicht nur um die Schnelligkeit der Baugenehmigungen, sondern auch der Vorschriften. Diese sind offensichtlich bei uns deutlich bürokratischer als in manchen anderen Bundesländern, beispielsweise Hamburg. Entbürokratisierung ist nötig, um schnelles Handeln zu ermöglichen. [Beifall bei der SPD]

Wir freuen uns, dass es einen Medienbeauftragten für Berlin und Brandenburg gibt. Wir heißen Herrn Schiphorst herzlich willkommen. Er ist ein Kenner der Szene mit vielen Erfahrungen und Kontakten. Wir sollten ihm viele Möglichkeiten und eine Chance geben. Wir wünschen ihm viel Erfolg bei seiner Arbeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich habe kürzlich einen Artikel mit der Überschrift

Kompetenzwirrwar schreckt die Investoren – Medienfirmen wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen

gelesen. Das betrifft Berlin. Der Senat muss alles dafür tun, um Klarheit in den Zuständigkeiten zu schaffen. Dies wird auch die Aufgabe des neuen Medienbeauftragten sein. Der Senat und die Senatsverwaltungen haben hierbei eine große Verantwortung. Wenn wir das gemeinsam anpacken, dann haben wir eine gute Chance, neue Betriebe zu bekommen und neue qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze. Das muss unser Ziel sein. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Frau Dr. Lötzsch hat nun für die PDS das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schaut man sich die Medienstandorte in der Bundesrepublik an, dann stellt man fest, dass in Bayern und NordrheinWestfalen Medienpolitik Chefsache ist. In Berlin gibt es das übliche Gerangel. Herr Diepgen hat eigentlich keine Lust. Das Thema interessiert ihn nicht. Er hat hier auch mit Abwesenheit geglänzt, beziehungsweise war er kurz einmal drin und hat dann demonstrativ mit anderen Gespräche geführt. Herr Branoner, der gerne auf dem Gebiet arbeiten möchte, wird gebremst und darf nicht so, wie er will. interjection: [Zuruf]

Freuen Sie sich nicht zu früh. Meine Solidarität wird zwar ein Stück reichen, aber nicht übermäßig sein. – Wir hatten im Abgeordnetenhaus bis zur Mitte der vergangenen Legislaturperiode einen eigenen Ausschuss für Medien. Dieser ist – vielleicht in Anbetracht einer gewissen „Irrelevanz“ von Medienpolitik in Berlin? – abgeschafft worden. Bei der Neubildung der Ausschüsse in dieser Legislaturperiode konnte auf Grund des für die große Koalition symptomatischen Kompetenzgerangels nicht einmal der Entschluss gefasst werden, in einen Ausschusstitel das Wort Medien aufzunehmen. Herr Müller ist schon auf die gestrige Sitzung des auch für Medien zuständigen Ausschusses eingegangen, auf der Herr Butz erklärte, Medienpolitik sei überall Chefsache. Es sei komisch, wenn ausgerechnet in Berlin, sich der Regierende Bürgermeister nicht mit Medienpolitik befassen würde. – Es wäre aber schön, wenn er es einmal täte oder wenn er es ganz ließe. Bisher haben wir von Herrn Diepgen noch keinen medienpolitischen Ansatz gehört. Das Konzept für den Medienbeauftragten, das im Ausschuss vorgestellt wurde, wurde von allen Fraktionen als mehr als dürftig kritisiert. Darauf komme ich später zurück.

Es stimmt, dass Berlin bezüglich der Medienpolitik ungeheuer aufgeholt hat. Man sollte aber nicht übermütig werden. Wir müssen uns an anderen Medienregionen in Deutschland messen lassen. Auf dem Medienforum Nordrhein-Westfalen in Köln hat Ministerpräsident Clement am Montag einen Masterplan für die Internetwirtschaft in Nordrhein-Westfalen vorgestellt. Schön ist daran die Konkretheit der Ziele. Diese vermissen wir in Berlin häufig. In diesem Masterplan wird prognostiziert, dass der europäische Markt für E-Commerce bis 2004 1,6 Billionen Euro ausmachen wird. Das bedeutet für Nordrhein-Westfalen einen Umsatz im E-Commerce von 87 Milliarden Euro. Wie lauten die entsprechenden Zahlen für Berlin? Welche konkreten Zahlen gibt es für einen Zeitraum bis 2004? Die Menschen, die jetzt in der Medienwirtschaft arbeiten, sind benannt worden. Welche konkreten Vorstellungen gibt es bezüglich der Entwicklung und der Umsätze? Welche großen Unternehmen sollen neben den kleinen nach Berlin geholt werden? In der Studie, die in Nordrhein-Westfalen zum E-Commerce in Auftrag gegeben wurde, wird davon ausgegangen, dass Nordrhein-Westfalen eine Art „Gateway to Europe“ werden soll und dass einzelne Großstädte, wie Hamburg und Berlin, noch keine Internetregion darstellen. Wenn wir uns mit diesem ökonomischen Potential vergleichen, können wir sehen, dass dort 20 der 40 größten Unternehmen zu Hause sind. Das sind beispielsweise die Telecom, Bertelsmann, RTL, Mannesmann, Vodafone, T-Mobil und e-Plus.

An diesen Zahlen wird die Herausforderung für Berlin deutlich. Es reicht nicht, mit Brandenburg zu konkurrieren. Insellösungen oder die Kooperation mit Brandenburg greifen zu kurz. Daran würden wir uns verheben. Vielleicht wäre auf diesem Gebiet ein Zusammenschluss aller ostdeutschen Länder eine Idee, eventuell ein Masterplan Ost für die Internetwirtschaft. Es reicht nicht, dass sich die Ministerpräsidenten der neuen Länder treffen, um über den Länderfinanzausgleich zu sprechen, sie aber, wenn es um solche Fragen geht, das Inseldenken nicht verlassen.

Kurz einige Worte zum Medienbeauftragten. Im Sommer vergangenen Jahres haben sich 21 Film- und TV-Produzenten in einem offenen Brief an die Regierungen in Berlin und Potsdam gewandt und einen Medienbeauftragten gefordert. Die SPD hat

im Wahlkampf versucht, mit Herrn Clement hier medienpolitische Zeichen zu setzen, und ein Jahr später nun soll uns der Medienbeauftragte vorgestellt werden. Ab 1. Juli soll Herr Schiphorst seine Arbeit aufnehmen.

Das Problem wurde gestern jedoch sehr deutlich: Es ist völlig unklar, welche rechtliche Stellung und Kompetenzen der Medienbeauftragte hat. Kann er etwas entscheiden? Kann er Entscheidungen anregen? Er soll dem Regierenden Bürgermeister unterstellt sein, und – ich glaube, das wissen die meisten von Ihnen gar nicht – er soll ehrenamtlich zwei Tage in der Woche in Berlin und Brandenburg arbeiten, und die restliche Zeit wird er brauchen, weil er ehrenamtlich arbeitet, um mit Beraterverträgen Geld zu verdienen. Die entscheidende Frage ist nicht nur die der konkreten Aufgabenausgestaltung – da muss Herr Schiphorst, der von allen bisher Vorschusslorbeeren erhalten hat, selbst Vorschläge unterbreiten –, sondern die der Kompetenzen, was er darf und was er kann. Das muss konkret in Angriff genommen werden.

In der Großen Anfrage sind einige Fragen aufgeworfen und umfangreich beantwortet worden. Aber einige Verbindungen, die gezogen werden müssen, sind nicht benannt worden. Wie ist z. B. die Verbindung der Medienwirtschaft zur Hochschul- und Wissenschaftslandschaft? – Zur Kulturlandschaft wurde einiges gesagt. – Herr Branoner, hier sollten Sie versuchen, mit Ihrem neuen Senatskollegen Stölzl zusammenzuarbeiten. Im Augenblick sind wir in einer sehr merkwürdigen Diskussion. Ausgerechnet in einer Zeit, wo Informatikausbildung und Medienwirtschaft zentrale Fragen sind, sind wir mit einem Numerus clausus an den drei Universitäten gerade in diesen Fächern konfrontiert. Die Prüfung durch die Senatsverwaltung ist angekündigt worden, und 950 Studienanfänger sind an den drei Universitäten und 724 an den Fachhochschulen und der Hochschule der Künste zugelassen worden. Die Senatswissenschaftsverwaltung will zwar weitere 100 Studienplätze an der Berufsakademie im Bereich Medienmanagement finanzieren, aber wir kennen alle die Haushaltslage: Die Kosten von über 900 000 DM können durch die Wissenschaftsverwaltung nicht aus dem eigenen Haushalt aufgebracht werden. Hier wäre die stark nachfragende Wirtschaft gefragt. Vielleicht wäre dies eine der ersten Aufgaben für Herrn Schiphorst, die er ab 1. Juli – ehrenamtlich, wie gesagt, zwei Tage in der Woche – in der Region Berlin- Brandenburg angehen könnte. Mal sehen, ob diese vielen Aufgaben, die hervorgehoben wurden, – ich hebe es noch einmal hervor, ehrenamtlich, an zwei Tagen in der Woche – für die Region BerlinBrandenburg, ohne durch die Beraterverträge beeinträchtigt zu werden, denen er ja auch verpflichtet ist, realisierbar sind.

Zum Abschluss noch einige Worte zur Förderpolitik für die neuen Medien. Seit 1991 wurden mit Hilfe des Programms „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ an 367 Unternehmen Investitionszuschüsse in Höhe von ca. 300 Millionen DM ausgereicht. Das hört sich erst einmal ganz toll an. Herr Branoner, Sie haben dem Wirtschaftsausschuss zu den Haushaltsberatungen berichtet, wie die Arbeitsplätze gefördert werden, mit weniger Mitteleinsatz als zum Beispiel im Land Brandenburg. Vielleicht ist das nicht unbedingt der richtige Ansatz, froh zu sein, dass man ausgerechnet in diesem Bereich wenig Geld einsetzt, um Arbeitsplätze zu fördern, denn diese Arbeitsplätze sind erst einmal sehr teuer.

Wir sollten auch ein bisschen realistisch sein und uns die Zahlen darüber ansehen, welche Arbeitsplätze mit GA- und EU-Mitteln gefördert sind. Die Prognos-Studie hat dargestellt, welche Arbeitsplätze in Berlin geschaffen wurden. An erster Stelle stand immer noch das verarbeitende Gewerbe mit 56 %, darunter – man höre und staune – die Verarbeitung von Steinen, Metallen und Zierereien mit 22 %. Die Medienwirtschaft war in diesem Gutachten gar nicht eigens aufgeführt, wahrscheinlich unter den 24 % Dienstleistungen subsumiert.

Die Frage ist, ob das, was hier als Erfolg verkauft wurde, wirklich ausreicht. Vielleicht nenne ich mal, um nicht allzu viele Zahlen hier hinein zu werfen, eine letzte Zahl, damit die Relationen sichtbar werden: Wir haben gelesen, dass das Land für die Initiative „Projekt Zukunft – der Berliner Weg in die Informationsgesell

schaft“ 19,3 Millionen DM Landesmittel zur Verfügung gestellt hat. Allein der Neubau der Teltowkanalbegleitstraße hat über 20 Millionen DM an GA-Mitteln gekostet. Das Land Berlin hat also für eine einzige Straße genauso viel Geld ausgegeben wie für das Projekt Zukunft. Offensichtlich ist diese Zukunft immer noch ein bisschen weniger wert als zum Beispiel gute Beziehungen zur Straßenbaulobby.

Beachten Sie bitte Ihre Redezeit, Frau Abgeordnete!

Ja, ich bin sofort fertig!

Berlin hat aufgeholt, aber wenn wir uns noch nicht einmal international umschauen, sondern Bayern und Nordrhein- Westfalen vor Augen haben, ist noch aufzuholen, nicht nur in der Region Berlin und Brandenburg, sondern es wäre gut, einen ostdeutschen Zusammenhang zu schaffen. Engagement ist da, Berlin muss zulegen, und der Regierende Bürgermeister hat uns dabei bisher nicht unterstützt. – Schönen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt Herr Markus Weichert das Wort. – Herr Weichert, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zukunft der Medienwirtschaft – ein Thema, Frau Lötzsch, bei dem anscheinend alle irgendwie mitreden können.

[Gelächter bei der PDS und den Grünen – Zuruf von den Grünen: So wie Sie!]

Doch die Frage ist heutzutage, welche Unternehmensbereiche zur Medienwirtschaft gehören und ob es derzeit noch klare Abgrenzungen gibt. Diese Fragen bedürfen dringend einer Klärung. Sonst ist es nicht möglich, das medienwirtschaftliche Profil unserer Stadt zu stärken.

Unter Medienwirtschaft werden nicht nur die klassischen Bereiche wie Film, Fernsehen oder Verlage verstanden,

[Ach! von der PDS und den Grünen]

sondern auch Kommunikations-, Telekommunikationsbzw. IT-Unternehmen.

[Aha! von der PDS und den Grünen]

Der Ausbau Berlins zu einer Media City ist nötig, um auch der Stadt Köln mit ihrem Medienstandort Hürth den Rang abzulaufen.

Einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Medienpräsenz in Berlin und allgemein in der Region kann mit Sicherheit der gemeinsame Medienbeauftragte Bernd Schiphorst leisten. Er verfügt als erfahrener Medienmanager über genügend Erfahrung und ein geeignetes Netzwerk, um vom Ludwig-Erhardt-Haus in Berlin aus weitere Unternehmen in die Hauptstadt zu ziehen. Dabei wird die Akquisition von Unternehmen der Medienbranche in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Berlin GmbH erfolgen.

Berlin ist am Markt der IT-Standorte hervorragend positioniert. Berlin bietet eines der größten Glasfasernetze europäischer Metropolen. Das Breitbandkabelnetz wird für rund 700 000 Wohneinheiten auf 862 Megahertz und mit einem Rückkanal ausgestattet. Somit verfügt Berlin über einen gewaltigen Vorsprung in der Breitbandkommunikation vor allen anderen Medienstandorten in Deutschland.

[Zuruf von den Grünen: Aber eine Breitbandrede ist das nicht! – Krüger (PDS): Auch nicht viel Hertz!]

Hinzu kommt eine ausgesprochen positive Einstellung der Berliner zum Medium Internet. 37 % der Berliner, also mehr als ein Drittel der Bevölkerung, nutzen bereits das Internet. Der Durch

schnitt, bezogen auf ganz Deutschland, beträgt hingegen nur magere 20 %. Wünschenswert wäre, dass auch alle politisch Verantwortlichen den neuen Technologiemöglichkeiten ebenso aufgeschlossen gegenüber stünden.

[Zuruf von den Grünen: Genau! Wo sind sie denn eigentlich? – Weitere Zurufe von der PDS und den Grünen]

Am vergangenen Montag – –

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Genau, Herr Wieland! Ich nehme an, Sie sind auch in der Lage, das Internet zu bedienen, und nicht nur, Ihren Computer anzuschalten. [Zurufe von den Grünen]