Darauf ist Herr Bommert zum Teil schon eingegangen. - Da stelle ich mir natürlich die Frage: Was sind denn gute und was sind schlechte Tarifverträge? Wo verläuft die Grenze? Und was ist mit den schlechten Tarifverträgen? Sie fordern ja Tarifbindung; Sie fordern keine „guten Tarifverträge“. - Also, das ist ein bisschen wirr.
Und was ist mit den Unternehmen und Unternehmern - vielleicht auch mit den sozial orientierten Unternehmen und Unternehmern -, die in Zeiten des Fachkräftemangels längst verstanden haben - auch das hat Herr Bommert ja schon angesprochen -, dass es heute gute Arbeitsbedingungen - gute Bezahlung und ein gutes Arbeitsklima - braucht, dass das sogar essenziell für den Unternehmenserfolg ist, weil sie sonst keine Fachkräfte bekommen?
Also: Gute Fachkräfte verdienen einen guten Lohn - ganz klar. Aber Sie sind mit etwas viel Schaum vor dem Mund deutlich über das Ziel hinausgeschossen, werte Kollegen von der Linken. Sie sind als Tiger gestartet und ganz kleinlaut als Bettvorleger gelandet, denn im eigentlichen Antragstext geht es deutlich weniger großspurig zu: Es geht gar nicht mehr um gute Arbeit, gute Löhne und mehr Mitbestimmung im ganzen Land, sondern nur noch darum - das zitiere ich auch gern -, „zur Stärkung der Tarifbindung die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Land Brandenburg an die Einhaltung von Tarifverträgen rechtlich zu binden“. Ich dachte, nach dem Getöse zum Thema Vergabemindestlöhne, das wir in den letzten Jahren vielfach hier im Landtag erlebt haben, sei das schon längst so.
Jetzt kommt der Punkt: Es ist immer notwendig, beide Seiten zu betrachten, zu hören, zu berücksichtigen und dann abzuwägen. Wir befinden uns nun einmal in Zeiten hoher Inflation, explodierender Vorkosten für Unternehmen sowie einer - laut der Berichterstattung im letzten AWAE - bereits im letzten Jahr um 44 % gestiegenen Insolvenzquote. Den Vergabemindestlohn noch weiter erhöhen zu wollen ist grundsätzlich unpassend, wenn nicht gar weltfremd, und kommt einfach zur falschen Zeit.
Bei allem Verständnis dafür, dass wir in Brandenburg - also unsere Brandenburger Unternehmen - in Zeiten des Fachkräftemangels für ebenjene attraktiv sein müssen und wollen - das ist selbstverständlich, das habe ich eben ausgeführt; das ist im Interesse der Unternehmen selbst, sonst funktioniert es nicht -, müssen wir, bitte schön, auch die andere Seite sehen. Also: Warum sind denn in der Zeit der explodierenden Energiepreise - insbesondere seit letztem Jahr - so viele Unternehmen in die Insolvenz gegangen? Warum haben so viele Unternehmen ihre Gewerbescheine abgegeben? Weil sie unter diesen Rahmenbedingungen vielfach nur noch ein Minus erwirtschaftet haben oder im internationalen Wettbewerb mit Unternehmen an anderen Standorten insbesondere wegen der exorbitant hohen Energiepreise und der hier in Brandenburg höchsten Strompreise nicht mehr konkurrenzfähig waren bzw. sind.
Ich sage nur: Ich glaube, man bezahlt fünffach niedrigere Energiepreise, wenn man in den USA produziert, und siebenfach niedrigere Strompreise, wenn man in China produziert. Diese Energiepreisexplosion trat schlagartig ein, weswegen die Unternehmen nicht wie üblich die Möglichkeit hatten, dem peu à peu mit Investitionen entgegenzuwirken.
Wir müssen genauso wie auf gute Arbeitsbedingungen und Löhne auch auf den Erhalt und die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen achten, sonst berauben wir uns unserer wirtschaftlichen Grundlagen und letztlich auch die Menschen ihrer Arbeitsplätze. Dann - tut mir leid - wäre ein guter Lohn wirkungslos, nichts mehr wert und sogar kontraproduktiv, weil es keine Arbeitsplätze mehr gäbe.
Ein noch höherer Vergabemindestlohn - wie gefordert - würde die öffentlichen Kassen gerade in der heutigen Zeit explodierender Kosten noch mehr überfordern. Viele von Ihnen sind Kommunalvertreter und wissen, dass die kommunalen Haushalte in Bezug auf die nächsten Jahre vor dramatischen Löchern stehen - und Sie fordern noch höhere Vergabemindestlöhne! Ich bin froh, wenn die, die es gibt, gezahlt werden können und die Arbeitsplätze nicht verloren gehen.
nimmt keinerlei Rücksicht auf die Belange und die Situation unserer Wirtschaft und ist deshalb leider abzulehnen.
Vielen Dank. - Wir fahren mit dem Beitrag des Abgeordneten Rostock für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Bitte schön.
Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Als arbeitspolitischer Sprecher meiner Fraktion, aber auch als Mitglied der IG Metall und des Vorstands des DGB-Kreisverbands Oberhavel will ich ebenfalls etwas vorwegschicken: Wir Bündnisgrüne stehen an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer!
Das zeigt sich auch an den Ergebnissen grüner Regierungsbeteiligung: Die Ampel im Bund hat den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro angehoben. Wir in Brandenburg sind sogar schon einen Schritt weiter: Die amtierende Kenia-Koalition hat den Vergabemindestlohn auf 13 Euro angehoben, womit wir uns bundesweit an die Spitze gesetzt haben. Und in der Tat: Mit Blick auf die Inflation muss er demnächst wieder angehoben werden - Herr Zeschmann, es ist genau die richtige Zeit, das zu tun -,
und das wird auch passieren; das prophezeie ich Ihnen. Aber das kann natürlich nicht alles sein! Der Mindestlohn schreibt ja nur die Untergrenze fest. Was wir brauchen, ist eine Bindung an Tarifverträge, und dafür braucht es eine Tariftreueklausel; da bin ich grundsätzlich ganz bei Herrn Walter.
Weil ich das Gefühl habe, dass hier nur über Löhne gesprochen wird, will ich einmal klarstellen, dass Tarifverträge ja noch viel mehr bestimmen als Löhne und Gehälter: Sie bestimmen auch Urlaubsansprüche, Arbeitszeiten, Kündigungsfristen und vieles mehr, was die Arbeitsbedingungen betrifft. - Weil es hier zu viel um die Löhne und Gehälter ging, wollte ich das einmal klarmachen. Menschen in tarifgebundenen Unternehmen werden eben besser bezahlt - und finden bessere Arbeitsbedingungen vor.
Nun kam die Frage auf, ob es Aufgabe der Politik ist, für eine Tarifbindung zu sorgen. - Ja! Die EU sagt, es sollen eigentlich 80 % Tarifbindung erreicht werden, und dabei ist eben die Politik gefordert. Wir haben in Brandenburg - wie schon vielfach zitiert - nicht einmal mehr eine Tarifbindung von 50 %; wir müssen also handeln. Das greift auch nicht in die Tarifautonomie ein, denn die Tarifparteien verhandeln ja weiterhin ihre Verträge - und eine Tariftreueklausel ist ja noch nicht einmal eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Es geht nur darum, wem wir als öffentliche Hand
Das Ziel ist doch klar: Es kann nicht sein, dass Unternehmen nur deshalb Aufträge des Landes Brandenburg erhalten, weil sie schlechter bezahlen und weniger Urlaub und schlechtere Arbeitsbedingungen bieten. Auch als Volkswirt sage ich: Eine stärkere Tarifbindung ist auch wettbewerbspolitisch geboten - Herr Walter hat es ebenfalls ausgeführt -, denn es kann doch nicht sein, dass diejenigen Unternehmen bestraft werden, die sich an die Tarifbestimmungen halten!
Ja, wir haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir das angehen, und ich war lange sehr optimistisch, doch auch ich werde langsam ungeduldig. Wir haben uns viele Modelle angeschaut: Das Thüringer Modell beinhaltet viel Theorie, hat praktisch aber wenig Auswirkungen, gegen das Berliner Modell gibt es viele juristische Bedenken, das Saarländer Modell erfordert sehr viele Folgeverordnungen und entsprechend viel Personal.
Eine Sache möchte ich noch aufgreifen: Manchmal ist mir die Erzählung begegnet, wir Bündnisgrüne seien eigentlich schuld, weil wir alles verkomplizieren würden, weil wir neben der Tariftreue auch noch Umweltkriterien im Vergaberecht verankern wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erstens ist doch wohl klar, dass mit einer grünen Regierungsbeteiligung im Jahr 2023 auch Umweltkriterien in das Vergaberecht eingefügt werden. Zweitens machen Umweltkriterien eben nicht alles teurer. Der eingeengte Blick allein auf den Anschaffungspreis berücksichtigt eben nicht die in der Zukunft anfallenden Betriebskosten, die Lebensdauer und die am Ende anfallenden Entsorgungskosten. Nur wer alles zusammen in den Blick nimmt, kann die Wirtschaftlichkeit einer Anschaffung wirklich beurteilen.
Kurzum, auch ich will, auch wir Bündnisgrüne wollen Tariftreue als Kriterium im Vergabegesetz verankern. Das sieht man auch auf Bundesebene. Die Bemühungen von Hubertus Heil sind schon angesprochen worden; auch Robert Habeck ist an der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs für eine Tariftreueregelung auf Bundesebene beteiligt.
Die gleichen Anforderungen an Fördermittelvergaben zu stellen ist im Grundsatz ebenfalls richtig. Robert Habeck hat auch gesagt, dass Unternehmen, die vom Industriestrompreis profitieren wollen, die Bedingung der Tariftreue erfüllen müssen.
Wir setzen uns also im Bund und im Land für die Tariftreue ein. Aber entscheidend ist eben nicht der vorliegende Antrag - das wissen Sie, Herr Walter, und das weiß auch ich -, sondern entscheidend ist, dass wir uns in der Koalition einigen. Das werden
wir irgendwann tun. Deshalb: Danke, dass Sie es auf die Agenda gesetzt haben. Aber wir lehnen Ihren Antrag ab. - Danke.
Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht zu uns jetzt Herr Staatssekretär Fischer. Bitte schön.
Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft braucht motivierte und qualifizierte Fach- und Arbeitskräfte. Und sie braucht moderne Arbeitsbedingungen im Sinne von guter Arbeit. Eine zentrale Aufgabe kommt dabei den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden zu. Die Tarifautonomie ist ein sehr hohes Gut und bildet den Rahmen für die Verhandlungen der Tarifparteien über gerechte Löhne, gute Arbeitsbedingungen und den Erhalt der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit.
Tarifverträge bieten gegenüber gesetzlichen Regelungen passgenauere Lösungen unter Berücksichtigung konkreter, vor allen Dingen branchenbezogener Anforderungen. Sie ermöglichen die flexible Reaktion auf sich ändernde Rahmenbedingungen. Zudem gelingt es tarifgebundenen Unternehmen oft besser, den Fachkräftebedarf zu decken.
Im Lichte dessen - ich denke, darin stimmen wir größtenteils überein - sind die neuesten Zahlen zur Tarifbindung mit Sorge zu betrachten. Bundesweit ist die Tarifbindung seit Jahren rückläufig. Die Zahl ist schon genannt worden: Laut aktuellen Daten des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg sind 47 % der Brandenburger Beschäftigten in Betrieben mit Tarifbindung tätig. Damit liegt Brandenburg zwar im ostdeutschen Vergleich an der Spitze; trotzdem ist das zu wenig. Darüber sind wir uns sicherlich alle einig.
An einer Stelle muss ich eine kleine Korrektur vornehmen - ich habe extra nachfragen lassen -: Erfasst sind wirklich nur die Betriebe. So sind die Stadtwerke erfasst, aber nicht die Verwaltungen. Letztere sind also nicht eingerechnet.
Die Erhöhung bzw. Verstetigung der Tarifbindung ist auch für uns ein sehr wichtiges Ziel. Die staatlichen Ebenen sind gefordert, von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch zu machen, wenn die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie an ihre Grenzen gelangt - natürlich immer unter Wahrung der grundgesetzlichen Vorgaben.