Protocol of the Session on June 22, 2023

Kollege Walter, Sie wollen die Vergabe von Fördermitteln an Tariflöhnen festmachen. Das gibt mir zu denken, daher weiche ich jetzt ein bisschen von meinem Skript ab. Denken wir einmal an eine kleine Bäckerei in Brandenburg, die aufgrund der Energie

krise umstellen muss. Jetzt zahlt der Bäcker nur den Mindestlohn, und Sie sagen: In einer Großbäckerei läge der Betrag wegen der Tarifbindung viel höher, also kriegt dieser Bäcker keine Fördermittel. - Was würde das am Ende des Tages bedeuten? Dieser Bäcker muss zumachen. Es ist also falsch, solche Sachen da reinzubringen - das gehört da gar nicht rein. Bei Vergaben ist das kein Thema.

(Beifall CDU)

Ich hoffe, dass wir hier bei der Interpretation der Wirklichkeit wenigstens die folgenden Grundsätze gemeinsam aufstellen können. Erstens, Tarifzwang und Tarifautonomie haben nichts miteinander zu tun. Die von uns allen gewünschte Tarifautonomie ist keine echte Tarifautonomie mehr, wenn der Staat Vorgaben macht und den Lohn festsetzt.

(Drenske [AfD]: So ist es!)

Zweitens, wenn die Wertschöpfung in Brandenburger Branchen und Betrieben nur ein bestimmtes Maß an Personal- und Administrationskosten zulässt, kann man diesen Betrieben doch dann nicht vorschreiben, einen bestimmten Lohn zu zahlen, den sie am Ende nicht zahlen können.

(Zuruf des Abgeordneten Keller [SPD])

Die Unternehmen müssen ja auch partizipieren können. Deshalb gibt es den Mindestlohn, der für die Unternehmen und, so denke ich, auch für die Arbeitnehmer auskömmlich ist. Für diesen Mindestlohn bekommt man im Handwerk gar keine Mitarbeiter mehr. Das wissen Sie selber, Kollege Walter; wir haben schon oft darüber gesprochen. Man kann bestimmte Sachen nicht davon abhängig machen und das in dieses Gesetz reinpacken, denn auch die Betriebe, die den Mindestlohn zahlen, zahlen Steuern. Sie zahlen alles und sie schaffen Arbeitsplätze. Sie zahlen auch beim Finanzamt, denn jeder, der einen öffentlichen Auftrag bekommt, muss nachweisen, dass er beim Finanzamt seine Steuern zahlt.

(Keller [SPD]: Das sollten alle!)

Die Betriebe machen es an der Stelle richtig - sonst würden sie gar keinen Auftrag bekommen.

Drittens, nochmals zu den attraktiven Arbeitsbedingungen: Zum einen ist es wie gesagt nicht ausschließlich das Geld. Zum anderen ist weder Arbeitern noch Unternehmen gedient, wenn die Lohnforderungen nicht stimmen.

Kommen wir jetzt auf etwas zurück, das Sie angesprochen haben - dass die Koalition einen Prüfauftrag formuliert hat. Ja, das haben wir gemacht. Sie müssten das aber genau lesen, denn der Koalitionsvertrag hat uns für die Prüfung mit auf den Weg gegeben, dass insbesondere die Aspekte der Bürokratiebelastung der Unternehmen sowie der Aufwand für die Kommunen berücksichtigt werden müssen. Diese Sache ist wichtig, und deshalb tagen wir noch und beraten darüber. Es ist nicht so einfach, und man will da ja auch mit den Unternehmen und den Kommunen zusammenkommen.

Kollege Walter, noch ganz kurz als Anmerkung: Mittlerweile reagiert manchmal niemand auf eine Ausschreibung, weil man damit nichts verdient, wenn die Tariftreue oder der Mindestlohn dazu-

gehört. Wenn Sie im Land nachfassen, werden Sie rausbekommen, um welche Sachen es sich da handelt. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Herr Abgeordneter Walter hat eine Kurzintervention angemeldet. Bitte schön.

Kollege Bommert, aus meiner Sicht ging da jetzt einiges durcheinander. Ich will zumindest auf zwei Sachen eingehen. Ich will Sie zitieren - ich weiß, Sie wollten etwas anderes sagen, aber Sie haben hier tatsächlich gesagt, gute Löhne spielten für gute Arbeit keine Rolle, sie stünden an dritter Stelle.

(Zuruf)

- Das hat er gesagt.

(Keller [SPD]: Das hat er nicht so gemeint!)

- Ist mir egal, dann kann er es ja richtigstellen. - Lieber Kollege Bommert, wir beide sollten einmal zum Kellner oder zur Kassiererin gehen. Trotz 40 Stunden Vollzeitarbeit müssen sie immer noch aufstocken gehen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. Ihre Rechnungen können sie nicht mit einem Obstkorb oder einem Tischkicker bezahlen; sie brauchen gute Löhne, um gut leben zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Das kann ich hier also wirklich nicht so stehen lassen. Natürlich sind Tarifverträge die Grundlage für gute Arbeit, weil Tarifverträge für gute Löhne sorgen. Das ist so - Punkt!

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Rostock [B90/GRÜNE])

Zweiter Punkt: Staatswirtschaft - Tarifautonomie. Herr Bommert, wir greifen mit einer Tariftreueregelung nicht in die Tarifautonomie ein. Wir verhandeln nicht über Löhne und wir legen keine Löhne fest; das will ich auch nicht. Beide Tarifparteien einigen sich auf einen Tarifvertrag, und der soll in weiteren Unternehmen Anwendung finden, weil es immer noch zu viele Unternehmen gibt, die sich einen schlanken Fuß machen und sich alle möglichen Ausreden einfallen lassen, um mit den Gewerkschaften nicht zu verhandeln und die Tarifbindung zu umgehen - das ist ein Problem.

Wenn wir für gute Löhne und damit auch für eine gute Wirtschaftsentwicklung sorgen wollen, brauchen wir die Tariftreueregelung. Damit greifen wir nicht in die Tarifautonomie ein, sondern sorgen dafür, dass die Menschen in diesem Land bessere Löhne bekommen - nicht mehr und nicht weniger. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Rostock [B90/GRÜNE])

Herr Abgeordneter Bommert, möchten Sie reagieren? - Bitte schön.

Kollege Walter, wenn ich mich falsch ausgedrückt habe, bitte ich um Verzeihung. Also, in eurem Antrag steht, gute Arbeits- und Einkommensbedingungen sind nur mit tarifgebundenen Löhnen zu erreichen. - Da habe ich gesagt: Dieser Ansatz ist falsch, weil bei den Arbeitsbedingungen nicht nur der Lohn eine Rolle spielt. Natürlich gehört er dazu - deshalb geht jeder arbeiten. Jeder möchte möglichst viel Geld verdienen. Aber bei den Arbeitsbedingungen - und das war meine Aussage - spielt der Tariflohn null und nichtig eine Rolle.

Das ist es nicht. - Was war die zweite Sache?

(Keller [SPD]: Das Zweite war keine Frage! - Walter [DIE LINKE]: Tarifautonomie!)

- Ach so. Das ist richtig.

(Walter [DIE LINKE]: Staatswirtschaft!)

- Nein. Aber wenn man vorgibt, dass zu Tariflöhnen gearbeitet werden muss, weil man nur eine Vergabe macht, wenn der Tariflohn gezahlt wird, ist das ein staatlicher Eingriff. Allein darum geht es: dass die Tarifpartner das untereinander aushandeln und der Staat dort nicht eingreift; das wollen wir nicht. Aber in dem Moment, in dem ich sage: „Nur wer tarifgebunden ist, bekommt den Auftrag“, greife ich staatlich ein.

(Beifall CDU - Zuruf der Abgeordneten Johlige [DIE LINKE])

Vielen Dank. - Wir kommen zum Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Zeschmann für die Fraktion BVB / FREIE WÄHLER. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Dass gute Löhne für gute Arbeit gezahlt werden sollten, ist eigentlich selbstverständlich bzw. sollte es sein. - Das möchte ich vorausschicken, weil die eine oder andere Ausführung sonst unter Umständen missverstanden werden könnte.

(Heiterkeit DIE LINKE - Walter [DIE LINKE]: Das wird sie trotzdem!)

Es tut mir leid, aber der Antrag, den Sie hier vorlegen, ist ein für Sie typischer, Aufmerksamkeit heischender, populistischer Antrag,

(Keller [SPD]: Da kennt Herr Zeschmann sich aus!)

der viele Selbstverständlichkeiten, die eigentlich gegeben sind - dazu komme ich gleich - einfach noch einmal fordert.

(Beifall BVB/FW und CDU - Zuruf der Abgeordneten Dan- nenberg [DIE LINKE])

Dort steht:

„Angesichts der aktuellen Tarifverhandlungen und Streiks bekennt sich der Landtag von Brandenburg uneingeschränkt zur grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit“

- ich dachte, die gibt es in unserem Rechtssystem sowieso -

„und dem damit verbundenen Recht auf Streik als Teil des Arbeitskampfes.“

Auch das gibt es; das müssten Sie als Gewerkschafter wissen. Wir reden hier ja über die normalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nicht über Beamte.

Es folgt noch etwas Klassenkampf, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu mobilisieren:

„Um diesen gegenzusteuern, begrüßt und unterstützt der Landtag Brandenburg den Kampf der Gewerkschaften um attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen in Brandenburg.“

(Domres [DIE LINKE]: Was ist daran falsch?)

- Na, das mit dem Kampf ist ein bisschen übertrieben,