Protocol of the Session on June 18, 2024

Meine Damen und Herren, mit fortschreitender Digitalisierung wird die Briefwahl auch kein Problem mehr darstellen. Wahlen per ID-App, per E-Voting werden kommen, und dann werden wir andere, neue verfassungsrechtliche Debatten führen. Der hier vorliegende alte Hut ist entschieden, und wir haben keine bessere und sicherere Möglichkeit, die Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger an Wahlen zu gewährleisten. Letzteres ist eben der gesetzlich höher zu wertende Anspruch als die Frage der Beeinflussbarkeit im Einzelfall. Und auch die Wahl im Wahllokal ist zwar geheim; aber wer da wen vorher beeinflusst hat, wie er oder sie abstimmt, ist auch nicht immer ermittelbar. Mit diesen Unsicherheiten muss man in der Demokratie leben.

Wichtiger wäre es, einen leichteren Zugang zu Wahllokalen zu ermöglichen, etwa durch einen verlängerten Wahlzeitraum oder durch Wahllokale in Einkaufszentren oder an ähnlichen Orten. Es kann nur darum gehen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. - Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall Die Linke, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die Gruppe BVB / FREIE WÄHLER spricht Frau Abgeordnete Wernicke.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele von Ihnen hier im Saal haben bestimmt mindestens einmal von der Briefwahlmöglichkeit Gebrauch gemacht.

(Hohloch [AfD]: Nein!)

Mussten anfangs für die Teilnahme an der Briefwahl Gründe glaubhaft gemacht werden, ist seit der Reform des Wahlrechts im Jahr 2008 lediglich ein Antrag der Wahlberechtigten für die Briefwahl erforderlich. Die Briefwahlunterlagen werden bei der Wahlbehörde beantragt, dem Wahlberechtigten zugesandt, von ihm ausgefüllt und an die Wahlbehörde zurückgeschickt. Dabei können Fehler passieren. Es kann auch vorkommen, dass der Wahlberechtigte zu Hause beim Ausfüllen des Stimmzettels von jemand anderem beim Ankreuzen beobachtet oder beeinflusst wird. Aber auch bei einer Urnenwahl kann der Wahlberechtigte vorab von anderen beeinflusst worden sein, wie die Stimme im Wahllokal abgegeben werden soll. Ihre Vorschläge sind überlegenswert, besonders der zu den beweglichen Wahlvorständen.

Allerdings wäre es aus unserer Sicht viel wichtiger, das Brandenburgische Kommunalwahlgesetz zu ändern. Nach § 46 - Feststellung des Wahlergebnisses in den Wahlbezirken - werden die Zahl der wahlberechtigten Personen, die Zahl der Wähler, die Zahl der gültigen Stimmen, die Zahl der ungültigen Stimmen und die Zahl der auf jeden Bewerber abgegebenen gültigen Stimmen sowie die Zahl der auf jedem Wahlvorschlag abgegebenen gültigen Stimmen festgestellt.

Nicht festgestellt wird die Zahl der nicht verwendeten Stimmzettel.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Zeschmann [AfD] sowie Zu- ruf: Ja!)

Auch der Wahlausschuss prüft nach § 48 Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz nicht, wie viele nicht verwendete Stimmzettel noch vorhanden sind. Es erfolgt kein Abgleich, ob die Zahl der verwendeten und die Zahl der nicht verwendeten Stimmzettel mit der Anzahl der für diese Wahl bereitgestellten Stimmzettel übereinstimmen.

(Beifall BVB/FW Gruppe sowie vereinzelt AfD)

Auch fehlen Regelungen für die Aufbewahrung der nicht verwendeten Stimmzettel und der für die Briefwahl abgegebenen Wahlbenachrichtigungskarten. Wenn Sie eine Reform des Wahlrechts

vornehmen wollen, sollten Sie vielleicht künftig Ihr Augenmerk darauf legen. - Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall BVB/FW Gruppe)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Stübgen. Bitte schön.

(Vida [BVB/FW Gruppe] an Frau Wernicke [BVB/FW Gruppe] gewandt: Zeigt der dir den Scheiben- wischer! - Frau Wernicke [BVB/FW Gruppe]: Wer, Herr Stübgen? Unverschämt!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Das Mikrofon wird ausgeschaltet.)

Oh, Entschuldigung, ich habe den falschen … - Bitte.

Ich kann die Rede auch zu Protokoll geben, wenn Sie wollen, Herr Präsident. - Es ist bemerkenswert, für mich aber nicht verwunderlich, dass die AfD-Fraktion in der Einleitung ihres Antrags auf die Erwähnung des Wahlgrundsatzes der allgemeinen Wahl verzichtet. Ich will nur einmal daran erinnern, dass in unserem Grundgesetz steht: In Deutschland gibt es freie, gleiche, geheime und allgemeine Wahlen.

Aus diesem Grundsatz der allgemeinen Wahl leitet sich ab, dass jeder Staatsbürger sein Grundrecht auf Teilnahme an einer Wahl formal in möglichst gleicher Weise wahrnehmen können muss. Ebenjenem Grundsatz wird durch eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung, auch im Wege der Briefwahl, Rechnung getragen. Das ist im Übrigen in Deutschland seit Jahrzehnten so.

Für die mit Ihrem Antrag vorgetragenen Forderungen, etwa nach Erhöhung der Sicherheit, sowie für die Behauptung von Manipulation anlässlich der Briefwahl, die Reformbedarf hinsichtlich des Brandenburgischen Landeswahlgesetzes auslösen sollen, haben Sie nicht einmal ansatzweise belastbare Hinweise und Belege. Das geltende Landeswahlrecht enthält eine Vielzahl von Vorkehrungen zur Absicherung der Integrität der Wahl, insbesondere bei den Briefwahlen, insbesondere auch zur Wahrung des Wahlgeheimnisses und der Wahlfreiheit. Unser Landeswahlrecht hat sich über Jahrzehnte bewährt, und es gibt keine Hinweise auf erhebliche Manipulationen, einen Bruch des Wahlgeheimnisses oder Einschränkungen der Wahlfreiheit.

Schließlich möchte ich erwähnen, dass schon derzeit Regelungen zur Bildung von Sonderwahlbezirken - das ist nicht Jahrzehnte alt - und zur Stimmabgabe etwa in Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen existieren und diese Regelungen reibungslos funktionieren.

Angesichts der geltenden Bestimmungen im brandenburgischen Landeswahlrecht bedarf es daher weder einer Feststellung noch

einer Beschlussfassung, wie Sie sie in Ihrem Antrag vorschlagen. Festzustellen bleibt, dass die Briefwahl gemäß wiederholter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt ist. Und es ist eine Entscheidung der Bürger, ob sie lieber an der Urnenwahl teilnehmen oder zum Beispiel an der Briefwahl teilnehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, ich komme jetzt zu Ihrem eigentlichen Anliegen.

(Frau Kotré [AfD]: Oh, jetzt bin ich gespannt!)

In Wahrheit verfolgen Sie doch ein ganz anderes Ziel als eine Veränderung des Wahlrechts: Ihnen geht es um die Delegitimierung demokratischer Prozesse,

(Frau Kotré [AfD]: Was? - Vereinzelt Lachen bei der AfD)

Sie wollen Ihren Anhängern erzählen können, dass Ihre Ergebnisse viel besser ausfallen, als der von Ihnen abgelehnte Rechtsstaat es zulässt. Sie verfolgen das Prinzip Donald Trump: Wenn mir das Wahlergebnis nicht gefällt, behaupte ich einfach, es sei gefälscht.

(Beifall CDU, SPD und B90/GRÜNE, vereinzelt Die Linke sowie des Abgeordneten Stefke [BVB/FW Gruppe])

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache eine Prognose: Wir werden diese Behauptung der AfD in diesem Jahr noch häufig hören.

Ich empfehle die Ablehnung des Antrags und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, B90/GRÜNE und Die Linke)

Frau Abgeordnete Kotré, Sie haben als Einbringerin noch einmal die Gelegenheit. Bitte schön.

(Beifall AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Herr Scheetz, Sie missachten die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Sie missachten auch die Expertise renommierter Juristen. Was aber noch viel schlimmer ist: Sie missachten das Prinzip der freien und geheimen Wahl.

(Beifall AfD)

Wie lebensfremd sind Sie bitte, wenn Sie glauben, dass beim Wahlgang im privaten Umfeld kein Missbrauch stattfinden kann?

Wie lebensfremd sind Sie, wenn Sie annehmen, dass hinter dem Wähler nicht jemand stehen kann, der ihn beeinflusst,

(Zuruf von der AfD)

ihn möglicherweise sogar bedroht, oder der das Kreuz für ihn setzt?

(Vereinzelt Lachen bei der Fraktion Die Linke)

Wie lebensfremd ist das?

(Beifall AfD - Adler [SPD]: Ihre Welt ist das, genau Ihre Welt!)

Alle meine Vorredner haben gemeinsam, dass von ihnen überhaupt nicht in Betracht gezogen wird, dass es solche Möglichkeiten gibt.

Ich glaube aber nicht, dass Sie das überhaupt nicht in Betracht ziehen, ich glaube, Sie wollen das wissentlich verschweigen.

(Einzelbeifall AfD)

Denn Sie alle meinen, davon profitieren zu können.