Protocol of the Session on June 18, 2024

(Beifall AfD)

Indem wir die Regelung zur Briefwahl überarbeiten und die Sicherheitsvorkehrungen verstärken, können wir sicherstellen,

dass jede Stimme zählt und die demokratischen Prinzipien stringent eingehalten werden.

(Einzelbeifall AfD - Bischoff [SPD]: Was unterstellen Sie denn?)

Daher ist auch eine lückenlose Videoüberwachung der verbleibenden Briefwahlurnen unumgänglich.

Der im Land Brandenburg anlässlich der Landtagswahl 2019 bekannt gewordene Fall - jetzt komme ich auf die Frage, was ich unterstelle - eines Wahlhelfers in Oder-Spree, der mindestens 50 Stimmen der AfD den Grünen zugeteilt hat, lässt mich immer noch sprachlos zurück.

(Rostock [B90/GRÜNE]: Das wurde doch alles negiert! - Weitere Zurufe)

Dieser Grünen-Sympathisant hielt es für sogenannten zivilen Ungehorsam, die Stimmen der AfD den Grünen zuzuteilen. Ungeheuerlich, dass solche Straftaten so unbehelligt begangen werden können und im Nachhinein auch noch verharmlost werden! - Und das merke ich auch gerade hier im Saal.

(Beifall AfD)

So etwas darf nicht geduldet werden!

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Daher ist das Wahlsystem so zu reformieren, dass Wahlbetrug ausgeschlossen wird. Die Straftäter sind natürlich mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bestrafen. - Danke schön.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Scheetz zu uns. Bitte sehr.

Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ja, die AfD und die Angst vor der Briefwahl. Es ist ganz offensichtlich, dass die AfD als die politische Organisation, die bei Briefwahlen überproportional weniger Stimmen erhält, versucht, unsere demokratischen Wahlen zu diskreditieren und das Wahlsystem zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren. Genau so agieren Sie: Misstrauen, Angst, Zweifel und Unwissenheit - das zeichnet Ihr politisches Handeln aus; wir haben es heute wieder an vielen Stellen erlebt.

(Beifall SPD, B90/GRÜNE und Die Linke - Frau Bes- sin [AfD]: Sie haben Angst vor der AfD!)

- Ich habe keine Angst vor der AfD; da müssen Sie sich wirklich keine Sorgen machen.

Indem Sie unliebsame Stimmen ausschließen möchten, stellen Sie die Integrität unseres Wahlsystems infrage und gefährden das Vertrauen in unsere Demokratie - und das allein ist Ihr Ziel.

Ich muss auch, ehrlich gesagt, an der Ernsthaftigkeit Ihres Antrags zweifeln, wenn Sie eine unverzügliche Reform bzw. eine unverzügliche Änderung des Wahlrechts fordern. Man muss zum einen erst einmal festhalten, dass wir für die Landtagswahl am 22. September bereits im laufenden Verfahren sind. Es sind Aufstellungsprozesse gelaufen, es gibt noch Fristen für die Einreichung von Wahlvorschlägen. Man kann nicht während des laufenden Prozesses die Spielregeln ändern. Das ist der erste Grund, warum die Ernsthaftigkeit Ihres Antrags anzuzweifeln ist.

Dazu kommt: Wir haben in dieser Wahlperiode bereits das Landeswahlrecht geändert. Darüber haben wir intensiv und ausführlich im Innenausschuss diskutiert. Ich kann mich an keinen Änderungsantrag der AfD-Fraktion erinnern, der genau diesen Vorschlag, der heute eingebracht wird, beinhaltet hätte. Damit kann die Ernsthaftigkeit zum zweiten Mal angezweifelt werden.

Und letztlich: Wenn Ihnen dieses Anliegen so wichtig ist, warum legen Sie dann keinen Gesetzentwurf vor, sondern lediglich einen Antrag, in dem Sie zu etwas auffordern?

(Frau Kotré [AfD]: Dann würden Sie sagen, dass Sie es nicht mehr beschließen könnten!)

- Ja, aber ich habe ja gerade dazu ausgeführt. - Wenn man jetzt die Landesregierung beauftragte, erst einmal einen Gesetzentwurf zu erstellen, dann wäre das Verfahren ja noch viel länger und würde erst recht nicht zu dem entsprechenden Ergebnis führen.

Umso wichtiger ist es, dass wir alle verstehen, warum die Briefwahl sowohl sicher als auch demokratisch ist und warum Angriffe vonseiten der AfD unbegründet sind.

Zunächst zur Sicherheit der Briefwahl: Die Briefwahl in Deutschland ist - wie vieles; an manchen Stellen kritisieren wir das, in diesem Fall ist es aber sehr wichtig und gut - ein stark regulierter Prozess. Jede wahlberechtigte Person muss zunächst einen Wahlschein beantragen. Dieser Antrag wird geprüft, um sicherzustellen, dass nur berechtigte Personen ihre Stimme per Brief abgeben können. Sobald die Wahlunterlagen zugestellt werden, erhalten sie alle notwendigen Dokumente und klare Anweisungen, wie der Wahlbrief korrekt zu verschließen und zu versenden ist. Dieser Prozess stellt sicher, dass jede Stimme gültig und nachvollziehbar abgegeben werden kann.

Ein weiteres häufiges Argument der Kritiker ist die angebliche Gefährdung der Wahlgeheimhaltung. Auch hier kann man Sie beruhigen: Der Wahlbrief - ich weiß nicht; Sie werden wahrscheinlich noch nicht so oft Briefwahl gemacht haben - enthält zwei Umschläge, einen für den Stimmzettel und einen für den Wahlschein. Der Stimmzettelumschlag wird anonymisiert in den Wahlbrief gelegt, sodass die Wahlentscheidung eben nicht nachvollziehbar ist. Bei der Auszählung wird zunächst der Wahlschein geprüft und danach getrennt von den Stimmzetteln bearbeitet. So bleibt die Anonymität der Stimme gewahrt.

Zur Gleichwertigkeit: Sie suggerieren in Ihrem Antrag, dass die Gleichwertigkeit der Stimmen infrage gestellt sei. Dem ist mitnichten so. Eine per Briefwahl abgegebene Stimme hat den gleichen Wert wie eine Stimme, die an der Urne abgegeben wurde.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und Die Linke)

Die Briefwahl trägt zur demokratischen Teilhabe bei. Sie ermöglicht es vielen Menschen, die am Wahltag aus verschiedenen

Gründen - sei es aus gesundheitlichen Gründen, sei es aufgrund beruflicher Verpflichtungen, sei es aufgrund von Reisen - nicht ins Wahllokal gehen können, ihre Stimme dennoch abzugeben. Die Briefwahl stellt sicher, dass alle Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben können, unabhängig von den persönlichen Umständen.

(Beifall SPD und CDU)

In Ihren Reihen wird immer wieder behauptet - das haben Sie gerade eben auch wieder getan -, dass die Briefwahl Manipulationen begünstige. Hierzu stelle ich klar: Die Wahlbehörden in unserem Land arbeiten engmaschig und gewissenhaft, um jegliche Manipulation zu verhindern. Jede abgegebene Stimme wird sorgfältig geprüft und gezählt. Wahlbeobachter und öffentliche Kontrolleure sorgen für Transparenz und Integrität im gesamten Prozess.

(Zuruf des Abgeordneten Hohloch [AfD])

Sie haben heute Ihr Misstrauen gegenüber den Wahlbehörden, gegenüber den vielen, vielen ehrenamtlichen Wahlhelfern, Wahlvorständen ausgesprochen, indem Sie unterstellt haben, dass hier Manipulationen erfolgten. - Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern, die insbesondere am 9. Juni bis tief in die Abendstunden hinein ausgezählt haben.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und Die Linke)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Briefwahl ist ein bewährtes, sicheres und demokratisches Mittel, um an Wahlen teilnehmen zu können. Die Angriffe der AfD-Fraktion auf die Briefwahl sind unbegründet und gefährlich. Sie will unliebsame Stimmen ausschließen und unsere Demokratie schwächen. Das lassen wir nicht zu. Nutzen Sie die Möglichkeit der Briefwahl auch am 22. September! Stärken Sie unsere Demokratie und zeigen Sie, dass jede Stimme zählt!

(Beifall SPD, CDU und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die Fraktion Die Linke spricht Frau Abgeordnete Block zu uns. Bitte schön.

Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Zunächst einmal sind die dem Antrag zugrunde liegenden Debatten alt, staatsrechtlich hinreichend debattiert und vom Bundesverfassungsgericht ausgeurteilt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Briefwahl in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach für verfassungskonform erklärt. Die Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen, wurde stets höher bewertet als die Risiken für das Wahlgeheimnis - und das aus guten Gründen und aufgrund solider wissenschaftlicher Grundlage. Denn wir müssen allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes ermöglichen, an Wahlen teilzunehmen, und es muss allen daran gelegen sein, eine möglichst hohe Wahlbeteiligung und damit möglichst hohe demokratische Legitimation zu erzielen.

(Beifall Die Linke)

Zweifel an dem aktuellen Wahlprozedere bzw. am bewährten Verfahren zu säen, hilft jedenfalls nicht.

Und ein Tipp: Wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, es seien alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Manipulationen vor, bei und nach Wahlen zu vermeiden oder zu verhindern, dann fangen Sie doch einmal bei sich selbst an und lassen Sie die Desinformationskampagnen vor, bei und nach Wahlen!

(Beifall Die Linke)

Es hilft nicht - wenn wir eine höhere Wahlbeteiligung wollen -, die Hürden für das Wählen zu erhöhen, indem man sich etwa erklären muss, warum man die Briefwahl wählt. Die Welt verändert sich, meine Damen und Herren, und die Bedürfnisse auch beim Wählen sind inzwischen andere. Der Gang ins Wahllokal ist für die meisten immer noch selbstverständlich. Aber ein Teil der Wählerinnen und Wähler ist sonntags eben nicht mehr zu Hause. Die flexiblere Arbeits- und Lebenswelt schafft neue Realitäten. Und dabei geht es nicht nur um Seniorinnen und Senioren in Alten- und Pflegeheimen, wie Sie behaupten; es geht auch um Schichtarbeitende, um Pendlerinnen und Pendler, um in stationären Einrichtungen befindliche Menschen, um Menschen mit Behinderungen. Ihnen auch noch Steine in den Weg legen zu wollen, indem sie sich erklären müssen, warum und wieso sie die Briefwahl beantragen, ist wirklich einfach nur eklig.

(Beifall Die Linke)

Solange der Anteil der Briefwählenden - außerhalb von Pandemien - nicht mehr als 50 % beträgt, besteht kein Handlungsbedarf. Studien haben auch klar gezeigt, dass sich das Wahlverhalten der Briefwählenden gar nicht grundlegend von dem derjenigen, die ins Wahllokal gehen, unterscheidet.

(Zuruf des Abgeordneten Hohloch [AfD])

Die Debatte um die Briefwahl rückte ja bei der AfD in den Fokus, weil bei der Briefwahl mehr Menschen dazu neigen, ihr Kreuz bei demokratischen Fraktionen zu machen, und man eine Verschwörung und Benachteiligung witterte. Aber wenn man die eigenen Anhänger auffordert, nicht die Briefwahl zu nutzen, muss man sich ja auch nicht wundern, dass man am Ende mehr Stimmen hat von denjenigen, die ins Wahllokal gehen - das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.

(Vida [BVB/FW Gruppe]: An Prophezeiungen sind höhere Anforderungen zu stellen!)

- Hm, ach so.

Meine Damen und Herren, mit fortschreitender Digitalisierung wird die Briefwahl auch kein Problem mehr darstellen. Wahlen per ID-App, per E-Voting werden kommen, und dann werden wir andere, neue verfassungsrechtliche Debatten führen. Der hier vorliegende alte Hut ist entschieden, und wir haben keine bessere und sicherere Möglichkeit, die Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger an Wahlen zu gewährleisten. Letzteres ist eben der gesetzlich höher zu wertende Anspruch als die Frage der Beeinflussbarkeit im Einzelfall. Und auch die Wahl im Wahllokal ist zwar geheim; aber wer da wen vorher beeinflusst hat, wie er oder sie abstimmt, ist auch nicht immer ermittelbar. Mit diesen Unsicherheiten muss man in der Demokratie leben.