Protocol of the Session on June 14, 2019

Das ist nicht „der Verfassungsschutz der SPD“, sondern der Verfassungsschutz für uns alle.

(Beifall SPD)

In Deutschland wird der Schutz der Verfassung fast immer ne gativ diskutiert, was ich so nicht nachvollziehen kann. In ande ren Ländern haben Verfassungsschutzbehörden einen guten

Ruf. Das mag mit den historischen Erfahrungen hierzulande zusammenhängen, dass Geheimdienste dazu genutzt wurden, vermeintliche Staatsfeinde persönlich, politisch und wirtschaft lich zu brechen, aber natürlich auch mit den Skandalen der letzten Jahrzehnte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit einem starken, modernen Verfassungsschutz schützen wir diejenigen, die durch Extremisten direkt bedroht werden, aber auch diejeni gen, die in Gefahr stehen, auf Extremisten hereinzufallen.

Die Frage, welche Rolle der brandenburgische Verfassungs schutz zukünftig einnehmen soll, hat die Debatte in den letzten Monaten dominiert. Klar ist: Aus den Fehlern der Vergangen heit haben wir gelernt. Der Gesetzentwurf in hier vorliegender Form ist nicht nur Ergebnis unserer Erkenntnisse aus dem NSU-Untersuchungsausschuss. Vieles davon hatten die zustän digen Minister dem Verfassungsschutz bereits per Ministerial order auferlegt. Heute können wir aus diesen freiwilligen Re geln ein Gesetz machen. Genau das ist auch unsere Aufgabe als gewählte Abgeordnete des Landtags. Wir sind diejenigen, die politisch entscheiden müssen, was der Verfassungsschutz darf und was eben nicht.

(Beifall SPD)

Ich finde, wir sollten diese Verantwortung endlich auch über nehmen. Wir sollten uns nicht wegducken oder uns darauf ver lassen, dass der Minister im Notfall schon handelt.

Zu den wichtigsten Regelungen gehören - erstens - einheitliche Standards zur Anwerbung verdeckter Informationsgeber. Dazu gehört, dass das Anwerbeverbot auf Mitarbeiter von Fraktio nen in Parlamenten ausgeweitet wird. Außerdem darf die Zu sammenarbeit nicht durch Täuschung, Drohung oder Ausnut zung einer Notsituation zustande kommen.

Zweitens wird die parlamentarische Kontrolle deutlich ausge baut. Die Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommis sion werden gestärkt, unter anderem durch die sogenannte Whistleblower-Regelung. Die PKK bekommt zudem Unter stützung durch eine ständige Beauftragte bzw. einen ständigen Beauftragten.

Drittens. Es entsteht eine neue Stabsstelle Innenrevision, die der Leitung des Verfassungsschutzes unmittelbar unterstellt ist. Die Innenrevision überwacht die Recht- und Ordnungsmäßig keit der Maßnahmen des Verfassungsschutzes - eine der Forde rungen der Bundestags-Untersuchungsausschüsse als Lehre aus der Mordserie des NSU.

Viertens. Polizei und Verfassungsschutz bleiben getrennt.

Fünftens. Quellenschutz gilt nicht absolut; das ist mir als Obfrau des NSU-Untersuchungsausschusses sehr wichtig. Im Klartext: Der Verfassungsschutz muss wichtige Erkenntnisse auch dann weitergeben, wenn dadurch die Quelle enttarnt werden könnte.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ein moderner Verfassungs schutz braucht gute und genügend Mitarbeiter. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, deren Freiheit und Sicherheit wir als Staat verteidigen müssen. Deshalb stimmen

wir heute auch über einen Antrag der Koalitionsfraktionen zur Verbesserung der personellen Ausstattung des brandenburgi schen Verfassungsschutzes ab.

Ein Verfassungsschutz, der klar regulierte Arbeitsweisen und transparente Abläufe hat, ist ein wesentliches Element der wehrhaften Demokratie. Ich bitte um Zustimmung zu den bei den vorliegenden Drucksachen.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Lakenmacher für die CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns im parlamentarischen Verfahren; die Anhörung haben wir durchlaufen. Der Gesetzentwurf von SPD und Lin ken war vorher unzureichend, und er ist heute unzureichend. Ich möchte auf drei Punkte eingehen.

Erstens. Die Regierungsfraktionen, SPD und DIE LINKE, wollen offensichtlich keinen zeitgemäßen, modernen Verfas sungsschutz.

(Frau Gossmann-Reetz [SPD]: Falsch!)

- Frau Gossmann-Reetz, da hilft alles Schönreden nichts.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Sie wollen keinen zeitgemäßen Verfassungsschutz und damit auch keinen wehrhaften Staat; denn der Verfassungsschutz ist eine wichtige, nicht wegzudenkende Säule der Sicherheitsar chitektur und eines wehrhaften Rechtsstaates.

(Beifall CDU)

Die Bedrohungslage ist heute eine deutlich andere als vor zehn Jahren. In sämtlichen Phänomenbereichen - Linksextremis mus, Rechtsextremismus, islamistischer Terrorismus - ist nicht nur die Zahl der Mitglieder, sondern auch die der Sympathisan ten um ein Vielfaches angestiegen. Auch die Gewaltbereit schaft ist in allen Bereichen größer geworden; Sie wissen das, Herr Minister. Tendenz: Weiter steigend!

So prognostiziert die Landesregierung selbst, dass die Zahl der Islamisten in Brandenburg 2019 noch weiter steigen wird. Zu gleich berichtet sie in einer Antwort auf unsere parlamentari sche Anfrage, dass - hören Sie zu! - soziale Netzwerke und Messenger-Dienste gerade auch im Bereich verfassungsfeind licher Bestrebungen, also im Kernbereich der Verfassungs schutzarbeit, immer wichtiger werden. Umso erschreckender ist es, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung in der bereits zitierten Antwort einräumen muss, dass „auf Grund der nur eingeschränkten Überwachbarkeit von Netz-Aktivitä ten die Erkenntnislage unbefriedigend ist.“

„Konspiration unter Islamisten ist auch im Land Bran denburg festzustellen.“

Das hätte ich Ihnen übrigens auch sagen können, bevor ich nachgefragt habe. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass be reits mit dem Gesetzentwurf der Koalition der IMSI-Catcher sowie die verdeckte Teilnahme an Kommunikation im Internet eingeführt wird. Aber, Herr Minister - und Sie wissen das ganz genau -, da können und dürfen wir jetzt nicht stehenbleiben. Mit dem IMSI-Catcher kann man den Standort eines Handys ermitteln, aber man steht vor verschlossenen Türen, was den Kommunikationsinhalt betrifft.

(Beifall CDU - Minister Schröter: Richtig!)

- Richtig, genau. Da sagen Sie „richtig“.

Was verschlüsselt ist - und dass es verschlüsselt ist, dürfte heutzutage der Regelfall sein, denn was technisch zur Verfü gung steht, wird von denjenigen, die verfassungsfeindliche Be strebungen verfolgen, auch genutzt -, muss natürlich auch of fenbar werden. Da bleibt der Entwurf des Verfassungsschutz gesetzes, den Sie anbieten, leider ein absolut stumpfes Schwert. Die Befugnis des Verfassungsschutzes zum Einsatz des IMSICatchers muss mit der Befugnis der Quellen-TKÜ und der On linedurchsuchung ergänzt werden. Obwohl Sie wissen, dass es so ist, können Sie hier nicht liefern - das haben Sie gerade noch einmal bestätigt. Das heißt, Sie sind schwach. Man muss sich das einmal vorstellen:

(Gelächter bei der SPD)

Der Verfassungsschutz Brandenburg ist nicht in der Lage, Mes sengerdienste oder schlichte WhatsApp-Nachrichten mitzuver folgen. Ganz ehrlich, Herr Minister, das kann man auch nicht mehr weglächeln. Damit sind Sie für mich nach dem Polizeige setz, nach der misslungenen Kommunalreform ein absolut tra gischer Minister geworden; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.

(Beifall CDU und AfD - Oh! bei der SPD)

Zum zweiten Punkt: Die Fraktionen von SPD und DIE LINKE achten in ihrem Gesetzentwurf nicht hinreichend die verfas sungsrechtlichen Vorgaben zum Grundrechtsschutz.

Und zum dritten Punkt, der Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss: Hier hätten Sie die einmalige Gelegenheit gehabt, die Erkenntnisse in geltendes Recht umzu setzen. Der Einsatz von V-Männern, ja, das ist ein zweischnei diges Schwert, das hat der Untersuchungsausschuss gezeigt. Aber als Ultima Ratio muss er weiterhin möglich sein. Wir wollen das und wir wollen den Verfassungsschutz auch mit viel weitreichenderen Kompetenzen ausstatten, aber eben auch mit mehr Verantwortlichkeit und Kontrolle, Herr Minister. Das ist eben kein Gegensatz, Herr Scharfenberg, sondern es ist in ei nem Rechtsstaat zwingend notwendig, dass das einander er gänzt. Wir hätten uns deshalb gewünscht, dass die Kontrolle des Verfassungsschutzes parlamentarisch und innerbehördlich gestärkt wird.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Und hochnotpeinlich ist es für die Linke, dass sie das in ihrem Sondervotum zum Untersuchungsausschuss zwar fordert, aber nicht imstande ist, das hier einzubringen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, stimmen Sie dem Änderungsantrag der CDU zu, dann machen Sie das Richtige für einen zeitgemä ßen Verfassungsschutz. - Vielen Dank.

(Beifall CDU - Bretz [CDU]: Dann machen Sie übrigens immer das Richtige! - Lachen bei der SPD - Frau Lieske [SPD]: Da muss ich aber auch lachen!)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Dr. Scharfenberg für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Legislatur periode war wesentlich geprägt durch die intensive Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses. Das vorliegende Gesetz ist auf den Weg gebracht worden, um noch in dieser Wahlperiode Schlussfolgerungen aus Erkenntnissen des Untersuchungsaus schusses zu ziehen. Dieses Anliegen ist dadurch zugespitzt worden, dass der Innenminister in seiner Ressortverantwortung eine erhebliche Erhöhung der Stellen in der Abteilung Verfas sungsschutz durchgesetzt hat, die eigentlich mit diesem Gesetz verbunden werden sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist bekannt, dass die Linke eine kritische Position zum institutionalisierten Verfassungs schutz vertritt und als Fernziel diese Einrichtung abschaffen will.

(Beifall DIE LINKE)

Der beste Verfassungsschutz sind mündige Bürgerinnen und Bürger und nicht ein Geheimdienst,

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

der eher ein Fremdkörper in einer Demokratie ist.

(Zurufe von der CDU)