Protocol of the Session on June 27, 2018

Erstens: Mit Inkrafttreten dieser Gesetzesnovelle wird es nicht mehr erforderlich sein, dass die Initiatoren einen Vorschlag zur Deckung der mit einem Bürgerbegehren verbundenen Kosten vorlegen müssen. Dieser Kostendeckungsvorschlag hat sich be kanntlich in vielen Fällen als unüberwindbares Hindernis für den Erfolg von Bürgerbegehren erwiesen. Ich weiß, wovon ich rede; ich habe das in mehreren Fällen hier in Potsdam erlebt. Die jetzt vorgesehene Regelung, dass die Verwaltung eine Kos tenschätzung für ein Bürgerbegehren zu erstellen hat, ist eine erhebliche Erleichterung. In diesem Zusammenhang haben wir nach der Anhörung im Innenausschuss noch eine Veränderung vorgenommen, um mit dieser neuen Verfahrensweise die knapp bemessene Frist für Bürgerbegehren, die sich gegen einen Be schluss der Vertretung richten, nicht weiter einzuschränken. Das ist ein echtes Problem, das wir nicht bedacht hatten. Des halb soll die Frist von acht Wochen erst beginnen, wenn die Verwaltung die Kostenschätzung vorgelegt hat. Wir versuchen, das in knappster Form zu regeln; die Änderung könnte wesent lich ausführlicher ausfallen und mit weiteren Vorschriften ver bunden sein. Ich denke, dass auf diese Art und Weise das Anlie gen und die Vorschrift ausreichend definiert werden.

Zweitens: Wir greifen des Weiteren die Forderung auf, dass die Prüfung der Zulässigkeit von Bürgerbegehren objektiviert wird

und künftig durch die jeweils zuständige Kommunalaufsicht erfolgt. Damit sollen die Vertretung entlastet und die Akzeptanz dieser Zulässigkeitsprüfung erhöht werden. Es liegt im Interes se jeder Verwaltung und der Kommunalaufsicht, diesen Weg zu gehen; denn manche Streitigkeit und manche Bewertung, die im Nachhinein erfolgt, auch manch unzutreffende Bewertung, kann auf diese Art und Weise ad absurdum geführt werden.

Drittens: Auch mit der künftig durchgängigen Anwendung der Briefwahl bei Bürgerentscheiden verbessern wir die Rahmen bedingungen für die direkte Demokratie. Ich bedauere es sehr, dass es uns nicht gelungen ist, unseren Koalitionspartner dafür zu gewinnen, den sogenannten Negativkatalog für Bürgerbe gehren auszudünnen und zumindest die Aufstellungsbeschlüsse für Bebauungspläne zum möglichen Gegenstand von Bürgerbe gehren zu machen. Dafür hat es in der Anhörung Fürsprache gegeben; leider hat das nicht zu einer Bewegung geführt.

Dafür haben wir im Gesetzentwurf eine bisher nicht vorgesehe ne Erweiterung vorgenommen; dafür haben wir die SPD-Frak tion gewinnen können. In § 13 soll ergänzt werden, dass eine mögliche Form der Beteiligung der Einwohner die Durchfüh rung von Einwohnerbefragungen ist. Das hatte in der vorheri gen Diskussion keine Rolle gespielt. Ich habe in der Anhörung diese Frage aufgeworfen und mit Freude zur Kenntnis genom men, dass die Spitzenverbände dem sehr aufgeschlossen gegen überstehen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von Ihnen immer, Herr Vida.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich bin gespannt, in welche Richtung Sie gehen.

Das habe ich befürchtet. - Herr Abgeordneter, Sie haben gerade geschildert, dass bestimmte Änderungen, zum Beispiel die Ent schlackung des Ausschlusskatalogs, am Widerstand der SPD gescheitert sind. Darüber haben wir schon intensiv debattiert. Dazu sind in den vergangenen Jahren mehrere Anträge einge bracht worden. Was hindert Sie als frei gewählten Abgeordne ten und was hindert Ihre Fraktion daran, in diesem Punkt von dem Willen Ihres Koalitionspartners einfach abzuweichen? In Ihrem Wahlprogramm sind Sie auf diesen Punkt ausführlich eingegangen. Auch Sie persönlich vertreten diese Forderung vehement. Sie praktizieren diesen Ansatz als Stadtverordneter in Potsdam und als Initiator von Bürgerbegehren. Sie bedauern hier, dass es nicht zu der auch von Ihnen gewünschten Rege lung kommt. Ich habe gesehen, dass der Entschlackungsantrag bezüglich der Bauleitpläne auch mit den Stimmen der Linken abgelehnt worden ist. Warum ist Ihr Abstimmungsverhalten in diesem wichtigen, grundsätzlichen Punkt so zwanghaft daran gebunden, was der Koalitionspartner fordert?

(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Mein Gott!)

Herr Vida, Sie argumentieren in vielen Fällen sehr eigenwillig und maßen sich auch an, Ihre persönlichen Maßstäbe an das Handeln anderer anzulegen. Aber ich denke, dass Sie - Sie sind ja lange genug Mitglied dieses Hauses - die Grundregeln kennen. Deshalb muss ich Ihre Frage nicht ernsthaft beant worten.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wissen, dass diese konsultative Beteiligung - ich bin noch bei den Einwohnerbefragungen - in verschiedenen Kommunen bereits erfolgreich Anwendung findet. So haben sich Bürgerbe fragungen zum Landtagsneubau und zum Neubau eines Bades in Potsdam bei der Lösung konfliktbehafteter Fragen der Stadt entwicklung als sehr hilfreich erwiesen. Ich will es zuspitzen: Dieses Haus gäbe es vermutlich nicht, wenn wir nicht den Lö sungsweg gefunden hätten, über eine Bürgerbefragung die Vor aussetzung für eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversamm lung zu schaffen. Diesen Vorschlag hatte es vorher schon mehrfach gegeben. In der Krisensituation 2006 ist man die sem - unserem - Vorschlag gefolgt. Wir alle haben feststellen können, dass dieser Weg zu einem positiven Ergebnis geführt hat.

Die Regelung zur Einwohnerbefragung soll hinweisenden Cha rakter haben; denn selbstverständlich ist es Sache der jeweili gen Kommunen, ob und, wenn ja, in welchem Umfang sie diese Beteiligungsform anwenden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein zweiter wichtiger Be standteil des Gesetzentwurfs ist die - bisher nicht in der Kom munalverfassung erwähnte - Beteiligung von Kindern und Ju gendlichen in den Kommunen. Wir haben den Vorschlag in unserem Gesetzentwurf noch einmal angepasst.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Aber nicht zum Parkplatz und nicht zur Verwaltungsreform.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich wusste nicht, dass Sie mit dem Auto da sind.

Bitte schön, Herr Petke.

Kollege Dr. Scharfenberg, Sie sprachen gerade die Abstim mung zum Bau dieses Hauses an. Ich als damaliger Potsdamer erinnere mich, dass die Linke gegen den Neubau des Landtags an dieser Stelle und in dieser Form war. Das heißt, die Linke hat etwas auf das Gleis gesetzt, und die Bürgerinnen und Bürger, die Potsdamerinnen und Potsdamer haben dann praktisch eine Entscheidung gegen die Linke getroffen, sodass wir heute die Möglichkeit und die Ehre haben, in diesem Plenarsaal zu dieser Frage zu debattieren.

(Frau Gossmann-Reetz [SPD]: Das hat er doch ausführ lich erklärt!)

Herr Petke, ich weiß nicht, ob Sie sich noch genau entsinnen. Ich weiß ja, dass Sie solche Zusammenhänge ganz gut erfassen können.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Fakt ist, dass es in der Stadtverordnetenversammlung zwei Ab stimmungen gab. Beide Abstimmungen über den Bebauungs plan zum Landtagsneubau - vorher ging es nur um das Stadt schloss - gingen negativ aus. Vor der dritten Abstimmung - da wir geschlossen dagegen stimmten - war es erforderlich, die Stimmen dafür zu sichern. Voraussetzung für die dritte Abstim mung war das weitere Verfahren.

Ich gebe Ihnen Recht: Die Bürgerbefragung hat ein Ergebnis erbracht, das nicht in unserem Sinne war. Das will ich gern zu geben. Aber das Entscheidende war: Die Bürgerinnen und Bür ger, die Potsdamerinnen und Potsdamer hatten die Möglichkeit, sich in diesen Prozess einzubringen. Ich will jetzt nicht darüber richten, wie das mit den verschiedenen Varianten für den Land tagsstandort war. Fakt ist: Von dem Moment an ist das Problem in dem Sinne gelöst worden, dass die Bürgerinnen und Bürger in die Lösung einbezogen wurden. Deshalb kann ich ganz gut damit leben, dass es dieses Ergebnis gegeben hat.

(Zuruf des Abgeordneten Petke [CDU])

Das ist eine Frage des Verfahrens. Sie haben nicht dazu beige tragen.

(Zustimmung bei der Fraktion DIE LINKE)

Dabei folgen wir den Empfehlungen des Bildungsausschusses, der sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt und dazu eine Anhörung durchgeführt hat. Ich freue mich, dass es damit ge lungen ist, der Intention der im Gesetzentwurf der Grünen vor geschlagenen Regelungen, die weiter gehen als unsere ur sprüngliche Fassung, zu folgen. Dies gilt vor allem für die Dokumentationspflicht bei der Kinder- und Jugendbeteiligung, die wir - unter Berücksichtigung von Bedenken der kommuna len Spitzenverbände, die deutlich geworden sind - in das Gesetz einfügen wollen. Ich denke, es gibt große Übereinstimmung darüber, dass damit die Kinder- und Jugendbeteiligung verbind licher gemacht wird.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu der Anhörung im Innenausschuss: Es ist keine Überraschung, dass die kommuna len Spitzenverbände nicht viel von dieser Weiterentwicklung der Kommunalverfassung halten. Dabei ist manches Argument

allerdings wenig überzeugend. Mit dem Ausbau der direkten Demokratie geht es eben nicht darum, die gewählten Kommu nalvertretungen zu schwächen. Unmittelbare Demokratie und repräsentative Demokratie sind nicht gegeneinander zu stellen, sondern sie ergänzen einander.

Letztlich geht es uns darum, durch eine wirksame Bürgerbetei ligung kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Dabei ist es falsch, sich von einer möglichen missbräuchlichen Anwendung der Formen direkter Demokratie leiten zu lassen.

Mich hat überrascht, wie die CDU-Fraktion von ihrem Vor schlagsrecht für die Anhörung Gebrauch gemacht hat. Schließ lich hat die CDU-Fraktion, die bekanntlich auf die repräsentative Demokratie schwört, in den vergangenen Jahren eine wun dersame Entwicklung durchlaufen. Herr Petke hat bei verschie denen Gelegenheiten - ich nenne die Verwaltungsreform - sein Herz für direkte Demokratie auf kommunaler Ebene entdeckt. Dagegen ist der von der CDU für die Anhörung vorgeschlagene Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Brandenburg an der Havel bei der traditionellen CDU-Linie geblieben und hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht; sein Credo war: Wir brauchen keine unmittelbare Demokratie, denn die gewählten Stadtverordneten leisten das Erforderliche, und sie tun das auch richtig. - Ich zitiere Herrn Paaschen:

„Sie diskutieren hier über einen Gesetzentwurf für mehr Beteiligung, und ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass uns in der Stadt Brandenburg an der Havel andere, zukunfts orientierte Probleme beschäftigen.“

Ich will das nicht weiter kommentieren.

Umso mehr wundert mich der Änderungsantrag, mit dem die CDU-Fraktion regeln will, dass die Bürger Vorschläge und Be schwerden an die Gemeindevertretung richten können, obwohl das mit dem Petitionsrecht schon ausdrücklich im Gesetz fest geschrieben ist. Ich habe gesehen - Herr Petke, können Sie mir einmal zuhören? -, dass Sie das auf den § 16 umgeschrieben haben, aber ich muss Ihnen sagen: Das ist überflüssig. Was da rin stehen muss, steht darin. Sie können noch viel mehr hinein schreiben. Aber, wissen Sie, man sollte versuchen, ein Gesetz möglichst knapp zu halten. Das gilt auch für Ihre weiteren Än derungsvorschläge. Die Änderungen sind überflüssig. Was Sie wollen, das können die Kommunen bereits tun. Selbstverständ lich können sie Befragungen und was weiß ich auch auf digita lem Wege vornehmen. Im Gesetz steht nicht, dass sie das nicht tun können. Bürgerbeteiligung kann auch in moderner Form durchgeführt werden. Insofern brauchen wir das nicht.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass es eine breite Zu stimmung zu diesem Gesetzentwurf gibt. Ich freue mich, dass sich die Reihen etwas aufgefüllt haben. Ich finde, dass dieses Thema etwas stiefmütterlich behandelt wird.

(Beifall der Abgeordneten Koß, Lüttmann [SPD] und Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Es wird verkannt, dass das wirklich jeden und jede in diesem Land betrifft und auf die politische Kultur in den Kommunen eine große Wirkung haben kann. Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD und der Abgeordneten Nonne macher [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Jung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Bei dem Gesetzentwurf der Grünen und bei dem von Rot-Rot geht es zum einen um die Beteiligung und Mitwir kung von Kindern und Jugendlichen und zum anderen - es wur de schon angesprochen - um die direkte Demokratie. Wir haben Probleme mit dem ersten Teil, um das klar zu sagen. Das hatten wir auch im Innenausschuss deutlich gemacht. Wir lassen uns da von der Maxime leiten: Lasset die Kinder doch Kinder sein. - Aufgrund der mangelnden Einsichtsfähigkeit von Kin dern

(Domres [DIE LINKE]: Manche haben mehr als Sie!)

sollte die früheste Beteiligung ab 14 Jahren erfolgen.

Bei der Anhörung im Innenausschuss haben sich die kommuna len Spitzenverbände auch dezent in diese Richtung geäußert. Die Erfahrungen, die in Schleswig-Holstein gemacht wurden - dort ist es in § 47 der Gemeindeordnung geregelt -, klingen nicht so positiv. Ich möchte aus der Stellungnahme des Sozial verbandes Der Paritätische - Seite 5 - zitieren:

„Trotz der Bestimmungen in § 47 der Gemeindeordnung wurde auch in Schleswig-Holstein festgestellt, dass sich die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht als Selbstläufer flächendeckend etabliert.“