Protocol of the Session on November 15, 2017

Wir werden ja wohl nicht nachträglich Ihre Verwaltungsstruk turreform legitimieren, die beim Bürger gescheitert ist, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall CDU - Zurufe von der SPD)

Herr Abgeordneter, Ihnen ist bekannt, dass die persönliche Er klärung dazu dient, sich zum Abstimmungsverhalten und nicht inhaltlich zur Sache zu äußern.

(Beifall SPD - Zurufe von der SPD)

Ich bitte Sie, sich daran zu halten.

Selbstverständlich, Frau Präsidentin. Ich begründete gerade, warum wir dem Entschließungsantrag nicht zugestimmt haben, warum ich ihm nicht zugestimmt, sondern mich enthalten habe, und warum ich denke, dass die Koalitionsfraktionen hier heute ihrem Ministerpräsidenten offenbar nicht zugehört haben.

Wenn es Ihnen wirklich darum ginge, ein neues Miteinander in diesem Land anzustreben, wenn es Ihnen wirklich darum gin ge, gemeinsam etwas für die Kommunen zu erreichen, dann hätten Sie hier keinen ideologischen Streit vom Zaun gebro chen, sondern die Teilung des Abstimmungsgegenstandes zu gelassen, sodass wir uns gemeinsam für wesentliche Punkte hätten aussprechen können. Es ist schon erschreckend, wie we nig das Wort des Ministerpräsidenten hier noch zählt.

(Beifall CDU sowie des fraktionslosen Abgeordneten Hein)

Damit sind wir - leider - am Ende dieses Tagesordnungspunk tes.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungs punkt 4 auf.

Wirtschaftsfaktor Barrierefreiheit - Die Vorreiterrolle Brandenburgs im barrierefreien Tourismus weiter stärken

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/7525

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 6/7614 vor.

Wir beginnen die Aussprache. Es spricht zu uns die Abgeord nete Hackenschmidt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Gäste! Ich freue mich, dass dieser Antrag doch recht weit oben auf der Tagesordnung steht. Genau dort gehört er auch hin. Ich lade Sie alle herzlich dazu ein, diesem Antrag überfraktionell zuzustimmen.

Es ist ein wichtiger und richtiger Antrag. Warum? - Mehr als 10 000 Unternehmen arbeiten in unserem Land in der Touris musbranche, vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Die se Unternehmerinnen und Unternehmer leisten einen beson ders wichtigen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung. Mehr als 60 000 Beschäftigte finden dadurch Arbeit, und zwar auch in unseren ländlichen Räumen, in denen es nicht immer ein fach ist. Schon deshalb ist der Tourismus für Brandenburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Warum nun ein Spartenantrag zum barrierefreien Tourismus? - Die Koalitionsfraktionen hatten bereits einen Antrag zum The ma „Touristische Infrastruktur in Brandenburg sichern und weiterqualifizieren“ eingebracht. Darin gab es einen Absatz zur Barrierefreiheit. Aber ich meine, das Thema ist zu wichtig, um es nur in einem Absatz abzuhandeln. Es gibt so viele Tou risten mit dem Bedürfnis nach Barrierefreiheit. Ich möchte, dass diese Menschen zu uns nach Brandenburg kommen, weil wir hier für sie beste Angebote haben.

Barrierefreiheit muss dabei weitgefasst verstanden werden. Was meine ich damit? - Annähernd 10 % der Deutschen sind anerkannt schwerbehindert. Darunter fallen Menschen mit Mo bilitätseinschränkungen. Das ist wohl auch das Erste, was den Leuten zum Thema Barrierefreiheit einfällt. Das ist es auch, aber eben nicht nur. Es umfasst auch Sehbehinderungen, Hör behinderungen und geistige Behinderungen. Es betrifft aber auch Menschen, die ohne jegliche Behinderung das Bedürfnis nach Barrierefreiheit haben. Das sind beispielsweise Familien mit Kindern, die mit Kinderwagen und Laufrädern für ihre Kleinsten unterwegs sind. Auch Gäste mit Nahrungsmittelun verträglichkeiten haben besondere Bedürfnisse.

Auf all dies muss sich die brandenburgische Tourismuswirt schaft einstellen, und zwar schon vor Reiseantritt, im Angebotsprozess und auf dem Weg zum touristischen Ziel, vor Ort und gegebenenfalls auch noch danach. Und das macht Bran denburg gut.

(Beifall SPD)

Ich bin stolz - und ich möchte, dass auch Sie es sind -, dass sich Brandenburg in diesem Bereich eine Vorreiterrolle erarbeitet hat. Schon seit Jahren engagiert sich das Land auf dem Gebiet der Barrierefreiheit intensiv. In keinem anderen Bundesland er halten Reisende derart detaillierte und geprüfte Informationen zur Barrierefreiheit von Unterkünften, Freizeitangeboten und Restaurants.

Auf die eben genannten Bedürfnisse geht beispielsweise die TMB über die Internetseite www.barrierefreiheit-brandenburg. de ein und zeichnet entsprechende Angebote zur Befriedigung dieser Bedürfnisse mit speziellen Piktogrammen aus. Dazu möchte ich einige Beispiele bringen. Die TMB bietet über die genannte Internetseite …

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abge ordneten Bommert zu?

Frau Hackenschmidt, ich habe mir den Antrag sehr gut durch gelesen. Das Einzige, was ich darin vermisse - vielleicht kön nen Sie insofern meinen Geist ein bisschen erhellen -: Wie viel Geld will die Landesregierung dafür einsetzen, damit man den Hotels, den Gaststätten und allen anderen hilft, dies umzuset zen? Denn mit der Maßnahme, die Sie mit Ihrem Antrag ein fordern, sind ja erhebliche finanzielle Belastungen gerade für die kleinen Betriebe verbunden, die nach meiner Meinung von diesen Betrieben nur schwer geschultert werden können. Sie können - ich sage es einmal so - kleinen Gastwirten durch sol che Maßnahmen jetzt nicht wieder höhere Kosten aufbrum men. Die können sie durch ihr normales Geschäft nicht erwirt schaften.

Ich komme im Laufe meiner Ausführungen noch zur Förde rung etc. pp., Herr Bommert. Hören Sie bis zum Ende zu, dann wird Ihre Frage beantwortet sein.

Die TMB bietet über die genannte Internetseite buchbare Pro grammbausteine zur Barrierefreiheit für Gruppenreisen. Auf diese Weise wird Reisen als Gemeinschaftserlebnis für Men schen mit und ohne Beeinträchtigung möglich. Schon deswe gen halte ich dieses Angebot für unschätzbar wichtig.

Über den Wassertourismus haben wir auch in der letzten Ple narsitzung gesprochen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf den ersten rollstuhlgerechten Hausboot-Katamaran hinwei sen, der über Brandenburgs Gewässer kreuzt - führerscheinfrei

und vom Rollstuhl aus zu bedienen. Den Beitrag „Dem Son nenuntergang entgegen“ auf Seite 54 in der Ausgabe 2017 der Zeitschrift „Brandenburg für alle - Barrierefrei reisen“ empfeh le ich Ihnen wärmstens.

Vielleicht führt die Reise die Besatzung ja an den Grienerick see. An diesem Gewässer liegt das HausRheinsberg Hotel am See. Es ist Deutschlands größtes barrierefreies Hotel und bietet Vier-Sterne-Komfort. 107 Zimmer sind barrierefrei und kön nen auf Wunsch sogar mit Pflegebetten ausgestattet werden. Das Schwimmbad ist mit Lifter ausgestattet. In der multifunk tionalen Seehalle finden regelmäßig Sportwettkämpfe für Roll stuhlfahrerinnen und -fahrer statt.

Werte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Angebote sind außergewöhnlich; deshalb möchte ich sie her ausheben. Hier wurde vieles richtig gemacht. Meine Bitte an alle Akteure: Machen Sie weiter so!

Auch im öffentlichen Personennahverkehr hat sich schon eini ges getan, dennoch gibt es Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Barrierefreiheit im ÖPNV. Der Ministerpräsident hat es vorhin bereits angesprochen: Mit der Änderung des ÖPNVGesetzes wird es intensive Investitionen in Höhe von 48 Milli onen Euro in die Barrierefreiheit geben, denn wir haben uns zur vollständigen Barrierefreiheit im ÖPNV zum 01.01.2022 verpflichtet - das heißt, die Aufgabenträger, also die Landkrei se, werden von uns auch unterstützt. Der CDU-Entschlie ßungsantrag zielt aber ausschließlich auf den ÖPNV. Damit zeigen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Sie die Komplexität des Themas und die vielschichtigen Be dürfnisse der Betroffenen leider nicht verstanden haben. Scha de!

Ob im ÖPNV Verbesserungsbedarfe bestehen? Na klar! Lassen Sie uns darüber an geeigneter Stelle diskutieren, also bei der Novellierung des ÖPNV-Gesetzes im Dezember-Plenum.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Aber unterlassen Sie bitte die Instrumentalisierung eines für die betroffenen Menschen wichtigen Antrages für Ihre Partei taktik und vergessen Sie die konstruktive Oppositionsarbeit dabei nicht! Es ist nämlich wichtig, das Thema Barrierefreiheit in all seinen Facetten, hier bezogen auf den Tourismus, immer wieder ins Plenum zu bringen. Uns allen muss das Wohl der Betroffenen am Herzen liegen.

Insgesamt kommen wir auf dem Weg der Barrierefreiheit mit kontinuierlicher und harter Arbeit voran. Klar ist für alle Berei che der Barrierefreiheit: Wir halten unsere brandenburgische Vorreiterstellung nicht, wenn wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen. Für die weitere Förderung der Barrierefreiheit brau chen wir nach meiner Einschätzung keine Extra-Förderrichtli nie oder Ähnliches. Was wir vor allem brauchen, ist, dass alle Beteiligten weiter und immer wieder sensibilisiert werden. Das Wirtschaftsministerium und die Tourismusmarketing Branden burg GmbH sind seit vielen Jahren bezüglich dieses Themas aktiv und leisten gute Arbeit.

Mit unserem Antrag setzen wir einen Rahmen. Ich bitte die Landesregierung, diesen Rahmen auszufüllen und vor allem die Einzelmaßnahmen zu unterstützen. Über die Angebote, Be teiligungen und bisherigen Erfolge habe ich schon gesprochen.

Aber wir werden von parlamentarischer Seite her immer wie der nachfragen, die Debatte am Leben halten und damit unse ren Beitrag zu diesem Thema leisten.

Wir erinnern uns an die Anpassungen der Bauordnung zwecks Barrierefreiheit im letzten Jahr. Bei allen bisherigen Beteilig ten möchte ich mich diesbezüglich herzlich bedanken. Deswe gen ist mir dieser Antrag so wichtig: Hier wird eine klassische Win-Win-Situation geschaffen. Sowohl Touristen mit dem Be dürfnis nach Barrierefreiheit als auch alle Brandenburgerinnen und Brandenburger profitieren davon, und es rechnet sich er heblich für unsere Wirtschaft. Wir sind auf einem guten Weg, den wir weiter barrierefrei ausbauen wollen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir danken Ihnen. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Genilke für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist Barrierefreiheit, wie sie im Antrag der SPD und der Linken speziell bezogen auf den Tourismus beschrieben wird, eine ganz bedeutsame und wichtige Angelegenheit. Barriere freiheit aber nur auf Tourismus zu beziehen ist natürlich deut lich zu kurz gesprungen, denn wir haben in der Tat auch Barri erefreiheit zu gewährleisten für Menschen, die zwar behindert sind, aber arbeiten gehen. Das spielte jetzt gar keine Rolle. Auch hat Frau Hackenschmidt allerlei Dinge aufgezählt, für die sie im politischen Raum keine Taten hat folgen lassen. Sie hat Dinge aufgezählt, die die Wirtschaft im Tourismusbereich von sich aus getan hat, weil sie der Meinung war, dass es in diesem Bereich einen Markt gibt, den es in besonderer Weise zu bedienen gilt, und dass man damit auch Geld verdienen kann.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Der Antrag nimmt uns als Gesetzgeber auch nicht etwa in ir gendeine Pflicht, sondern umschreibt diese nur. Das soll offen sichtlich auch so sein; wir sollen wieder einmal sensibilisie ren - so habe ich die Rede verstanden, und so muss man auch den Antrag lesen. An dieser Stelle möchte ich einmal zitieren, wie er verfasst ist:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, im Rah men der verfügbaren Haushaltsmittel […] darauf hinzu wirken, dass Wirtschaft und öffentlicher Personenfern- und Nahverkehr […] sich […] an […] Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit beteiligen.“

Das heißt, die Landesregierung erhält gar keinen Auftrag. Sie soll nur darauf hinwirken - und das alles unter dem Deckman tel der Kosten. Das bedeutet also Barrierefreiheit nach Kassen lage. Das, meine Damen und Herren, ist aber nicht Stand unse rer Gesetzgebung. Wir haben beispielsweise ein Personenbe förderungsgesetz, mit dem sich das Land Brandenburg ver pflichtet hat, bis zum 1. Januar 2022 die Barrierefreiheit herzu stellen. Dort gibt es keinen Kostenvorbehalt. Es enthält nur zwei Ausnahmen - in § 4 des Personenbeförderungsgesetzes

erstens die der technischen Realisierbarkeit sowie zweitens die des finanziellen Handlungsrahmens. Aber die Landesregierung wird angesichts der Rücklagen in Höhe von 1,3 Milliarden Eu ro ja nicht ernsthaft davon ausgehen, dass die Finanzen eine Rolle bei der Herstellung von Barrierefreiheit spielen. Für die Technik trifft das meines Erachtens nach auch nicht zu.

Deshalb möchte ich unseren Antrag anders verstanden wissen, als dass wir dieses Thema nicht verstanden hätten. Jede Reise, die ein Behinderter oder ein Mobilitätseingeschränkter unter nimmt, beginnt in der Regel mit dem öffentlichen Personennah verkehr. Genau dort geht es los: Da haben wir gerade eine Stre cke, ja eine ganze Trasse, nämlich die nach Dresden, neu sa niert. An dieser befinden sich fünf Bahnsteige in einer Höhe von 76 cm und fünf Bahnsteige in einer Höhe von 55 cm. Das wird ein großer Spaß, wenn derjenige, der bei 55 cm losfährt, in Berlin landet, denn dort wird er ausnahmslos auf 76 cm hohen Bahnsteigen landen. Dort geht die Problematik also schon los!

Hier sehen wir als Union unsere größten Bemühungen, näm lich erstens die Barrierefreiheit des öffentlichen Personennah verkehrs zu gestalten. Das wurde bereits angesprochen - Stich wort ÖPNV-Gesetz. Dieses Thema werden wir noch auf der Agenda haben, und hier werden Sie die Entflechtungsmittel wohl entsprechend einsetzen, sodass wir auf 48 Millionen Euro kommen. Der Großteil dieser 48 Millionen Euro geht aber an Städte mit Straßenbahnen. Was machen wir bitte schön mit al len anderen Städten und Landkreisen, die gar keine Straßen bahnen haben? Busförderung haben Sie ja bisher leider ausge schlossen. Auch dort beginnt für viele, die in diesem Bereich touristisch barrierefrei unterwegs sind, die Reise in ihrem Dorf oder in ihrer Stadt mit dem Bus. Das dürfen wir bei der Kette dessen, um was es da geht, nicht vergessen.

Zweitens - das war heute schon einmal Thema; Herr Bischoff hat es bereits angesprochen -: Es gab Schelte, weil die steuerli che Erleichterung für die Hotellerie in Aussicht gestellt worden ist. Das zeigt auch, wie irrsinnig diese Diskussion ist. Was glauben wir denn, was an Barrierefreiheit in den Hotels und Unterkünften passiert wäre und passieren würde, wenn es diese Steuererleichterung nicht gegeben hätte? Selbstverständlich muss ich die steuerlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass sich Barrierefreiheit auch für denjenigen lohnt, der am Ende diese Übernachtungen anbietet. Wie soll es denn sonst funktionieren? Denn Mittel für die Förderung haben Sie in Ih rem Antrag ja schließlich nicht erwähnt.