Mit diesem tiefen Einschnitt wird die Möglichkeit geschaffen, sich neu zu sortieren und neue Ansätze zur Lösung der nach wie vor bestehenden Probleme in unserem Land zu formulie ren. Es ist auch eine Chance für ein gemeinsames Vorgehen. Denn es ist unstrittig: Der Reformbedarf besteht nach wie vor - Reformbedarf, dem wir uns stellen müssen und auch stellen wollen, möglichst in einem breiten Konsens. Dabei scheidet der bisher geplante Weg über eine Kreisgebietsreform als Instrument aus.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion stellt mit ihrem Antrag den Text des laufenden Volksbegehrens wortwörtlich zur Abstimmung. Diese einfache Übernahme des Originaltex tes - übrigens ohne im Antrag auch nur einmal den Bezug zum Volksbegehren herzustellen - ist für uns ein bedenkliches Vor gehen. Obwohl wir das inhaltliche Anliegen teilen, können wir dem Antrag in der vorgelegten Form nicht folgen. Deshalb ha ben wir uns zu dem Entschließungsantrag entschlossen, der Ih nen vorliegt. Unser Ansatz ist in mehrfacher Hinsicht ein ande rer als der der CDU. Einerseits bringen wir - anknüpfend an die Substanz des CDU-Antrages - inhaltlich zum Ausdruck, dass wir den drei Punkten des Volksbegehrens zustimmen, aber oh ne sie zu kopieren. Das soll ein klares Signal an die Spreche rinnen und Sprecher des Volksbegehrens sein, dass sie ihr in haltliches und politisches Ziel erreicht haben.
Wir wollen damit auch zum Ausdruck bringen, dass wir bereit sind, mit den Vertretern der Initiative - es sind einige anwe send - Gespräche über das weitere Vorgehen zu führen.
Andererseits stellen wir uns im Unterschied zum CDU-Antrag der Frage, wie es weitergehen soll, und zeigen in Grundzügen auf, was jetzt getan werden muss. Dazu haben wir im Ent schließungsantrag eine Reihe von Handlungsaufträgen an die Landesregierung formuliert. Wir wollen an die Vorschläge der Landkreise und kreisfreien Städte zur Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen im ganzen Land anknüpfen. So soll die freiwillige Zusammenarbeit, also die interkommunale Koope ration, zwischen Landkreisen, kreisfreien Städten und Ämtern gefördert werden - im Wissen darum, dass diese interkommu nale Kooperation begrenzte Möglichkeiten hat. Das schließt eine wirksame Förderung freiwilliger Zusammenschlüsse ein. Dabei verweisen wir auch auf wesentliche Teile des Reformpa kets, auf die wir zurückgreifen können und die umgesetzt wer den sollen. Deswegen ist die Arbeit, die hier geleistet worden ist, eben nicht umsonst gewesen.
Wir wollen das Programm zur finanziellen Besserstellung von landesweit bedeutsamen Kultureinrichtungen in den Oberzent ren und in Senftenberg und Schwedt umsetzen. Wir wollen die kreisfreien Städte mit klarem Konsolidierungswillen bei ihrer Entschuldung unterstützen. Es ist für uns selbstverständlich, dass die Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Ebe nen, insbesondere zwischen Landkreisen und Gemeinden, wei ter diskutiert werden muss - natürlich mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Wir halten an dem Demokratiepaket fest, das die Koalitions fraktionen als Änderungsantrag zum Kreisneugliederungsge setz eingebracht hatten. Die Novellierung der Kommunalver
fassung soll zeitnah in den Landtag eingebracht und mit den Beteiligten diskutiert werden. Das gilt auch für den Anspruch, die Bedingungen für die ehrenamtliche Tätigkeit der Kreistags abgeordneten zu verbessern. Dazu hat die Landesregierung im Juli entsprechende Vorschläge vorgelegt, die wir weiterverfol gen wollen.
Konsequenterweise beziehen wir diese Verbesserungen auch auf die Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte. Wir wollen die Landesregierung beauftragen, konkrete Maß nahmen dazu vorzubereiten und uns bis September vorzulegen. Wir haben dann gemeinsam die Möglichkeit, Festlegungen da zu zu treffen.
Das sind anspruchsvolle Vorgaben, meine Damen und Herren. Das kann eine gemeinsame Plattform für das weitere Vorgehen im Landtag sein. Ich werbe um Zustimmung zu diesem Ent schließungsantrag.
Herr Petke, ich habe Ihnen zugehört. Sie haben gesagt, Sie wollen Ihren sachlichen und konsequenten Weg fortsetzen. Al so ich habe den in der Vergangenheit über weite Strecken ver misst;
aber Sie können jetzt unter Beweis stellen, dass Sie an einem sachlichen und konsequenten Vorgehen interessiert sind: Stim men Sie diesem Entschließungsantrag zu! - Danke schön.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Verehrte Gäste auf der Tribüne! Zum wiederholten Mal stimmen wir heute über einen wohlbekannten Antragstext ab. Es ist der Text der erfolgreichen Volksinitiative und des aktuell laufenden Volksbegehrens „Bürgernähe erhalten - Kreisreform stoppen“. Ziel des Antrages ist es, mit sofortiger Wirkung das Leitbild für die Verwaltungsstrukturreform 2019 vom 13. Juli 2016 aufzuheben, keine Kreisgebietsreform gegen den Willen der betroffenen Gebietseinheiten zu erlauben und von der Lan desregierung ein Konzept zur interkommunalen Zusammenar beit zu verlangen.
Diese Wiedervorlage könnte man in Anlehnung an den Schlachtruf am Ende der von-Kleist-Novelle „Prinz von Hom burg“ auch folgendermaßen verstehen: In den Staub mit allen Feinden der Landkreise und kreisfreien Städte!
Psychologisch mag dieses Vorgehen nachvollziehbar sein, aber ob es politisch zielführend ist, möchte ich bezweifeln. Es ent spricht vor allem nicht unbedingt der Stimmungslage der Ini
tiatoren des Volksbegehrens, wovon wir uns in einem aktuellen Hintergrundgespräch überzeugen konnten.
Inhaltlich ist festzustellen, dass das Konzept zur interkommu nalen Zusammenarbeit mit den Beschlüssen zur Volksinitiative bereits angenommen wurde. Nachdem die Landesregierung selbst ihre Gesetzentwürfe zur Kreisneugliederung und zur Funktionalreform zurückgezogen hat, hat sich das Leitbild de facto erledigt. Es ist vom Lauf der Ereignisse überholt und so mit aufgehoben worden.
Eine Kreisgebietsreform wird es in Brandenburg in dieser Le gislaturperiode und vermutlich auch für lange Zeit danach nicht geben. Spiel, Satz und Sieg für die Volksinitiative, die mit ihren 130 000 Unterschriften schon auf der ersten Stufe des Volksgesetzgebungsverfahrens eine sehr große politische Wirkmächtigkeit entfaltete und sich diesen Erfolg maßgeblich ans Revers heften kann!
Meine Damen und Herren, ich halte es aber für sehr problema tisch, wenn das Parlament den Text eines Volksbegehrens be schließt, während das Volksbegehren noch läuft und offiziell erst Ende Februar 2018 endet.
Dies kann man auch als eine Respektlosigkeit gegenüber der Volksgesetzgebung ansehen. Die Eintragsfrist läuft und kann auch nicht dadurch vorfristig beendet werden, dass der Land tag wortgleich beschließt. Es würde den verfassungsmäßig ga rantierten Rang der Volksgesetzgebung völlig aushebeln, wenn der Landtag durch einen Beschluss ein Volksbegehren stoppen könnte.
Ich habe eine dreiseitige Ausarbeitung des Parlamentarischen Beratungsdienstes vor mir liegen. Darin wird bestätigt, dass es dafür keinerlei gesetzliche Grundlage gibt.
Ja. Ich bin zwar etwas erkältet und meine Synapsen sind viel leicht etwas langsamer als sonst, aber Kollege Redmann kann gerne etwas fragen.
Geschätzte Kollegin Nonnemacher, ist Ihnen das Institut der Erledigung bekannt - dass etwas, was die Volksinitiative will, nämlich einen Beschluss des Landtages gegebenenfalls im We ge der Volksgesetzgebung herbeizuführen, natürlich erreicht werden kann, indem der Landtag genau diesen Beschluss fasst?
Und ist Ihnen bekannt, dass die Volksinitiative selbst - der Vor sitzende des Vereins Bürgernahes Brandenburg - jüngst sogar den Landtag darum gebeten hat, diesen Beschluss jetzt zu fas sen, der sich mit dem deckt, was der Ministerpräsident gesagt hat, sodass man nicht die Leute noch auffordern muss, bis Feb ruar in die Ämter zu laufen, um für etwas zu unterschreiben, was ohnehin bereits eingetreten ist?
Nein, die Zeit wird nicht angerechnet, sie läuft jetzt weiter. Sie wird nicht angerechnet, Sie können antworten, und danach …
Kollege Redmann, wegen der Erledigung eines laufenden Volksbegehrens habe ich wie gesagt vor einigen Tagen den Parlamentarischen Beratungsdienst - ich bin, wie bekannt, Fachärztin und keine Juristin - um eine Erörterung dieses Prob lems gebeten. Ich lese Ihnen daraus vor. Der Parlamentarische Beratungsdienst hat uns zugearbeitet:
„Es fehlt eine Rechtsgrundlage. Die Beendigung eines laufenden Volksbegehrens zu einer sonstigen Vorlage,“
„sei es durch Erledigungserklärung des Landtages, sei es durch Rücknahme des Verlangens auf Durchführung ei nes Volksbegehrens oder allgemein durch Aufhebung des Volksbegehrens seitens des Landesabstimmungsleiters, sieht das Volksabstimmungsgesetz nicht vor.“
Das wird dann über drei Seiten ausgeführt. Ich möchte unsere Zuhörer nicht langweilen, ich werde Ihnen das nachher gerne übergeben, dann können Sie das studieren.
Zu Ihrer Frage bezüglich der Initiatoren: Herr Vogel und ich hatten vorgestern ein Hintergrundgespräch über anderthalb Stunden. Auch unser Landesvorsitzender, Herr Rostock, war dabei. Wir haben uns mit den Initiatoren des Volksbegehrens unterhalten. Deren Intention klang nun nicht so nach „Jetzt aber richtig in den Staub mit ihnen“, deshalb habe ich das zu Beginn der Rede angeführt.
Ich würde jetzt gerne fortfahren. - Es würde also den verfas sungsmäßig garantierten Rang der Volksgesetzgebung völlig aushebeln, wenn der Landtag durch einen Beschluss das Volks begehren stoppen könnte.
Nicht erledigt hat sich aus unserer Sicht der Handlungsbedarf an vielen Stellen im Bereich der Verwaltung des Landes. Das betrifft die Entschuldung hochverschuldeter Kommunen sowie die Reform des kommunalen Finanzausgleichs, die Schaffung neuer Verwaltungsmodelle auf gemeindlicher Ebene, insbeson dere die Einführung der brandenburgischen Amtsgemeinde, oder die Finanzierung landesweit bedeutsamer Kultureinrich tungen. Das umfasst natürlich auch den ganzen Bereich der Verwaltungsmodernisierung, der Digitalisierung und des EGovernments. Selbstverständlich betrifft es auch die Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Einwohnerinnen und Ein wohner auf kommunaler Ebene.
Nur weil es der Landesregierung nicht gelungen ist, aus einer im Wesentlichen noch immer richtigen Analyse und Problembe schreibung heraus ein hochkomplexes Reformvorhaben ver nünftig auf den Weg zu bringen, inhaltlich konsistent auszuge stalten, gut zu kommunizieren und Ängste auszuräumen, darf es nicht dort zu einem Reformstillstand kommen, wo Reformen weiterhin notwendig sind. So gut wie alle Reformbeteiligten ha ben die Rücknahme der Gesetzentwürfe mit Erleichterung auf genommen, aber Reformbedarf auf allen Ebenen attestiert.