Woher wissen Sie das eigentlich, wenn es doch in der Krimina litätsstatistik gar nicht erfasst wird? Vielleicht ist das so ein Gefühl bei Ihnen? Bei der Forderung nach öffentlichen Mit teln, zum Beispiel für einen runden Tisch, ist es aber wichtig, sich nicht nur auf gefühlte Wahrheiten zu verlassen.
Besser und fairer den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, von denen das Geld kommt, ist es, zuzuhören und zu verstehen - zuzuhören beispielsweise, wenn die brandenburgischen Fami lienverbände sich die Zeit nehmen, um von der Lebensrealität und den Sorgen und Nöten ihrer Mitgliedsfamilien zu erzählen, hinzuhören, wenn ein Fünftel der sechs- bis elfjährigen Kinder sagt, sie fühlten sich abgehängt und hätten kaum Erwartungen an die eigene Zukunft. Aber das Treffen mit den Familienver bänden haben Sie damals hauptsächlich dazu genutzt, Ihren völkisch geprägten Antrag zur Familienförderung zu bewer ben.
Zum Glück hat die Landesregierung besser zugehört und des wegen den Fokus bei dem so wichtigen Thema Armut auf Kin der gelegt. Arme Kinder kommen nämlich auch aus armen Fa milien. Um den Teufelskreis der förmlichen Vererbung von Armutslagen über Generationen hinaus zu durchbrechen, müs sen wir den Blick ganz besonders auf die Teilhabechancen die ser Kinder richten.
Das hat die Landesregierung im Gegensatz zu Ihnen gleich zu Beginn der Wahlperiode getan und nicht erst jetzt, wo es auf die Bundestagswahl zugeht. Ihr Antrag zu diesem Zeitpunkt spielt, wie schon öfter, Menschen in unterschiedlichen sozialen Notlagen gegeneinander aus.
Herr Vizepräsident! Mensch, Frau Nonnemacher, es ist schön, dass Sie sich mit unserem alten Landtagswahlprogramm von 2014 beschäftigt haben. Vielleicht sollten Sie auch die Mög lichkeit nutzen, das Bundestagswahlprogramm von 2017 zu lesen. Da finden Sie eine ganze Menge zu Kinderarmut, zu Ar mut im Allgemeinen, zu Leiharbeitsverhältnissen und zu Zeit arbeitsverhältnissen. Dann würden Sie sich vielleicht etwas aktualisieren, statt hier mit irgendwelchen alten Programmen daherzukommen. Wir können uns auch mit Ihrem Programm von vor 20 Jahren beschäftigen und hier aufführen, wie Sie sich entwickelt haben. Das wäre bestimmt auch interessant.
Sie können auch gern in das Programm der CDU von 2002 schauen und es mit dem Programm der AfD von heute verglei chen. Da werden Sie viele Gemeinsamkeiten finden. Wir fra gen uns manchmal, warum wir so diffamiert wurden, wenn doch all die Themen 2002, 2003, 2004 bereits von der CDU auf Bundesebene angesprochen wurden.
Im Übrigen haben Sie vielleicht unseren Antrag nicht richtig gelesen. Es geht in unserem Antrag, den wir jetzt gerade be handeln, nicht nur um Kinderarmut, sondern um Armut im All gemeinen. Sie wissen auch - Sie sind im Präsidium, in der PGF-Sitzung dabei -: Wir wollten unseren Antrag zum Thema Armut in einem Tagesordnungspunkt gemeinsam mit dem An trag zur Kinderarmut behandeln, weil es sich sehr gut anbietet, gleich über beide Themen gemeinsam zu sprechen. Denn Kin derarmut ist nur ein Teil der Armut im Allgemeinen. Wer hat sich verweigert, dass beide Themen gemeinsam behandelt wer den? Die Frage kann die Linke beantworten.
Kinder, die in Armut leben, leben meistens auch in Familien, denen es nicht gut geht. Daher wäre es zwingend notwendig gewesen, beide Themen gemeinsam zu behandeln. Der Vorteil ist jetzt, dass wir alle am Freitag zusätzliche Redezeit haben, um uns mit dem sehr wichtigen Thema der Kinderarmut auch noch zu beschäftigen. Armut im Allgemeinen umfasst auch Al tersarmut, Alltagsarmut und Kinderarmut. Deswegen sprechen wir gerade über viele verschiedene Themen.
(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Ich sehe keine Ver anlassung, auf die Kurzintervention zu antworten.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag der AfD-Fraktion, ein lösungsorien tiertes Konzept zur Bekämpfung der Armut in Brandenburg vorzulegen, wird sehr wohl ein wichtiges Thema angespro chen. Gleichwohl kommt dieser Antrag einige Zeit, nachdem sich die Koalitionsfraktionen bereits darauf verständigt haben: Schon zu Beginn der Legislaturperiode ist die Landesregierung mit einem Entschließungsantrag zur zielgerichteten Bekämp fung von Armut aufgefordert und gebeten worden, bereits be stehende Maßnahmen zusammenzuführen. Dieser Aufforde rung ist die Landesregierung nachgekommen. Ich möchte das nur kurz anreißen, um einigen Behauptungen oder Aussagen, die in dem Antrag suggeriert werden, entgegenzutreten.
Wir haben beispielsweise den bereits angesprochenen runden Tisch gegen Kinderarmut gegründet, im Übrigen eine Initiative mit dem Namen „Starke Familien - Starke Kinder“. Das bringt zum Ausdruck, dass wir Kinderarmut nicht isoliert behandeln wollen und auch nicht isoliert behandeln können. Natürlich sind arme Kinder immer auch in armen Familien. Gleichwohl haben wir hier den Fokus auf Kinderarmut gerichtet, weil Kin der diejenigen sind, die sich am wenigsten aus eigener Kraft aus dieser Lebenssituation befreien können und das besondere Augenmerk der Gesellschaft und auch des Landes Branden burg brauchen.
Natürlich tragen arme Eltern ein hohes Risiko, später auch im Alter arm zu sein und unter Altersarmut zu leiden. Deshalb sind weitere Maßnahmen über diesen runden Tisch hinaus neu in Angriff genommen worden.
Frau Schier hat unter anderem ein Projekt angesprochen, das wir mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds fördern und das sich insbesondere an Langzeiterwerbslose, Alleinerziehende und Familien mit Kindern unter 18 Jahren richtet. Im Übrigen erstrecken sich diese Angebote nicht auf einen Zeitraum von drei oder sechs Monaten, den Frau Schier zu Recht kritisiert hat, sondern bis zu zwei Jahre können die Betroffenen von die sem Angebot profitieren. Es wird ganz individuell geholfen, damit dieses Angebot nachhaltig ist und die Familien dauerhaft aus der Armut herausgeführt werden können.
Wir haben Maßnahmen zur Vermeidung oder Bekämpfung von Altersarmut ergriffen. Das ist zum einen die Schaffung von existenzsichernden Arbeitsplätzen auch hier bei uns im Land Brandenburg. Das sind aber auch Bundesratsinitiativen für die zukunftssichere Ausgestaltung der gesetzlichen Rente. Das können wir leider nicht im Landtag Brandenburg beschließen, so gern wir es tun wollten. Da gibt es noch einiges an Diskussionen, und es wird sicherlich einer der inhaltlichen Themen schwerpunkte im Bundestagswahlkampf sein. Wir kümmern
uns natürlich auch um die soziale Teilhabe älterer, insbesonde re benachteiligter älterer Menschen. Dies hat einen besonderen Stellenwert bei der Erarbeitung der Seniorenpolitischen Leitli nien.
Das bringt mich zu einem aktuellen Hinweis, den ich Ihnen ge ben möchte. Am vergangenen Dienstag - also gestern - hat das Kabinett die Fortschreibung des Familien- und Kinderpoliti schen Programms beschlossen, inklusive eines Maßnahmenpa ketes. Wir können an viele erfolgreiche Maßnahmen anknüp fen. Es finden sich auch neue in diesem Paket, zum Beispiel die Förderung der Mehrgenerationenhäuser oder ein Projekt in der Prignitz, bei dem es darum gehen soll, Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik für Familien zusammenzubringen. Ich rech ne damit oder hoffe sehr darauf, dass dies dazu beitragen wird, dass sich - so wie es jetzt schon ist - gegenläufige Trends in Brandenburg entwickeln. Die Kinderarmut in Brandenburg geht zurück - ganz im Unterschied zu den Zahlen im Bund.
Deshalb auch noch der Hinweis - weil das in der Begründung des Antrags so geschrieben steht -: Ich glaube nicht, dass wir neue Statistiken brauchen, sondern wir brauchen den politi schen Willen auf allen Ebenen - von Europa über den Bund bis zu den Ländern und Kommunen -, Armut umfassend zu be kämpfen. - Herzlichen Dank.
Herr Vizepräsident! Frau Alter, der sozialpolitische Schwer punkt für die SPD ist also Armut, Armutsbekämpfung. Da fra ge ich mich: Was haben Sie in den letzten Jahren gemacht? Seit 1990 ist die SPD doch an der Regierung!
Sie haben eine ganze Reihe von Aktionen aufgezählt. Da frage ich mich: Warum funktioniert es denn nicht? Dann haben Sie gesagt: Wir arbeiten an konkreten Lösungsmöglichkeiten - die werden gerade entwickelt. - Wann denn? Warum geschah das denn nicht schon vor 15 Jahren? Warum denn nicht schon vor zehn Jahren oder vielleicht wenigstens vor fünf Jahren?
Und, Frau Fortunato, beschließen kann man eine ganze Menge. Wenn zu Anfang der Legislaturperiode etwas beschlossen wur de, frage ich mich: Wo sind die Ergebnisse? Wo sind die Hand lungen? Wo sind die positiven …
- Natürlich habe ich zugehört. Aber ich habe bei Ihrer Frau Golze gar nicht viel gehört, was sich da bisher an praktischem Umsetzungserfolg ergeben hat.
15 912 Bürger, die Grundsicherungsleistungen wegen Er werbsminderung bezogen haben, sind durchschnittlich
42,5 Jahre alt. Grundsicherung im Alter erhielten 7 715 Men schen, deren Durchschnittsalter 73,8 Jahre betrug. 73,8 Jahre! Da muss also jemand, der sein Leben lang gearbeitet hat …
Da gibt es also Menschen, die ihr Leben lang wahnsinnig viel gearbeitet haben und im Alter dann Grundsicherung beantra gen müssen.