Herr Präsident! Verehrte Vertreter der Volksinitiative! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 130 000 gesammelte Unterschrif ten sind ein bemerkenswerter Erfolg der Volksinitiative „Bür gernähe erhalten - Kreisreform stoppen“ und ein Zeichen, dass das Thema viele Menschen bewegt und sie sich einmischen wollen. Als eine Partei, die in der direkten Demokratie eine wertvolle Ergänzung zu unserer parlamentarischen Demokra tie sieht, finden wir dies durchaus erfreulich.
All diese Unterschriften unter die Ziele der Volksinitiative sind aber auch eine Tatsache, die die rot-rote Regierungskoalition sehr nachdenklich machen sollte: Trotz eines sogenannten Bür gerdialogs mit Veranstaltungen in allen Landkreisen und kreis freien Städten und trotz einer umfangreichen Internetpräsenz ist es der Landesregierung bisher nicht gelungen, die Ziele der Reform verständlich zu kommunizieren und die Brandenbur gerinnen und Brandenburger zu überzeugen.
Bei diesem so wichtigen Thema fehlte Rot-Rot von Anfang an der rote Faden: Zerstrittenheit in der Zielsetzung, Uneinheit lichkeit im Agieren auf Landes- und kommunaler Ebene, Rechthaberei, fehlende Kontinuität bei Zuständigkeit und Erar beitung der Reformentwürfe haben die Kampagne der Reform gegner beflügelt. Ein positives Bild der Reform, das Chancen und Vorteile erlebbar, spürbar macht, hat es nie gegeben.
Das alles betrübt uns Grüne, weil wir durchaus der Meinung sind, dass es in Brandenburg in der Landes- wie in der Kom munalverwaltung beträchtlichen Reformbedarf gibt. Wir sehen auch den jetzigen Zeitpunkt als sehr geeignet an, Reformen der Verwaltungsstrukturen im Land Brandenburg auf den Weg zu bringen.
Die Ziele der Volksinitiative können wir deshalb inhaltlich und auch formal in allen drei Punkten nur ablehnen. Formal er scheint es uns gar nicht möglich, den ersten Punkt der Volksin itiative umzusetzen. Den Beschluss zum Leitbild für die Ver waltungsstrukturreform können wir nicht aufheben. Wir könn ten höchstens ein neues Leitbild beschließen.
Im zweiten Punkt ging es der Volksinitiative um den Erhalt al ler Landkreise und aller kreisfreien Städte. Abgesehen davon, dass nicht klar ist, für welchen Zeitraum diese Forderung im Fall ihres Wirksamwerdens Bestand haben soll, lehnen wir ei ne Zementierung des Status quo ab. Im Gegensatz zur Volksin itiative sehen wir Handlungsbedarf. Auch leichte Entspannung bei der Entwicklung der Bevölkerungszahlen und eine aktuell gute Einnahmesituation des Staates drehen langfristige Trends nicht um.
Jetzt so zu tun, als sei den langjährigen Reformüberlegungen, an denen Sie sich ursprünglich stark beteiligt haben, quasi die Geschäftsgrundlage entzogen worden, halten wir für unseriös.
Und überzogene Appelle an Emotionen bei Themen, die per se unbeliebt sind, halten wir für schwierig. Herr Senftleben, viel
leicht werden Sie in der nächsten Regierung sein, in welcher Funktion auch immer, und dann sehen, dass sämtliche Reform bemühungen ein für alle Mal begraben sind, wenn sie jetzt scheitern. Ich sehe das auch als schwierig für die Zukunft.
Der dritte Punkt der Volksinitiative hat offensichtlich den Koa litionsfraktionen Kopfzerbrechen bereitet. Immerhin schlagen sie in ihrer vom Innenausschuss angenommenen Stellungnah me vor, die Forderung nach einem Konzept zur Verbesserung der interkommunalen Zusammenarbeit anzunehmen. Dies mag man als ein Zeichen der Gesprächs- und Kompromissbereit schaft betrachten, es trägt aber nicht zur Klarheit in der Sache bei.
Interkommunale Zusammenarbeit ist in Brandenburg möglich und erwünscht, und die Rahmenbedingungen dafür können wir gerne alle gemeinsam weiterentwickeln. Interkommunale Zu sammenarbeit stößt aber immer wieder an Grenzen. Freiwillige Zusammenarbeit kann unterstützt, aber niemals angeordnet oder erzwungen werden!
Deshalb kann dieses Instrument auch kein Mittel sein, grundle gende Reformen zu ersetzen. Genau so, nämlich als Ersatz, ist es aber von der Volksinitiative gemeint, und deshalb können wir auch diesem Punkt nicht zustimmen.
Wir bedauern es sehr, dass von den Protagonistinnen und Prot agonisten der Volksinitiative keine Bereitschaft zur Verhand lung über einzelne Punkte signalisiert wurde. So wird es wohl auf ein Volksbegehren und in der Folge auf einen Volksent scheid zulaufen. Das wäre der erste von unten hervorgerufene Volksentscheid in Brandenburg - das finde ich nicht schlecht.
Den Antrag der CDU und der FREIEN WÄHLER lehnen wir ab. Dem ersten Punkt der Beschlussempfehlung des Hauptaus schusses, der Ablehnung der Volksinitiative, können wir uns anschließen, dem zweiten Punkt nicht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Heute geht es darum, ob die Regierungsmehrheit hier im Landtag den Mut besitzt, einen Fehler zu korrigieren, und die Demut, auf die erfolgreichste Volksinitiative in der Geschichte Brandenburgs zu hören. Denn es gehört wahrlich nicht Tapferkeit dazu, diese Unterschriften abzulehnen, sondern Kühnheit und Hochmut.
Denn die Menschen haben mit ihrer Unterschrift dokumentiert, dass sie an die Leistungsfähigkeit der Landkreise und kreisfrei en Städte glauben. Sie haben somit ein Gegenbild aufgestellt zu jenen, die unsere Kommunen nur schlechtreden und mitun ter unflätige Bemerkungen über die Bürger machen, die dort wohnen. Es hat sich somit ganz klar gezeigt, dass auf der einen Seite die sind, die von nichts anderem als dem Rückgang der Bevölkerung und der mangelnden Leistungsfähigkeit reden, und auf der anderen Seite jene, die Hoffnung haben und an die Zukunft unserer Landkreise und die Leistungsfähigkeit der dort lebenden Menschen glauben.
Ich glaube, es ist auch gut, dass sich dieses Bild so klar zeigt; denn dann haben wir es mit einem offenen Visier zu tun, mit einer klaren Unterscheidbarkeit der Positionen.
Richtig ist, Brandenburg braucht leistungsfähige Kreise. Genau deswegen gibt es diese Volksinitiative, die wir als BVB/FREIE WÄHLER mittragen; denn wir wissen, Leistungsfähigkeit wird vom Bürger her definiert. Wenn die Menschen einen Bezug zu ihrer Verwaltung und zu ihrer Vertretung haben, setzt das Kräfte frei und stärkt das demokratische Miteinander. Die Stärke der Kreise lebt auch von der Stärke der Unternehmen, und die brau chen kurze Wege zu ihren Verwaltungen. Und die Zukunftsge richtetheit, von der Sie reden, braucht Verwurzelung, eine Ver wurzelung in gewachsenen, örtlich und überörtlich überschau baren und greifbaren Strukturen. Genau deswegen braucht es keine Zwangsfusion und auch nicht diese Kreisgebietsreform.
Ich bin dankbar, dass so viele Menschen mitgezogen, so viele Menschen unterschrieben haben, über Parteigrenzen, Berufs gruppen und Altersgruppen hinweg, aus allen Regionen, ein wahrlich breites gesellschaftliches Bündnis, das sich nicht da durch kleinreden lässt, dass Ihnen das nicht gefällt. Es ist wohl tuend zu sehen, dass die Menschen ihre Kommunen liebge wonnen haben. Diesen Wert sollten Sie nicht schlechtreden, sondern das als Signal erkennen.
(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, CDU und des Abgeordneten Galau [AfD] - Zuruf der Abgeordneten Dannenberg [Die LINKE])
Schauen Sie, das löst bei uns ein so positives Gefühl aus, dass wir uns das durch Ihre Rochaden gar nicht vermiesen lassen. Was wurde nicht alles versucht! Unzulässigkeit von Teilen, Verzögerung, Prüfung von Regeln, Zerreden der Inhalte: Wir sind dafür, aber doch nicht so ganz. Dann hieß es: Wir sind doch gesprächsbereit, aber Grundlage des Gespräches ist, an zuerkennen, dass die Reform alternativlos ist.
Wissen Sie, wir lassen uns dadurch die Stimmung nicht vermie sen. Wir stehen zu unserem Änderungsantrag aus dem Innenaus schuss, das hier anzunehmen, und wir stehen dazu, dass die Landkreise Selbstvertrauen brauchen und nicht Ihre Schlechtma cherei und deswegen Unterstützung aus dem Land verdienen.
Wer das genauso sieht, der sollte heute entsprechend stimmen. Ich bitte die Abgeordneten von Rot-Rot nur: Seien Sie ehrlich und stimmen Sie hier so, wie Sie in Ihren Wahlkreisen vorge ben, es zu tun!
Das wird dann immer verbrämt mit „Verantwortung für das ganze Land“. Schauen Sie: Sie kommen Ihrer Verantwortung auch dadurch nach, dass Sie vor Ort dasselbe tun wie hier. Das kritisiert niemand. Ich werfe auch keinem von SPD und Linken vor, dass Sie die Mehrheit Ihrer Fraktion nicht ändern. Aber niemand zwingt Sie als frei gewählter Abgeordneter, hier an ders zu stimmen als in Ihren Kreisen und Stadtverordnetenver sammlungen.
Sollte wider Erwarten die Volksinitiative heute doch abgelehnt werden, wünsche ich uns allen ein fleißiges Sammeln in der zweiten Stufe. BVB/FREIE WÄHLER wird dies mit aller Kraft tun, und wir freuen uns darauf; denn es gibt uns die Chance, Ihrer Welle der Selbstgerechtigkeit eine Flut von Un terschriften entgegenzusetzen, die dokumentiert,
dass diese Zwangsfusion nicht gewollt ist. Deswegen schließe ich: Schöner unsere Städte, Gemeinden und Kreise! - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordnete! Liebe Hauptverwaltungsbeamte und andere Mit glieder der Volksinitiative!
Herr Senftleben, ich habe erwartet, dass, wenn der Chef ans Mikro tritt, mein Papier kaum ausreicht, um alle neuen und wichtigen Argumente mitzuschreiben, um darauf eingehen zu können.