Auch wenn man über diesen Vorstoß nachdenken kann und sollte, bleiben viele Fragen offen. Wie können Datensicherheit und Datenschutzstandards erfüllt werden? Sie haben mit der Signatur durch den neuen Personalausweis noch ein bisschen nachgebessert, aber das war schon sehr gebastelt. Wie kann Missbrauch ausgeschlossen werden? Brauche ich womöglich eine elektronische Signatur? Müssten dann nicht auch Wahlen per Computer möglich sein? Denn wir wissen: Wahlen und Ab stimmungen sind gleichberechtigte Elemente der Volkssouve ränität.
Auch der Vergleich mit der Schweiz, wo ganz andere Daten schutzbestimmungen gelten, hinkt. Wir tun gut daran, endlich die freie Unterschriftensammlung im Land einzuführen. - Zum Entschließungsantrag der CDU-Fraktion werden wir uns ent halten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Frau Nonnemacher hat mir wieder einen Teil meiner Arbeit abgenommen. Vielen Dank dafür.
Lassen Sie mich aber noch einige ergänzende Ausführungen machen. Herr van Raemdonck, Frau Nonnemacher, auch mir ist das kürzlich veröffentlichte Ranking von Mehr Demokratie e. V. bekannt, aber ich kann mir nicht erklären, wie dieses Er gebnis zustande kam. Brandenburg ist gemeinsam mit Meck lenburg-Vorpommern auf dem vorletzten Platz, während sich die Bayern und die Bremer ganz vorn sehen. Meine Damen und Herren, richtig ist, dass die Bayern - das muss man dazusa gen - in zwei Wochen 10 % der Wahlberechtigten zu einer Un terschrift bewegt haben müssen. In Bayern sind also gegenwär tig in zwei Wochen rund 950 000 Unterschriften beizubringen. Bei uns - Frau Nonnemacher sagte es schon - liegt das Quorum sehr viel niedriger. In Brandenburg steht für das Sammeln von 80 000 Unterstützungsunterschriften - das entspricht nicht ein mal 4 % der Stimmberechtigten - ein Zeitraum von sechs Mo naten zur Verfügung. Ein ähnlich niedriges Quorum schreibt, wie Frau Nonnemacher schon sagte, derzeit nur SchleswigHolstein vor. In den anderen Bundesländern liegt das Quorum bei 5 bis 20 % der Wahlberechtigten.
Meine Damen und Herren, der Landtag hat durch eine Novelle zum Volksabstimmungsgesetz im Jahr 2012 die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger, Volksbegehren zu unterstützen, ganz wesentlich erleichtert und erweitert. So wurde insbeson dere die Möglichkeit der brieflichen Unterstützung von Volks begehren geschaffen. Diese Möglichkeit besteht in Bayern, dem Klassenprimus, nicht. Zudem wurde die Eintragungsfrist von damals vier Monaten auf sechs Monate verlängert. Diese Grundsatzentscheidungen haben sich in der Praxis bewährt. Seit Inkrafttreten der Reform im Februar 2012 waren zwei von fünf Volksbegehren erfolgreich. Die beiden erfolgreichen Volksbegehren kamen auf jeweils mehr als 100 000 Eintragun gen. Demgegenüber waren vor der Reform im Jahr 2012 alle sieben Volksbegehren gescheitert. Der Erfolg der Reform ist offensichtlich und das Gesetz der AfD deshalb vollkommen überflüssig.
Ihr Vorschlag, die notwendige Zahl der Unterschriften auf 40 000 zu senken, ist auch unter verfassungsrechtlichen Ge sichtspunkten abzulehnen. Das Quorum würde damit auf 1,9 % der Wahlberechtigten gesenkt. Das demokratische Prinzip ver langt aber, dass sich die Initiatoren eines Volksentscheides erst einmal dafür qualifizieren müssen. Genau diesem Zweck dient das Unterschriftenquorum bei Volksbegehren. Eine Senkung des Quorums auf weniger als 2 % der Wahlberechtigten stünde nicht mit dem übergeordneten verfassungsrechtlichen Erfor dernis der demokratischen Qualifizierung im Einklang. Es sprechen also weder unsere jüngsten Erfahrungen seit 2012 noch sonstige Gründe für eine erneute Änderung der Volksge setzgebung. Ich empfehle daher, den Gesetzentwurf der AfD abzulehnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein paar Worte zum Entschließungsantrag der CDU-Fraktion: Was die Forderung nach einer Eintragung am heimischen Computer angeht, so gibt es derzeit kein elektronisches Wahlsystem, das die vom
Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen erfüllt. Die technischen Anforderungen sind sehr hoch, um das Wahl geheimnis, den Datenschutz, die Authentizität der Stimmbe rechtigten sowie den Schutz vor Manipulation zu gewährleis ten. Allerdings können die Bürger schon jetzt auf elektroni schem Wege die Unterlagen zur brieflichen Unterstützung von Volksbegehren beantragen. Diese seit 2012 bestehende Mög lichkeit wird rege genutzt.
Zur Forderung nach einer schriftlichen Benachrichtigung aller Stimmberechtigten möchte ich sagen: Die kommunalen Ab stimmungsbehörden müssen bei Volksbegehren kein Verzeich nis der Stimmberechtigten führen. Das ist erst in der nächsten Stufe der Volksgesetzgebung, beim Volksentscheid, vorgese hen. Bei einem Volksentscheid werden wie bei Wahlen alle stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger zur Stimmabgabe aufgerufen.
Zur Forderung nach der Aussendung von Abstimmungsbriefen an alle Stimmberechtigten: Selbst bei Parlaments- und Kom munalwahlen werden Briefwahlunterlagen nur auf Antrag zu gesandt. Allen Stimmberechtigten von Amts wegen Briefwahl unterlagen zuzusenden würde zu enormen Mehrkosten führen, die kaum zu rechtfertigen wären. Außerdem könnte das bewir ken, dass die Briefwahl zur Regel und die Urnenwahl zur Aus nahme wird, was wiederum verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen würde.
Es besteht allein schon deshalb kein Grund zur Zusendung von brieflichen Unterlagen an alle Stimmberechtigten, weil bei Volksbegehren die freie Unterschriftensammlung vorgesehen ist. Für die Sammlung sind ausschließlich die Initiatoren ver antwortlich. Die kommunalen Abstimmungsbehörden haben hier keine Mitwirkungsaufgaben. Ich bitte daher, auch den Ent schließungsantrag der CDU-Fraktion abzulehnen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben Bayern mit Branden burg verglichen. Da möchte ich kurz ergänzen: Angesichts der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte ist es schwierig, Bran denburg und Bayern in diesem Zusammenhang miteinander zu vergleichen. Brandenburg hat eine Bevölkerungsdichte von 84 Einwohnern, nein, 84 000 Einwohnern pro Quadratkilome ter - Entschuldigung! - und Bayern von 182.
Herr Innenminister, möchten Sie auf diese Kurzintervention re agieren? - Nein. Das nehmen wir so hin. - Herr Abgeordneter
Zunächst möchte ich mich für die Diskussionsbeiträge bedan ken. Sie waren überwiegend sachlich; manche haben sich Mü he gegeben. Einige Punkte möchte ich klarstellen: Herr Kosan ke, Sie haben behauptet, die AfD halte die direkte Demokratie für demokratischer als die parlamentarische Demokratie. Das ist Unsinn, und das wissen Sie auch.
Ich möchte für das Protokoll klarstellen, dass wir die direkte Demokratie als Ergänzung zur parlamentarischen Demokratie sehen.
Herr Redmann, zu Ihrem Entschließungsantrag: Käme er von uns, würde Frau Nonnemacher, glaube ich, sagen: „Hinge schludert!“ und „Tauschen Sie Ihren Referenten aus!“ - Ich sa ge es nicht so krass. Es ist den Fraktionskollegen überlassen, ob sie dem Antrag zustimmen.
Insgesamt muss ich schon sagen, dass ich dafür wäre, bei Ab stimmungsprozessen mehr digitale Technik einzusetzen. Eini ge Länder nutzen diese Lösung bereits! Vielleicht müsste man etwas Geld investieren, um diese Möglichkeit zu schaffen.
Frau Nonnemacher, Ihre Beiträge sind ja meist durch Sachlich keit gekennzeichnet. Das war auch bei Ihrer Rede zu diesem Thema überwiegend der Fall. Ich will Sie in Ihrer Meinung un terstützen: Das Verbot der freien Unterschriftensammlung ist das größte Problem, das wir in diesem Zusammenhang haben. Das haben wir in diesem Hause noch nicht gelöst. Bedauert habe ich, dass die Linken sich nicht zu Wort gemeldet und Herrn Kosanke vorgeschickt haben.
Im SPD-Programm ist das Thema direkte Demokratie über haupt nicht enthalten. Ich hatte eigentlich erwartet, dass Herr Scharfenberg etwas sagt, weil er ja in dieser Legislaturperiode einen ganz großen Wurf angekündigt hat,
und ich hoffe, dass dieser nicht erst 2019 oder später kommt. Ich bin gespannt, was Sie uns dann vorlegen wollen.
Herr Minister Schröter, Sie haben verfassungsrechtliche Be denken vorgebracht. Das haben wir natürlich noch nicht prüfen können.
Vielleicht können wir uns hierzu noch einmal tiefer gehend un terhalten. Ich kann nur sagen, dass das von uns vorgeschlagene Verhältnis dem in der Schweiz üblichen entspricht. Dort gibt es 5,1 Millionen Wahlberechtigte, und es sind 100 000 Unter schriften erforderlich. In Brandenburg gibt es 1,9 Millionen Wahlberechtigte,
und wir fordern eine Änderung auf 40 000 Unterschriften. Das ist mathematisch ungefähr das Gleiche; das können Sie nach rechnen. Unsere Verfassung unterscheidet sich natürlich von der schweizerischen, aber die Schweiz ist das Vorbild. Das ist gelebte Demokratie, und daran sollten wir uns orientieren.
Ich bedanke mich noch einmal sehr für die Diskussionen. Sie haben genauso reagiert, wie ich das erwartet hatte; meine Pres seerklärung ist schon fertig. Jetzt folgt die Abstimmung.
Damit sind wir am Ende der Aussprache. Die AfD-Fraktion hat zum Gesetzentwurf auf Drucksache 6/5479 namentliche Ab stimmung beantragt.
Mit Ja haben 9 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 67 Abgeord nete, und es gab 2 Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion in der 1. Lesung abgelehnt worden.