Protocol of the Session on November 9, 2016

(Beifall B90/GRÜNE und des Abgeordneten Vida [BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe])

In den letzten Jahren sind die Ladenöffnungszeiten sehr weitge hend liberalisiert und einem veränderten Familienbild und einem flexibilisierten Arbeitsmarkt angepasst worden. Das ist okay. Aber Flexibilität kann nicht immer nur in eine Richtung gehen.

Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuss selbstver ständlich zu, in der Sache haben wir sehr viele Bedenken. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Herr Loehr, bitte.

(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Die Feinde des So zialismus!)

Geschätzte Kollegin Nonnemacher, ich glaube, es liegt hier ein Missverständnis vor. Sie haben in Ihrem Redebeitrag insbeson dere auf die Familienfreundlichkeit abgestellt und dann gesagt, dass jetzt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufiger am Sonntag zur Arbeit gehen müssen. Das sieht der Gesetzentwurf ausdrücklich nicht vor. Deswegen bin ich auch noch einmal nach vorne gegangen, um das klarzustellen. Die Gesamtzahl der verkaufsoffenen Sonntage bleibt bei sechs. Sie können fünf für das gesamte Gemeindegebiet vergeben und dann noch ein mal jeweils einen für bis zu fünf Stadtteile. Ob man davon Ge brauch macht, muss man sehen. Aber der einzelne Arbeitneh mer wird nicht mehr in Anspruch genommen, als er heute in Anspruch genommen werden kann. Diese Klarstellung ist mir wichtig.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Nonnemacher, möchten Sie darauf reagieren? - Bitte.

Herr Kollege Loehr, ich kann Sie wirklich beruhigen: Ich bin durchaus in der Lage den Inhalt dieses Gesetzentwurfs zu be greifen. Ich habe mich im Jahr 2010 schon intensiv mit dem Brandenburgischen Ladenöffnungsgesetz beschäftigt, und ich sage Ihnen: Die Kernaussage heißt: Es kann jetzt bis zu zehn verkaufsoffene Sonntage pro Stadtgebiet geben. Genau das ist der Punkt: Wir weiten aus und dann ist die Frage: Wo ist die Abgrenzung? Wir geben genau dieser stadtteilbezogenen Öff nung, die Potsdam immer haben wollte, nach. Wir hatten durch die Kommunalisierung des Brandenburgischen Ladenöff nungsgesetzes schon die Situation, dass die sechs verkaufsoffe nen Sonntage für die eine Gemeinde galten, die Nachbarge meinde, die vielleicht nur zwei Kilometer entfernt liegt - hier im Speckgürtel ist das der Fall -, macht sechs andere. Jetzt ha ben wir zusätzlich noch eine Regelung, dass man bis zu zehn machen kann. Ich sage Ihnen, das führt dazu, dass im inneren Verflechtungsraum eigentlich das ganze Jahr über geöffnet ist, und das finde ich problematisch.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Wir kommen zum Redebeitrag der Ministerin Golze. Sie spricht für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Diskussion macht deutlich, dass die Debatte zum Ladenöffnungsgesetz auch schon in der Vergangenheit sehr emotional geführt wurde. Das liegt daran, dass sehr unter schiedliche Interessenlagen aufeinandertreffen.

Seit seiner Verabschiedung im Jahr 2006 und seiner Novellie rung im Jahr 2010 hat sich das Brandenburgische Ladenöff nungsgesetz aber, wie ich finde, aus grundsätzlicher Sicht be

währt. Mit diesem Gesetz haben wir bereits heute die Situation, dass die Möglichkeit zur Ladenöffnung an Werktagen quasi unbeschränkt ist und Geschäfte damit theoretisch in 144 von 168 möglichen Wochenstunden ihre Waren anbieten können - natürlich unter der Bedingung, dass die Schutzrechte der Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmer beachtet werden. Es sind also einzig die letzten verbliebenen Tage ohne reguläre Laden öffnungszeiten, also die Sonn- und Feiertage, die immer wie der Diskussionen aufkommen lassen.

Auf der einen Seite wurde und wird insbesondere aus wirt schaftlicher Sicht der Sinn der bestehenden Beschränkungen infrage gestellt und als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Ande rerseits sahen und sehen viele in der Bewahrung dieses einen vom Alltag der übrigen sechs Tage abweichenden Ruhetages ein wichtiges Gut. Das ist eine Situation, die immer wieder er fordert, gut zwischen diesen verschiedenen Positionen abzu wägen.

Bezogen auf Ladenöffnungsmöglichkeiten an Sonn- und Feier tagen muss der besondere verfassungsrechtliche Schutz dieses Tages beachtet werden. Das ist keine Vorgabe, die aus einer be stimmten Parteirichtung kommt, wie es von der AfD vorgetragen wurde, sondern es sind verfassungsrechtliche Grenzen, die sich auch in der Rechtsprechung niederschlagen. In Arti kel 140 Grundgesetz - Frau Muhß hat darauf hingewiesen - ist ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber enthalten. Hier wird ein Mindestniveau zum Schutz der Sonn- und Feiertage festgesetzt. Es wird ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vorgegeben. Dem nach hat die typische werktägliche Geschäftigkeit an Sonn- und Feiertagen zu ruhen.

Je weitreichender die Freigabe der Möglichkeit der Öffnung von Geschäften an Sonn- und Feiertagen formuliert werden soll, umso höher muss das Gewicht der dafür angeführten Sachgründe sein. Hierzu zählen aus gesetzlicher und durch Ur teile ausgeurteilter Sicht eben nicht wirtschaftliche Umsatzin teressen und auch nicht das Erwerbsinteresse potenzieller Kun den. Auch die obergerichtliche Rechtsprechung vertritt nicht nur in Brandenburg eine sehr restriktive Haltung in Bezug auf das Ladenöffnungsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausnahmeregelung in § 5 Abs. 1 des Brandenburgischen Ladenöffnungsgesetzes. Danach dürfen Verkaufsstellen aus Anlass besonderer Ereignisse an jährlich höchstens sechs Sonn- oder Feiertagen in der Zeit von 13 bis 20 Uhr geöffnet sein.

Diese Regelung wurde in der Vergangenheit teilweise so aus gelegt, dass durch Aufteilung des Stadtgebietes eine Ladenöff nung an insgesamt weit mehr als den gesetzlich maximal mög lichen sechs Sonn- und Feiertagen erfolgte. Auch eine unzuläs sig weite Auslegung der „besonderen Ereignisse“ als wesentli che Bedingung für die Ladenöffnung stellte in der Vergangen heit ein sehr großes Problem gerade zwischen Kommunen und Gewerkschaften dar, denn ein besonderes Ereignis macht nach gegebener Rechtsprechung eben nicht nur aus, dass es die regi onalen Einwohnerinnen und Einwohner, sondern dass es auch auswärtige Besucher anzieht - und das nicht nur aufgrund eines schönen Programms der Einzelhändler, sondern es muss ein Ereignis zugrunde liegen, das nicht in der Öffnung der Ver kaufsstellen besteht. „Frühlingserwachen“ oder „Herbstzau ber“ - da gebe ich Ihnen völlig Recht - erwecken eher den Ein druck, dass allein die Öffnung der Geschäfte die Besucher an ziehen soll. Das ist mit dem Feiertagsschutz nicht vereinbar.

Gleichwohl ist es der Landesregierung wichtig, Gewerbetrei benden, aber auch Kommunen entgegenzukommen, wenn es darum geht, soziales, kulturelles Leben und regionale Unter schiedlichkeiten deutlich werden zu lassen sowie Interpretationsspielräume einzugrenzen und eine klare Formulierung im Gesetz zu haben. Ich denke, diesem Anliegen wird der Gesetz entwurf von SPD und Linken gerecht. Hier wird es nun eine Differenzierung zwischen der Möglichkeit der Öffnung von Verkaufsstellen aus besonderem Anlass und aus Anlass beson derer Ereignisse geben.

Ich betone noch einmal: Für die einzelne Verkaufsstelle än dert sich nichts. Sechs bleibt sechs. An mehr als sechs Sonn- und Feiertagen ist eine Verkaufsstelle im Jahr nicht geöffnet. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir keine Interpretations möglichkeiten bei der Auslegung des Ladenöffnungsgesetzes entstehen lassen dürfen. Deshalb bin ich auf die Diskussion im Fachausschuss gespannt, wenn es bereits in der 1. Lesung zu solch unterschiedlichen Interpretationen des Textes kommt. Sie können davon ausgehen, dass „Frühlingserwa chen“ oder „Herbstzauber“ auch weiterhin allenfalls Themen einer Schaufensterdekoration sein sollten. Wir wollen und werden darauf achten, dass die Auslegung hier weiterhin sehr streng erfolgt.

Um die Kommunen dabei zu unterstützen, wird das MASGF prüfen, ob eine entsprechende Verwaltungsvorschrift insbeson dere zu den Begriffen „besonderes Ereignis“ und „regionales Ereignis“ der Gefahr von Interpretationen und nicht gesetzes konformen Auslegungen entgegenwirken kann. Das werden wir entscheiden, wenn wir den abgeschlossenen Text des Ge setzes in den Händen halten. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Damit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Ab stimmung.

Die Fraktionen von SPD und DIE LINKE beantragen die Überweisung des Gesetzentwurfs „Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Ladenöffnungsgesetzes“ auf Drucksache 6/5274 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Ge sundheit, Frauen und Familie. Wer dem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstim men? - Enthaltungen? - Damit ist dem Überweisungsantrag einstimmig gefolgt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungs punkt 8 auf:

Fünftes Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes

Gesetzentwurf

der Fraktion der CDU

Drucksache 6/5284

1. Lesung

Dazu liegt auf Drucksache 6/5413 ein Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und DIE LINKE vor.

Ich eröffne die Aussprache. Es spricht der Abgeordnete Dr. Redmann für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute vor 27 Jah ren fiel die Berliner Mauer. Wir alle haben den Abend dieses Tages wohl recht gut in Erinnerung. Ich war damals neun Jahre alt und durfte länger als gewöhnlich aufbleiben. Die Stimmung in meiner Familie war fröhlich und ausgelassen. Meine älteren Geschwister versuchten erfolglos, meine Eltern dazu zu über reden, noch am gleichen Abend von Wittstock nach Berlin zu fahren.

Für Tausende andere Menschen sind die Erinnerungen an die Mauer weniger banal. Für sie wurde die Berliner Mauer zum persönlichen Schicksalsort - sei es, weil ihnen die Flucht ge lang und sie in Freiheit ein neues Leben beginnen konnten, sei es, weil sie entdeckt und wegen Republikflucht verurteilt wur den und Jahre im Zuchthaus verbrachten, oder sei es gar, weil ihr Leben an der Berliner Mauer ein jähes Ende fand.

Mindestens 140 Menschen wurden nach heutigen Erkenntnis sen an der Mauer ermordet. Erst in diesen Wochen wurden zwei weitere, bislang unbekannte Opfer festgestellt. Manche Quellen gehen von deutlich höheren Zahlen aus. Doch gleich gültig, welche Anzahl die richtige ist, sie vermag nicht zu ver mitteln, welche Schicksale, welches Leid der Opfer, welche Trauer der Familien und Freunde sich dahinter verbergen, die oft noch nicht einmal trauern durften, wenn sie denn überhaupt vom Verbleib ihrer Angehörigen erfuhren.

Einer dieser 140 Ermordeten war Walter Kittel. Er unternimmt in der Nacht vom 17. zum 18. Oktober 1965 den Versuch, aus dem Machtbereich der SED-Diktatur zu fliehen. Gegen 2.45 Uhr gelangt er durch den Garten eines Kleinmachnower Grundstücks - An der Stammbahn 53 - an einen ca. eineinhalb Meter hohen Hinterlandzaun, überwindet ihn, überquert den zum Grenzgebiet gehörenden Postenweg sowie den Kfz-Sperr graben und robbt in Richtung Grenzzaun. Im Abschnitt der Hundetrasse verharrt er. Ein Wachhund nähert sich, wittert je doch nichts - es geht noch einmal gut.

Als er den Fluchtweg fortsetzen will, wird er von zwei Grenz posten entdeckt. Einer der Soldaten gibt Schüsse in Richtung Kittel ab. Dieser sucht Schutz im KFZ-Sperrgraben. Nun kommt der durch eine Leuchtkugel aufmerksam gewordene Kommandeur des Gruppenabschnitts hinzu und übernimmt das Kommando. Er fordert Kittel auf, den Graben zu verlassen. Als dieser die schützende Deckung aufgibt, feuert der Komman deur aus einer Entfernung von etwa 10 Metern 30 Schüsse auf ihn ab - das gesamte Magazin. Walter Kittel wird in Brust und Bauch getroffen, stürzt zu Boden und stirbt unmittelbar vor Ort an mehrfachen Organverletzungen. Der Kommandeur wurde wenige Tage nach der Tat befördert. Die beteiligten Grenzer er hielten eine Uhr. - Walter Kittel wurde 22 Jahre alt.

Meine Damen und Herren! Diese Ereignisse trugen sich kaum 10 Kilometer von diesem Plenarsaal entfernt zu - auf dem Ge biet des heutigen Brandenburg. Leider wird allzu oft verges sen, dass die Berliner Mauer nicht nur Menschen in Ost- und West-Berlin, sondern auch Angehörige, Freunde und Arbeits kollegen in West-Berlin von jenen in Hennigsdorf, Potsdam

oder eben Kleinmachnow trennte. Nicht nur Walter Kittel, son dern zahlreiche weitere Opfer starben auf brandenburgischem Grund, weil sie sich nach Freiheit sehnten.

Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 ist deshalb in besonderem Maße ein Schicksalstag unserer brandenburgi schen Landesgeschichte, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Je länger die DDR zurückliegt, desto freundlicher erscheint sie manchen, sagte kürzlich ein Zeitzeuge, der häufig mit Schülern über DDR-Unrecht spricht, und er berichtet weiter von nicht wenigen Lehrern, die ihm noch immer reserviert bis ablehnend gegenüberstehen, weil sie durch die Thematisierung des SEDUnrechts ihre eigene Biografie entwertet fühlen. Auch in die sem Jahr gab es Ewiggestrige, die selbst am 13. August öffent lich die Mauer als „notwendig für den Erhalt der DDR“ recht fertigten und die verstorbenen Grenzer in den Mittelpunkt des Gedenkens rückten.

Wenn ich erlebe, welchen Anfeindungen der Direktor der Ge denkstätte Berlin-Hohenschönhausen auch heute noch - teil weise von Mitgliedern dieses Hauses - ausgesetzt ist, dann weiß ich, dass auch 27 Jahre nach dem Fall der Mauer die Aus einandersetzung mit dem SED-Unrecht nötig ist.

(Beifall CDU, SPD, AfD, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Aber, meine Damen und Herren, ehrlich gesagt: Es sind nicht die letzten Regungen des von Wolf Biermann so treffend be zeichneten „elenden Rests“, die uns zu diesem Gesetzentwurf bewogen haben. Was uns vielmehr umtreibt, ist die verbreitete Gleichgültigkeit, das zunehmende Desinteresse an der DDR, die heute darum kämpfen muss, überhaupt einen dauerhaften Platz in den deutschen Geschichtsbüchern zu finden. Natürlich ist auch die dürftige Antwort der Landesregierung auf die Fra ge, warum keines ihrer Mitglieder in diesem Jahr an Gedenk veranstaltungen zum 13. August teilgenommen habe, eine Be stätigung dieses Befundes. Die Antwort lautete nämlich lapi dar, es handele sich hierbei ja nur um einen anderen Gedenk- und Aktionstag und eben nicht um einen gesetzlichen.

Meine Damen und Herren! Hatte sich dieser Landtag mit der Enquetekommission 5/1 nicht so viel mehr vorgenommen? Hatten wir nicht erst am 21. Januar dieses Jahres fraktionsüber greifend vereinbart, dass auch der Landtag eine Verantwortung hat, die richtigen Lehren aus dem vor 1989 geschehenen Un recht zu ziehen? An dieser Stelle zitiere ich auch aus dem Koa litionsvertrag, den SPD und DIE LINKE vereinbart haben. Da rin steht:

„Unser Respekt und unsere Zuwendung gelten unvermin dert den Opfern der Diktatur, die Erinnerung an erlittene Repressalien werden wir weiter wach halten.“

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns mit dem vorliegen den Gesetzentwurf einen Beitrag dazu leisten, diesem An spruch gerecht zu werden. Ein gesetzlicher Gedenktag ist not wendig und angemessen, um das Leid der Opfer des SED-Un rechts im Bewusstsein zu halten und nachfolgenden Generatio nen die Lehren zu vermitteln. Schließlich erinnert ein solcher Gedenktag auch uns selbst, die eingegangenen Verpflichtungen

gegenüber den Opfern zu erfüllen. Wenigstens das sind wir ih nen schuldig. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, AfD, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)